wilde perspektiven

wilde perspektiven

Mittwoch, 16. Mai 2018

Funsport ohne Grenzen

Ach, was passieren doch immer wieder für schlimme Dinge im Outback.

Ich weiß nicht, wie oft ich in diesem Blog bereits darauf aufmerksam gemacht habe, dass die Zahl der Menschen in Deutschland und auf diesem Planeten einen kritischen Wert längst überschritten hat.

Und das schon im 17. Jahrhundert!

Mutter Natur mit all ihren Facetten ist die Leidtragende.

Neulich saß ich in meinem Auto und beobachtete das Geschehen in einer Kleipütte am Deich bei Manslagt. Es war ein Sonntag, und entsprechend viele Menschen waren am Wasser unterwegs. 

Den ganz frühen Morgen hatte ich noch am Diekskiel verbracht, doch der Parkplatz dort wird immer mehr zu einem halblegalen Campingplatz mit Wohnmobilen, Zelten und Grillplätzen. Vor allem an Wochenenden und Feiertagen kann man sich den Weg dorthin besser ersparen. Jedes Jahr nimmt die Zahl der Erholungsuchenden zu. Es ist inzwischen zu einer echten Herausforderung geworden, die Büsche am Diekskiel nach Kleinvögeln abzusuchen, weil sie von diesen meist langen weißen Dingern besser abgeschirmt werden als das Innere einer mittelalterlichen Wagenburg. 

Genervt düste ich also zur Kleipütte am Deich. Abermals konnte ich dort einen Trupp Temminckstrandläufer beobachten (13 Ind., vgl. letzten Bericht), darüber hinaus Rotschenkel, Grünschenkel, Knäkenten und viele andere Arten.  Mehrere Säbelschnäbler saßen auf ihren Gelegen. Ein Merlin schoss an mir vorbei, und durch die noch angenehm kühle Luft schaukelte eine geile Rohrweihe.

Die Idylle erschien mir in diesem Moment der Ruhe nahezu perfekt.

Doch dann änderte sich alles!

two ATV bikers were driving through a man made marine clay pit and causing panic among the birds of a mixed colony of different waders. At least one of the few Avocet clutches was destroyed

Zwei Quadfahrer erschienen plötzlich auf der Bildfläche. 

Im Gegensatz zu mir begnügten sie sich nicht damit, den Weg am Rande der Kleientnahmestelle zu befahren. Sie wollten richtig Spaß haben und rollten zunächst im Schritttempo die Böschung hinab. Unten angekommen gaben sie dann alles. 

Ich meine, am Wochenende muss man sich doch auch mal so richtig austoben dürfen.

second

Alle Vögel flogen auf.

Die beiden Jugendlichen fuhren hin und her, und am Ende kam es so, wie es wohl kommen musste. Einer von ihnen plättete mit seinen breiten Reifen eines der wenigen Säbelschnäbler-Gelege. Ich machte Belegaufnahmen, um dann rasch das Weite zu suchen. Abends stellte ich eine der Aufnahmen ins Netz (Ornitho). 

Im Laufe des Tages erreichten mich einige Zuschriften. 

Einhelliger Tenor: Man müsse das Vergehen der Quadfahrer umgehend der Polizei melden. Ich selbst hätte das wahrscheinlich nicht getan, aber dankenswerterweise nahm mir ein zustämdiger Mensch das Projekt "Anzeige" und somit auch die "Drecksarbeit" ab. Er bat mich darum, ihm die Bilder, die ich von den Quads und den Fahrern gemacht hatte, zuzusenden. 

Ob so eine Anzeige überhaupt etwas bringen wird? Ich habe da meine Zweifel.

Ich denke, das ist doch auch ein Fass ohne Boden.

Die Welt ist voll mit Menschen. Alle wollen was erleben. Ständig werden neue Fun- und Outdoor-Sportarten kreiert. Wer cool sein und nicht auf dem Abstellgleis landen will, der muss auf den Zug der Zeit aufspringen. Gerade diesen verfickten Quads begegnet man längst nahezu überall. Und es werden ständig mehr. Wenn sie im Winter durchs Outback fahren, ist mir das eigentlich egal, doch während der Brutzeit eine Kleipütte umzupflügen, ist absolut hohl.

