wilde perspektiven

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Dienstag, 27. September 2016

Alpenstrandläufer

Inzwischen habe ich in diesem Blog schon so viele Beiträge veröffentlicht, dass ich gar nicht mehr weiß, ob es einen von mir aktuell gewählten Titel in der Vergangenheit schon einmal gegeben hat. 

Im Grunde ist mir das aber schietegal, wie man hier in Ostfriesland zu sagen pflegt. 

Heute nehme ich euch jedenfalls wieder mit zum Emsstrand. Zwar gibt es dort meistens nicht so furchtbar viel Interessantes zu sehen, aber trotzdem versuche ich es immer wieder.

Am vorletzten Wochenende fand ich dort einen einsamen jungen Alpenstrandläufer, der am Spülsaum nach Leckereien suchte:

usually Dunlin occurs in large flocks in the Wadden Sea, but this guy was all alone and therefore quite tame

Als ich vor Sonnenaufgang am Restaurant Strandlust ankam, lungerte noch hübscher Bodennebel auf dem ganzen Rysumer Nacken herum. Es war windstill und recht kühl. Im Grunde waren das Bedingungen, wie ich sie liebe.

Ein SW-Landschaftsbild:




foggy landscape at Rysumer Nacken on early morning

Und eines mit bunten Farben:






Ich ging gemächlich den Weg am Emsufer entlang.

Einige Lachmöwen flogen an mir vorbei, darüber hinaus mehrere Trupps der attraktiven Nonnengans.

Ansonsten tat sich nicht so viel. Weder auf dem Wasser noch rechts von mir, auf einer Brachfläche.

Ich erreichte den Strand, und die Sonne war immer noch nicht aufgegangen. Mir gefiel es, dass sie an diesem Morgen ein wenig zu trödeln schien. Ich mag diese Stimmung der späten Nacht oder des ganz frühen Morgens. Wenn die Sonne aufgeht, zerstört sie diese Stimmung mit jedem Meter, den sie am Himmel zurücklegt:


Die  schwarzen "Spuren" im Sand, die man auf dem Bild erkennen kann, sind Tanghäufchen und gleichzeitig so etwas wie Hochwassermarken.

Mit etwas Kombinationsgabe kommt man zu dem Schluss, dass das letzte Hochwasser deutlich niedriger ausgefallen sein musste als das vorletzte. Wäre es umgekehrt gewesen, könnten wir uns nur an einem Tangstreifen auf dem Strand erfreuen.

Im Moment der Aufnahme lief das Wasser gerade wieder auf. Die noch freiliegenden Schlickflächen links im Bild konnten aber noch von einigen Vögeln zur Nahrungssuche genutzt werden.

Sandregenpfeifer hielten sich dort auf:

Common Ringed Plover

Daneben noch zwei Sanderlinge, die ich aber nicht mit aufs Bild bekommen habe.

Schließlich begrub das Wasser die Schlickfläche unter sich. Die Vögel flogen davon, um einen sicheren Hochwasserrastplatz anzusteuern. Entweder bei Campen oder gar im NSG Leyhörn bei Greetsiel.

Ich ging weiter und begegnete am Ende des Strandes dem bereits oben gezeigten Alpenstrandläufer:




all images show the same individual

Er hatte sich den anderen Limikolen verweigert und war allein am Strand zurückgeblieben.

Gut für mich, denn ein einzelner Alpenstrandläufer zeigt sich in der Regel weniger scheu und ist viel einfacher zu fotografieren als Individuen, die in Trupps oder Schwärmen nach Nahrung suchen.

Inzwischen blinzelte auch die Sonne keck über den Horizont. Weil es immer noch etwas nebelig war, kamen der Vogel und ich in den Genuss ausgezeichneter Lichverhältnisse:

Der kleine Kerl, nicht einmal so groß wie ein Star, war wirklich zu süß.

Wie vertraut er sich mir präsentierte!

