wilde perspektiven

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Mittwoch, 9. Mai 2018

Neun auf einen Streich

Herrlich, Kinners, es ist wirklich Frühling!

Seit einigen Tagen. 

Eigentlich, so von den Temperaturen her, kommt es mir sogar eher wie Hochsommer vor.

Die geile Natur hat sich inzwischen entsprechend entwickelt. Alles grün, wohin man auch blickt. Und natürlich macht es unter diesen Umständen besonders viel Spaß, draußen zu sein und Vögel zu gucken.

Wenn man ganz früh morgens durch die Marsch fährt oder spaziert, dann stellt man unweigerlich fest, wie häufig hier doch das hübsche Blaukehlchen ist. Der langjährige Lieblingsvogel des äußerst emsigen Emder Naturkundlers Klaus Rettig siedelt hier in hoher Dichte. Aus jedem Graben oder Rapsfeld ertönt sein Gesang. 

Doch viel geiler als dieser ist der witzige Balzflug der Männchen. Ich glaube ja, alle männlichen Blaukehlchen sind besoffen. Die nehmen was, das die Motorik beeinflusst. Mit denen stimmt einfach etwas nicht. 

Vielleicht befinden sie sich aber auch nur in einem länger andauernden Liebesrausch der Extraklasse.

Während man sich z. B. als Baumpieper beim Fluggesang mit einer vergleichsweise simplen Choreografie zufriedengibt, muss man als Blaukehlchen möglichst viele Figuren in eine sehr kurze Strecke einbauen. Sonst zeigen sich die Mädels wenig beeindruckt. Mindestens zehn abrupte Richtungswechsel, eine Gleitstrecke sowie eine kurze Phase des Fallschirmfliegens (gespreiztes Steuer inklusive) müssen absolviert werden, bevor man sich als Blaukehlchen-Kerl unter dem Applaus seiner Angebeteten wieder ins Schilf oder in den Raps stürzen darf. 

Ich muss immer wieder schmunzeln, wenn ich das beobachte. Und ich kann euch sagen, ich habe das schon tausendmal gesehen.

Ein Archivbild, das ein Blaukehlchen vom Rysumer Nacken zeigt:










male Bluethroats are currently everywhere. I really love the crazy mating flight of the males! Picture taken from the archives

Eine Kleientnahmestelle bei Manslagt, unmittelbar am Deich gelegen, bietet im Moment optimale Bedingungen für verschiedene Limikolen.

Neben Rotschenkel, Kiebitz, Flussregenpfeifer und Säbelschnäbler, die dort oder in der weiteren Umgebung brüten, kann man auch immer wieder unterschiedliche nordische Arten feststellen.

Eine Pause auf ihrem Weg in die wohl meist fennoskandischen Brutgebiete machen zurzeit z. B. Grünschenkel, Dunkler Wasserläufer, Bruchwasserläufer sowie seit vier Tagen auch einige Temminckstrandläufer.

Gleich neun Individuen auf einen Streich drängten sich an einem Morgen ins Bild:

May is the best month in spring for Temminck's Stint

Das Foto habe ich vom Weg aus gemacht, weil ich natürlich so wenig stören wollte wie möglich.

Auch auf den Einsatz eines Tarnzeltes verzichtete ich schweren Herzens (aber natürlich aus Überzeugung!) wegen der Brutvögel im Gebiet. Ich meine, nicht jedes mögliche Bild muss auch wirklich gemacht werden.

So sieht ein Temminckstrandläufer im Prachtkleid aus der Nähe aus:


taken from the archives


Am 9. Mai war schließlich nur noch ein Temminckstrandläufer anwesend.

Dafür gab es aber als kleines Extra des Tages einen Zwergstrandläufer (zwischen nordischen Sandregenpfeifern):


a single Little Stint among Ring Plovers
 
Und schnell noch ein Bild vom so süßen Bruchwasserläufer, das ich (mit meiner eigenen Genehmigung) meinem Archiv entmommen habe:

Wood Sandpiper – taken from the archives (May 2012)

Auf der anderen Seite des Deiches, nämlich am Rande der Salzwiesen, standen an einem Morgen Ende April drei Löffler auf einem Erdwall, um ihren Gedanken nachzuhängen oder sich über die besten Nahrungsgebiete auszutauschen:

within few decades Eurasian Spoonbill became a characteristic species in Ostfriesland

Noch vor wenigen Jahrzehnten war dieser stolze Vogel ein sehr seltener Gast in unserer Republik. 

Umso überraschender und schöner ist die Entwicklung, die er in der Zwischenzeit genommen hat. Heute gehört der Löffler zu Ostfriesland wie die nachmittägliche Teezereminie oder der meist schiefe Kirchturm im Zentrum der schnuckeligen Dörfer. Ich muss mir das aber nicht erst in Erinnerung rufen, um mich über eine Begenung mit einem oder gleich mehreren Löfflern zu freuen.

Im Brutgebiet stehen viele Limikolen, u. a. auch Wasserläufer wie dieser Rotschenkel, gerne exponiert auf Zaunpfählen oder anderen Warten:

Redshank standing on a pole and observing his territory

Sie tun das, weil sie so einen sehr guten Überblick über ihr Revier haben und zum Beispiel herannahende Feinde früh erkennen können. Außerhalb der Brutzeit käme es ihnen niemals in den Sinn, sich auf so ein Ausguck zu stellen.

Ein weiblicher Merlin rastete am 29. April am frühen auf einen Acker: 




Merlin resting on a field

Der Vogel hatte zuvor die Straße gequert. Und nur deshalb ist er mir überhaupt aufgefallen. Ich meine, so ein kleiner erdfarbener Falke geht auf einem weiten Acker auch schon mal leicht unter.

Mein allererster Schwarzmilan für Ostfriesland tauchte plötzlich in großer Höhe am Himmel über dem  Moor am Ewigen Meer auf.

Deshalb gibt es nur ein Belegfoto:



record shot of a migrating Black Kite – my very first one since I have moved to Ostfriesland

Auch im Landkreis Osnabrück war mir dieser in weiten Teilen der Republik so gewöhnliche Greifvogel nur ein einziges Mal begegnet!