Samstag, 13. Februar 2021

Endlich Winter

Im letzten Beitrag, liebe Mitmenschen da draußen, hatte ich bereits etwas wirklich Winterliches angekündigt. 

Da konnte ich aber noch nicht ahnen, dass es mehr als nur drei kalte Tage am Stück geben würde. 

Gemeint war nämlich zunächst nur das vorletzte Wochenende und da vor allem der Sonntag, als es hier in Ostfriesland wenigstens für einen Tag so richtig schön frostig war und auch aussah. 

Gaaaanz viiiiel Raureif!

Doch so richtig losgehen mit dem Winter sollte es erst nach einer weiteren, diesmal aber kurzen Phase mit Temperaturen knapp oberhalb des Gefrierpunktes. 

Diesen abermaligen, etwa eine Woche währenden Temperatursturz habe ich mir wohl selbst zu verdanken. Denn zuvor hatte ich so lange rumgejammert, dass der geile Wettergott gar keine andere Möglichkeit mehr sah als einzulenken und endlich für winterliche Verhältnisse zu sorgen.

Der Klügere gibt nach. 

Und der Wettergott ist eben klüger als ich. 

Aber was wisst ihr schon.

Egal, das erste Bild soll gleich den richtigen Eindruck vermitteln:


finally winter after tons of days with so much rain 

Alle Fotos in diesem wieder einmal herausragenden Beitrag sind, falls nicht anders gekennzeichnet, auf dem Rysumer Nacken entstanden.

Am Samstag (30. Januar 2021) gab es nach längerer Zeit endlich mal wieder Frost. Am frühen Morgen schoss ich ein Bild von meinem Tarnzelt auf dem Maisacker, auf dem sich die jetzt noch vier Heidelerchen aufhalten:



my Woodlark hide on a stubble field after a cold night

Später machte ich es mir in meinem Regiesessel am Rande dieses Ackers bequem und beobachtete durchziehende Vögel, während die Heidelerchen in etwa 100 Meter Abstand vor dem Versteck herumlungerten und ab und zu Mehlwürmer aßen. 

Um elf Uhr tauchten plötzlich drei neue Heidelerchen am Himmel auf, die auf dem Acker landeten – allerdings in sehr großer Entfernung. Kurz nach zwölf dann der Hammer: 18 weitere "frische" Heidelerchen kamen im charakteristischen Wellenflug aus Osten angeflogen, nur um sich ebenfalls auf dem Acker niederzulassen. Im Laufe der kommenden Stunde schlossen sich alle 25 Vögel zu einem Trupp zusammen und suchten gemeinsam auf dem Acker nach Nahrung. 

Irgendwann aber zog es "meine" vier Vögel wieder zurück zum Futterplatz, während sich die übrigen Individuen in die Luft schwangen, den diesen Acker begrenzenden Erdwall sowie eine verschilfte Brachfläche überflogen und dann auf einem weiteren Maisacker runtergingen, wo sie sich auch heute noch aufhalten.

Am Sonntag-Morgen lag ich dann bei - 5 Grad Celsius auf meiner Isomatte auf der Lauer. Als die Heidelerchen kurz vor Sonnenaufgang vor meinem Versteck eintrudelten, musste ich schmunzeln.

Alle vier Vögel sahen nämlich so aus: 



well camouflaged Woodlark

Ich gehe davon aus, dass Heidelerchen am Boden schlafen. 

Und da hatte sich doch glatt im Laufe dieser kalten Nacht Raureif auf den Vögeln gebildet. So etwas hatte ich in dieser Ausprägung nie zuvor gesehen, höchstens mal ein vereistes Steuer. Den Heidelerchen machte dieser temporäre Körperschmuck aber überhaupt nichts aus. 

Eher hatte es den Anschein, als hätten sich die Tiere ganz bewusst den neuen winterlichen Gegebenheiten angepasst. Tarnung ist für Vögel, die sich fast ausschließlich am Boden aufhalten, tatsächlich sehr wichtig. Und jetzt verschwammen die Heidelerchen geradezu mit ihrem Lebensraum!

Doch nur wenige Minuten später fielen die Eiskristalle der Sonne zum Opfer:

Und schließlich waren sie ganz verschwunden:


Dieses Beispiel zeigt sehr schön, wie gut Federn isolieren!

Wenn auch nur ein bisschen Körperwärme nach außen entweichen würde, wäre die Bildung von Raureif auf dem Rücken der Vögel erst gar nicht möglich gewesen.  

Besäßen wir so ein hübsches Federkleid, müssten wir nicht die ganzen fossilen Brennstoff-Vorräte des Planeten verballern. Dann säßen wir aufgeplustert in unseren Sesseln vor dem Bildschirm und würden uns ganz entspannt eine Folge von den Fussbroichs oder vom RTL2-Frauentausch ansehen. 

Ganz entspannt deshalb, weil wir uns keine Gedanken über eine mögliche Nachzahlung machen müssten. 

Kuckuck, hier bin ich:





Man sieht sehr schön, wie sich die Farben im Laufe von nur wenigen Minuten zu ihrem Nachteil veränderten an diesem Morgen.

