"Der Stelzenpieper* ist ein sehr scheuer, vorsichtiger Vogel, dem hier auf der freien, kahlen Felsfläche sehr schwer bis in Schussweite beizukommen ist. Einmal aufgescheucht, fliegt er meist hoch eine weite Strecke fort, unvorzügliche weitere Nachstellung ist dann meist nutzlos, da er, wenn er sich verfolgt glaubt, meistentheils gleich ganz von hier fortzieht, oder doch wenigstens zur Düne hinüberfliegt; ..."
Ich weiß nicht, wie lange ich schon den Wunsch gehegt habe, mal einen Spornpieper zu fotografieren.
Richtig zu fotografieren und nicht aus einer Entfernung von 100 Metern.
Dieser Vogel aus dem Osten hat mich seit jeher fasziniert.
Genaugenommen seit dem Tag, als ich das damals brandneue Bestimmungsbuch des schwedischen Ornithologen und Künstlers Lars Jonsson erstmals in meinen Händen hielt, das wegen seiner wirklich naturgetreuen und lebendigen Abbildungen neue Maßstäbe gesetzt hat.
Das muss im Jahr 1994 gewesen sein.
Die Bilder in diesem Naturführer sind so unglaublich akkurat, wie man es zuvor nie gesehen hatte, gerade auch
die vom Spornpieper (siehe unten). Auf einer Liste jener Vogelarten, die ich am liebsten in
Deutschland fotografieren wollte, ordnete ich den Spornpieper auf der Stelle mindestens
in die Top 20 ein, irgendwo zwischen Wüstensteinschmätzer und Grasläufer.
Bis zu meiner ersten Begegnung mit einem Spornpieper sollten aber noch einige Jahre vergehen. Und an Bilder war aus Gründen, die ich im Folgenden auflisten möchte, ohnehin nie zu denken gewesen.
Doch das hat sich in der vergangenen Woche geändert!
Sonst gäbe es den heutigen Bericht ja auch gar nicht.
Doch welche Zutaten benötigt man eigentlich, wenn man einen Spornpieper fotografieren möchte?
Zunächst einmal einen Spornpieper, das ist klar.
Und dann im besten Fall ein Individuum, das mindestens mehrere Tage am Stück stationär am selben Ort verweilt und dort eine möglichst kleine Fläche beackert, denn nur dann kann man so einen Vogel anfüttern und mit Unterstützung eines Tarnzeltes auch fotografieren. An Licht sollte es natürlich auch nicht mangeln, denn wenn es auch tagsüber nicht hell wird, wie es im November bekanntlich durchaus der Fall sein kann, dann bringt es einem nichts, wenn die obigen Bedingungen erfüllt sind.
Meine bisherigen Begegnungen mit dieser asiatischen Vogelart waren aber vor dem Fund eines vergleichsweise kooperativen Spornpiepers in der letzten Woche bei Neuwesteel so ganz anders verlaufen. Keines der Individuen, die ich hier in Ostfriesland zuvor entdeckt hatte, hat sich länger als nur einen Tag am selben Ort aufgehalten, einige sind sogar einfach nur durchgezogen, und von diesen durchziehenden Spornpiepern wiederum habe ich manche nicht einmal gesehen, sondern lediglich gehört.
Und wenn sich doch mal ein Spornpieper ausnahmsweise zum Landen durchgerungen hat, dann war er so unglaublich scheu, dass er schon auf riesige Distanz das Weite gesucht hat, obwohl ich ihn doch nur mit dem Fernglas bestaunen wollte, ohne mich ihm weiter anzunähern.
Immerhin war es mir in den letzten Jahren trotzdem gelungen, drei verschiedene von insgesamt vielleicht zwölf Spornpiepern durch Fotos belegen
zu können. Durch sehr schlechte Bilder allerdings, wie man sie nicht einmal
seinem ärgsten Feind wünscht, doch es gibt da einen Grundsatz in der
Vogelguckerei: Je seltener eine Art hier in Deutschland auftritt, desto
schlechter darf das Foto sein. Unter solchen Umständen ist es eigentlich
nur wichtig, dass man überhaupt erkennen kann, wer auf einem Bild zu
sehen ist.
