wilde perspektiven

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Samstag, 23. Juli 2016

Eisvogel

Oh, wie schön, werden jetzt vielleicht einige Menschen, die diese Seite besuchen, denken, es gibt Eisvogel.

Stimmt, bestätige ich, und viele bunte Bilder gibt es gratis dazu.

Aber zunächst soll es an dieser Stelle um die wirklich wichtigen Dinge gehen. Um Dinge, über die in nahezu allen Medien berichtet wird. Im Radio ebenso wie auf der GMX-Startseite. Eigentlich geht es um eine ganz bestimmte Meldung, die mich einfach umgehauen hat. Vielleicht war es sogar die Meldung der vergangenen Woche: Justin Bieber konnte seine New Yorker Wohnung verlassen, ohne dass Tausende Teenies in Ohnmacht fielen!

Was war passiert?

Irgendein neues Computerspiel muss das Licht dieser Welt erblickt haben. Pokémon go oder so. Alle (jungen) Menschen waren so sehr mit dieser neuen Herausforderung beschäftigt, dass sie Herrn Bieber einfach nicht mehr beachteten. Unglaublich, die Geschichte. Und es soll sogar ein Belegvideo geben. In der heutigen Zeit gibt es nämlich von allen und allem ein Belegvideo.

Doch wo soll das noch hinführen?

Selbst wenn eines Tages der hausgemachte Weltuntergang nahen würde, bekäme ihn keine Sau mit, weil alle nur noch auf ihre Smartphones starren und dieses Spiel spielen oder wenigstens unglaublich wichtige Nachrichten erwarten oder versenden, per Twitter oder Facebook.


So, nach der lästigen Pflicht folgt jetzt die Kür.

Das ist ein Eisvogel*:

likely an adult male – in summer 2016 Common Kingfisher is almost abundant in Ostfriesland for two reasons: the offspring of the first breed has already fledged and population hasn't experienced a heavy loss by strong and cold winter for several years. Currently I encounter this pretty bird at any kind of water body such as canals, ditches, ponds, lakes, and even bogs. All these images were taken at one single location within a bog near Aurich, where these guys were hunting exclusively for Ninespine Stickleback. At least three different specimens are shown!


In der Vergangenheit habe ich ihn schon oft fotografiert.

Allerdings entstanden die meisten und bis zu diesem Beitrag auch besten Bilder im Landkreis Osnabrück und noch zu analogen Zeiten. Dias interessieren mich aber nicht mehr. Ich meine, wer schaut sich heute noch so etwas an?

Seit meinem Wechsel ins digitale Zeitalter und nach meinem Umzug nach Ostfriesland jedenfalls ist es mir nur zweimal vergönnt gewesen, diesen bunten Fischliebhaber vor die Kamera zu bekommen. Jeweils einmal im längsten Wald der Welt bei Aurich-Plaggenburg und am Reiherschloot im Ihlower Forst.

Die Resultate waren allerdings in beiden Fällen enttäuschend.

In den vergangenen Wochen begegnete ich dieser Art nahezu überall. Wenn ich mich am Wasser aufhielt, tauchte der Eisvogel früher oder später auch auf. An den vielen Kanälen in Emden ebenso wie im Hafen von Greetsiel, am Mahlbusen in Dornumersiel, am Großen Meer, am Ems-Jade-Kanal und vor allem im Moor bei Tannenhausen.

Dort sollte es schließlich keine große Herausforderung mehr sein, ihn nicht nur zu beobachten, sondern auch Bilder von ihm zu bekommen: 

Denn an einer bestimmten Stelle, am Ufer einer gefluteten Abtorfungsfläche, stand er wirklich immer, wenn ich dort auftauchte, auf einem in den Boden gerammten rostigen Gleisstück der einstigen Torfbahn und schaute aufs Wasser. Anfangs bemerkte ich ihn immer erst, wenn er rufend abflog, doch irgendwann fiel selbst mir auf, dass er stets nach nur wenigen Minuten an diesen Ort zurückkehrte.

Dachte ich zumindest.

So sah die Blänke an einem diesigen Tag kurz nach Sonnenaufgang aus:

the lovely place in the bog, where I've taken all the pictures of different Kingfishers and other creatures shown in this blog post. In the foreground my hide and different perches  

Ich hielt das für sehr ungewöhnlich, denn eine solch enge Bindung an einen bestimmten Fangplatz hatte ich beim Eisvogel noch nie gesehen. Zumindest dann nicht, wenn die Gewässer eisfrei waren. In der Vergangenheit war es immer so gewesen, dass die Sitzwarten auch im Erfolgsfall nach einigen Minuten gewechselt wurden. Irgendwie spulen Eisvögel im Tagesverlauf ihr Programm ab und steuern einen Lieblingsplatz nach dem anderen an. Vielleicht sogar immer dieselben. Lange hielten sie es jedenfalls nie auf ein und derselben Warte aus. Und oft kehrten sie sogar erst nach zwei Stunden wieder zurück.

