Donnerstag, 21. Mai 2015

Steinschmätzer (Teil 2001)

Na, habt ihr euch schon gefragt, wo der Steinschmätzer in diesem Frühjahr bleibt?

Hier ist er!

In jedem Jahr fotografiere ich diesen Vogel mindestens zweimal. Einmal auf dem Heimzug, wenn die Steinschmätzer ihr Prachtkleid tragen, und eben auch einmal auf dem Wegzug, wenn man vor allem Individuen im ersten Kalenderjahr antrifft.

In Emden-Wybelsum kann man zur richtigen Zeit im Jahr auch schon mal kleinere Gruppen dieses Vogels locker vergesellschaftet vorfinden. Ebenso oft aber ist der Steinschmätzer während des Zuges ein Eigenbrötler, der sich auf seiner Reise nach Norden ganz allein durchschlägt.

Es folgen Bilder von einem Weibchen, das ich vor wenigen Tagen an der Knock fotografieren konnte. Ich meine noch den Staub der afrikanischen Savanne, wo der Vogel wahrscheinlich den Winter verbracht hat, auf dem Gefieder erkennen zu können:






female Northern Wheatear (all images show the same individual). This species does not breed in Emden, but is a common bird on migration from end of March to mid June

Steinschmätzer brüten in Ostfriesland ausschließlich auf den Inseln. Wenn sie sich während des Zuges auch schon mal anspruchslos zeigen und auf Äckern und in Wiesengelände rasten, so legen sie die Messlatte im Brutgebiet deutlich höher.

Die Ostfriesischen Inseln bieten diesem Bewohner von unbewirtschaftetem und offenem Gelände nach wie vor hervorragende Bedingungen, während es auf dem Kontinent eher düster ausschaut, weil dort eben jeder Quadratzentimeter kultiviert wird. Und das mag dieser Vogel nicht so gern.



Weil der Steinschmätzer ein riesiges Areal bewohnt, das sich von Ostkanada über Grönland und Skandinavien sowie Sibirien bis nach Westalaska im Osten erstreckt, ist er einer jener Vögel mit einer besonders langen Heimzugperiode. In Ostfriesland kann man ihn auch abseits der Inselvorkommen von Ende März bis weit in den Juni hinein beobachten. Vor allem an der Wasserkante.

Leicht kann es da zu Fehldeutungen kommen, wenn an mehreren aufeinanderfolgenden Kontrollen, mit mehrtägigen Unterbrechungen dazwischen, immer wieder Steinschmätzer am selben Ort festgestellt werden. Schnell entsteht dann auf dem Zettel ein Revier, das tatsächlich gar nicht existiert.

Irgendwo habe ich in diesem Zusammenhang auch mal gelesen, es habe in der jüngeren Vergangenheit Bruten in Salzwiesen (bei Norddeich) gegeben, aber ich kann das einfach nicht glauben, weil ich es mir nicht vorstellen kann. Was für Höhlen soll der Steinschmätzer denn da genutzt haben?  Gibt es da Fotos von Futter tragenden Individuen?

Egal, wer mir eine Brut auf dem ostfriesischen Kontinent präsentieren kann, der bekommt von mir eine Palette Karlsquell für lau, falls es dieses geile Bier, das gerne auch als ALDIs Rache bezeichnet wird, noch geben sollte.








Immer wieder wird behauptet, es sei bei dieser Art schwierig, Brutvögel sicher von Durchzüglern abzugrenzen. Meiner Meinung nach ist das aber falsch, gehört der Steinschmätzer doch zu jenen Vogelarten, die ihren Gesang ausschließlich im Brutgebiet vortragen. Und das dann oft auch noch im Flug, was man wirklich nicht übersehen und überhören kann!

Auf dem Flugplatz Achmer bei Bramsche sowie im angrenzenden Hasetal (Landkreis Osnabrück) habe ich bis heute bestimmt tausend heimziehende Steinschmätzer beobachtet, doch kein einziger von ihnen hat gesungen. Und entsprechend habe ich dort auch nie eine Brut nachweisen können.

Alle Individuen dort verhielten sich stets wie klassische Durchzügler und suchten entweder nach Nahrung oder aber sie standen einfach nur unbeteiligt herum. In selteneren Fällen wurden aber auch Höhlen wie Kaninchenbaue oder Zwischenräume in Steinhaufen kontrolliert (auch an der Knock), die die Vögel allerdings auch auf dem Zug als Schlafplatz nutzen.

