wilde perspektiven

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Samstag, 26. November 2016

Bergpieper (Teil 2)

Und jetzt habe ich ihn doch ausgetrickst!

Ich habe wirklich alles gegeben. Und endlich haben sich meine Mühen am Ende auch mal wieder ausgezahlt.

Aber der Reihe nach. 

Am 3. November entdeckte ich auf dem Rysumer Nacken zwei Bergpieper. Die Vögel suchten dort in einem etwa ein Jahr alten und nur schütter bewachsenen Entwässerungsgraben nach Nahrung. Ihre Fluchtdistanz war riesig. Und weil die Vögel keine Anstalten machten, aus der Tiefe des Grabens emporzuklettern, war an passable Fotos überhaupt nicht zu denken (siehe hier).

Schnell hakte ich die Sache ab.

Zu meiner großen Überraschung sah ich die Bergpieper gut eine Woche später, am 11. November, erneut am selben Graben. An der Situation aber hatte sich leider nichts geändert. Fotos erschienen mir unmöglich.

Als mir am 19. 11. abermals ein Bergpieper an diesem Graben begegnete, wahrscheinlich einer der beiden zuvor beobachteten Vögel, fing ich doch noch einmal an, meine Möglichkeiten auszuloten.

Und tatsächlich hatte ich eine Idee!

Water Pipit – all pictures show the same specimen...

Ich eilte zu meinem Auto, klaubte meine letzten Mehlwürmer zusammen, auch die Freigänger, und suchte mir anschließend einen für mein Vorhaben geeigneten Grabenabschnitt. Die ersten Mehlwürmer verteilte ich knapp oberhalb des Wassers, also dort, wo sich der Vogel vorzugsweise aufhielt. Von dort aus legte ich eine Mehlwurm-Spur die Grabenböschung hinauf. Und schließlich deckte ich den Tisch noch einmal auf dem angrenzenden Acker.

Dann fuhr ich nach Hause.

Am folgenden Tag kontrollierte ich am späten Nachmittag meinen Köder. Ich war wirklich gespannt auf das Ergebnis, doch als ich schließlich am Graben ankam, flog leider kein Bergpieper auf. Doch hatte jemand während meiner Abwesenheit fast alle Mehlwürmer aufgegessen. Kotspuren waren ein Beleg dafür, dass es sich um einen Vogel und nicht etwa um eine Spitzmaus gehandelt haben musste. Letztere hinterlassen übrigens ein einziges Gemetzel mit Krümeln und so weiter, wenn sie meine Mehlwürmer entdecken.

Ich schenkte reichlich nach und fuhr wieder nach Hause. So ging das die ganze Woche.

Und an keinem dieser Tage sah ich einen Bergpieper.

...and all these pictures were taken on a misty morning at Rysumer Nacken/Emden

Gestern dann, am Samstag, fuhr ich trotzdem etwa zweieinhalb Stunden vor Sonnenaufgang zum Rysumer Nacken.

Bei völliger Dunkelheit und unter einem zunächst noch klaren Himmel packte ich meine Sachen zusammen und stieg in meine Gummistiefel. Leider mit dem linken Fuß in den rechten Stiefel. Ich musste an meine frühe Kindheit denken und an meine Mutter: "Ziegenfuß, Ziegenfuß!" hatte sie immer spaßeshalber gerufen, wenn mir damals dieses kleine Malheur passiert war.

Etwa zwanzig Minuten brauchten mein ganzes Gerödel und ich für den beschwerlichen Weg zum Tatort. Mein Tarnzelt hatte ich mit Unterstützung einer kleinen Taschenlampe schnell aufgebaut. Auf dem Acker und direkt neben der Grabenböschung.

Danach gönnte ich mir eine kleine Pause und suchte am Himmel den Großen Wagen, übrigens das einzige mir bekannte Sternbild. Ich fand ihn aber nicht. Wo bist du bloß, du alter Sack, dachte ich. Ich bewunderte den Mond, der in dieser Nacht nur noch eine schmale Sichel war. In ein paar Tagen würden wir Neumond haben. Das ließ sich wohl nicht mehr verhindern.