Ich meine, er weiß noch nicht, dass von vielen Menschen eine beträchtliche Gefahr ausgeht.

Der Alpenstrandläufer ist im Wattenmeer eine der häufigsten Vogelarten.

Vielleicht sogar die häufigste.

Trotzdem ist er in unserer Republik nur ein Gast, der auf seiner Reise in die Brutgebiete oder Winterquartiere eine Rast bei uns einlegt. Das Wattenmeer ist eine nie versiegende riesige Imbissbude für viele Vogelarten, an Nahrung mangelt es zu keiner Zeit. Als Alpenstrandläufer kann man es sich hier gut gehen lassen und die Fettreserven auffüllen. Das ist verdammt wichtig, wenn man auf seiner langen Reise nicht tot vom Himmel fallen will.

Doch längst nicht alle Alpenstrandläufer zieht es in den Süden. Viele, vielleicht sogar die meisten, verbringen den Winter tatsächlich bei uns. Wirklich riskant ist das eigentlich nicht für die kleinen Vögel, weil die Gezeiten ein Zufrieren des Watts verhindern und die Nahrung, kleine Wirbellose, immer zugänglich bleibt.

Nur in ganz strengen Wintern kann das Watt tatsächlich komplett vereisen. Wenn die Vögel dann nicht nach Süden ausweichen, kann es eng für sie werden.


Alle Alpenstrandläufer, die man bei uns an der Küste beobachten kann, stammen aus dem Norden.

Sie brüten in der Tundra Skandinaviens und Russlands und so weiter und kommen dann, wenn der Nachwuchs endlich fliegen kann, zu uns nach Mitteleuropa. Eigentlich ist das so einfach auch nicht, denn der Zug der Alt- und Jungvögel geht, wie bei vielen Limikolen, mehr oder weniger getrennt über die Bühne. Erst kommen die Altvögel, oft schon im Juni, später im Herbst dann die Diesjährigen.

Das bedeutet auch, dass junge Alpenstrandläufer die Zugroute kennen, ohne sie jemals zuvor geflogen zu sein. Sie ist quasi genetisch festgelegt.

Stocher, stocher:

Es war einmal eine Zeit, da brütete der Alpenstrandläufer auch in Norddeutschland.

Im Dümmer-Gebiet zum Beispiel, aber auch in Emden!

Am Dümmer und in den umliegenden Mooren starb der empfindliche Vogel bereits 1958 aus. In Emden bestand letztmalig im Jahr 1972 Brutverdacht im Petkumer Deichvorland. In beiden und vielen weiteren Fällen waren Veränderungen des Lebensraumes durch den Menschen die Ursache für das Verschwinden des Alpenstrandläufers. Ob die Art heute überhaupt noch in unserer Republik brütet, ist mir nicht bekannt. Mindestens bis 2012 soll es aber noch wenige Paare auf der Insel Kirr in Mecklenburg-Vorpommern gegeben haben.

Immer noch stocher, stocher:








Wie ich oben bereits geschrieben hatte, kann man am Emsstrand keineswegs immer mit fotogenen Vögeln rechnen.

Überhaupt hat man nur am ganz frühen Morgen eine reele Chance, zum Beispiel gefiederte Strandläufer anzutreffen. Denn oft schon kurz nach Sonnenaufgang tauchen dort die ersten Strandläufer ohne Federn auf: Hundebesitzer.

Neben jenen Menschen, die auf den Parkplätzen am Restaurant in ihren Wohnmobilen mehr oder weniger dauerhaft siedeln, fahren auch viele Emder und Leute aus dem angrenzenden Kreis Aurich mit ihrem Hund extra zur Knock, um dort eine Runde zu drehen. Man kann also davon ausgehen, dass es ihnen dort gefällt.

Doch leider gibt es auch unter den Hundefreunden einige schwarze Schafe!

Sie verpacken die Kacke ihrer Vierbeiner in bunte Plastiktüten und schmeißen diese dann weg:







bagged dog shit simply left behind

Diese Tüten mit stinkender Füllung liegen wirklich überall zwischen Restaurant und Strand herum.

