wilde perspektiven

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Samstag, 20. Mai 2017

Buten un binnen

Ich will jetzt auch mal ehrlich sein.

Im letzten Bericht habe ich euch ein paar Bilder vorenthalten. Der Grund: Es kann nie schaden, noch etwas auf Halde liegen zu haben für einen neuen Beitrag.

Und genau dieser neue Beitrag soll auch wieder mit einer Spinne beginnen.

Es handelt sich in diesem Fall um einen Vertreter aus der großen Familie der so genannten Wolfsspinnen und somit um eine Art, die frei umherläuft und kein stationäres Fangnetz errichtet. 

Das hier gezeigte Tier gehört der Gattung Pardosa an. Eine Bestimmung bis auf Artniveau ist anhand dieses Fotos nicht möglich. Wenn diese Spinne auf dem Bild groß und gefährlich ausschaut, dann ist das nur eine Täuschung, denn mit einer Kopf-Rumpf-Länge von gerade mal einem Zentimeter ist das Tier eher ein winziger Kobold.

Nur mit einem Makroobjektiv hat man die Möglichkeit, eine so kleine Spinne so beeindruckend erscheinen zu lassen:













































female Pardosa spec. with egg sack

Die Männchen dieser Pardosa-Spinnen laufen den ganzen lieben Tag rastlos durch die Gegend.

Einerseits tun sie das, um kleine Tiere zu erbeuten, auf der anderen Seite aber vor allem deshalb, weil sie eine Partnerin suchen. Da werden auch schon mal Weibchen angebalzt, die, wie das oben abgebildete Tier, bereits einen Eikokon mit sich herumschleppen. 

Der Lebensraum dieser Spinnen beschränkt sich vor allem auf den Boden, doch auch in der niedrigen Vegetation wird nach Beute und nach paarungswilligen Weibchen gesucht. Darüber hinaus können Arten der Gattung Pardosa jesusmäßig übers Wasser laufen, wenn es die Situation erfordert.

Gegen Ende eines jeden Tages werden diese Spinnen etwas ruhiger. Dann sonnen sie sich auch schon mal ausgiebig, was dem Fotografen die Möglichkeit einräumt, sie in Bildern festzuhalten. Dieses Weibchen zum Beispiel sonnte sich abends auf einem Steg am Ihlowerfehnkanal.

Es verschwand immer wieder in einem Spalt, wenn ich mich versehentlich ruckartig bewegte, kehrte aber auch genauso oft nach nur wenigen Sekunden an denselben Platz zurück. Wenn ein Tier sich dermaßen vorhersehbar verhält, sind brauchbare Fotos garantiert.

Die meisten Arten der Gattung Pardosa sind sehr häufig. Und sie kommen meist in einer unglaublichen Dichte vor. Da kann man schon mal zehn bis fünfzehn Tiere auf nur einem Quadratmeter beobachten. Mit bloßem Augen sehen diese Winzlinge einfach nur dunkel und ungezeichnet aus, doch beim Blick durch den Sucher der Kamera erschließt sich einem ihre wahre Schönheit. Dann kann man sogar erkennen, dass das Haar auf dem Scheitel sehr sauber liegt. 


Spinnen lösen bei vielen Menschen Angstgefühle aus. Diese irrationale Furcht vor den Achtbeinern ist so weit verbreitet, dass man dafür extra einen Begriff erfunden hat.

Wohl nur das folgende Tier, das zwar auch acht Beine hat, aber keine Spinne ist, kann sich noch größerer Verachtung sicher sein:

an unknown Tick species

Die Zecke.

In Deutschland kommen einige Arten vor. Um welche es sich hier genau handelt, kann ich nicht sagen. Ixodes spec. muss reichen. Wenn man aber objektiv urteilt, dann stellt man unweigerlich fest, dass diese Zecke richtig hübsch gefärbt ist. 

Sie stand auf einem Grasblatt im Uferbereich des Reiherschloots im Ihlower Forst und wartete auf die Ankunft eines Blutspenders.

Überhaupt besteht das Leben fast ausschließlich aus Lauern und Warten, wenn man eine Zecke ist. Ohne Geduld geht da gar nichts. Kommt dann tatsächlich nach trostlosen Wochen oder Monaten des Nichtstuns ein geeigneter Wirt vorbei, muss man auf die Sekunde genau fit sein und alles richtig machen. Es gilt, die Gelegenheit zu nutzen und den Wechsel von der Pflanze auf diesen einen Wirt zu vollziehen. Doch wahrscheinlich geht das oft schief. Man findet auf die Schnelle keinen Halt und fällt im alles entscheidenden Augenblick einfach nur zu Boden. Plumps. Dann ist die Enttäuschung groß, weil man auch als Zecke nicht weiß, ob es jemals eine zweite Chance geben wird.

Da draußen spielen sich also ständig richtige Dramen ab, von denen die Öffentlichkeit nichts mitbekommt.

Merksatz: So ein Leben als Zecke ist auch nicht immer einfach!