Nachdem ich noch schnell einen halben Liter Wasser getrunken hatte, schlüpfte ich in meinen Schlafsack und legte mich ins Tarnzelt. Kalt war es, es fror zu diesem Zeitpunkt sogar noch. Ich döste etwas, lauschte aber gleichzeitig den Geräuschen am Himmel. Nonnengänse und so weiter waren dort schon unterwegs.

Nachdem es etwas heller geworden war –  aber immer noch weit vor Sonnenaufgang –, hörte ich einen Kleinvogel vor meinem Versteck landen. Ich blickte durch den Sehschlitz und bemerkte ein Rotkehlchen. Es aß ein paar Mehlwürmer und verschwand dann schnell wieder. Die vielen Kotspuren um die Mehlwurmquelle herum, das war mir sofort klar, konnten aber nicht vom Rotkehlchen stammen. Sie musste ein Vogel hinterlassen haben, der es vorzieht, zwischen den Mahlzeiten gleich vor Ort zu bleiben. Pieper sind solche Kandidaten, das wusste ich aus der Vergangenheit.

Ich kontrollierte meine Ausrüstung.

Hatte ich den Ersatzakku in der Tasche?

Hatte ich.

War die Belichtung korrekt eingestellt?

War sie – ausnahmsweise.

Hatte sich das bescheuerte Programmwahlrad beim Herausnehmen der Kamera aus dem Rucksack mal wieder verstellt?

Nein.

Hatte ich mir am frühen  Morgen eigentlich Stullen für diesen Ausflug geschmiert?

Hmmmh...

Weil mir nach all meinen Kontrollen schließlich doch langweilig wurde, begann ich, mit dem kleinen Finger meiner rechten Hand im linken Nasenloch zu bohren, aber da war absolut nichts zu holen.

Und dann kam plötzlich der Nebel. Nicht zu dicht, aber für die inzwischen aufgegangene Sonne doch undurchdringlich. Keine schlechten Voraussetzungen, dachte ich etwas trotzig, denn auf pralle Sonne konnte ich gut verzichten.

Bilder mit Schattenwurf sind nämlich tatsächlich nicht das, was ich mir an so einem Fototag vorstelle.

mealworms are the Water Pipit's best friends

"Psriiiep!"

Da war er plötzlich, der geile Bergpieper! 

Der Vogel rüttelte über mir, suchte dann aber wieder das Weite. Das Tarnzelt hatte ihn vertrieben. Für den Pieper war es neu. Am Vorabend hatte es noch nicht dort gestanden. Trotzdem kehrte der Vogel nach einigen Minuten zurück, um einen zweiten Versuch zu wagen. Erneut rüttelte er vor meinem Versteck, doch auch diesmal fehlte ihm der Mut für eine Landung in meiner unmittelbaren Nähe. Ich war enttäuscht, hatte aber eigentlich genau diese Reaktion des Vogels erwartet, war er doch an allen Beobachtungstagen sehr scheu und schreckhaft gewesen.

Es folgte Stille.

Eine ganze Stunde tat sich nichts. Nicht einmal das Rotkehlchen ließ sich blicken. Und dann auch noch das! Meine Blase drückte mächtig. Ich wusste nicht, wo der Vogel war, wollte aber verhindern, dass er mich sieht, also dass er Zusammenhänge erkennt, die ich ihm vorenthalten wollte. Also biss ich die Zähne zusammen. Doch der Schmerz war einfach nicht mehr auszuhalten. Hoffentlich, so dachte ich, taucht dieses linke Biest nicht ausgerechnet dann auf, wenn ich am Pullern bin. Ich kroch aus Schlafsack und Tarnzelt und nahm mir den Druck. Und genau in diesem Augenblick erklang wieder der mir inzwischen so vertraute Ruf: "Psriiip, psriiip!"

"Du Arsch!" rief ich ihm spaßeshalber zu.