Wenn überhaupt.

Um ihnen den Aufenthalt vorm Versteck schmackhafter zu machen, bot ich den Vögeln vor vielen Jahren am so genannten Verteilerbauwerk in Bramsche-Hesepe sogar einen ganzen Schwarm kleiner Fische an, der in einer geräumigen Wäschewanne geduldig darauf wartete, erbeutet zu werden.

Doch auch diese großartige Idee sollte nur vorübergehend den gewünschten Erfolg bringen. Zwar kehrten gleich zwei Eisvögel im Wechsel immer wieder zu mir zurück, doch steuerten sie statt der fotogenen Warten relativ schnell direkt den Rand der Wanne an, obwohl dieser nahezu bündig mit der Wasseroberfläche abschloss. Eisvogel auf Plastikwanne, das war und ist jetzt nicht so der Burner, obwohl die Wanne grün war und gut mit dem Federkleid des Vogels harmonierte.

Hier im Moor brauchte ich mir solche Umstände nicht zu machen. Das Nahrungsangebot in der Blänke scheint nie zu versiegen. Ich bot lediglich weitere, etwas natürlicher aussehende Sitzgelegenheiten an und baute mein Tarnzelt auf.

young specimen with Ninespine Stickleback

Wegen seiner Farbenpracht ist der Eisvogel eines der begehrtesten Fotomotive unter Naturfotografen. Und weil es nicht allzu schwierig ist, ihn zu überlisten, auch einer der meistfotografierten Vögel Europas. Das Netz ist voll mit Bildern von dieser schillernden Art. Darunter auch viele spektakuläre: Eisvogel kopfüber stehend in der Luft, Eisvogel eintauchend mit aufspritzendem Wasser, Eisvogel auftauchend mit aufspritzendem Wasser und Fisch im Schnabel, Eisvogel im Glück mit gleich zwei Fischen im Schnabel und Eisvogel im Pech als Beute des Sperbers und so weiter.

Ich bin da gar nicht so anspruchsvoll.  Eisvogel auf Warte, das reicht mir. Mit oder ohne Fisch.

Viel spannender war es für mich, herauszufinden, wen genau der Eisvogel im Moor erbeutet. Können, so fragte ich mich, allein Insektenlarven ihn so sehr an diesen einen Ort fesseln? Oder gibt es etwa auch im Berumerfehner Moor Fische, von denen bis heute noch kein Schwein weiß? Wenn im Collrunger Moor Neunstachlige Stichlinge leben, dann vielleicht auch hier, so dachte ich abschließend.

Jetzt bloß nicht loslassen:

same

Ich musste nicht lange auf die Bestätigung warten. Tatsächlich, da zappelte ein Fisch im Schnabel, eben ein Neunstachliger Stichling.

Der Eisvogel hatte also vor meinen Augen den Nachweis erbracht und mir die Arbeit abgenommen.

Dasselbe wahrscheinliche Männchen, aber ohne Beute:

same

Zusätzlich zu den Stichlingen wurden auch die Larven von Kleinlibellen erbeutet.

Nochmal das Männchen:

same

same

Auf dieses junge Männchen und ein ebenfalls junges Weibchen konnte ich mich an allen Fototagen verlassen. Ein weiteres junges Männchen tauchte nur sporadisch auf, manchmal aber gleichzeitig mit dem ersten, ein adultes sogar nur ein einziges Mal am ganz frühen Morgen, als es einfach noch zu dunkel war. Es hatte knallrote Füße ohne jegliches Grau oder Schwarz, und seine blaue Oberseite leuchtete trotz des mangelnden Lichts geradezu unglaublich schrill.

Ein adultes Weibchen zeigte sich immer erst dann, wenn die Sonne bereits zu hoch am Himmel stand. Hat man jedoch einmal mit der Dämmerungsfotografie angefangen und sich an die schönen Farben gewöhnt, will man Aufnahmen bei grellem Sonnenlicht einfach nicht mehr akzeptieren.