Die meisten Zecken bemerke ich erst, wenn sie auf mir herumkrabbeln. Und von diesen wiederum die Hälfte schafft es am Ende auch, sich einen geeigneten Platz für die Blutentnahme zu suchen. Ich habe das hier schon oft geschrieben: Im Jahr komme ich auf mindestens hundert Zecken, die sich an mir festsetzen. Und das wiederum passiert fast ausnahmslos in der ersten Jahreshälfte.

Weil Zecken in Ostfriesland aber (noch) nicht mit dem FSME-Virus infiziert sind, ist die ganze Sache nur lästig, nicht aber gefährlich. Die zweite Krankheit, die in unseren Breiten durch Zecken übertragen wird, die Borreliose, hat mich auch noch nicht heimgesucht. Gegen die bin ich wahrscheinlich auch schon immun.


Ich kann noch eine männliche Listspinne in die Waagschale werfen:










Nursery Web Spider

Dieses prachtvolle Männchen hatte sich am Morgen ins Gras gelümmelt, um die Sonne zu genießen.

Weil ich diese interessante Art bereits im letzten Bericht ausführlich beschrieben habe, möchte ich heute auf weitere Worte verzichten.

Für ein zweites Tier, ein Weibchen, reicht es aber noch:


second specimen


Kaum einen Meter von dieser zweiten Listspinne entfernt fand ich unzählige Ampferblattkäfer, die sich, ihr Name verrät es bereits, an Ampfer gütlich taten:

Green Dock Beetle

Das Bild zeigt ein Weibchen, dessen Hinterleib als Folge der Eireifung bereits mächtig angeschwollen ist.

In Deutschland gibt es knapp 500 Blattkäfer-Arten, die in der Mehrzahl sehr farbenprächtig sind. Weil sich sowohl die Larven als auch die fertigen Käfer ausschließlich von Pflanzen ernähren, werden einige Blattkäfer als Schädlinge bezeichnet. Bekannte Vertreter dieser Familie sind der Kartoffelkäfer (in meiner Kindheit sehr häufig, heute vielerorts fehlend) und das leuchtend rot gefärbte Lilienhähnchen, das vor allem Gartenbesitzer in den Wahnsinn treibt.

Die meisten Arten sind jeweils auf ganz bestimmte Pflanzen spezialisiert. Im Frühjahr zum Beispiel wimmelt es auf den noch jungen Blättern der Schwarzerle von Erlenblattkäfern, die, wie auch der hier vorgestellte Ampferblattkäfer, wunderschön metallisch schillern. Allerdings in einem eher blauen Farbton.

Ein zweites Weibchen des Ampferblattkäfers:

second female 

Ein weiterer Vertreter aus der Familie der Blattkäfer ist der Schilfkäfer:

Donacia semicuprea

Auf den ersten Blick sieht er so ganz anders aus als viele der "klassischen" Blattkäfer, weil er recht schlank und langgestreckt daherkommt statt gedrungen und fast kugelig. In Sachen Farbenpracht steht der Schilfkäfer anderen Arten dieser Familie allerdings in nichts nach!

Er gehört übrigens zu jenen Arten, die nicht an eine bestimmte Pflanze gebunden sind. Darüber hinaus nehmen die Larven ihre Nahrung unter Wasser zu sich.

Für die Bestimmung bedanke ich mich bei Cvenkel Miran (Slowenien)!

Oh, ein Nesselblattrüssler:

Nettle Weevil


Ihr seht, man kann unglaublich viel entdecken, wenn man am frühen Morgen aufmerksam durch eine taunasse Wiese schleicht. Und natürlich ist das, was ich hier zeigen kann, nur ein klitzekleiner Ausschnitt aus diesem Mikrokosmos.

Unter anderem Schmetterlinge, Käfer, Hautflügler und vor allem Zweiflügler kommen dort in einer großen Artenzahl vor. Doch um Vertreter dieser Insekten-Ordnungen zu finden, muss man die Wohnung normalerweise gar nicht erst verlassen. Denn einige Arten haben sich darauf spezialisiert, uns Menschen bis in unsere Wohnstätten zu folgen und uns so durchs Leben zu begleiten.

Die unauffällige Pelzmotte hatte ich hier ja bereits im letzten Jahr vorgestellt.

Sie kommt nahezu in jedem Haus, in jeder Wohnung vor, wenn es dort für ihre Raupen etwas zu holen gibt. Diese ernähren sich von tierischen Produkten, die aus Keratin oder Chitin bestehen. Sie verspeisen also tote Insekten ebenso wie Haare und Federn. Man muss aber keinen Hund besitzen, nicht mal eine Katze oder einen Wellensittich. Ein wollener Teppich, der ja ebenfalls aus nichts anderem als Tierhaaren besteht, stellt für die Raupen der Pelzmotte ein echtes Schlaraffenland dar. Er allein reicht völlig aus, um sie glücklich zu machen.