Hoffentlich sieht und hört das hier keiner, fügte ich in Gedanken noch schnell an. Meine Erwartungen, doch noch schöne Bilder von dem Bergpieper zu bekommen, waren zu diesem Zeitpunkt praktisch nicht mehr existent. Trotzdem legte ich mich wieder auf die Lauer. Ich legte mich sogar richtig hin, weil man sich beim Hinausstarren auf den Ellbogen abstützen und ein Hohlkreuz machen muss. Rücken- und Nackenschmerzen lassen sich da nicht vermeiden. Erst nach einer Viertelstunde riskierte ich den nächsten Blick nach draußen.

Und da stand er doch tatsächlich vor meinem Tarnzelt. Er wandte mir seinen Rücken zu und blickte über die Schulter in meine Richtung!

Das folgende Bild war dann auch das erste des Tages:













Der Piepmatz hatte sich diesmal lautlos meinem Versteck genähert. Wahrscheinlich war er die letzten Meter gelaufen. Jedenfalls hatte ich diesmal keinen Flügelschlag gehört.

Puh, dachte ich, jetzt wird es aber mal so richtig spannend. Ich hatte irgendwie auch Glück, denn es war windstill. An einem stürmischen Tag hätte mein schlackerndes Tarnzelt den Vogel wohl für immer verschreckt. So aber bewegte sich der Überwurf aus dünnem Stoff keinen Millimeter.

Der Bergpieper stand völlig regungslos da. Er wippte nicht einmal mit dem Schwanz. Und auch das Auslösegeräusch meiner Kamera ließ ihn nicht ein bisschen zusammenzucken. Der Vogel checkte erst einmal die Lage und dachte nach.

Doch nach einigen Minuten trippelte er ganz bedächtig in Richtung Mehlwurmtopf:


I'm hungry, please give me something to eat, Frank

Noch nie in meinem Leben hatte ich diese Art aus so geringer Distanz beobachtet!

Bergpieper und Strandpieper, das hatte ich im vorletzten Bericht erwähnt, sind nahe miteinander verwandt und galten bis vor gar nicht allzu langer Zeit als zwei Unteraten einer Spezies. Doch es gibt tatsächlich viele Unterschiede, die sich keineswegs ausschließlich auf das Aussehen beschränken.

Während der Strandpieper ähnlich wie der Wiesenpieper etwas fahrig und zappelig durch die Gegend irrt, bewegt sich der Bergpieper meist eher ruhig und vorsichtig. Mich erinnerte er in dieser Hinsicht auf der Stelle an einen Baumpieper.

Auch die große Scheu dieser Art entspricht nicht einmal ansatzweise dem Wesen des Strandpiepers. Letzterer fliegt meist erst auf etwa zwanzig bis dreißig Meter davon. Er fliegt flach über dem Boden und geht in der Regel nach nur wenigen Metern wieder runter, um die Nahrungssuche fortzusetzen.

Der Bergpieper himmelt wie eine Bekassine und legt eigentlich immer eine deutlich größere Strecke zurück. Im Falle dieses Vogels war es sogar so, dass ich ihn stets aus den Augen verlor – selbst mit dem Fernglas in der Hand. Man hat bei einem auffliegenden Bergpieper eigentlich immer den Eindruck, es gehe um sein Leben.

Auch die Habitatansprüche beider Arten, das hatte ich bereits im ersten Teil über den Bergpieper geschrieben, könnten kaum unterschiedlicher sein. Der eine liebt die salzige Küste, der andere bevorzugt Süßwasserlebensräume im Binnenland.

Und schließlich gibt es auch in Sachen Zeichnung und Färbung des Gefieders subtile Unterschiede.

Bei Bergpiepern im Schlichtkleid, um so einen handelt es sich hier, sind sowohl Scheitel, Nacken als auch die Ohrdecken blaugrau. In Kombination mit dem weißen und recht deutlichen Überaugenstreif erinnert mich diese Art von der Kopfzeichnung her immer an eine Schafstelze. Dieser Vergleich hat sich mir beim Strandpieper noch nie aufgedrängt.