Jetzt das zweite junge Männchen mit einem deutlich größeren Stichling:

next

Woher ich weiß, dass es nicht der erste Vogel war? Der stand nur einen Meter entfernt auf einem anderen Zweig und blickte ganz neidisch drein.


Kleine Fische wurden oft einfach so verschlungen, doch mit diesem fetten Brocken hat der Vogel dann leider schnell eine andere, bodennahe Warte angesteuert, die ich nicht komplett einsehen konnte. Dort hat er den Fisch erst einmal eine halbe Ewigkeit bearbeitet und gegen die Unterlage geschlagen. Ich hörte immer nur so ein trockenes Geräusch: flopp, flopp, flopp...

Schließlich hat er ihn hinuntergeschlungen und sich ausgiebig geputzt.

Wenig später ein weiterer Versuch, den nicht enden wollenden Hunger zu stillen:

same with vegan food instead of fish ;-)

Doch Fisch war aus, es gab nur noch was von der Salat-Theke!


Der Eisvogel schwirrte beleidigt ab, und ein Blaukehlchen nutzte die Gunst der Sekunde und stellte sich auf den frei gewordenen Aussichtspunkt:


male Bluethroat pretended to be a Kingfisher

Wahrscheinlich hielt es sich für einen Eisvogel.

Farblich passte es ja auch ganz gut, doch das Blau befand sich natürlich an der falschen Stelle. Und einen Köpper wollte das Blaukehlchen partout auch nicht machen. Eine ganze Weile stand der Vogel da herum und  blickte nach allen Richtungen, bevor er wieder im Birkengebüsch verschwand.

Merksatz: Blaukehlchen kommen niemals ans Futterhaus!


Der Eisvogel hat unglaublich gute Augen!

Das Wasser kann so trübe wie Gülle oder alter Kaffee sein, er ist trotzdem beim Fischen erfolgreich. Auch Wellenschlag schränkt seine Sicht nicht ein. Ich meine, habt ihr mal versucht, das Leben unter Wasser zu beobachten, wenn sich die Oberfläche bei Wind auch nur ganz leicht kräuselt? Dem Eisvogel macht sogar stärkerer Wellengang nichts aus. Und wenn beides zusammenkommt, trübes Wasser und Wellenschlag – auch kein Problem.

Wie er das hinbekommt, wird wohl für immer sein Geheimnis bleiben.

Das Weibchen von ganz oben, aber an einem anderen Tag fotografiert:

fourth specimen (young female)

Auch ein blauer Rücken kann entzücken:

same

Als Eisvogel ist man streng territorial und bekommt auf der Stelle Pickel, wenn man auch nur an Artgenossen denkt. Im Falle eines Aufeinandertreffens zweier Individuen geht es dann auch entsprechend rasant zu. Nur während der Brutzeit, die von März bis weit in den Sommer reicht, arrangiert man sich und duldet einen Partner und später auch eine Weile den eigenen Nachwuchs in seiner Nähe.

Das muss natürlich auch so sein, denn sonst gäbe es längst keine Eisvögel mehr.

Dass es zurzeit so viele sind, liegt vor allem daran, dass die erste Brut bereits flügge ist. Frisch ausgeflogene Eisvögel sah ich schon Ende Juni am Großen Meer, wenig später folgten welche am Ems-Jade-Kanal bei Brockzetel. Weil wir seit einigen Jahren auch keine kalten Winter mehr gehabt haben und die Verluste unter den ostfriesischen Eisvögeln kaum ins Gewicht fielen, darf man den Bestand in diesem Sommer ohne schlechtes Gewissen als gesättigt bezeichnen.

Mehr Eisvögel kann es hier wohl nicht geben.


same 

Oben hatte ich ja bereits geschrieben, dass mehrere Individuen an der Eisvogel-Show im Moor beteiligt waren.

Und das ist auch des Rätsels Lösung!

Ein Vogel verschwindet, ein anderer taucht wenig später auf. Sie gaben sich dort an der Moorblänke die Klinke in die Hand. Weil ich die Vögel zuvor nur aus großer Distanz gesehen hatte, war mir gar nicht aufgefallen, dass es sich um gleich mehrere Individuen gehandelt hat.

Insgesamt waren es mindestens fünf Vögel. Oft standen zwei Eisvögel gleichzeitig vor meinem Tarnzelt, ganz einträchtig und lieb, weshalb ich davon ausgehe, dass es sich um Blutsverwandtschaft handelte. Stets waren es dann die beiden jungen Männchen, deren strenge Territorialität noch nicht ausgebildet war. 