Der Himmel war kristallklar, das Licht so furchtbar grell, wie ich es eigentlich gar nicht mag. Die verfickte Sonne schien wirklich innerhalb kürzester Zeit geradezu senkrecht nach oben zu schießen, nur um mir das Spiel zu verderben.

Viele Bilder konnte ich von den Heidelerchen jedenfalls nicht mehr machen:








Ich schlüpfte aus meinem Versteck, in dem ich etwa eineinhalb Stunden verbracht hatte.

Kalt war mir eigentlich nicht, mein ALDI-Schlafsack hatte schließlich wieder alles gegeben, aber die Blase drückte mächtig. Ich denke, ich werde bald eine größere beantragen müssen. 

Nachdem ich meine acht Sachen zusammengepackt hatte, setzte ich zu einem Rundgang über den Rysumer Nacken an. Die Landschaft sah herrlich aus. 

So wunderschön, dass ich euch daran teilhaben lassen möchte:


my hide after an even colder night



Ist das nicht traumhaft schön?


Doch leider müssen wir hier in Ostfrielsand zu oft auf Raureif verzichten. 

Ich meine, wir sind hier ja auch nicht in Werchojansk oder so.



Oh, eine Kohlmeise:


Great Tit

Und Wacholderdrosseln



Fieldfare

Eine Rotdrossel (links):


Redwing (with Fieldfare)

An diesem Tag sah ich die sich schon seit einigen Wochen in diesen Büschen aufhaltende weibliche Mönchsgrasmücke zum allerletzten Mal. 

Denn es war auch der Tag, an dem die letzten Früchte des Sanddorns von den hungrigen Drosselhorden aufgegessen wurden. Ich hoffe, der kleine Vogel hat sich erfolgreich eine neue Speisekammer erschließen können. 

Das Buschland unmittelbar am Ufer der Emsmündung:


Da inzwischen die ersten Spaziergänger aufgetaucht waren, machte ich auf dem Absatz kehrt und weitere Bilder von der gezuckerten Landschaft, die mich umgab:


Es folgt ein Foto von jenem Acker, auf dem sich seit dem Vortag der größere Heidelerchen-Trupp aufhält:  



Eine Hagebutte, die noch von einem Vogel vernascht werden könnte:


pretty Rose hip

Am Montag fror es auch noch, und am Nachmittag machte ich abermals einen kurzen Abstecher zum Rysumer Nacken. 

Raureif gab es jetzt nicht mehr, dafür aber weitere Heidelerchen!

Ein Trupp aus acht Individuen suchte am Straßenrand zwischen dem Mahlbusen an der Knock und dem Restaurant Strandlust nach Nahrung. Er war mir nur deshalb aufgefallen, weil die Vögel über einen Weidezaun flogen, als ich mit Corsilein in Lichtgeschwindigkeit vorbeiraste. 

Weil ich zuvor die Anwesenheit der anderen Heidelerchen auf den beiden Äckern bestätigt hatte, musste es sich hier also um eine neue Gruppe handeln, die kurz auf der angrenzenden extensiven Weide herumlief und später nach Süden abzog. Diese Weide nenne ich wegen der dort lebenden Großtiere (Heckrinder und so weiter) spaßeshalber immer "Emder Serengeti" oder aber "Emder Olivenhain" wegen der urwüchsigen Silberweiden, die mich stets an Olivenbäume und somit an den Mittelmeerraum erinnern.  

Mein weiterer Weg führte mich ab Campen den Deich entlang. Als auf der Höhe des Parkplatzes am so genannten Diekskiel plötzlich fünf Kleinvögel mit breiten Flügeln und sehr kurzen Schwänzen den wellenförmigen Abflug machten, konnte ich es nicht fassen: schon wieder Heidelerchen!

Dieser Trupp verweilte mindestens bis zum 6. Februar an diesem exponierten Ort. 

Die folgenden Tage glänzten vor allem durch Finsternis und Wärme. 

Bei Hamswehrum entdeckte ich diese Bekassine, die nähmaschinenmäßig im Schlamm stocherte und mich zunächst gar nicht beachtete:


Common Snipe

Erst als ich meinen temperamentvollen, fast schon bockigen Wagen einigermaßen gebändigt und schließlich auch zum Stehen gebracht hatte, hielt sie inne und glotzte mich aus großen Augen an.

Ich grüßte freundlich und sagte: "Sei froh, dass es nicht mehr friert, mein Kind, denn sonst könntest du hier nicht im Schlamm herumstochern."

Das war am 5. Februar.

Da stand uns der "richtige" Winter noch bevor.

Die vielen Kiebitze (Bild unten) und Goldregenpfeifer, die es sich schon seit Dezember um Greetsiel herum so gemütlich gemacht und nicht mehr mit heftigem Frost gerechnet hatten, mussten jedenfalls das Feld räumen. 

Weil das aber jetzt zu weit führen würde, wird es einen zweiten Teil geben. 

Ohne Raureif allerdings, dafür aber wieder mit süßen Heidelerchen und einigen Überraschungsgästen.

Bis dann!


Lapwing in da snow