Verschieden ist auch die Färbung der Oberseite:


Vor allem der Mantel zeigt einen mehr oder weniger deutlich fliederfarbenen Grundton – hier übrigens passend zum Hintergrund –, den ein Strandpieper so niemals zur Schau stellen würde. Das Rückengefieder ist bei Letzterem entweder düster grau oder aber olivfarben. Deshalb wirkt seine Oberseitenfärbung im Vergleich mit dem Bergpieper eher kalt.

Und weil beim Strandpieper der Kopf genauso gefärbt ist wie der Mantel, gibt es keine Farbgrenze.

Auf dem Bild da oben sieht man sehr gut, dass das beim Bergpieper anders ist. Der blaugraue Nacken kontrastiert deutlich zum bräunlichen Mantel. Unter sehr ungünstigen Beobachtungsbedingungen, vor allem bei schlechtem Licht, kann dieses Merkmal aber absaufen.

Hier mal ein Strandpieper zum Vergleich:

upper part colouration and pattern of a Rockpipit for comparison

Such die Mehlwümer:


Fein machst du das ;-)

Um die Unterseitenzeichnung der beiden Arten miteinander vergleichen zu können, habe ich mir ausnahmsweise mal die Mühe gemacht, aus zwei Bildern eines zu machen. Sozusagen eine Gegenüberstellung wie bei der Kripo.

Wer ist der Mörder und hat den Mehlwurm gegessen?

Water Pipit (left) versus Rock Pipit (photograph of RP taken in November 2014 near Pilsum/Ostfriesland)

Beide.

Die Grundfarbe ist beim Bergpieper ein fast reines Weiß, beim Strandpieper eher ein schmutziges Hellgrau. Dieser Eindruck wird noch durch die breiteren und graueren Strichel verstärkt. Beim Bergpieper sind sie feiner und etwas bräunlicher und vor allem im Bereich der Flanken unter Umständen nur sehr schwach ausgeprägt.

Der Orange-Anteil des Schnabels ist bei beiden Arten sehr variabel und somit kein Unterscheidungsmerkmal. Ich vermute, es sind die jungen Individuen, deren Schnäbel nicht einfach nur dunkel sind. Wenn man sich Bilder von Vögeln im Jugendkleid anschaut, dann zeigen die eigentlich immer viel Orange. Bei den Strandpiepern an der Pilsumer Küste konnte ich im November 2014 alle Abstufungen sehen, von einheitlich dunkel bis leuchtend orange.

Die Rufe beider Arten klingen in meinen Ohren absolut identisch. Vielleicht liegt das aber auch nur daran, dass ich vor allem den Bergpieper noch nicht so oft gehört habe.

Angesichts dieser vielen Abweichungen kann man rückblickend eigentlich kaum glauben, dass diese beiden Arten früher als Wasserpieper zusammengefasst wurden. Wie oben bereits geschrieben, sind es eben keinesfalls nur äußere Merkmale, die den Unterschied zwischen Berg- und Strandpieper ausmachen. 

Der Bergpieper ist übrigens eine der wenigen Vogelarten, die nördlich ihrer Brutgebiete überwintern.

Als eine weitere Art fällt mir da spontan nur noch der Silberreiher ein. In beiden Fällen bedeutet das aber nicht zwingend, dass alle Individuen einer Population eine nördliche Richtung einschlagen, wenn sie ihre Brutgebiete verlassen. Schließlich überwintern Bergpieper auch im europäischen Mittelmeerraum und sogar in Nordafrika.

Individuen, die den Winter in Norddeutschland verbringen, stammen wohl am ehesten aus dem Alpenraum. Entsprechende Ringfunde liegen aber leider bis heute nicht vor. Das einzige deutsche Brutvorkommen des Bergpiepers außerhalb der Alpen befindet sich übrigens in den Hochlagen des Schwarzwaldes. Wie ich aus sicherer Quelle erfahren habe, steht es aber wohl unmittelbar vor dem Aus.