Ähnliche ökologische Ansprüche wie die Pelzmotte besitzt auch er hier:









Varied Carpet Beetle exploring my living room

Es ist der hübsche Wollkrautblütenkäfer!

Sein deutscher Name bezieht sich auf die Ernährungsgewohnheiten der Käfer selbst. Sie besuchen gerne die Blüten verschiedener Pflanzen, wo sie es auf Pollen abgesehen haben. Dabei beschränken sie sich aber keineswegs auf die Blüten der Königskerzen (im Volksmund Wollkräuter genannt), wie man vielleicht meinen könnte. Trotzdem zielt auch das wissenschaftliche Artepitheton auf genau diese Pflanzen-Gattung ab. Der englische Name des Käfers wiederum bezieht sich auf die Lebensweise der Larve, die eben gerne in Wollteppichen haust.

Der Wollkrautblütenkäfer ist ein Zwerg, wie das folgende Foto sehr eindrucksvoll belegen kann:

small beetle in comparison with the huge tip of my trigger finger

Dieses rosa Etwas links im Bild ist die Spitze meines Zeigefingers!

Das bedeutet auch, dass man diesen kleinen Käfer leicht übersehen kann. Mir ist er jedenfalls erst vor einigen Wochen zum allerersten Mal aufgefallen. Die beborsteten Larven hatte ich dagegen zuvor schon oft gesehen. Sie klettern gerne an den Wänden hoch, um an leckere Spinnweben zu gelangen, die sich meist in Deckennähe befinden.

Immer und immer wieder habe ich mich in der Vergangenheit gefragt, um wen genau es sich hier handelt. Die Bilder auf einer Internetseite klärten mich schließlich über die wahre Identität dieser Larven und somit auch über den Käfer selbst auf.










Das Phantom war endlich enttarnt!

Mir sind die Laren immer nur einzeln begegnet. Hier mal eine, dann erst viele Tage später die nächste. Und wie bereits geschrieben, den Käfer selbst hatte ich bis vor einigen Wochen nie zu Gesicht bekommen.

Ich entdeckte ihn schließlich in der Küche. Er kauerte auf Augenhöhe an der Wand, direkt über der Spüle. Wer bist du, dachte ich, doch schon im nächsten Augenblick ging mir ein Licht auf. Der Käfer ist so winzig, dass man bei flüchtigem Hinsehen weder Färbung noch Zeichnung mit bloßem Auge erkennen kann. Doch allein diese geringe Größe war dann für mich Anlass genug für einen prüfenden Blick aus geringster Distanz.

Und ist er nicht ein hübscher Kerl?


Wenn ihr Google nach diesem Käfer befragt, tauchen ganz oben vor allem Seiten diverser Schädlingsbekämpfer und Pestizidhersteller auf.

Da werden, wie ja auch im Falle der Pelzmotte, in BILD-Manier mächtig Ängste geschürt, die so überhaupt nicht berechtigt sind. Eine ganz durchschnittliche Pflege der Wohnung sollte ausreichen, den Bestand dieser Tiere nicht zu groß werden zu lassen. Ich meine, ich leide doch auch nicht unter einem Putzfimmel.

Und trotzdem treten Pelzmotte und Wollkrautblütenkäfer seit Jahrzehnten immer nur in konstant geringer Zahl bei mir auf. Das gilt übrigens auch für andere Mitbewohner wie Zitterspinne und Silberfischchen. Und schließlich werden die meisten Menschen die Anwesenheit dieser kleinen Gesellen erst gar nicht mitbekommen oder aber im Falle der Entdeckung vermuten, sie seien von draußen in die Hütte gekommen.

Wenn ihr aber trotzdem mal einem dieser Käfer zu Hause begegnet, dann wünscht ihm einfach nur einen guten Tag, statt ihn mit der chemischen Keule ins Jenseits zu befördern. Chemie ist in solchen Fällen nie ein guter Ratgeber, weil sie sich letztendlich auch nachteilig auf unsere eigene Gesundheit auswirken kann. Eine überschaubare Käfer- oder Mottenpopulation ist dagegen in dieser Hinsicht völlig unbedenklich!

Zum Abschluss gibt's noch ein Schwarzweißbild vom Reiherschloot, das eine balzende Gemeine Blutzikade zeigt:  

displaying male Black-and-red-Frog-Hopper

Buten un binnen!

Das war und ist wohl auch heute noch eine Fernsehsendung, die von Radio Bremen produziert wird. Erfunden wurde sie schon 1980 von einem Schwaben, der seinerzeit Fernsehchef dieser Rundfunkanstalt war. Einem breiteren Publikum und so auch mir selbst sollte dieser irgendwie sympathische Mensch erst sehr viele Jahre später bekannt werden. Und zwar als Moderator des Politmagazins Frontal.

Das alles kann man in wenigen Minuten herausfinden, weil es das Internet gibt.

Buten un binnen, also draußen und drinnen, ist übrigens Plattdüütsch.