Donnerstag, 5. Juni 2025

Am Störtebekerkanal

Moin Kinners!

Macht auch ihr euch ab und zu mal sinnvolle Gedanken?

In meinem Fall lässt das nie nach. 

Und sich auch gar nicht verhindern, selbst wenn ich wollte.

In hundert Jahren z. B., das ist so einer meiner ganz sinnvollen Gedanken in den letzten Tagen gewesen, wird von jenen Menschen, die zurzeit den Planeten bevölkern, keiner mehr leben.

Bis auf ganz wenige Ausnahmen kein einziger!

Ihr da draußen seid dann längst Geschichte.

Und ich auch.

Und sogar jene runzligen und kreischenden Würmchen, die erst vor zwei Minuten das Licht dieser Welt erblickt haben, wird es in 100 Jahren größtenteils nicht mehr geben.

Und hundert Jahre sind nichts!

Nur etwa 25 Fußball-Weltmeisterschaften. 

Und jene Zeitgenossen, die in ihrer Überheblichkeit ihr ganzes Leben lang die Existenz Gottes negiert haben, landen in der Hölle, das ist hinlänglich bekannt.  

Ob ihr dazugehört, weiß ich nicht, aber in meinem Fall kann ich mir sicher sein.

Was soll ich schreiben, ich habe es jetzt nicht wirklich eilig, an diesen Ort zu gelangen, aber ich freu' mich auf ihn! 

In der Hölle ist es immer muckelig warm, man kann permanent im T-Shirt rumlaufen. Man muss dort nie frieren, doch Angst vor einer Nachzahlungsforderung der Stadtwerke braucht man trotzdem nicht zu haben.

Oder werden einem die Heizkosten, die in der Hölle entstehen, am Ende doch in Rechnung gestellt? Das wäre natürlich unfair, wie ich finde, denn in der Hölle hat man doch gar keine Kohle mehr. Und wenn man noch welche hätte, wie sollte man sie auf das Konto des Teufels überweisen oder Geld am Automaten ziehen, um es dem Teufel persönlich in die Hand zu drücken? 

Eine Bankkarte aus Kunststoff wäre in der Hölle doch gar nicht überlebensfähig. Sie würde sich auf der Stelle verflüssigen wie ein Stück Butter in der Sonne! Trotzdem: Ist das wirklich alles für lau dort? Ich meine, so ein ewiges Höllenfeuer ist doch sehr wahrscheinlich ganz schön kostenintensiv, und irgendwer muss doch für alles aufkommen ...

Wie ich es auch drehe und wende, ich finde keine plausible Lösung.


Diese Dinge gingen mir durchs Hirn, als ich am 15. Mai 2025 am Störtebekerkanal am ganz frühen Morgen auf meiner Isomatte lag.

In meinem Versteck, das dort auf einer Schlammbank stand:


my hide standing on a mudflat 

Guckt mal, wie bescheiden ich lebe.

Ganz anders die Leute auf der anderen Seite des Deichs. Größer könnte der Unterschied doch wohl kaum sein. Viele Menschen wissen einfach nicht, dass man gar nicht viel zum Leben benötigt, wenn man etwas hat, das einem unendlich viel Freude und Spannung bereitet. Hat man so eine Passion nicht, helfen auch Trillionen auf dem Bankkonto nicht weiter.

Aber das soll in diesem Beitrag nicht das Thema sein.

Schnell noch ein Rätselbild für euch:


a mystery bird for you

Wer ist das?

Auflösung folgt.

 

Nachdem am 13 Mai 2025 auf dem Rysumer Nacken die verfickten Rinder auf die Weide mit dem Wasserloch getrieben worden waren (siehe letzten Bericht), musste ich mich notgedrungen nach einer Alternative umsehen. 

Meine Wahl fiel auf den Störtebekerkanal und seine Schlammbänke bei Neuwesteel.

Eine perfekte Wahl war das aber nicht, doch was soll man tun, wenn es an geeigneten Gewässern mangelt? Und ein paar kleine Erfolge konnte ich an diesem Ort ja auch trotzdem erzielen. 

So gelang es mir, diesen mutmaßlich weiblichen Sandregenpfeifer zu fotografieren:




Common Ringed Plover – this picture I took 20 minutes before sunrise

Etwa eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang und mit einer Zwanzigstelsekunde. 