Das Eingangszitat stammt übrigens von Heinrich Gätke, dem alten Helgoland-Haudegen, Kunstmaler, Feldornithologen und zeitweilig auch Weggefährten Theodor Fontanes, der zwischen 1841 und 1897 auf dem roten Felsen gelebt und gewirkt hat.
In seinem wegweisenden Buch Die Vogelwarte, erschienen im Jahr 1891, beschreibt er das Fluchtverhalten des Spornpiepers sehr passend, wie ich finde.
Da steht der Star des heutigen Beitrages ganz entspannt im Gras:
first year Richard's Pipit, photographed on the dike at Norden-Neuwesteel on 18 November 2025
Der Spornpieper.
Doch der Reihe nach.
Vor wenigen Jahren hielten sich gleich mehrere Spornpieper über Wochen bei Cuxhaven auf. Ich war echt neidisch und wünschte mir einen ähnlichen Fund vor der eigenen Haustür. In der Nähe der Stadt Celle hat ein mutmaßlich schwedischer Beobachter im vergangenen Oktober einen Spornpieper auf einer Pferdekoppel entdeckt, und auch dieser Vogel blieb immerhin gleich fünf Tage an Ort und Stelle. Ein weiterer tat es ihm etwas später in der Nähe von Freiburg gleich.
Es war jetzt nicht etwa so, dass ich wütend vor Neid mit einem Fuß auf den Boden gestampft habe, aber die Frage, warum mir so ein großes Glück partout nicht vergönnt sein wollte, gestattete ich mir schon ein ums andere Mal. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich ja noch nicht ahnen, dass sich mein Wunsch bald erfüllen würde und sich die Vögel bereits auf den Weg gemacht hatten.
Seht:
this specimen kept staying on the dike for five days
Am 16. November 2025 hielt ich mich in der so genannten Westdeichecke und somit unweit des Pilsumer Leuchtturmes auf.
Es blies ein richtig nerviger Wind aus südlichen Richtungen, doch trotz des Dauerrauschens in meinen Ohren hörte ich plötzlich ganz deutlich die Rufe eines Spornpiepers. Erst zwei laute, dann ganz abrupt einen deutlich leiseren. Ich blickte nach allen Richtungen, doch ich konnte den Vogel nicht entdecken. Und deshalb ging ich davon aus, dass er den nahen Deich überflogen haben musste, sodass ich diesen nun mühselig erkletterte.
Nichts war vom Vogel zu sehen auf der anderen Seite; vor mir erstreckten sich die weiten Flächen des NSG Leyhörn. Etwa eine halbe Stunde blieb ich auf dem "Grat" des Deiches stehen, bis ich schließlich aufgab. Aber nur für diesen Tag, denn am folgenden begab ich mich schon am frühen Morgen auf eine Nachsuche.
Erst um 12:56 Uhr wurde ich fündig!
Ganz in der Nähe des Entdeckungsquadratmeters vom Vortag flog der Vogel wieder auf. Und diesmal gelangen mir immerhin einige Belegbilder, weil ich die Kamera bereits wegen eines anderen Vogels in der Hand gehalten hatte. Abermals flüchtete der Spornpieper über den Deich hinweg und ins Leyhörn hinein, und obwohl ich auch diesmal etwa eine Stunde auf seine Rückkehr wartete, ließ sich der Vogel nicht wieder blicken.
Und so entschloss ich mich dazu, mal der anderen Seite der Leybucht einen Besuch abzustatten. Dort hatte ich nämlich nur wenige Tage zuvor gleich fünf Grauammern auf einmal entdeckt, was einen persönlichen Rekord für mich darstellte! Und weil diese linken Biester sich aus dem Staub gemacht hatten, ohne dass ich sie knipsen konnte, wollte ich es auch in ihrem Fall ein zweites Mal versuchen.
An diesem Tag blies der Wind steif aus Nordwest. Immer wieder gingen heftigste Hagel- und Graupelschauer hernieder, sodass ich mich neben einen Bauwagen stellte, der mir den gewünschten Windschutz spendierte.
Auf einem nahen Acker standen viele Goldregenpfeifer herum:
Golden Plover gathering on a field
Und ständig wurden es mehr.