Dieses Weibchen aber war immer allein und hasste Gesellschaft abgrundtief:
































same

Viele Menschen meinen, der Eisvogel sei eine Seltenheit.

Das stimmt nur dann, wenn ein strenger Winter mit lange andauernder Eisbildung einen großen Teil des Bestandes (z. T. über 90 Prozent!) dahinrafft. Wenn die Vögel keinen Zugang mehr zu ihrer Nahrung haben, verhungern sie einfach.

Doch auch gegen diese immensen Ausfälle hat sich Mutter Natur etwas einfallen lassen. Der Eisvogel brütet einfach mehrere Male im Jahr. Gleichzeitig besteht jede dieser Bruten aus mindestens fünf Jungvögeln. Oft sind es sogar deutlich mehr. Deshalb kommt da am Ende des Sommers ordentlich was zusammen. Auch wenn die Sterblichkeit junger und noch unerfahrener Eisvögel recht hoch ist, bleiben unterm Strich ausreichend Individuen übrig, die den nächsten Frühling erleben.

Natürlich kann der Eisvogel niemals so häufig sein wie etwa Buchfink oder Amsel, aber im Rahmen seiner Möglichkeiten, die letztendlich vom Vorhandensein von Gewässern und der Reviergröße bestimmt werden, hat er sein Limit zurzeit voll ausgeschöpft. Hat man einen Gartenteich, muss man jederzeit mit seinem Auftreten rechnen. Und natürlich auch mit seiner Rückkehr, wenn das Nahrungsangebot stimmt und er den Teich in guter Erinnerung behalten hat.


Eine kleine Bildergeschichte, die illustrieren soll, wie die Jagd des Eisvogels in der Regel abläuft:

1. Zunächst steht er entspannt auf seinem Ansitz und tut so, als interessiere ihn das Leben da unten im Wasser überhaupt nicht:

chilling Kingfisher

2. Fische sind nicht so helle. Sie fallen auf den harmlos wirkenden Vogel herein und tollen im Wasser herum, obwohl sie besser beraten wären, sich gar nicht zu rühren, ja, nicht einmal zu atmen. Der Eisvogel entdeckt sie natürlich sofort. Jetzt zeigt er sein wahres Gesicht und nimmt einen von ihnen ins Visier:

same bird found a fish 

3. Nach erfolgreichem Stoßtauchen zappelt der Stichling im Schnabel – zusammen mit etwas Torfmoos. Nur ein paar Sekunden vorher wäre der Fisch nie auf die Idee gekommen, wenig später im Magen eines Vogels zu enden:

lucky Kingfisher caught a Stickleback and additionally some sphagnum (salad for nothing)

4. So schnell kann's gehen, wenn das Leben ein Arschloch ist!


Kennt ihr die Geschichte vom leckeren Rotfederchen und dem bösen Eisvogel?

Es ist eine Geschichte, die man sich unter Fischen schon seit Jahrtausenden erzählt.

Und so in etwa geht sie:

Hinterlistig verkleidete sich der Eisvogel als Rotfederchens Großmutter. Als er an die Tür klopfte, lief ihm schon das Wasser im Schnabel zusammen.

"Wer ist da?" hörte er eine zarte Mädchenstimme.

"Deine Omma", gab der Eisvogel dem leckeren Rotfederchen zu verstehen. 

Die Tür öffnete sich einen Spalt breit und das leckere Rotfederchen starrte dem nur notdürftig verkleideten Eisvogel misstrauisch ins Gesicht.

Dann senkte es für eine ganze Weile den Blick und hob die Brauen.

Es fragte mit unverhohlener Abneigung: "Großmutter, seit wann hast du rot lackierte Vogelfüße?"

Das Gewand des Eisvogels war zu kurz geraten und jetzt lugten die Füße tatsächlich verräterisch hervor. Gott, bin ich dämlich, dachte er, wie konnte mir das passieren. Das nächste Mal werde ich jemanden damit beauftragen, der sich damit auskennt. 

Um sich seinen Ärger über sich selbst nicht anmerken zu lassen, antwortete der Eisvogel einfach kurz und knapp: "Halt dein Maul!"

Ein Meister der großen Worte war er nicht. 

"Großmutter, deine Augen sind viel zu groß und schwarz!" ließ sich das leckere Rotfederchen nicht einschüchtern.

"Ich helf' dir gleich", gab der Eisvogel barsch zurück, "du bist mit deinen bescheuerten Fragen ja schlimmer wie meine Mutter!"

