wilde perspektiven

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Samstag, 21. April 2018

Vom Amur an die Ems (Teil 2)

Moin Kinners, ganz spontan habe ich einen zweitägigen Ausflug gemacht und bin nach Eelde gefahren.

Nach fast drei Jahren wollte ich mir endlich mal wieder die geilen Amurnattern in Popko van der Molens großartigem Garten ansehen.

Es war ein schöner, eigentlich sogar sommerlicher Ausflug, doch in Sachen Fotografie musste ich leider etwas zurückstecken (s. u. ).

Gleich zu Beginn möchte ich mich bei Popko und Maria und Maria und Popko und so weiter ganz herzlich für die großartige Gastfreundschaft bedanken. Der Tisch war am Abend reich gedeckt, und ich kam mir ein bisschen wie Ludwig XIV vor. Ich wette, ich habe zehn Kilo zugelegt in den eineinhalb Tagen meines Aufenthaltes dort. 

Eine Gewichtszunahme war aber ganz bestimmt nicht mein Ziel, als ich mich dazu entschloss, die deutsch-niederländische Grenze erstmals nach langer Zeit zu überqueren. Natürlich hatte ich vor allem die Schlangen auf dem Schirm, doch viele Tiere bekam ich nicht zu sehen. Es war einfach zu heiß. Schon am Vormittag stiegen die Temperaturen auf einen selbst für die meisten Reptilien unerträglichen Wert von 27 Grad Celsius!

Und wenn schon Reptilien keinen Bock auf diese Hitze haben, was soll ich denn dann sagen?

Kurz: Ich sah insgesamt nur vier Schlangen. Zwei Ringelnattern und zwei Amurnattern. Beide Ringelnattern sonnten sich am frühen Morgen in einem der vielen von Popko aufgeschichteten Reisighaufen. Ich musste nur daran denken, sie zu ergreifen, da waren sie bereits verschwunden. 

Immerhin gelang mir der Fang dieser jungen Amurnatter:

young Russian Rat Snake of the introduced Dutch population 

Das Tier hatte sich am Rande eines Steinhaufens direkt neben einem Weg und dem Haus gesonnt und war mir bei der ersten Begegnung noch entwischt. Doch beim zweiten Versuch ging ich dann als Sieger vom Platz. 

Schnell schoss ich einige Bilder:

same

Danach entließ ich die Schlange wieder in die Freiheit, wo sie mir einen Tag später abermals begegnen sollte.

Eine adulte Amurnatter sah ich am späten Abend, ebenfalls in einem der Reisighaufen. Die Schlange sonnte sich leider in einem für meine Hände unerreichbaren Bereich. Und als wäre das noch nicht schlimm genug – also so aus meiner Sicht –, sah ich nur einen Teil ihres langen Körpers, nicht aber den Kopf. Und wenn sich die Amurnatter zuvor nicht ein kleines bisschen bewegt hätte, wäre sie mir erst gar nicht aufgefallen.   

Während des Abendessens begann dann ein einsamer Laubfrosch zu rufen. Popko hatte mir bereits zuvor von den Tieren erzählt. Doch auch der Frosch war klug genug, sich in einem für mich unzugänglichen Teil des Teiches aufzuhalten. Er hatte sich einen Platz in der dichten Ufervegetation ausgesucht. Selbst mit Popkos riesiger Taschenlampe konnten wir ihn nicht finden, obwohl er seine Rufreihen ungerührt fortsetzte. 

Jetzt bin ich mir sicher, er hat uns verhöhnt.

Wenn auch vieles von dem, was ich mir im Vorfeld vorgenommen hatte, am Ende nicht geklappt hat, so bin ich doch zufrieden mit meiner Ausbeute. Ich meine, der Garten allein ist wirklich eine Reise wert. Gepflegt wird er vor allem von einem einsamen Alpaka, das diesmal gleich unmittelbar nach meiner Ankunft am Zaun stand, um mich zu begrüßen und in Empfang zu nehmen. Im Juni 2015 hatte ich das Kamel nicht ein einziges Mal zu Gesicht bekommen. Vielleicht könnt ihr euch jetzt vorstellen, wie verwinkelt und "unordentlich" es in diesem Garten aussieht. 

Gärten machen einen beträchtlichen Teil der Fläche unseres Landes aus. In den Niederlanden ist das nicht anders. Menschen, die keinen bescheuerten Rasenmäher einsetzen und der Natur die Gestaltung überlassen und ihr allenfalls unterstützend zur Seite stehen, sind mir die liebsten. Eine unglaubliche Diversität kann logischerweise die Folge sein. 

In Popkos Garten konnte ich viele Tierarten entdecken, die man in Deutschland nur in der Wildnis finden könnte. Sie sind ein wichtiger Indikator für ein intaktes Ökosystem und auch dafür, dass fast jeder Mensch die Möglichkeit hat, der Natur etwas zurückzugeben. Meiner Überzeugung nach stehen wir da sogar in der Pflicht.

Ich meine, seien wir doch mal ehrlich, die meisten Rasenflächen werden kaum oder gar nicht genutzt. Sie sind ausschließlich da, um gepflegt zu werden. Viele Menschen mähen nur deshalb im wöchentlichen Rhythmus ihren Rasen, weil sie sonst nichts mit sich und ihrem Leben anzufangen wissen. Doch als Folge davon bleibt die Natur auf der Strecke. Der einzige Nutznießer dieses Sterilitätswahns ist wohl die allgegenwärtige Amsel, doch um sie und ihre Zukunft braucht man sich nun wirklich keine Sorgen zu machen. Mehr als eine Amsel auf jedem Hausdach geht einfach nicht.