Nachdem ein echter Teraschauer sein Ende gefunden hatte, machte ich mich auf den Weg. Ich ging den Deich entlang und bestieg ihn schließlich etwa auf Höhe des Parkplatzes neben der so genannten Paddel- und Pedalstation des Mahlbusens des Norder Tiefs. Kaum war ich oben angekommen, flog ein Spornpieper vor mir auf! Aber ganz anders als der Vogel von der Westdeichecke landete er schon nach kurzer Strecke wieder auf dem Deich und blieb dort eine ganze Weile seelenruhig stehen.
Und dann lief er los – und auf mich zu!
Da ist sie endlich, so dachte ich, die Chance, auf die ich so unglaublich lange gewartet habe.
Zwischen dem Vogel und mir lagen etwa 100 Meter, und ich schaltete schnell. Ich kramte meine Mehlwürmer aus dem Rucksack hervor und streute sie ins Gras. Genaugenommen platzierte ich sie auf einer Länge von etwa drei Metern quer zur Laufrichtung des Spornpiepers. Wenn er sich weiterhin auf halber Deichhöhe bewegen würde, dann sollte er fündig werden, so meine Idee. Ich eilte auf die andere Seite des Deiches und ging dem Vogel quasi entgegen, freilich ohne dass er mich sehen konnte. Und als ich mir sicher war, mich weit genug in seinem Rücken zu befinden, stieg ich den Deich wieder hinauf.
Und beobachtete von oben das Geschehen.
Es läuft gut, war mein Gedanke, denn der Spornpieper hielt nicht nur die Spur auf der richtigen Höhe, nein, er forcierte jetzt sogar noch sein Tempo. Stop and go, fast wie ein Regenpfeifer. Und wenig später war er angekommen und fündig geworden. Gleich sieben Mehlwürmer aß er hintereinander auf, nur um es sich dann im recht hohen Gras gemütlich zu machen.
Spornpieper im Paradies oder so.
Ich selbst tat jetzt etwas, das ich schon seit über einem Jahr nicht mehr getan hatte. Ich lief zum Wagen und holte sowohl Stativ als auch Spektiv. Eigentlich bin ich ein reiner Fernglasgucker, weil ich überhaupt keine Lust verspüre, so viel Gerümpel mit mir herumzuschleppen, aber die Gelegenheit, einen Spornpieper aus so geringer Distanz mit dem Spektiv zu bestaunen, wollte ich mir nicht entgehen lassen.
So in etwa sah das aus:
same specimen
Bis auf etwa 40 Meter konnte ich mich annähern, ohne dass der Vogel nervös wurde.
Das war wirklich unglaublich!
Und natürlich kribbelte es schon in meinen Fingern. Denn einfach nur gucken, das ist nicht mein Ding. Abermals eilte ich also zum Auto, um mein Tarnzelt zu holen. Ich konnte ja nicht wissen, wie lange der Spornpieper an diesem Ort verweilen würde, also gab es auch keinen Grund zum Zögern.
Etwa zwei Stunden vor Sonnenuntergang baute ich mein Versteck auf; der Spornpieper war zuvor wieder etwa 100 Meter den Deich entlanggeflogen und dort gelandet. Während ich mein Tarnzelt errichtete, passierte etwas Unglaubliches: der Vogel rüttelte plötzlich rufend über mir! Sein Hunger muss wirklich groß gewesen sein, eine plausiblere Erklärung für dieses Verhalten will mir jedenfalls auch heute noch nicht einfallen. Dann flog er wieder weg. Und nachdem ich endlich fertig war, machte sich der Vogel wieder zu Fuß auf den Weg. Das Tarnzelt war neu für ihn, und es stand aus seiner Sicht viel zu nah am Futterplatz.
Kurz: Es sollte bis Sonnenuntergang dauern, bis sich der Spornpieper mit der neuen Situation angefreundet hatte. Schließlich stand er aber wieder genau dort, wo er stehen sollte.
Ganz entspannt.
Weil es inzwischen dunkel geworden war, konnte ich mich auf den Weg nach Hause begeben, ohne Angst haben zu müssen, dass jemand meine Sachen klaut. Ohnehin war an diesem Ort in den letzten Wochen nur wenig losgewesen, denn der Teekabfuhrweg war erneuert, die Straße entlang des Deiches für Radfahrer entsprechend abgesperrt gewesen.