In Emden ist diese hübsche Art nach meinen eigenen Erfahrungen eher selten anzutreffen. Zumindest seit meinem Umzug in die Seehafenstadt ist mir der Bergpieper hier erst zweimal begegnet, also nur ein einziges Mal vor den Feststellungen in diesem Herbst. Ob diese Art hier zuvor festgestellt worden ist – keine Ahnung.

Möglicherweise waren hier die Bedingungen für diesen Vogel früher besser. Das Anlegen weiter Spülfelder entlang der Ems, von Petkum im Osten bis nach Wybelsum im Westen, dürfte dem Bergpieper vorübergehend in die Karten gespielt haben. Inzwischen sind zumindest die Flächen in Wybelsum sowie auf dem Rysumer Nacken bis auf den letzten Quadratmeter vom Schilf erobert und zugewuchert worden. Freie Schlammflächen, auf denen  Bergpieper oder andere Vogelarten nach Nahrung suchen könnten, sucht man dort jedenfalls inzwischern vergeblich.

Dort reicht es nur noch für die Wasserralle, die ich auch an diesem Morgen mehrfach hören konnte.

Zwischen den Mahlzeiten blieb der Bergpieper oft an Ort und Stelle stehen. Manchmal aber ging er ein paar Meter und ruhte etwas versteckt zwischen "Kraut und Rüben". Ich mag solche Bilder, weil sie authentisch sind. Die vielen Stängel und Halme empfinde ich nicht als störend, wenigstens so lange nicht, wie man den Kopf des Vogels frei sehen und fotografieren kann:





Wie viele Kleinvögel, vor allem aber eben Stelzen und Pieper, bewegte auch der Bergpieper seinen Kopf ständig hin und her. Wie ein Zuschauer auf den Rängen eines Tennis-Stadions. Einige Bilder sind deswegen einfach unscharf geworden, aber es ist ja genug übrig geblieben.

Er muss immer auf der Hut sein und darauf achten, dass ihn nicht der Sperber überrumpelt. Mit diesem Greifvogel muss man zu jeder Zeit und überall rechnen, das weiß man natürlich auch als Bergpieper. Seinen Schnabel tief ins Gefieder stecken kann er nur am sicheren Schlafplatz und wenn es bereits dunkel ist.

Mal was Anderes:

Green Sandpiper did this

Kaskaden aus flüssigem Kot ergossen sich die Grabenböschung hinab.

Ein Waldwasserläufer hatte hier eine Pause eingelegt, nur wenige Meter von meinem Tarnzelt entfernt. Ich hatte ihn aufgescheucht, als ich meine schmerzende Blase leeren wollte. Und ich dachte, diese Hinterlassenschaften sind auch ein Foto wert.

Eines der ersten Bilder vom Bergpieper an diesem Morgen:

Da war es noch so furchtbar dunkel, dass ich mit einer hohen ISO belichten musste.

ISO 400 ist für mich schon sehr viel. Doch wenig später konnte ich Schritt für Schritt auf hundert runtergehen. Belichtungszeiten von mindestens einer sechzigstel Sekunde reichen für einen stehenden Vogel völlig aus, wenn man ein Stativ einsetzt.

Kuckuck:

An diesem Morgen hatte ich mir vorgenommen, bis Mittag im Versteck zu bleiben.

Spätestens um 14 Uhr musste ich zu Hause sein, weil ich mir ein Fußballspiel im Internet ansehen wollte. Dritte Liga. VfL Osnabrück gegen die Sportfreunde aus Lotte. Es sollte für diese beiden Clubs, deren Stadien nur wenige Kilometer auseinander liegen, das erste Spiel um Punkte werden. Beide Mannschaften stehen ganz oben in der Tabelle. Lotte sogar nach einem sensationellen 6:0 gegen Zweitligaabsteiger SC Paderborn vor dem VfL! Das Stadion wird ausverkauft sein. Das wird spannend werden wie die Bergpieper-Fotografie!

Natürlich wünsche ich mir, dass der VfL gewinnt. Lotte kann meinetwegen auch in die 2. Bundesliga aufsteigen, aber eigentlich baue ich da eher auf einen Club wie Hansa Rostock oder den SC Magdeburg, weil das Vereine sind, die die Massen bewegen. In Lotte ist nicht wirklich viel los, zumindest nicht im Ligabetrieb.