Das gilt auch für die beiden folgenden Fotos, die, wie ja das da oben auch, wegen der langen Belichtungszeit etwas unscharf und matschig daherkommen. Weil mir aber die Farben so gut gefallen und der etwas unwirkliche Gesamteindruck, der mich spontan an Ölmalerei erinnert, zeige ich sie hier trotzdem. 

Ach, so ein Unsinn! Natürlich habe ich diese drei Bilder gemalt. Ich finde, man sollte nicht zu bescheiden sein.

Der Störtebekerkanal befindet sich unweit der Leybucht. 

Wenn dort das Wasser hoch aufläuft, dann lassen sich ein paar Vögel am Kanal blicken. Doch es sind nie auch nur annähernd so viele wie etwa in den Hauener Pütten, die sich ja auch genau hinterm Deich befinden wie der Störtebekerkanal, und selbst unter vergleichbaren Bedingungen bzgl. des Pegels beider Gewässer bleibt das Vogelleben am letztgenannten Ort stets eher mau.

Derselbe Sandregenpfeifer:





same specimen

Erklären kann ich das aber nicht.  

Die Tatsache, dass das Wasser des Kanals nicht süß, sondern brackig ist, dürfte in dieser Hinsicht jedenfalls keine Rolle spielen. 

Nochmal mein Versteck, aber aus einer anderen Perspektive fotografiert:



my hide from a different angle

Ihr seht, da ist ein Deich zu sehen.

Dieser alte Deich trennt den Kanal von jener Straße, die von Neuwesteel u. a. nach Westermarsch führt. In beiden Fällen handelt es sich um Stadtteile Nordens. Auf der Straße hinterm Deich pulsiert der Wahnsinn, vor allem zu den Ferienzeiten. Auf dieser Straße gibt es dann mehr Verkehr als in Kairo vor 30 Jahren. 

Doch auf der richtigen Seite bleibt es meist angenehm ruhig. 

Das Wasser des Störtebekerkanals ist brackig, wie ich bereits schrieb. Und deshalb wimmelt es in ihm von der geilen Brackwasser-Trogmuschel, die ein Neozoon ist. Wenn das meist trübe Wasser mal den Blick freigibt, dann kann man erkennen, dass der ganze Grund von diesen Biestern übersät ist. In einem der letzten Berichte hatte ich euch dieses Weichtier ja bereits vorgestellt, und obwohl damals der Name Störtebekerkanal nicht gefallen war, hat es sich doch um dasselbe Gewässer gehandelt, denn der Störtebekerkanals heißt ab Greetsiel Leyhörner Sieltief!

Wie niedlich, ein Flussuferläufer:


Common Sandpiper

Der von mir besuchte Teil des Störtebeker Kanals oben vom Deich aus gesehen:



where I have taken most of the pictures shown in ths blog post – the so called Störtebeker Kanal

Hier stand ich unten auf einer der Schlammbänke:


mudflats and reed, when water level is low

Im Hintergrund seht ihr eine Insel, auf der nahezu alljährlich der Eisvogel brütet, weil es dort Steilwände gibt.  

Ich ging weiter Richtung Wasser:


mudflats

Und noch etwas weiter:



same

Mein Versteck, aufgenommen am Abend in der so genannten Blauen Stunde:


my hide after sunset and without bird

Der Störtebeker Kanal beginnt am Siel- und Schöpfwerk des Norder Tiefs.

Und er endet an der Seeschleuse des Leyhörn ("Leysiel"). 

Knappe zwölf Kilometer liegen zwischen diesen beiden Orten. Das Speicherbecken Leyhörn mit seinen zwei Inseln, auf denen viele Vögel brüten und wo sich der großartige Rotfuchs zur Brutzeit dieser Vögel gerne bedient, wenn er mal Schmacht auf flauschige Nestflüchter oder Eier hat, ist Teil desselben Gewässers. Der untere Abschnitt des Störtebeker Kanals, also das Leyhörner Sieltief, wird von den Fischkuttern befahren, wenn sie sich auf ihrem Weg vom historischen Hafen Greetsiels Richtung Watt und Fanggründe befinden. 

So sieht übrigens Nachhaltigkeit aus: 


fishing never can be sustainable

Kleiner Scherz. 

Ein Austernfischer präsentierte mir am 26. Mai in Itzendorf, das ebenfalls ein Teil der Stadt Norden ist, ganz stolz seine Hütte, die er vor möglicher Konkurrenz beschützte, indem er sich einfach draufstellte: 


Oystercatcher

Dieser Kasten, eigentlich für den Turmfalken bestimmt, steht dort direkt neben dem Deich.  