"Als meine Mutter, also deine Mutter, muss es richtig heißen", lachte das leckere Rotfederchen den Eisvogel jetzt ein bisschen aus, um dann noch einen nachzulegen: "Und irgendwie, Om-ma (bitte genau so lesen, mit einer kurzen Atempause), erscheint mir dein Schnabel auch viel zu lang und groß. Täuscht mich mein Eindruck?"

Dem Eisvogel riss jetzt endgültig der Geduldsfaden. Er schrie wie von Sinnen: "Damit ich dich besser... "

"Du langweilst mich", gab das leckere Rotfederchen schnell zurück und knallte die Tür mit einem lauten Rumms zu.


Na, Kinners, war das ein Finale?

Die besten Geschichten sind immer jene, die kurz vor Ladenschluss eine unerwartete Wendung nehmen, mit der einfach niemand rechnet ;-)

Rotkäppchen und der Wolf, werdet ihr jetzt natürlich denken. Die olle Kamelle. Was ihr nicht wisst: Sie ist nur geklaut. Also, die Menschen haben sie von den Fischen abgekupfert. Des Menschen Wolf ist des kleinen Fisches Eisvogel. Der Unterschied: Die Furcht der Fische ist berechtigt, wie all die hier gezeigten Bilder belegen können.

Nur dieses jetzt nicht so:







Dieses auch nicht, obwohl er hier gerade einen Fisch verschlungen hat, wie man an der Haltung erkennen kann:

Derselbe:

Und noch einmal:


Auch wenn es immer wieder behauptet wird, in Deutschland ist der Eisvogel ganz weit davon entfernt, bedroht zu sein.

Wahrscheinlich ist er es nie gewesen. Und ziemlich sicher wird er es niemals sein. Dafür ist er einfach viel zu anpassungsfähig. Allerdings hat man ihn einen lästigen Fischdieb genannt und jahrhundertelang verfolgt. Das passiert zumindest in Deutschland heute wohl nicht mehr. Von so einer positiven Entwicklung in eigener Sache können viele andere von Irrsinnigen völlig zu Unrecht verfolgte Tierarten, wie z. B. Rotfuchs und Kormoran, nur träumen.

Weil der Eisvogel hier in Ostfriesland recht häufig ist, habe ich mich schon oft gefragt, wo er wohl brütet. Bislang gelangen mir in den letzten Jahren nur am Ems-Jade-Kanal östlich von Aurich Zufallsfunde von besetzten Röhren.

Aber interessieren würde mich, wo er am Großen Meer oder im Ihlower Forst geeignete Steilwände vorfindet. Wo baut dieser Vogel hier bloß sein Nest, habe ich mich schon tausendmal gefragt. Mir fällt in diesem Zusammenhang absolut nichts Passendes ein. Im Ihlower Forst habe ich sogar mal alle Wurzelteller umgefallener Bäume kontrolliert – Fehlanzeige. Auch in der Nähe des Berumerfehner Moores, wo eigentlich immer Eisvögel anwesend sind, konnte ich bislang keine Brutröhre ausfindig machen. Nicht einmal am Abelitzschloot. 

Das muss man dem Eisvogel einfach lassen, beim Brutgeschäft lässt er sich nicht gerne über die blaue Schulter schauen! Dann ist er so heimlich, wie es nur eben geht. Auch sonst, abseits der Brutzeit, fällt der kleine Vogel trotz seiner leuchtenden Farben kaum auf. Meist ist es die Stimme, die ihn verrät. Die meisten Menschen kennen sie aber nicht und werden den Eisvogel deshalb wahrscheinlich nie zu Gesicht bekommen. Und trotzdem ist er in der Bevölkerung fast so bekannt wie Heino.

Ob der Eisvogel nun aber so populär ist, weil er seitens der Naturschutzverbände immer wieder gerne als Werbe-Ikone eingesetzt wird oder ob er als Model arbeitet, gerade weil ihn ohnehin schon jeder kennt, kann ich nicht beurteilen. Seine legendäre Farbenpracht ist in diesem Zusammenhang bestimmt nicht hinderlich gewesen. Mit der Unterstützung eines so bunten Vogels lassen sich eben viel besser Erfolge im Naturschutz erzielen als mit einem schlicht gefärbten Brachpieper oder einer unauffälligen Haubenlerche, obwohl diese beiden Arten in Deutschland tatsächlich  kurz vor dem Aussterben stehen.


Mal was anderes so zwischendurch:

young Common Adder – note the swollen body! This individual must have eaten someone, a small frog or lizard or even a careless hiker ;-)

Ist das nicht komisch?