Und wie praktisch war es doch, dass sich der Spornpieper genau jenen Deichabschnitt ausgesucht hatte, der dem Parkplatz, wo mein Auto stand, am nächsten lag. Nur etwa 200 Meter würde ich am kommenden Morgen zurücklegen müssen mit meinem schweren Gepäck, das aus Isomatte, Schlafsack und Fotokram bestand.
Tarnzelt samt Vogel nach dem Aufbau:
my hide with the bird above
Abends ging ich erst gar nicht ins Bett, denn ich wusste, ich würde ohnehin nicht einschlafen können.
Adrenalin selbst in den Fingerspitzen.
Mit jeder Stunde, die in dieser Nacht verging, wurde die Freude größer, und als ich endlich gegen halb sieben in den Wagen stieg, da war sie kaum mehr auszuhalten. Etwa eine Stunde vor Sonnenaufgang lag ich im Versteck auf meiner Isomatte, während um mich herum ein richtig fieser Wind blies.
Kinners, das alles war so unglaublich aufregend!
Zwanzig Minuten vor Sonnenaufgang kam der Spornpieper angelaufen, gerade so, als sei es das Normalste auf dieser Welt.
Dumdidum und so weiter.
Er verschlang einige Mehlwürmer und versteckte sich daraufhin im viel zu hohen Gras:
on early morning
Wenn man verfickte Deichschafe braucht, sind sie nie da!
Nicht ein einziges Bild vom ganzen Vogel sollte mir wegen des grünen Vorhangs gelingen. Die Füße und insbesondere die sehr lange Kralle der Hinterzehe sind auf keinem der Fotos zu sehen. Das war schon ärgerlich. Viel lieber als auf dem Deich hätte ich so einen Vogel auf einer schütter oder gar nicht bewachsenen Fläche fotografiert, vielleicht auf einem Acker oder so, aber genau in diesem Augenblick, also jetzt, da ich das schreibe, stelle ich fest, dass ich angefangen habe, auf sehr hohem Niveau herumzujammern.
Fast der ganze Vogel:
unfortunately the grass on the dike was too tall, so that you can't see the legs and the very long hindclaw, which gave the bird its German name
Aufgemerkt:
especially shape and colouration of the meadian coverts indicate a first year bird. Black centres and narrow white fringes are typical for juvenile birds, but this specimen had already moulted the inner coverts, which show a different (buffy) colouration
Ein Bild fürs Lehrbuch!
Denn dieser Spornpieper sieht eins zu eins aus wie der in Lars Jonssons Bestimmungsbuch, nur spiegelverkehrt. Es ist unglaublich, aber der Künstler hat alle Kennzeichen perfekt herausgearbeitet, die Kopfzeichnung mit ihrem am Ende unauffällig gegabelten Wangenstreif ebenso wie Farbe und Zeichnung der Mittleren Armdecken (MAD), die übrigens aufzeigen, dass es sich um einen Vogel im ersten Kalenderjahr handelt.
Auf dem Bild sind zwei MAD-Generationen erkennbar. Die noch aus dem Jugendkleid stammenden äußeren zeigen schwarze Zentren und davon scharf abgegrenzte schmale und weiße Ränder, die frischen inneren, auf dem Foto etwas durch die Schulterfedern verdeckt, sind warm beige gefärbt.
Einige weitere Fotos vom seltenen Gast:
although the bird stayed there for almost a week, only one of these days the wheather was good enough for photography
Die passende Verbreitungskarte zum Vogel:
distribution of Richard's Pipit in Asia (pink: breeding area, light blue: wintering grounds). Map taken from the beautiful website Xeno canto, where you can listen to and check out almost all bird songs and calls of the world!
Der Spornpiper ist ein Faunenelement Zentral- und Ostasiens.
Er brütet von Ostkasachstan im Westen bis in den Fernen Osten Russlands. Weite Teile Chinas gehören ebenso zum Brutgebiet dieses beeindruckenden Piepers wie auch die gesamte Mongolei. Von dort aus geht es im Herbst nach Indien und Südostasien, wo der Spornpieper überwintert.