Doch für den bei Touristen so begehrten Seeblick reicht es nicht, denn der Deich ist noch mal ein bisschen höher als der Pfosten, auf dem sich die Hütte befindet. Da sollte ein Preisnachlass schon drin sein, wie ich finde.

Und nein, als Austernfischer brütet man immer noch nicht in Halbhöhlen, es handelt sich hier lediglich um einen Ausguck, von dem aus man die Blagen im Blick behalten kann, wenn die das Nest bereits verlassen haben. 

Austernfischer sind nämlich grundsätzlich Helikoptereltern.

Im wahrsten Wortsinn. 

Ganz in der Nähe befindet sich ein kleiner und vor allem kostenfreier Parkplatz, wie es sie direkt am Deich nur selten gibt in Ostfriesland. Weil man verhindern möchte, dass sich dort lästige Wohnmobile dauerhaft niederlassen, wie das hier in der Krummhörn nahezu überall längst der Fall ist, hat man einfach zwei Betonröhren aufgestellt.

So sah und sieht es auch heute noch aus:




to avoid caravans and illegal camping, which has become more and more a problem here at the coast, they set up this pair of concrete pipes

Als ich diese Begrenzungsteile zum ersten Mal sah, da wusste ich auf der Stelle, dass in ihrem Innern ganz viele Überraschungen auf mich warteten. 

Und ich wurde nicht enttäuscht:


brainless people litter everywhere and everything

Jau, da sind sie wieder, die guten alten Kackbeutel!

Man findet sie überall, weil es eben auch keinen Ort ohne Hunde gibt. Nochmal, ich mag Hunde, aber ihre Besitzer sind zum Teil wirklich richtige Arschlöcher. Und das ist jetzt ausnahmsweise mal eine ernst gemeinte Beleidigung, wie man sie in diesem Blog so gut wie nie vorfinden kann! 

Ihr blöden Brote da draußen.

Jeder Mensch hier an der Küste, egel ob Tourist oder Eingeborener – dazwischen gibt es noch Alternativen wie mich – hat Zugang zu einer Restmülltonne. Und trotzdem findet man überall diesen eingetüteten Dreck. Da kann man wirklich nur noch mit dem Kopf schütteln, zumal niemand hier die Hundeleute dazu auffordert, die Hinterlassenschaften ihrer Vierbeiner einzusammeln. Jedenfalls gibt es an den meisten Orten keine entsprechenden Schilder. Aber wenn sie es machen, dann sollten sie sie auch fachgerecht entsorgen und, falls es vor Ort keine Mülleimer gibt, mit nach Hause nehmen. 

Dieses Thema hat es hier in der Vergangenheit schon so furchtbar oft gegeben, viel öfter als es mir lieb wäre, und es wird es hier auch in Zukunft immer wieder geben müssen, weil Menschen ganz offensichtlich auch ohne Hirn existieren können, ganz entgegen der wissenschaftlichen Lehrmeinung. 

Hirntod und so weiter, ihr kennt das. 

Die Mitarbeiter der Stadt werden nämlich das Vergnügen haben, den ganzen Müll einzusammeln und zu entsorgen. Man könnte sie entlasten, wenn man sich Gedanken machte, doch das wäre im Falle so vieler Hundemenschen schon zu viel verlangt. 

Und wo wir gerade beim Thema Sozialkritik sind: 


not all sheep keapers really care for their animals, this specimen was a walking dead with a Uterine prolapse

Unweit des Störtebekerkanals befindet sich der Seedeich der Leybucht, auf dem diverse Schafherden weiden. 

Wenn ein Wolf auch nur eines dieser Schafe reißen würde, dann wäre hier auf der Stelle die Hölle los, doch wenn ein Schäfer sich kaum oder gar nicht um seine Tiere kümmert, dann ist das nicht weiter schlimm. Dieses Weibchen trottete mit einem so genannten Gebärmuttervorfall über den Deich, also mit einer Erkrankung, die ein sicheres Todesurteil darstellt, wenn sie nicht rechtzeitig erkannt und operiert wird. Rechtzeitig bedeutet: innerhalb der beiden ersten Stunden nach dem Auftreten, wie man mir verklickert hat.

Am folgenden Tag sah ich das hier:



another female with a so called rectal prolabs

Oh Gott, so dachte ich, das arme Tier lebt immer noch und ist bis jetzt vom Schäfer unentdeckt geblieben.