Im Venner Moor (ebenfalls Landkreis Osnabrück) ist der Steinschmätzer sowohl Brutvogel als auch Durchzügler. Die ansässigen Männchen verhalten sich sehr auffällig, weil sie eben permanent ihren knirschenden Gesang vortragen und sich auch schon mal mit Reviernachbarn kabbeln. Rastende Männchen hingegen beteiligen sich nicht an dieser Show.

Zum Trocknen aufgeschichtete Torfballen auf weiten und beinahe wüstengleichen Frästorfflächen bieten dem Steinschmätzer dort übrigens die zum Brüten notwendigen Höhlen und Nischen.





Es gibt Vogelarten (z. B. Laubsänger, Rohrsänger und Grasmücken, aber auch Ammern), die im Gegensatz zum Steinschmätzer auch während des Zuges eifrig singen.

Wenn ich am Campener Leuchtturm einen singenden Waldlaubsänger höre (schon zweimal erlebt), dann weiß ich, es ist nur ein Gastvogel, weil Waldlaubsänger sich nicht mit vier Bäumen und einem Leuchtturm als Brutstandort zufriedengeben. Singt aber ein Durchzügler im Ihlower Forst, ist es schon deutlich schwieriger, ihn als solchen einzuordnen, weil die Art dort eben auch brütet.

Doch beim hier und heute vorgestellten Steinschmätzer ist das eben anders. Die Männchen lassen auf dem Zug lediglich einen sehr leisen Plaudergesang ertönen, den man aber nur aus einer Distanz von unter einem Meter wahrnehmen kann. Und das wiederum klappt natürlich nur, wenn man sich versteckt.

So sieht ein plaudersingender männlicher Steinschmätzer aus:

male (taken from the archives)

Man kann das als ein zaghaftes Training betrachten, als eine vorsichtige Einstimmung auf die Brutsaison.

Trifft man also an mehreren Begehungen desselben Gebietes immer wieder auf Steinschmätzer, dann handelt es sich in aller Regel um immer neue Individuen, die dort einen Zwischenstopp einlegen. Die einen verlassen das Gebiet und ziehen weiter, andere rücken nach.

Ein Kommen und Gehen eben.

Trotzdem konnte ich in der Vergangenheit anhand meiner kleinen Steinschmätzer-Dressuren auch schon längeres Verweilen einzelner Vögel feststellen. Das hier gezeigte Weibchen zum Beispiel hat es sage und schreibe zwei komplette Wochen an der Knock ausgehalten. Zwei Wochen mit Schietwedder, mit viel Regen und Wind und mit zahllosen Rauchschwalben, die auf dem Rysumer Nacken ausschließlich nach Südwest zogen.

Und das im Frühjahr!

Es ist bekannt, dass viele Vögel ihre lange Reise während einer Schlechtwetter-Periode auch schon mal für längere Zeit unterbrechen, doch natürlich müssen viele Langstreckenzieher auch im Normalfall immer wieder Pausen einlegen, um die Fettreserven für die kommende Etappe wieder aufzufüllen.

Hier nochmal das obige prächtige Männchen aus dem vergangenen Jahr:

Wenn man genau hinsieht, dann erkennt man eine Farbverteilung, die jener des Raubwürgers überraschend ähnelt! Doch ist das nicht der Grund dafür, dass ich den Steinschmätzer so mag. Ganz allgemein habe ich nämlich eine Schwäche für all die Ödlandbewohner, die in unseren modernen Zeiten und in unserem modernen Staat kein Bein mehr an den Boden bekommen.

Das betrifft Pflanzen wie Tiere.

Ein weiteres Bild desselben Vogels, seinerzeit aufgenommen an einem nebligen Morgen auf dem Rysumer Nacken, direkt neben dem Gassco-Gelände:

Noch mehr hübsche Bilder von diesem hübschen Steinschmätzer-Mann gibt es hier: klick! 


Ebenfalls an der Knock sonnte sich diese Listspinne auf dem Blatt eines Löwenzahn, obwohl es bedeckt war:

Nursery Web Spider

Sie ist der Ferrari unter den heimischen Spinnen, wenn man sich ihre gestreckte und schlanke Gestalt so ansieht. Wirklich schnell ist die Listspinne aber nicht. Man soll sie aber dafür nahezu überall finden können, weil sie sowohl in Wiesen als auch in Mooren vorkommt und weil sie sowohl am Boden als auch in Baumkronen leben kann.