In Europa und somit auch in Deutschland ist der Spornpieper kein Ausnahmegast, wie man vielleicht mal geglaubt haben mag, sondern ein regelmäßiger Durchzügler in jahrweise stark schwankender Zahl. Gefunden wird er in Deutschland vor allem entlang der Nordseeküste, doch gelingen auch alljährlich Sichtungen im tiefsten Binnenland. Im Süden Frankreichs, auf der Iberischen Halbinsel und auch in Nordwestafrika überwintern regelmäßig Individuen, und ihre Zahl soll in den letzten Jahren zugenommen haben.
Auch in den Niederlanden und im Vereinigten Königreich ist es in der Vergangenheit zu Überwinterungen einzelner Spornpieper gekommen, wie ja auch in Deutschland (z. B. Cuxhaven).
Gleichwohl können die heutigen Zahlen nicht einmal annähernd mit jenen aus dem 19. Jahrhundert mithalten. Auf Helgoland konnte Heinrich Gätke nicht selten Trupps von 20 bis 50 Vögeln beobachten, an manchen Tagen sollen sich sogar mehrere hundert Spornpieper gleichzeitig auf der Insel aufgehalten haben! Solche Ansammlungen liegen jenseits meiner Vorstellungskraft, denn heute kann man wirklich froh darüber sein, mal einen einzelnen Spornpieper zu finden.
Die meisten Spornpieper werden bei uns in den Monaten September und Oktober entdeckt, doch gibt es auch Augustnachweise und, wie in den hier beschriebenen Fällen, auch etliche aus dem November. Frühjahrsfeststellungen stellen hierzulande dagegen die Ausnahme dar.
Der Spornpieper ist, wie alle anderen Pieper auch, ein Vogel des Offenlandes.
Im Großen und Ganzen gleichen seine Ansprüche an den Lebensraum jenen des hier so häufigen Wiesenpiepers. Zumindest während des Zuges und wohl auch im Winterquartier. Genutzt wird also vor allem Grasland, nass oder trocken, lückig bewachsen oder mit geschlossener Vegetationsdecke. Auch andere offene Flächen, wie etwa Äcker, dürften eine große Rolle für den Spornpieper spielen.
Auch wenn bei Cuxhaven vor einigen Jahren bis zu fünf Spornpieper gleichzeitig anwesend waren, so trifft man hier in Mitteleuropa am ehesten auf Einzelvögel. Und in Ermangelung von Artgenossen schließen sich diese nicht selten anderen Vögeln, meist Wiesen-, Berg- oder Strandpiepern, an. Das habe ich selbst auch schon mehrere Male beobachten können. Doch die beiden in diesem Herbst gefundenen Spornpieper scheinen echte Einzelkämpfer gewesen zu sein, denn obwohl es an beiden Orten nicht an anderen Piepern gemangelt hat, haben sie sich diesen nicht angeschlossen.
Zumindest der Vogel in Neuwesteel ist stets allein unterwegs gewesen.
Immerhin einmal konnte ich aber beobachten, wie er im Flug von einem Wiesenpieper attackiert und eine Weile verfolgt worden ist. Das war der Moment, in dem einem die immense Größe des Vogels – also jedenfalls für einen Pieper – so richtig bewusst geworden ist.
Eine Krickente:
Eurasian Teal
Ebenfalls in der letzten Woche in der Leybucht fotografiert.
Und eine Sumpfohreule im Nebel auf dem Deckwerk bei Manslagt:
Short-eared Owl on a misty day at the beginning of November
Anfang November hielten sich dort über zehn Individuen gleichzeitig auf, doch leider waren sie sehr scheu.
Bekassinen am selben Ort und unter vergleichbaren Bedingungen geknipst:
Common Snipe
Der Spornpieper von Neuwesteel von hinten:
from behind this specimen resembles a Meadow Pipit, if you can't judge its size, or Marilyn Monroe
Die Ähnlichkeit mit einem Wiesenpieper ist durchaus gegeben!