Doch es konnte gar nicht dasselbe Schaf sein, wie ich schnell bemerkte, denn jetzt sah ich, dass es unter einem Darmvorfall litt und nicht unter einem Gebärmuttervorfall. Und darüber hinaus war dieses Tier auch auf einem an den ersten Deichabschnitt angrenzenen und durch einen Zaun abgetrennten Bereich unterwegs.  

Auch nicht normal war das hier: 



what is that?

Doch um was es sich in diesem Fall handelt, ist mir nicht bekannt.

Viele der Tiere dieser beiden Herden, die demselben Schäfer gehören, litten und leiden unter Durchfall und haben ihr Hinterteil komplett eingekotet, einige weitere hinken permanent wie einst Bein-Godik in der Fernsehserie Silas.  

Kurz. Das ist schon so ein richtiges Elend auf dem Deich, und eigentlich möchte man so etwas gar nicht sehen, wenn man durch die Gegend irrt und Vögel guckt. Doch laut Aussage des Schäfers sei es völlig normal, dass zwei Prozent der Tiere einer Herde irgendeine Krankheit haben. Das mag stimmen, ich bin da kompletter Laie, aber sollte man dann nicht trotzdem einen Veterinär kommen lassen? 

Ein Tierarzt kostet Geld, und das Halten von Nutztieren ist in den allermeisten Fällen ein kommerzielles Ding. Man möchte wohl möglichst viel Ertrag aus der Sache rausholen. Und das geht eben nur, wenn man die Kosten senkt. Ich weiß in diesem Fall natürlich nicht, ob ich dem zuständigen Schäfer Absicht unterstellen kann. Vielleicht ist er auch einfach nur blind oder überfordert, zumal er relativ neu in dieser Branche unterwegs ist. Ich bin aber der Meinung, dass man, wenn man Nutztiere hält, jedes dieser Tiere mindestens einmal am Tag genau ansehen und hinsichtlich irgendwelcher Verletzungen oder Kranheiten kontrollieren sollte.

Nutztierhalter werfen Wolfsbefürwortern gerne Tierquälerei vor – man kann das hier überall auf Schildern und Plakaten lesen –, doch tatsächlich sind sie es selbst, die die Tiere oft übelst behandeln. Ich habe da in meinem Leben schon zu viel gesehen, als dass ich noch an das Gute im Nutztierhalter glauben könnte, und mal ehrlich, kein Tier lebt von Natur aus in einem Stall oder auf einer eingezäunten Weide, von einer artgerechten Tierhaltung, wie sie immer wieder ins Feld geführt wird, kann also grundsätzlich nie die Rede sein. Sie existiert nur in der Fantasie jener Menschen, die sich der Natur und allen anderen Arten überlegen fühlen. Wie sie aber auf dieses schmale Brett kommen, wird mir immer ein Rätsel bleiben. Allein der Begriff Nutztier löst schon Erbrechen in mir aus, besagt er doch, dass diese Tiere nur eine Lebensaufgabe haben, nämlich uns Menschen zu dienen. 

Zumindest dem grenzenlos überheblichen Teil der Bevölkerung. 

Ein Rotschenkel eilte am 21. Mai an meinem Versteck vorbei: 




this pretty Redshank was just walking by

Stehen blieb er leider nicht.

Ich meine, er hätte doch wenigstens mal einen Blick über die Schulter nach hinten werfen können, dieser Vollpfosten!

Am 22. Mai tauchte ein anderer, diesmal männlicher Sandregenpfeifer auf der Schlammbank auf:


male Ringed Plover waiting for the perfect wave

Er stand eine ganze Weile im Wasser, das an dieser Stelle so seicht war wie der Verstand vieler Nutztierhalter, und wartete auf die perfekte Welle.

Und während er wartete, summte der Vogel ganz fröhlich ein bekanntes Lied einer deutschen Pop-Rock-Band aus Gießen vor sich hin.

Und dann kam sie auch schon, die Welle:



bathing

Planschen macht einfach Spaß!

Derselbe Vogel hatte irgendwann fertig, um es mit Giovanni Trappatonis Worten zu schreiben:


same

Zusammen mit einem Flussregenpfeifer im Hintergrund:


with Little Ringed Plover in da background

Am 18. Mai hörte ich plötzlich so ein leises, aber permanentes und immer lauter werdendes Schlabbern zu meiner Rechten.