Im letzten Bericht hatte ich mich noch darüber beklagt, bei einem meiner Spaziergänge im Moor keiner Kreuzotter begegnet zu sein. Am Samstag (16. Juli 2016) war es dann nach einigen Monaten der Entbehrung endlich wieder so weit.

Ohne gezielt nach Kreuzottern gesucht zu haben, fand ich das gezeigte vorjährige Tier mitten auf einem breiten Weg. Es wollte auf die andere Seite. Schnell nutzte ich meine Chance und machte ein paar Bilder von der Schlange, bevor sie dann tatsächlich im Dickicht verschwand.

An diesem Tag war es schwül-warm und bedeckt. Regen hatte man vorhergesagt, doch der blieb am Ende aus. Kreuzottern lieben solche Bedingungen und sind dann recht aktiv, während sie im Sommer an sonnigen und heißen Tagen unauffindbar bleiben.


Keine Fotos konnte ich übrigens von einer Dorngrasmücke machen, die immer wieder ganz dicht vor meinem Tarnzelt auftauchte und die frisch geschlüpften Kleinlibellen einsammelte. Ist schon irgendwie gemein, denn die können in diesem Zustand noch nicht einmal fliehen. Ich glaube, dass der Nachwuchs des Vogels nichts anderes zu essen bekam als diese dürren Viecher. Dabei soll man in der Ernährung doch auf Abwechslung achten. Habe ich jedenfalls mal gehört.


An einem sonnigen Abend (20. Juli 2016) hörte ich plötzlich eine Stimme aus dem Off: "Sudendey, pfeif deine Bulldoggen zurück!"

Ich blickte nach oben und sah einen weiblichen Wespenbussard, der von einer Gruppe junger Rauchschwalben verfolgt und immer wieder attackiert wurde. Ich hob beschwichtigend die Hände und gab dem Greif zu verstehen, dass ich schuldlos sei.

female Honey Buzzard chased by young Barn Swallows

Das war natürlich Quatsch!

Tatsächlich waren es die Warnrufe der Schwalben gewesen, die mich nach oben blicken ließen. Ich hielt ihre Aufregung aber für völlig unbegründet, weil der Wespenbussard natürlich lieber Wespenbrut verspeist als kleine Vögel.

Ein Paar dieser geheimnisvollen Art brütet im namenlosen Wald, der südlich an das Moor angrenzt. Vor einiger Zeit hatte ich sogar das Nest gefunden. Es befindet sich in einer Lärche und war von den Vögeln mit frisch belaubten Zweigen geschmückt worden. Ob sich darin Nachwuchs befand oder noch das Gelege, konnte ich zum damaligen Zeitpunkt vom Boden aus nicht erkennen.


Und wieder zwei Fotos vom Eisvogel.

Sie entstanden an einem ganz frühen Morgen, nur diesmal bei bedecktem Himmel. Es war wirklich stockfinster, wie die technischen Daten belegen (ISO 250, Blende 5, 1/60 Sekunde, Stativ):




Dabei handelt es sich sehr wahrscheinlich um dasselbe junge Männchen, das ich bereits weiter oben einige Male gezeigt habe.

Auch hier hatte der Vogel einen Neunstachler erbeutet, den er mir stolz präsentierte. Jedenfalls kam er mit dem Fisch angeflogen und rührte sich eine ganze Weile überhaupt nicht. Ich musste an eine uralte Ausgabe der Titanic denken und münzte den damaligen Titel auf diesen Eisvogel um:

"Junger Eisvogel im Glück: mein erster Hecht!"

Derselbe Vogel auf derselben Warte, nur ohne Beute:

same

Niedlich, oder?

Diese beiden Aufnahmen entstanden bei bedecktem Himmel und sehr schlechtem Licht am sehr frühen Morgen. Wahrscheinlich würden es die meisten Menschen nicht für möglich halten, unter solchen Bedingungen ohne Zuhilfenahme eines Blitzes scharfe Aufnahmen zu machen.

Doch es klappte.


Der Eisvogel hat einen regen Stoffwechsel und muss am Tag etwa knapp die Hälfte seines eigenen Körpergewichts an Nahrung zu sich nehmen. Wenn man diesen Vogel ganz aus der Nähe beim Fischen beobachtet, dann fragt man sich schon, wo er das alles lässt. Da werden auch schon mal vier mittelgroße Stichlinge nacheinander erbeutet und verschlungen. Von Bauchweh anscheinend keine Spur.