Übrigens fällt mir gerade ein, dass in dieser Saison auch im Emsland endlich wieder mal was passiert.

Der SV Meppen ist ein schlafender Riese, der gerade aus dem Koma erwacht. Der Club steht zurzeit souverän an der Spitze der Regionalliga Nord. Und ganz bestimmt gehört er mindestens in die Dritte Liga. Eigentlich aber noch eine Klasse höher, denn ich erinnere mich noch sehr gut an diese unglaublich emotionalen Duelle der Lila-Weißen mit den Emsländern in der 2. Liga im vergangenen Jahrtausend.

Nachtrag um 16:00 Uhr: Aus! Aus! Das Spiel ist aus! Der VfL hat mit 3:0 gegen die Mannschaft aus dem benachbarten westfälischen Dorf gewonnen. Es war ein sehr kurzweiliges Spiel mit einigen Torszenen auf beiden Seiten. Am Ende ist der VfL aber verdient als Sieger vom Platz gegangen und darf sich nun über den zweiten Platz in der Tabelle freuen. 


Bergpieper interessieren sich nicht so sehr für Fußball.

Sie haben Anderes zu tun. Zum Beispiel müssen sie geduldig warten, bis sie wieder Hunger haben. So eine Portion Mehlwürmer will auch erst mal verdaut sein.


Ist das endlich der Fall, kann man als Bergpieper wieder nach Futter Ausschau halten:

Meist verging etwa eine Viertelstunde, bis der Vogel seine Pausen beendete. Wenn er gähnte und kackte, wusste ich, dass dieser Zeitpunkt gekommen war. Gerülpst hat er übrigens kein einziges Mal.

Ein wirklich niedlicher Vogel ist der Bergpieper.

Es ist immer wieder ein großer Spaß, Vögel aus so geringer Distanz mit bloßen Augen beobachten zu können. Und wenn es sich, wie in diesem Fall, um eine neue Art handelt, also um eine, die man noch nie fotografiert hat, dann ist die Freude noch viel größer.

Allerdings gibt es in der Fotografierei auch Dinge, die etwas nerven.

So musste ich mit meiner Kamera, die ja nur ein preisgünstiges Mittelklasse-Modell ist, auch auf dem Rysumer Nacken immer wieder schimpfen. Und zwar, weil sie das Herz einfach nicht am rechten Fleck hat. Also die Autofokus-Messfelder sind nicht an den wichtigen Stellen. Sie fehlen in den Ecken und somit genau dort, wo ich sie so gerne haben würde.

Grrrr...

Egal, irgendwann muss man auch mal aufhören.

Gegen halb zwölf packte ich meine sieben Sachen schließlich zusammen. Beim Verlassen meines Verstecks musste ich den Vogel etwas unsensibel aufscheuchen. Wie immer stieg er laut rufend hoch in den Himmel und verschwand aus meinem Blick. Er wird ja wiederkommen, dachte ich. Der Hunger wird ihn treiben.

Auf dem Weg zu meinem Auto flogen am Rande eines Gebüschs und unmittelbar vor mir zwei Waldschnepfen auf. Wenig später entdeckte ich noch zwei Heidelerchen, die auf einer nach Bauarbeiten frisch entstandenen und vegetationslosen Sandfläche neben dem Gassco-Gelände nach Nahrung suchten. Für Bilder war die Distanz zu den Vögeln leider zu groß.

Sie hatten niemanden, der ihnen etwas zu essen gab. Natürlich würde ich auch ihnen ein paar Mehlwürmer spendieren, es ist doch jetzt auch die Vorweihnachtszeit und so weiter, aber Heidelerchen halten sich meist nur für Stunden auf dem Rysumer Nacken auf. Sie bevorzugen ausgerechnet jene Flächen, die auch von Spaziergängern gerne aufgesucht werden. Mit und ohne Vierbeiner.