Nur wenig später geriet diese Stockente samt Nachwuchs in mein  Blickfeld:


Mommy with offspring

Neun Küken folgten dieser Mama am Anfang!

Doch mit jedem Tag wurden es weniger. Zuletzt hatte sie all ihre Kinder verloren.

Doch an diesem Tag waren es noch zwei:



same

Wer sie alle aufgegessen hat, muss leider offen bleiben. 

Mal ohne Kinder:


same

Immer aufmerksam, doch gebracht hat es am Ende nichts. 

Ich lege übrigens großen Wert darauf, dass es sich hier um eine echte Stockente handelt und nicht etwa um so ein hohles Siedlungteil, das sich an irgendeinem Dorfteich mit schimmeligem Brot bewerfen lässt. 

Um solche Bilder von so einer echten Stockente schießen zu können, muss man schon verdammt gut getarnt sein, Kinners!

Eine Brandente schlabberte sich auch durch die Pfütze:


Shelduck

Sie blickte nicht einmal auf, hielt nicht an, obwohl meine Kamera doch so laut klickte. 

Derselbe Vogel nahm später ein Bad:





bathing

Fertig:


ready

Ein Löffler putzte sich am Morgen ausgiebig:


Spoonbill

An einem anderen Tag waren es 13 Individuen, die plötzlich über dem Störtebekerkanal auftauchten:


same

Der Störtebekerkanal ist kein gutes Fotorevier.

Und es ist auch nicht das erste Mal gewesen, dass ich es dort versucht habe. Und meist habe ich rasch wieder aufgegeben. Das Problem sind die permanent schwankenden Wasserstände, die nicht selten dafür sorgen, dass mindestens Teile der Schlammbänke geflutet werden.

Als ich dort anlag, um Vögel zu knipsen, hatte es bereits seit Wochen nicht mehr geregnet! Und trotzdem gab es an jedem Tag einen anderen Pegel. Der Störtebekerkanal ist Teil des ostfriesischen Entwässerungssystems. Er befindet sich zwischen dem so genannten Mahlbusen (Absetzbecken) des Norder Tiefs und dem Wattenmeer. Selbst dann, wenn es wochenlang nicht regnet, befördert das Norder Tief natürlich weiterhin Wasser Richtung Mahlbusen, und damit dieser nicht überläuft, muss er das viele Wasser auch wieder loswerden können. Es wird also gesielt oder gepumpt, sodass der Wasserstand im Mahlbusen wieder sinken kann, während er jetzt im Störtebekerkanal ansteigt. Das geht alles vollautomatisch, niemand muss sich kümmern, auch wenn es einen hauptamtlichen Mitarbeiter der Stadt gibt, der direkt am Siel- und Pumpwerk wohnt und sich um die Maschinen kümmert, um diese am Laufen zu halten. 

Nur der Pegel in beiden Gewässern entscheidet darüber, was passiert. Das Wasser im Störtebekerkanal wiederum wird am so genannten und zwölf Kilometer entfernten Leysiel ins Wattenmeer entlassen, doch das geht manchmal nicht, weil starke Westwinde das Wasser in der Emsmündung auch bei Ebbe nicht ablaufen lassen. Und am Leysiel kann nicht gepumpt werden, nur gesielt. Unter solchen Umständen kann es zu einem Wasserstau im Störtebekerkanal kommen, und sein Pegel steigt immer weiter an – eben bis Regen und Wind wieder nachlassen

Das passiert aber eigentlich nur im Winterhalbjahr, wenn es viel Wind und Niederschlag gibt. 

Der niedliche Flussregenpfeifer:


Little Ringed Plover

Am 20. Mai gab es morgens eine richtige Bilderbuchstimmung zu erleben!

Boden- und Wasseroberflächennebel verzauberten die Landschaft. Schon etwa zwei Stunden vor Sonnenaufgang lag ich auf meiner Isomatte. Um mich herum sangen Teich- und vor allem Schilfrohrsänger. Ein Blaukehlchen suchte bereits auf der Schlammbank vor mir nach Nahrung, zwei Löffler schritten nur etwa fünf Meter an mir vorbei. Und im Hintergrund rief permanent der Kuckuck

Irgendwann konnte ich die ersten Bilder schießen:




Common Ringed Plover one more time

Und zwar wieder von einem Sandregenpfeifer.

Doch das Vergnügen währte nicht lang!