Vor allem auch deshalb, weil der Wind das Flankengefieder des Vogels quasi auf links gedreht hatte wie einst der Luftstrom aus einem U-Bahn-Schacht das Kleid Marilyn Monroes. Während man die Schauspielerin aber trotzdem noch ohne Probleme auf allen Fotos erkennen konnte, wird im Falle des Vogels ein aus dieser unglücklichen Perspektive wichtiges Merkmal unkenntlich gemacht: die ungezeichneten Flanken.
Für jene unter euch, die zu jung sind und Frau Monroe deshalb vielleicht nicht kennen, so sah sie aus:
Marilyn Monroe for comparison, photograph taken through a window and from the archives
Weitere Bilder vom Spornpieper:
on this last image he looks a bit like a Wagtail
Auf dem letzten Bild dieser Reihe sieht der Spornpieper ein bisschen wie eine Stelze aus.
Doch im Feld hatte ich diesen Eindruck nur, wenn der Vogel flog. Seine relative Langschwänzigkeit in Kombination mit der wellenförmigen Flugweise sorgten dann für eine gewisse Ähnlichkeit.
Alle hier gezeigten Fotos, bis auf das mit den Schafen, stammen vom 18. November, obwohl der Vogel bis zum 21. des Monats und somit insgesamt mindestens fünf Tage auf dem Deich bei Neuwesteel blieb. Das Wetter wollte nicht mitspielen. Viel Wind und wenig Licht, ihr kennt das auch. Am letzten Tag seiner Anwesenheit regnete es morgens stundenlang, doch gegen Mittag klarte es endlich auf. Und der bescheuerte Wind war bereits am Vorabend komplett zum Erliegen gekommen.
Morgens hatte ich noch diese Lachmöwe in Norddeich fotografiert:
Black-headed Gull
Anschließend fuhr ich wieder nach Neuwesteel, um nach dem Spornpieper zu schauen.
Der stand immer noch exakt dort, wo ich ihn zwei Tage zuvor hingelotst hatte. Doch inzwischen hatte der Schäfer seine Nutztiere auf denselben Deichabschnitt getrieben, und Deichschafe, das wusstet ihr bestimmt auch noch nicht, mag man als Spornpieper nicht.
Wenn einer der Wollträger gemütlich auf den Asiaten zugetrottet kam – freilich ohne böse Absichten –, dann nahm der auf der Stelle Reißaus. Erst zu Fuß, dann fliegend. Ich konnte das deshalb etliche Male beobachten, weil die Schafe als wenig lernbereite Tiere quasi hin und her liefen, von einem Zaun zum anderen und wieder zurück, obwohl sie doch irgendwann mal hätten checken müssen, dass ihre Weide Grenzen hat.
Aus diesen Beobachtungen resultiert folgender Merksatz: Als Spornpieper ist man wirklich keine Schafstelze.
Der Vogel unter seinen Freunden:
Sheep are not Richard's Pipit's best friends. Many times they flushed the bird
Nach Wochen endlich kein Wind mehr, dafür aber Sonne.
Tolle Fotobedingungen für mich, so könnte man meinen, doch in mir keimte ein ungutes Gefühl auf. Es herrschten nämlich nicht nur für mich großartige Konditionen, sondern auch für den Vogel.
Und tatsächlich lag ich am folgenden Morgen vergeblich auf meiner Isomatte an. Der Spornpieper hatte noch am späten Abend oder im Laufe der Nacht das Gebiet verlassen und seine lange Reise fortgesetzt. Nie hätte ich gedacht, dass Pieper auch bei Dunkelheit ziehen, aber hier könnte das tatsächlich der Fall gewesen sein, sollte der Vogel nicht erst am ganz frühen Morgen und vor dem Frühstück durchgestartet sein, was natürlich auch möglich ist.
Und seine Reise ist vielleicht mal lang!
Um es als Spornpieper bis nach Neuwesteel zu schaffen, muss man mindestens 5000 Kilometer zurücklegen, eventuell, je nach Herkunft, sogar deutlich mehr. Das ist schon eine beachtliche Leistung, wie ich finde. Immerhin muss der Spornpieper so eine Strecke aber nicht in einem hüpfenden und eher lahmarschigen Flug zurücklegen, ist er doch kein Wiesenpieper. Als Spornpieper fliegt man kräftig und recht schnell
Zwei weitere Fotos vom 18. November:
same specimen
Nach diesem Shooting machte ich mich auf den Weg zur Westdeichecke.