Zum Vergleich: Wollte ich mit dem Eisvogel mithalten, müsste ich täglich 45 kg Käsebrötchen essen. Ich weiß gar nicht, ob man die hier in Emden überhaupt auf die Schnelle zusammenbekäme...

Merksatz 2: Auch der Eisvogel kommt nicht ans Futterhaus. Selbst dann nicht, wenn man ihm Fischstäbchen anbietet.


Während ich im Versteck saß, ließ sich plötzlich eine Krickente mit ihren fünf vorwitzigen Blagen blicken. Wahrscheinlich keine leichte Aufgabe für die Mutter, die alle permanent im Auge zu behalten:


a Eurasian Teal with offspring showed up

Mama mal ohne die Kinderschar, die sich irgendwo zwischen den Binsen versteckte und dort nach Nahrung suchte:

same 

Die jungen Krickenten schlabbern voll laut; man kann es an einem ruhigen Morgen deutlich hören. Und sie schlabberten auch ganz unbekümmert unterhalb des auf der Warte lauernden Eisvogels, der sich wahrscheinlich innerlich einen Ast lachte angesichts dieses doch lustigen Geräusches.


Haaaalt, stopp:

Oblong-leaved Sundew

Das Blatt sieht wie so eine Polizeikelle aus: Halt, für kleine Insekten geht es hier nicht weiter. Bitte mittig landen!

Unweit meines Tarnzeltes, nur wenige Schritte davon entfernt, wachsen gefühlte tausend Exemplare des Mittleren Sonnentaus:

Eigentlich wollte ich  diese Pflanze in voller Blüte fotografieren, doch sie hat mich so richtig geleimt. Seit Wochen sehen die Blütenstände so aus, als ob es bald losgehen würde, doch dann, wenn ich erneut vor Ort war, konnte ich wieder keine einzige geöffnete Blüte entdecken.

Das Geheimnis: Die Blüten dieser Art öffnen sich gar nicht richtig. Sie werden in fast geschlossenem Zustand bestäubt und verwelken dann rasch. Da hätte ich ja noch ewig warten können, ich Depp!


Eine echte Überraschung gab es an einem anderen Morgen, als ich in der Bodenvegetation nach Kleinlebewesen suchte.

Ich fand eine Art, die ich hier noch nie vorstellen konnte:

Western Clubtail – my very first specimen for Ostfriesland!

Da hing eine Libelle im Pfeifengras, die ich für den Bruchteil einer Sekunde nicht einordnen konnte!

Doch schnell dämmerte es mir, war mir diese Art doch nicht unbekannt. Es handelte sich um eine männliche Westliche Keiljungfer, um eine Art also, die ich im Landkreis Osnabrück schon so oft gesehen hatte.

same – didn't expect this guy in a bog. Nevertheless this find does not mean this specimen emerged at this location, but it can't be excluded with certainty

Weil diese Libelle eigentlich vegetationsarme Gewässer in Sand- und Kiesgruben bevorzugt, hatte ich sie nicht sofort auf dem Schirm.

In meiner alten Heimat begegnete ich ihr zuerst am Niedringhaussee ("Sundermann") bei Westerkappeln, doch später folgten Feststellungen auch an ganz normalen, mit einer üppigen Ufervegetation ausgestatteten Teichen, wie etwa in Bramsche-Achmer.




same

Aber noch nie hatte ich die Westliche Keiljungfer in einem Hochmoor gesehen.

Ob sie sich dort auch entwickelt hat, weiß ich natürlich nicht. Libellen können schließlich fliegen. Das Tier kann also auch vom Kiesteich in Münkeboe stammen oder aus einem anderen Gebiet.

Ganz allgemein sind fast alle Keiljungfern Libellen der Fließgewässer. Sie bevorzugen sauberes Wasser und reagieren empfindlich auf dessen Verschmutzung. Erst in den letzten etwa 20 Jahren haben sich die Bestände einiger Arten wieder erholt.

So stellt zum Beispiel die verwandte Gemeine Keiljungfer heute wieder eine sehr häufige Libelle an einigen Abschnitten der Hase im Landkreis Osnabrück dar, nachdem sie dort wohl über hundert Jahre nicht vorgekommen war. Bevor die Zahl der Menschen als Folge der industriellen Revolution explosionsartig anstieg und sie die Flüsse verbauten und verschmutzten, muss die Gemeine Keiljungfer eine sehr gewöhnliche und häufige Erscheinung gewesen sein. Sowohl ihr deutscher als auch ihr wissenschaftlicher Name weisen darauf hin. Letzeren verpasste ihr Carl von Linné bereits im Jahr 1758.