Beim Blick durch den Winkelsucher stellte ich fest, dass es immer nebeliger wurde. Doch wenn ich durch den Sehschlitz meines Verstecks sah, war alles nach wie vor klar und sauber. Mir kam da ein Gedanke, weil es an diesem Morgen doch recht frisch war und ich bereits eine beachtliche Zeit auf der Isomatte gelegen hatte. 

Meine Ausrüstung hatte sich inzwischen der niedrigen Umgebungstemperatur angepasst wie eine wechselwarme Waldeidechse im Moor bei Tannenhausen. Und jetzt war eben die Frontlinse meines Objektivs beschlagen, auch deshalb, weil ich vergessen hatte, die Sonnenblende auszuziehen. Es wurde immer schlimmer, nein, es war eine echte Katastrophe, denn da standen gleich neun Flussuferläufer bei schönstem Morgenlicht direkt vor meinem Versteck! Es wäre das erste Mal gewesen, dass ich Gruppenbilder von dieser geilen Art hätte schießen können, doch am Ende gelang mir kein einziges Foto. Ich musste die Linse putzen, wenn ich eine klare Sicht haben wollte, doch beim Versuch, sie langsam ins Innere zu ziehen, flogen alle Vögel auf.  

Und davon.

Was für eine Niederlage!

Waterloo war nichts dagegen. 

Meine Fresse. 

Ich habe mich so sehr über mich selbst geärgert, ihr könnt es euch nicht vorstellen. 

Auf der Stelle verließ ich mein Versteck, um wenigstens noch ein Landschaftsbild schießen zu können:




beautiful morning

Kinners, es hätte eh nichts gebracht, die Linse zu putzen. 

Sie würde auf der Stelle erneut beschlagen. Man muss in so einer Situation "einfach" nur darauf warten, dass mit dem Auftstieg der Sonne die Temperatur ansteigt und das Wasser auf der Linse schließlich verschwindet. Doch wenn es endlich so weit ist, gibt es längst kein hübsches Fotolicht mehr.  

Mist!

Am Ende blieben mir nur die Fußabdrücke der süßen Vögel:



Common Sandpiper's footprints

Nachdem ich zu Fuß eine Runde durchs Gebiet gedreht hatte, kehrte ich zu meinem Tarnzelt zurück:


Common Sandpiper

Und jetzt stand da wieder einer der Vögel vor meinem Versteck.

Dehnübungen:




same

Wenig später tauchte ein zweiter Flussuferläufer auf:


two specimen

Eine weitere Stunde später hörte ich plötzlich die Rufe von mehreren Temminckstrandläufern, die ich wenig später auch entdeckte: 



Temminck's Stint

Immerhin drei von ihnen, es waren fünf, konnte ich auf ein Bild bekommen.  

Ein Grünschenkel, fotografiert an einem anderen Tag und unter einem bedeckten Himmel:


Greenshank

Der fischte erfolgreich in etwas zu großem Abstand vor meinem Versteck:



looking for food

Ihm entging nichts, nicht einmal unter Wasser:



diving goggles were nice

Und wenig später stellte sich auch schon Erfolg ein:


with prey 

Einen Augenblick später kam die Sonne raus: 


same bird with sun

Neben dem ewig schwankenden Wasserstand gibt es noch einen weiteren Grund, warum das Fotografieren am Störtebekerkanal eine echte Herausforderung ist und starke Nerven erfordert:






fishermen are almost everywhere

Allein der BVO (Bezirksfischereiverband Ostfriesland) soll mehr als zehntausend Mitglieder haben!

Und das merkt man, denn wenn man im Outback nur sehr selten auf andere Naturgucker trifft, die Hauener Pütten mal ausgenommen, Angler sieht man an jedem Gewässer und fast an jedem Tag. Der Mann auf dem Bild hat mich aber nicht gestört, er stand in einem Bereich im Wasser, wo ich eh nichts machen konnte.

Doch leider angeln viele dieser Leute auch gerne von den Schlammbänken aus, und dann braucht man seine Fotosachen gar nicht erst auszupacken. Nicht selten lagern diese Naturnutzer auch über Nacht an Ort und Stelle, und gerade die Zeit zwischen Juni und September, wenn viele Limikolen ziehen und es für jemanden wie mich an so einem Ort besonders interessant wäre, steht auch bei vielen Anglern hoch im Kurs. Man kann dann wirklich nichts machen.

So sieht das aus. 