Unglaublich und ekelhaft!

Wie armselig Menschen doch sein können. Niemand verlangt von den Leuten, dass sie die Kacke einsammeln und entsorgen. Es gibt weder eine entsprechende Vorschrift noch eine Tonne, in die man die verpackte Kacke werfen könnte. Trotzdem machen sich einige Idioten die Mühe, Hundescheiße einzutüten und am Ort des Geschehens zurückzulassen.

Mir ist klar, dass das Ausnahmen sind. Doch wie so oft ist es auch hier so, dass eine Minderheit etwas für eine Mehrheit kaputt macht. Ich bin inzwischen wirklich dafür, den gesamten Rysumer Nacken für Hundebesitzer und ihre Sprösslinge zu sperren. Anders scheinen es manche Personen nicht zu lernen. Ich kann dieses erbärmliche Verhalten nicht verstehen. Es übersteigt meinen Horizont! Und ich hatte ja auch schon mal im Zusammenhang mit dem Ihlower Forst über dieses neue Problem berichtet, das anscheinend keine Gemeindegrenzen kennt.

Der Rysumer Nacken ist die einzige Ecke Emdens, die noch etwas natürlicher daherkommt. Umso maßloser ärgern mich diese gedankenlosen Arschkrampen.


Fotografiert man den Strand mit einem Weitwinkelobjektiv, sieht man all den Müll nicht, den die Menschen so hinterlassen.

Vieles wird natürlich auch von der Ems angespült, doch das macht es nicht besser. Schließlich ist es egal, wo die Leute ihren Dreck hinterlassen. Mich ärgert das nicht nur an Orten, die sich vor meiner Haustür befinden. Es ist einfach ein großes Problem. Und dem Anschein nach auch eine Erziehungssache.

Die Kindheit vieler Menschen muss wohl ein Vakuum gewesen sein.


Ich weiß nicht, was ihr vorhabt, aber ich gehe jetzt was essen:

Spoonbills

Das sagte der linke Löffler zu seinen unentschlossenen Kollegen.

Der Vogel ganz rechts trägt mehrere bunte Ringe und ein Fähnchen. Es ist derselbe Löffler, den ich hier bereits im vorletzten Beitrag vorgestellt hatte und der von Mellum stammt. Im Watt vor dem Emsstrand scheint es ihm und seinen Kumpels so gut zu gefallen, dass sie ihre Weiterreise nach Spanien oder Westafrika noch eine Weile vor sich herschieben.

Auch ein gemeinsames Nickerchen muss mal sein:


Sobald das Wasser zurückweicht und im Watt kleine sowie größere Pfützen hinterlässt, tauchen die Löffler wie aus dem Nichts am Emsstrand auf, um zu löffeln. Kleine Fische werden ebenso erbeutet wie zum Beispiel Nordseegarnelen und fette Strandkrabben. Besonders entlang der Buhne bleiben auch größere Gezeitentümpel erhalten, die sich bei vielen Vögeln großer Beliebtheit erfreuen.

Dort kann man es als Löffler, Grünschenkel und Regenbrachvogel gut aushalten.


Was liegt da eigentlich diese maßlose Robbe am Strand?


Und was macht die da?

Und seit wann tragen Robben Gummistiefel?

Ich glaube, ich versteck' mich mal lieber hier hinter dem Tanghaufen.

Man kann ja schließlich nie wissen... 

Er tat es, und ich stand auf, um langsam zum Auto zurückzugehen. 


Ja Kinners, das war es schon wieder.

Das finale Foto dieses Berichts zeigt einen Mäusebussard, der auf einem Steinhaufen an der Knock stand:

Common Buzzard

Er blickte auf die weite Ems hinaus und überlegte vielleicht, ob er mal nach Holland rüberfliegen sollte.

Dort steht nämlich die Windenergieanlage, die man im Hintergrund erkennen kann.