Trotzdem kann und will ich den beiden Jugendlichen bezüglich des Nestplättens nicht einmal Vorsatz unterstellen. Ihnen war wahrscheinlich einfach nicht bewusst, dass es in dieser Pütte am Boden brütende Vögel gab. Dass es überhaupt Bodenbrüter gibt. Solche Menschen sehen die Natur mit zwei blinden Augen. Und wenn sie auch nicht alle mit einem Quad unterwegs sind, so stellen die Natur-Ignoranten doch die Masse der Bevölkerung.

Deshalb befürchte ich für die Zukunft (wieder einmal) Schlimmstes!

Zur Auflockerung gibt es jetzt ein ungewöhnlich gezeichnetes Pferd, das vielleicht zu viel Zeit mit ostfriesischen Milchkühen verbracht hat: 

this strange patterned Horse probably had spent too much time with cattle

Gesehen auf einer Weide zwischen Pilsum und Visquard.

Doch zurück zum eigentlichen Thema: Quads haben mit Sport so viel zu tun wie ein gewitztes Hirn mit einem aufgeweichten Milchbrötchen. "Motorsport" ganz allgemein hat mit Sport nichts zu tun. Motorsport ist nichts anderes als Rumprollen auf etwas höherem Niveau, sofern das überhaupt möglich ist. Gleiches gilt für Pferdesport. Ich meine, das Pferd betätigt sich schon sportlich, aber der Reiter? 

Heute gehen alle ins Fitnessstudio, um noch etwas weiter vom Thema abzuschweifen, als ursprünglich von mir vorgesehen. Sie wollen ihren etwas aus dem Lot geratenen Körper wieder in Form bringen. Mit Sport aber hat auch das nichts zu tun. Und überhaupt: Warum eigentlich fahren all diese Fitnessfans mit dem PKW zum Studio? Eigentlich könnten sie doch auch laufen oder mit dem Fahrrad fahren, wenn sie fit werden wollten, diese Spacken.

Vor ganz vielen Jahren habe ich mal das so genannte Deutsche Sportabzeichen gemacht. Das war damals im emsländischen Haren. Unter anderem musste ich einen 400-Meter-Lauf absolvieren. Eine Runde um den Sportplatz und so weiter. Möglichst in einer Zeit unter einer halben Stunde. Na ja,  es war keine Herausforderung für mich. Heute wäre das wohl anders. Wahrscheinlich würde ich schon nach hundert Metern zusammenbrechen und verzweifelt nach Luft schnappen. 

Nachdem ich seinerzeit schließlich mein Abzeichen in der Tasche hatte, drückte man mir ungefragt eine Stoppuhr in die Hand. Plötzlich hatte ich Macht, Macht über andere, was mir sehr unangenehm war, weil Macht mir grundsätzlich unangenehm ist. Doch dann kam da so eine anabole Arschkrampe auf mich zu, um mir dreist ins Ohr zu flüstern: "Ey, kannste da was machen bei meiner Zeit? Ich packe das wahrscheinlich nicht. Aber ich brauche das Abzeichen für mein Sportstudium."

Unglaublich: diese Chuzpe! Plötzlich gefiel mir die Macht, die ich ausüben konnte.

Den Hals hatte sich der Hühne bereits wegtrainiert, seine Unterarme waren dicker als meine Oberschenkel. Ganz bestimmt hatte dieser Poppeye sein halbes Leben in einem Fitnessstudio verbracht. Wenn so einer nicht fit war, wer dann?

Ich sagte betont freundlich: "Nach so einer langjährigen Fitnessstudio-Karriere bist du doch gar nicht auf meine Hilfe angewiesen, oder?"

Ein weiteres und letztes Mal bettelte er um Gnade, doch ich blieb hart. Ich meine, jeden Anderen hätte ich unterstützt. Jedem zur persönlichen Bestzeit verholfen. Ohne zu zögern und so weiter. Aber diesen aufgepumpten Vollpfosten ließ ich hemmungslos auflaufen. Und tatsächlich bestätigte er meine und auch seine Erwartungshaltung. 

Er scheiterte kläglich. 

Ich hob nur die Schultern: "Vielleicht klappt's ja beim nächsten Mal."

Redshank standing on a perch

Am Rande der dem Diekskiel vorgelagerten Salzwiesen stand am Sonntag dieser Rotschenkel auf einem Schild. 

Ich zu ihm: "Und, gehen dir diese ganzen Radfahrer, Fun- und Outdoorsportler auch gehörig auf den Sack?"

Er trocken: "Meiner Meinung nach seid ihr Vogelgucker die schlimmsten Nervensägen. Nur ihr latscht wirklich überall rum." 

Ich zurück: "Mag sein, aber immerhin wissen wir, wen wir aufscheuchen!"