Noch einmal die Sandregenpfeiferin von oben für euch:





Common Ringed Plover

Gaaanz nah:


a portrait

Während sich über einen Zeitraum von mehreren Tagen gerade mal zwei Sandregenpfeifer am Störtebekerkanal gezeigt haben, waren es zur selben Zeit Tausende im nahen Watt:




with Dunlin

Einer vor meinem Versteck reicht aber auch völlig aus:


same

Am 22. Mai 2025 hielt ich mich morgens am Ortsrand von Greetsiel am so genannten Badesee auf. 

Es stürmte aus westlichen Richtungen, fette Wolken zogen über mich hinweg nach Osten. Und man kann nicht behaupten, dass es warm war zu dieser Stunde. 

Plötzlich tauchten wie aus dem Nichts zwei Zwergseeschwalben auf, die über der aufgewühlten Wasserfläche jagten: 


Little Tern is quite regular on the islands off the coast, but a rare visitor on the mainland

Doch nur wenige Minuten später zogen sie Richtung Nord ab.

Es mag unglaublich klingen, aber kaum war ich etwa eineinhalb Stunden später am Störtebekerkanal angekommen, da sah ich auch schon zwei Zwergseeschwalben auf einer der Schlammbänke herumstehen:


same

Ich gehe davon aus, dass es sich im Falle beider Feststellungen um dieselben Individuen gehandelt hat. 

So furchtbar oft sieht man diese kleinste europäische Seeschwalbe nämlich nicht an der Festlandsküste, und meine letzte Beobachtung liegt auch schon einige Jahre zurück.  

Am Jagen: 



hunting

Die Zwergseeschwalbe brütet in Deutschland nahezu ausschließlich auf Inseln in Nord- und Ostsee.

Auch in Ostfriesland!

Einstige Vorkommen im Binnenland an Flüssen und Seen sind längst größtenteils erloschen. Im benachbarten Polen sieht das ganz anders aus; dort sollen auch heute noch hunderte Paare an küstenfernen Gewässern brüten. Der Grund dafür, dass es in unserem Land anders aussieht, ist der Rotfuchs, der den Bogen bei uns seit Jahrhunderten zahlenmäßig volle Kanne überspannt hat und alles auffrisst und zerstört, was nicht niet- und nagelfest ist, weshalb man ihn ja auch völlig zu Recht rücksichtslos verfolgt.  

Merksatz: In Polen gibt es nämlich keine Rotfüchse! Und es gibt dort weder Marderhund noch Steinmarder noch Hermelin noch Mauswiesel noch Wanderratte noch Rabenkrähe und so weiter, um mal so einige weitere heimische Feinde aller Bodenbrüter zu nennen. 

Vielleicht stimmt das aber auch alles gar nicht – auch wenn NABU und Nationalparkverwaltung sowie alle Jagdverbände und viele andere Menschen mit echtem Naturwissen immer und immer wieder so einen Unsinn verbreiten und auch entsprechend handeln –, und tatsächlich sind die Bestände wie bei fast allen anderen Bodenbrütern nur deshalb eingebrochen, weil der bescheuerte Durchschnittsdeutsche ein notorischer Besserwisser ist und der Natur permanent vorschreiben möchte, wie sie die Landschaft zu gestalten habe. 

Schaut euch die armen und verkümmerten Flüsse in unserer geilen Republik doch nur an und werft dann einen Blick hinüber ins Nachbarland, das auch heute noch ein Naturparadies darstellt. Auf der Stelle werdet ihr erkennen, woran es bei uns hapert. 

Falls nicht, ab zum Augenarzt!

Und Rabenkrähen gibt es in Polen übrigens tatsächlich nicht.

Ein Flussuferläufer:


another Common Sandpiper

Auf einem Bein:


break

Und dösend: 


same

Und wieder hellwach:


foraging

Ein anderes Individuum, aufgenommen einige Tage zuvor:


another specimen on a different day

Bei der Gefiederpflege: 


preening

Da war die Sonne aber schon wieder hinter einer Wolke abgtaucht:



same

Und ja, Wiesenpieper gab es auch:


Meadow Pipit

Fazit: Aus den oben genannten Gründen ist der Störtebekerkanal kein wirklich tolles Fotorevier.

Hinzu kommt zu allem Überfluss auch noch der steile Deich, der sich unmittelbar neben dem Kanal erhebt und so das wirklich schöne Morgenlicht hermetisch abschirmt. Und wenn die Scheißsonne schließlich hoch genug aufgestiegen ist und über den Deich hinwegblinzeln kann, dann steht sie längst viel zu hoch am Himmel und sorgt für schlimmstes Licht – für gute Bilder taugt das nicht. 