Diese hübsche Bänderschnecke machte eine Pause vom anstrengenden Herumgekrieche im Brombeergestrüpp:

Grove Snail

Noch in Deutschland hatte ich am frühen Morgen diese Dohlen fotografiert:

these Jackdaws were collecting fluffy nesting material right from the producer

Sie zupften einigen Pferden ein paar Haare aus, weil sie für ihren sich noch in der Planung befindlichen Nachwuchs ein flauschiges und warmes Net  bevorzugen. 

Ich konnte beobachten, dass die meisten Dohlen das einzige weiße Pferd auf der Koppel eindeutig bevorzugten! Zeitweilig standen da bis zu zwölf Vögel auf dem Rücken dieses Kaltblutes. Doch für mich war dieser Braune hier leichter zu fotografieren, weil der Motivkontrast einfach ausgeglichener war.

Hier aber doch ein Bild vom Schimmel:

most birds clearly preferred white hair. While the Jackdaws were plucking, the horse didn't show any interest in what was happening on his back

Alles Glück dieser Erde liegt auf dem Rücken der Pferde.

Zumindest sieht es vor allem auf dem zweiten Bild so aus, als feierten die Dohlen da eine große Party.

Wenn sich Rabenvögel ihr Nistmaterial direkt beim Produzenten abholen, dann kann das schnell zu Missverständnissen führen. Menschen mit einer nicht nachvollziehbaren Angst vor in Gruppen auftretenden schwarzen Vögeln könnten den Eindruck gewinnen, es handele sich hier um eine Attacke auf das Leben des Vierbeiners. 

Doch ich versichere, den Pferden machte das alles absolut nichts aus. Jeder kennt das: Lästige Fliegen werden sowohl von Kühen als auch Pferden – ohne nachhaltigen Erfolg – permanent mit dem Schwanz verscheucht.

Eine Horde Dohlen auf dem Rücken?

Offensichtlich kein Problem.

Alle Pferde auf der Koppel nahmen die Pflegemaßnahmen durch die Vögel mit stoischer Gelassenheit zur Kenntnis. Sie grasten einfach weiter. Fast konnte man sogar den Eindruck gewinnen, sie genössen den Aufenthalt in der Beauty Lounge. 

Panik sieht jedenfalls anders aus:

another horse

Zum Abschluss dieses Beitrages gibt es malerischen Morgentau auf dem Blatt des Sumpfblutauges:


leaf of Purple Marshlocks with morning dew. Edit: actually the picture doesn't show dew, but guttation! Many thanks to Tobias Bernsee (Berlin) for correcting me!

Interessant war für mich, dass sich das Wasser ausschließlich an bestimmten Stellen des Blattrandes sammelte. Sicher bin ich mir nicht, aber vielleicht hatte hier der bekannte Lotoseffekt seine säubernden Finger im Spiel. 

Die weltbekannte Firma ZEISS hat diesen Effekt kopiert und die Frontlinsen einiger ihrer Spitzenferngläser entsprechend ausgestattet. Ich habe so ein elitäres Produkt noch nie in meinen Händen gehalten, doch wenn ich das richtig verstehe, gehört das ewige Putzen und Säubern der gläsernen Oberflächen jetzt der Vergangenheit an. Die Entwicklung geht immer weiter. Und das ringt mir Respekt ab.

Wo ich das Bild geschossen habe?

Natürlich an einem der vielen Teiche in Popkos Märchengarten!


Meinen ersten Bericht über die Amurnattern aus dem Jahr 2015 findet ihr übrigens hier: klick!

Nachtrag vom 26. April 2018: Tobias Bernsee (Berlin) hat mir ins Gästebuch geschrieben, es handele sich bei den Tropfen auf dem Blatt des Sumpfblutauges nicht um Morgentau, sondern um so genannte Guttation! Ich musste auch nicht lange recherchieren, weil Tobias gleich den passenden Link hinzugefügt hat. Hier könnt ihr Details nachlesen: klick!

Vergesst trotzdem nicht den Lotoseffekt und auch nicht, was ich über die Firma ZEISS geschrieben habe. Das passte zwar nicht zu diesem Beitrag, war aber trotzdem geil. Weil Tobias diese kleine Korrektur ins Gästebuch geschrieben und mir nicht etwa hinter den Kulissen per E-Mail hat zukommen lassen, sah ich mich dazu gezwungen, eine kleine Brief-Atombombe auf die Reise nach Berlin zu schicken.

Okay, das war nur Spaß, denn auch ich kann noch und muss auch dazulernen. Der Lernprozess endet schließlich erst mit dem Tod. Ich bedanke mich also für diese Korrektur, denn es soll alles seine Richtigkeit haben.

Auch und vor allem in diesem Blog.

Noch ein Nachtrag vom 26. April 2018: Eben war ich bei der Volksbank in Pewsum. Als ich dort ankam und hineinging, schien noch die Sonne. Doch als ich rauskam, schauerte es heftig. Zufall, könnte man meinen, doch dahinter steckte natürlich kein Geringerer als der geile Wettergott, der mir zeigen wollte, wie die Sache mit dem Lotoseffekt tatsächlich aussieht:





lotus effect – water on the surface of an Alchemilla leaf

Ihr erkennt sehr schön, wie sich der Regen auf der wasserabweisenden Oberfläche der Frauenmantel-Blätter zu dicken Tropfen zusammenschließt.

Ist das großartig?

Jo, das ist es!