Die deutlich schlankere Westliche Keiljungfer kommt auch ohne Fließgewässer aus (die Gemeine Keiljungfer allerdings mancherorts auch). Sie stammt ursprünglich aus Westeuropa und hat im 20. Jahrhundert weite Teile Deutschlands erobert. Ihr Verbreitungsschwerpunkt befindet sich aber auch heute noch auf der Iberischen Halbinsel und in Frankreich. Noch vor 40 Jahren galt sie in Mitteleuropa als eine der seltensten Libellen.

In Ostfriesland dürfte sie bereits seit vielen Jahren vorkommen. Doch habe ich nie gezielt nach ihr gesucht. Die Baggerseen um Aurich herum sollten allesamt von der Westlichen Keiljungfer besiedelt sein. Im Gegensatz zu vielen anderen Libellen tritt diese Art aber nie in hoher Dichte auf. Gleichzeitig sind die Männchen eher flugfaule Säcke und stehen am Ufer herum, wo sie auf die Ankunft der Frauen warten.  Aus diesen beiden Gründen sind die Tiere eher unauffällig und werden häufig übersehen.

Ich weiß, diese hübsche Libelle hätte auch einen eigenen Bericht verdient gehabt. Vielleicht bekommt sie ihn im kommenden Jahr...


So, zum Schluss gibt es jetzt noch ein letztes Mal den jungen männlichen Eisvogel, der mir unwissend so viel Freude bereitet hat:

Immer schön die Wasseroberfläche im Auge behalten:



Hat sich da nicht was bewegt?


Tarnzelt-Fotografie ist fast immer ein Mordsspaß!

Man ist einfach dicht am Geschehen. Die Tiere ahnen nicht einmal, dass man ganz in ihrer Nähe ist. Sie verhalten sich völlig natürlich, wenn man alles richtig gemacht hat. Eisvögeln aus nur drei bis vier Metern Distanz beim Fischen, der Gefiederpflege oder einfach beim Dösen zuzusehen, ist wirklich großes Kino.

Doch so ganz ohne Abstriche geht es natürlich nie.

Diesmal waren es Abermillionen Gnitzen der Gattung Culicoides, die mir wirklich arg zusetzten. Sie treten in der Dämmerung auf und saugen wie die Weltmeister mein leckeres Blut. Obwohl sie winzig sind (etwa 1 mm), spürt man jeden einzelnen Stich sehr deutlich. Herkömmliche Stechmücken und Bremsen kommen einem auf der Stelle sympathisch vor, wenn ein Gnitzen-Schwarm stundenlang über einen herfällt. Und man kann nicht einfach fliehen, wenn man im Tarnzelt hockt. Da muss man doch still sitzen!

Wenn die Sonne aufgeht, ist der Spuk meist schlagartig vorbei. Und diese Tiere sind fast ausschließlich an windstillen Tagen aktiv. Der Haken: Morgens vor Sonnenaufgang ist es selbst hier in Ostfriesland sehr oft windstill. Im Moor, aber auch am Deich oder am Emsstrand kann man es unter diesen Umständen und zu dieser Jahres- und Tageszeit kaum aushalten.

Wer also nur deutlich nach Sonnenaufgang und deutlich vor Sonnenuntergang im Outback unterwegs ist, der hat meist nichts zu befürchten. Es sei denn, es ist schwülwarm. Denn dann kann sich die Aktivitätsphase dieser Mistviecher um Stunden verlängern, wie es ja auch bei Stechmücken der Fall ist. Dann legen diese kleinen Blutsauger einfach eine Extraschicht ein.


Lange kein Schwarzweißfoto mehr gezeigt:

Kingfisher's paradise


Nochmal zu dieser Pokémon-Kacke: Ganz früher habe ich auch gespielt. Da gab es so ein Gerät, das man an die Glotze anschließen konnte. Mit einen Joystick spielte man dann Tennis und andere Sachen. Und das sogar mit akustischer Untermalung.

Später dann wagte ich noch mehr und suchte mein Glück darin, Pac-Man ins Jenseits zu befördern. Doch das Spiel machte mich aggressiv, weil für mich fast immer spätestens im zweiten Level Schluss war.

Gut so!

So, Kinners, das war's wieder für heute.

Ich muss noch schnell 40 Kilo Käsebrötchen organisieren!


*) Die Bilder entstanden an verschiedenen Tagen mit unterschiedlichen Lichtverhältnissen. Das ist der Grund dafür, dass das Federkleid der Eisvögel farblich etwas variiert.