Wenn Heidelerchen auf dem Zug und in einem begrenzten Gebiet einige Male hintereinander aufgescheucht werden und keinen Ort mehr finden, wo sie sich in aller Ruhe den Magen vollschlagen können, dann suchen sie ihr Heil in der Flucht. Dann setzen sie ihre Reise in den Süden eben etwas früher fort als geplant. Doch das ist nicht schön, denn mit leerem Magen fliegt es sich nicht gut.

Der Bergpieper hatte sich da eine ruhigere Ecke zum Rasten ausgesucht:

Und vielleicht wird er noch länger auf dem Rysumer Nacken verweilen.

Zumindest dann, wenn die Nahrungsquelle an der Grabenböschung nicht versiegt. Und deshalb ist es durchaus möglich, dass es hier auch noch einen dritten Teil über diesen interessanten Gast geben wird.

Mir schweben da nämlich noch Bilder vom Vogel in einer winterlichen Landschaft vor, mit ganz viel Raureif und ein bisschen Schnee.

Aber ob das Wetter da mitspielen wird?

Das Bild da oben kommt übrigens etwas bunter und kontrastreicher als viele der hier zuvor gezeigten daher.

Das liegt daran, dass der Nebel mal dichter, mal etwas lockerer war. Auf dem Erdklumpen rechts im Bild kann man übrigens auch noch einen kleinen Rest von Raureif erkennen. Doch wenig später war auch der verschwunden, weil die Temperaturen inzwischen auf einen Wert knapp über dem Gefrierpunkt angestiegen war.



Eine Frage habe ich noch nicht beantwortet: Warum ist mir der Bergpieper bei meinen Kontrollen am Futterplatz bis zum Tag des Shootings eigentlich nie begegnet, obwohl ich weiter oben geschrieben hatte, dass er sich auch zwischen den Mahlzeiten nicht vom Fleck rührte?

Ich denke, er hatte bereits auf so große Entfernung den Abgang gemacht, dass ich ihn weder hören noch sehen konnte. Der Vogel ist megascheu und kann herannahende Menschen frühzeitig erkennen. Da kommen die Sinnesleistungen eines Menschen eher zweitklassig daher.

Dazu muss ich aber auch schreiben, dass auf dem nahen Gassco-Gelände immer ein gewisser Lärmpegel herrscht. Es rauscht dort eigentlich durchgehend. Inzwischen bin ich so alt, dass ich Probleme habe, Vogelstimmen zu hören, wenn es gleichzeitig ein permanentes Nebengeräusch gibt.

Tja Kinners, jeder noch so schöne Beitrag in diesem Blog kommt irgendwann auch mal zu einem Ende. Meinen Jahresrückblick, das muss ich jetzt zugeben, hatte ich wohl etwas voreilig geschrieben. Aber ich war einfach davon ausgegangen, dass sich in diesem Jahr nichts mehr ergeben wird in Sachen Vogelfotografie. Doch wie so oft kam es am Ende doch wieder anders.

Unerwähnt bleiben soll nicht, dass ich diesen Bericht in nur zwei Stunden und in einem Rutsch geschrieben habe! Wenn ihr also Fehler finden solltet, dürft ihr mich das gerne wissen lassen.

Okay, nicht der hier eingehend vorgestellte Vogel soll das letzte Wort haben, sondern diese Grauschwarzen Hausfliegen:

Polietes lardarius sunbathing on late evening

Sie genossen die "Wärme" (4 Grad Celsius!) und sonnten sich gemeinsam am Großen Meer am Stamm einer Birke. Ganz eng kuschelten sich die Fliegen aneinander, um kurz vor Sonnenuntergang bloß keine Wärme mehr zu verlieren. "Wir müssen enger zusammenrücken!" gab eine von ihnen dann auch eine entsprechende Parole aus.

Die Art war mir bis zu dieser Begegnung völlig unbekannt, obwohl sie sehr häufig ist. Deshalb geht mein Dank ein weiteres Mal an Jürgen Peters aus Borgholzhausen, der so freundlich war, die Tiere für mich bis auf Artniveau zu bestimmen!