Letzteres kann ich nicht überprüfen. Die Zeiten. in denen ich auf Bäume geklettert bin, sind vorbei.

Die Männchen dieser Art überbringen den Spinnenfrauen im Rahmen der Balz ein Geschenk, ein eingepacktes Insekt, um sich bei ihnen etwas einzuschleimen, weil sie im Grunde natürlich nur das Eine wollen. Man kann das mit einem Strauß roter Rosen vergleichen, den etwas einfältige Männer ihrer Angebeteten überreichen. Ist zwar transparent wie Plexiglas, funktioniert aber trotzdem. Und wenn es zielführend ist, dann heiligt der Zweck eben die bescheidenen Mittel.


Diese männliche Nordische Schafstelze am Mittelhaus hielt sich für einen Laubsänger. Sie turnte die ganze Zeit in einer Eiche herum und fing dort nach Fliegenschnäppermanier sogar kleine Insekten, während die Kollegen artspezifisch zwischen den Beinen von Großhuftieren nach aufgescheuchten Flugobjekten schnappten:

this Grey-headed Wagtail behaved like a warbler and kept staying and foraged in this tree, while her colleagues were running for food on a pasture nearby


Dieses Kuckuck-Weibchen der seltenen roten Morphe stand auf einem Zaunpfosten im Wybelsumer Polder und flog immer wieder auf den Boden, um kleine Beutetiere aufzunehmen:



record shot of a female Cuckoo (red morph)

Meist handelte es sich dabei um Regenwürmer. Beim Kuckuck kann man das deshalb gut erkennen, weil er seine Beutetiere immer für einen Augenblick mit der Schnabelspitze festhält und erst dann hinunterschluckt.

Und diese Bachstelze machte dem Steinschmätzer immer wieder die Mehlwürmer streitig, ohne eine echte Chance zu haben:

White Wagtail

Guck doch bitte mal in die Kamera:


Na also, es geht doch!

Bachstelzen sind immer sehr hibbelig und stehen nie still.

Entsprechend viele unscharfe Bilder sammeln sich auf der Speicherkarte an.

Doch hier gibt's schnell noch ein scharfes:

Mein Tarnzelt an der Knock:

my hide

Grundsätzlich möchte ich  immer gerne wissen, wohin es die Vögel am Ende ihrer Reise zieht. Doch man kann sie leider nicht befragen. Zumindest aber geben sie keine Antworten. Das ist wirklich schade, denn im Falle des Steinschmätzers wäre es besonders interessant, weil der doch ein so riesiges Areal bewohnt.

So käme bei dem gezeigten Weibchen Grönland ebenso infrage wie Südschweden oder Nordnorwegen. Ein Gebiet östlich des Ural kann man aber auch nicht komplett ausschließen.

Man weiß es eben nicht.

Doch eines ist gewiss: Um einen Vogel von den Ostfriesischen Inseln kann es sich hier nicht handeln. Denn ähnlich wie bei anderen Singvögeln wie zum Beispiel der oben gezeigten Nordischen Schafstelze sind Individuen, die erst im Mai oder später bei uns auftreten, eher nordischen Ursprungs.

Liebe Steinschmätzer, hängt euch doch bitte mal ein kleines Kärtchen um den Hals, auf dem euer Zielort notiert ist. Ihr würdet mir damit eine große Freude machen. Und das wollt ihr doch bestimmt auch, oder?


Nochmal die Frau, die sich so lange an der Knock aufgehalten hat:











Im Regen:


Im abendlichen und nicht zu harten Gegenlicht (rechts Kleiner Storchschnabel):

Und schließlich in Graustufen, weil ich den für diesen Beitrag vorgesehenen Farbvorrat bereits aufgebraucht habe:

Das letzte Bild zeigt einen Rotfuchs, den ich aus dem Wagen heraus knipsen konnte. 

Er ruhte im Windschatten an einer Grabenböschung in Wybelsum und ließ sich nicht ein bisschen durch mich stören.

Erst nach einer ganzen Weile und tausend Fotos, die alle gleich aussehen, verschwand er im dichten Gebüsch:


Red Fox resting on afternoon

Es gibt wohl kaum ein Tier, über das so viel Müll erzählt und das so rücksichtslos verfolgt wird. 

Ich wünschte diesem Fuchs deshalb Glück, viele leckere Fasanen-Gelege und alles erdenklich Gute.

Er wird es brauchen können!