Freitag, 18. Mai 2012

Von Steinschmätzern und einer geheimnisvollen Botschaft am Strand

Steinschmätzer kann man zurzeit ausgiebig an der Knock bewundern. Bereits seit einigen Tagen halten sich dort mehrere Individuen auf, darauf wartend, dass der starke Wind aus Nordwest nachlässt. Denn dann können sie endlich ihren Zug in die Brutgebiete fortsetzen. Gestern (17.05.2012) konnte ich dort ein Männchen fotografieren, für ein Weibchen hat es leider nicht mehr gereicht. Kurz nach Sonnenaufgang sah das so aus:

Von allen Steinschmätzer-Arten, und es gibt eine ganze Reihe davon, hat diese nicht nur das nördlichste, sondern auch das mit Abstand größte Verbreitungsgebiet (s.u.):

Bei diesen ersten beiden Bildern hatte sich noch eine Wolke vor die Sonne geschoben, die dann aber verschwand (allerdings mag ich es, wenn die Sonne nicht komplett durchkommt, weil die Farben dann neutraler und die Lichtreflexionen auf den Augen so schön sind):


Da stand er nun also in seiner ganzen Pracht und ließ sich bereitwillig fotografieren:

Steinschmätzer sind Vögel des Offen- bzw Ödlandes, wo sie bei der Nahrungssuche sehr viel auf dem Boden, der nicht zu dicht bewachsen sein sollte, umherhüpfen. Auf dem Zug rasten sie nicht selten auch auf Äckern. Perfekt aber sind eher lückig bewachsene Trockenrasen mit kleinen Erhebungen (z.B. Steine), die sie als Aussichtswarte nutzen.

Meines Wissens brüten Steinschmätzer in Ostfriesland ausschließlich auf den Inseln, doch auch in Emden soll es in der Vergangenheit hin und wieder Brutverdacht gegeben haben. Im Landkreis Osnabrück ist mir nur ein Brutplatz bekannt, das Venner Moor, wo die Vögel ihre Nester zwischen den zum Trocknen aufgeschichteten Torfballen errichten.


Hier mal ausnahmsweise von vorn fotografiert:

Alljährlich verrichten diese Vögel, die kaum größer als ein Rotkehlchen sind, zweimal im Jahr eine herausragende Leistung, nämlich dann, wenn sie zwischen den Brut- und den Überwinterungsgebieten pendeln. Das Verbreitungsgebiet dieser hübschen Art reicht von Nordostkanada und Grönland im Westen bis nach Tschukotka und Westalaska im Osten. Der Clou: Nahezu alle diese Populationen verbringen den Winter in Afrika südlich der Sahara! Brutvögel Alaskas ziehen zunächst tausende Kilometer nach Westen, um dann (grob skizziert) nach Südwest zu schwenken und über die Arabische Halbinsel Afrika zu erreichen. 

Noch großartiger ist die Leistung der kanadischen Steinschmätzer und jener von Grönland, die alljährlich den Nordatlantik überqueren müssen, um nach Afrika zu gelangen. Im Gegensatz zu Wat- und Wasservögeln aber können sie sich keine Pause auf dem Wasser erlauben, denn das wäre natürlich ihr sicherer Tod. Und so müssen sie entweder nonstop fliegen oder aber über Island und die Britischen Inseln.

Wenn man also das nächste Mal einen Steinschmätzer sieht, jetzt, Mitte Mai, dann muss man sich das mal vor Augen führen. Mir jedenfalls ringt das gehörigen Respekt ab!


So sah das hier in den vergangenen Tagen aus: Wind und Wellen (inzwischen hat der Wind auf Ost gedreht):

Unter diesen rauen Umständen kann auch schon mal was an den Strand gespült werden. Unter anderem gab es die Überreste eines Schweinswals am Emsstrand zu sehen (sah aus wie Eisbein), darüber hinaus auch noch das hier:


Eine Flasche ist jetzt auch nicht so furchtbar ungewöhnlich, doch wenn man genau hinsieht, erkennt man, dass sich etwas darin befindet. Es war unglaublich, aber es handelte sich doch tatsächlich um Flaschenpost! Das gibt es wirklich! Da war ich jetzt aber elektrisiert. Woher mochte sie stammen? USA, Großbritannien (nur in solchen Dimensionen pflege ich zu denken)? Okay, die Niederlande wären auch schon nicht schlecht, allerdings vielleicht nicht gerade das auf der anderen Seite des Flusses liegende Delfzijl, denn dann wären es nur vier Kilometer, die die Pulle zurückgelegt hätte. Es knisterte in der Luft, als ich den Verschluss öffnete, und siehe da, es handelte sich um eine Nachricht vom achten Kontinent: Borkum!

Ich nehme mir das Recht heraus, ausnahmsweise gegen das Postgeheimnis zu verstoßen:

Ich zitiere: "Ich bin gespannt, wo sie landet und wer mir hoffentlich antwortet!" Nicht schlecht, das Ausrufezeichen! Wer seiner Bitte so viel Nachdruck verleiht, der besitzt so etwas wie Autorität. Das ist ja schon fast eine Drohung. Und das mit sechs Jahren ;-)

Gefunden habe ich die Nachricht am 16. Mai. Über Bord geworfen wurde sie von Maximilian am elften. Vier Tage hat sie also gebraucht, um den Emsstrand an der Knock zu erreichen. Und es war auch eine Menge Glück im Spiel, denn wäre sie in den weiten Salzwiesen gestrandet, hätte sie wohl nie eine Seele entdeckt. 

Zum Brief: Junge, weißt du denn nicht, dass man als Normalsterblicher die Meere nicht zumüllen darf? Das geht grundsätzlich nur im industriellen Stil. Und wieso kannst du als Sechsjähriger schon so schön schreiben? Wenn das mal kein Fake ist, das Ganze. Ghostwriter und so weiter. Man weiß ja inzwischen, dass sogar ältere Menschen andere für sich schreiben lassen. Ganze Doktorarbeiten!

Von Wind und Wellen kreiert. Einfach schön:

Jau, ich setzte meinen Weg dann fort, um am Ende des Strandes noch weitere Gäste aus dem hohen Norden zu entdecken. Pfuhlschnepfen und Steinwälzer tummelten sich im Watt:

Nach meiner Rückkehr zum Auto dann das letzte Foto des Tages:

Diese beiden Nilgänse lungern schon seit einigen Tagen auf dem Rasen vor dem Gassco-Gelände herum.

Im Rahmen eines längeren und abschließenden Spazierganges durch die Flächen auf dem Rysumer Nacken sah und hörte ich dann noch die für mich ersten Sumpfrohrsänger in diesem Jahr sowie den ersten Gelbspötter. Am Nachmittag dann begegnete ich vier Temminckstrandläufern sowie einem adulten Seeadler in Emden-Larrelt. Letzterer stand auf einer Schlammbank und trank ausgiebig, während er permanent von zwei Rohrweihen attackiert wurde.

Fazit: Es war ein schöner Tag!

Und weil ich damit aufgewachsen bin, jetzt zum Tod der großartigen Donna Summer: On the Radio!