Ein letzter Flussuferläufer für heute: 



last Common Sandpiper for today

Die letzten Brandenten:


Shelduck

Und schließlich ein Bild fürs Lehrbuch: 


Common Ringed Plover together with his smaller cousin, the Little Ringed Plover

Sieht man nicht oft: Sand- und Flussregenpfeifer nebeneinander auf einem Foto! 

Allerdings bei sehr schlechtem Licht.

So, ihr kleinen Nichtsnutze da draußen, ich hoffe, ich habe euch keinen Schrecken eingejagt mit dem Intro dieses Beitrages. 

Ihr braucht euch nicht in die Hosen zu machen, es gibt gar keine Hölle. Und es gibt auch keinen Himmel. Und natürlich ist auch Gott nur eine Fantasiegestalt, erfunden von Menschen, die es auf Macht und Geld abgesehen hatten und auch heute noch haben.  

Gäbe es einen Gott, dann wäre er allmächtig und benötigte ganz bestimmt keine betroffen dreinblickenden Hochstapler in komischen Klamotten, die vorgeben, ihn hier auf der Erde vertreten und in seinem Namen seine Interessen durchboxen zu müssen.

Notfalls auch mit Gewalt. 

Bestimmt würde Gott, wenn es ihn gäbe, solch überhebliche Gestalten auf der Stelle niederstrecken. Und das wahrscheinlich mit seiner Pumpgun. Und ganz sicher nach dem Genuss eines ofenfrischen Käsebrötchens. Vielleicht würde er auch einfach alle Menschen vom Planeten entfernen – Fehler im System und so weiter –, eben weil sie nur Schaden anrichten und seine wunderbare Schöpfung zerstören. Aber das ist natürlich auch Blödsinn, denn das würde ja bedeuten, dass Gott mit der Erschaffung des Menschen etwas falsch gemacht hätte.

Und ein perfekter Gott macht doch wohl kaum Fehler, oder? 

Wie man es auch dreht und wendet ...

Ich meine, jetzt mal ehrlich.

Darauf ein dreifaches Horrido!


Es war einmal ...

... ein ganz böser Wolf:




my first and until now only Wolf, that I have seen in Germany, showed up on 14th May 2024 at Pilsum

Er suchte das Rotkäppchen – und traf am Deich auf mich.

Pech gehabt!

Einen ausführlichen Bericht über diese Begegnung und über den Wolf in Ostfriesland ganz allgemein findet ihr hier: klick!

Wahrscheinlich dasselbe Individuum war kurz zuvor bei Leer beobachtet und fotografiert worden, und wahrscheinlich derselbe Wolf ist dann einige Tage später auf Norderney in eine Fotofalle getappt. 

Nochmal Pech gehabt!

Am 7. Mai 2025, also fast exakt ein Jahr nach meiner ersten und bislang einzigen Begegnung mit einem Wolf in Deutschland, fand ich auf dem Rysumer Nacken und ganz in der Nähe des Strandes eine 60 Zentimeter lange Kackwurst mitten auf dem Weg.

So sah sie aus:


mystery feces

Voll die Natter, so könnte man meinen, doch in diesem Gebiet gibt es gar keine Schlangen.

Und allein schon wegen ihrer Länge konnte sie nur ein großes Tier ins Outback gepresst haben. 

Vielleicht ein Wolf, so dachte ich. 

Doch bei genauerem Hinsehen und nachdem ich das Teil etwas auseinandergenommen hatte, keimten Zweifel in mir auf:




same

Allein schon wegen der Länge des Teils und seiner Proportionen, aber vor allem auch wegen des Inhaltes, der nämlich nicht nur aus Haaren, sondern auch aus mächtig viel Grünzeug bestand, hielt ich einen Wolf plötzlich nicht mehr für sehr wahrscheinlich. 

Doch es gibt auch andere Meinungen. 

Seht doch selbst:



this thing mainly contained hair and plant material. It was 60 centimeters long and I found it in the middle of a dirt road at so called Rysumer Nacken. Who did this?

All jene, die nicht wissen, was es ist, brauchen mir auch keine Mail zu schreiben. 

Und die, die einen Verdacht haben, ...

Ach, ist doch auch völlig wumpe.

Die Silberweiden auf dem Bild mit dem Wolf hat man ürbigens inzwischen alle gefällt.

Sie sind jetzt schon Geschichte.

Also nicht erst in hundert Jahren.