Ich war mir eigentlich sicher, zwei verschiedene Spornpieper entdeckt zu haben, allein schon wegen des unterschiedlichen Verhaltens beider Vögel und der recht großen Distanz zwischen den Entdeckungsorten, doch es kann nie schaden, alles genau unter die Lupe zu nehmen.
Und ich hatte Glück, denn der zuerst entdeckte Vogel stand wieder auf dem Deich herum und rief eifrig! Eigentlich sollen Spornpieper nur im Flug rufen, auch Heinrich Gätke beschreibt das in seinem Buch, doch hier wurde ich eines Besseren belehrt. Irgendwie schien der Vogel empört zu sein, doch was ihn da in Rage versetzte, konnte ich nicht herausfinden.
Und wenig später flog er wieder ins Leyhörn.
Egal, so dachte ich, aus dir hätte eh nichts werden können, du blöder Vogel. Ein nicht ganz so scheuer Spornpieper in der Westdeichecke ließe sich nämlich kaum brauchbar fotografieren, weil dort immer so unglaublich viel Trubel herrscht, selbst im November. Alle paar Minuten taucht entweder ein Fußgänger auf oder ein E-Biker und wenn es ganz blöd läuft, auch schon mal ein Auto. An so einem Ort braucht man gar nicht erst ein Tarnzelt aufzubauen, das hätte keinen Sinn.
Mein kleines Versteck aus größerer Entfernung:
where all this happened last week
Noch mehr Fotos:

same
Hier schaute der Spornpieper etwas verträumt überfliegenden Nonnengänsen hinterher:
watching Geese
Kinners, ein wirklich langgehegter Wunsch ist endlich für mich in Erfüllung gegangen!
Dass ich tatsächlich mal einen Spornpieper so nah vor meine Linse bekommen würde, habe ich zwar immer gehofft, aber nicht wirklich erwartet. Erwarten kann man so etwas auch gar nicht, höchstens auf Helgoland. Und ich will ehrlich sein, so richtig glauben kann ich auch heute noch nicht, dass ich all das wirklich erlebt habe, wären da nicht die vielen Bilder, die ich auf dem Deich der Leybucht bei Norden-Neuwesteel geschossen habe ...
Und letzte Fotos für heute:
first year Richard's Pipit
Ich bin ein glücklicher Mensch und war es auch schon vor diesem Spornpieper.
Trotzdem ist da fotomäßig noch Luft nach oben.
Ob ich aber noch einmal in diesem Leben die Gelegenheit bekommen werde, diesen wunderbaren Vogel hier in Ostfriesland zu fotografieren, muss offen bleiben. Vielleicht muss man sich etwas nur lang genug wünschen und vielleicht sogar ein bisschen quengeln, damit es in Erfüllung geht.
Beide Spornpieper dürften inzwischen ihr Winterquartier erreicht haben, wo auch immer dieses liegen mag.
Und das war's schon wieder für heute.
Und auf Wüstensteinschmätzer und Grasläufer werde ich weiter geduldig warten.
* Im 19. Jahrhundert nannte man den Spornpieper noch Richardspieper oder eben Stelzenpieper.
Es war einmal ...
... ein Bergpieper:
Water Pipit is Richard's Pipit's cousin and a regular winter visitor from mountainous regions (non-breeding plumage)
Fotografiert habe ich ihn am 5. März 2023 auf einem Acker neben einem Wirtschaftsweg bei Manslagt.
Der Vogel war relativ zutraulig, doch natürlich entstand auch dieses Foto mit Unterstützung eines Verstecks.
Der Bergpieper als einer der vielen Cousins des Spornpiepers ist ein gar nicht mal so seltener und alljährlicher Wintergast in Ostfriesland. Finden kann man ihn auf feuchten Wiesen und Äckern, wenn man nach ihm fahndet.
Der Vogel auf dem Bild da oben trägt das Schlichtkleid.
Im Prachtkleid sieht man zumindest als männlicher Bergpieper ganz anders aus:
another specimen (male), but in breeding plumage
Schluss für heute.












































