wilde perspektiven

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Donnerstag, 5. Juli 2018

Sweet Hasilein

Ja, jetzt ist es endlich so weit!

Hasilein bekommt einen eigenen Beitrag.

In den letzten Berichten tauchte dieser Feldhase ja bereits zweimal auf.

Er lebt in einem Hausgarten im Zentrum von Greetsiel und pflegt dort den Rasen, isst im Prinzip alles, was Gartenbesitzer normalerweise als "Unkraut" bezeichnen würden.

Alles, so von Gänseblümchen über Hornklee bis Löwenzahn.

Wenn Hasilein gerade mal nicht isst, findet man ihn an drei verschiedenen Orten oder besser, in drei verschiedenen Mulden innerhalb seines kleinen Reviers.

Eine befindet sich am Rand des Rasens neben einem Kieselsteinbeet, die zweite mitten auf dem Rasen und die dritte am Fuße eines Haselstrauchs

Letztere wird vor allem dann aufgesucht, wenn es entweder regnet oder aber sehr heiß ist. Dann fungiert der Strauch als Regen- oder eben Sonnenschirm. Auch als Feldhase mag man keine Extreme, und nicht nur in dieser Hinsicht ähnelt man den Menschen mehr, als es diesen lieb ist.

So sieht Hasilein übrigens aus:




Hasilein is a European Hare living in the center of Greetsiel

Hasilein ist sich vielleicht nicht darüber im Klaren, dass er innerhalb einer Ortschaft nicht abgeballert werden darf. 

Hier genießt er absoluten Schutz vor den Lodenträgern. 

An den Rasen, auf dem Hasilein sich vorzugsweise aufhält, grenzt ein anderer Garten an. Es gibt keinen Zaun. Der Besitzer dieses Nachbargartens, ein alter Mann, der die Natur offenkundig nicht mag, baut dort vor allem Kartoffeln an. Alle paar Tage (und das seit Wochen!) kommt er mit der Chemiekeule aus seinem Schuppen hervor und spritzt jede einzelne Pflanze sorgfältig ab. Um welchen Kampfstoff es sich hier genau handelt, weiß ich nicht. Doch einmal flog ein Großer Kohlweißling vorüber, und der alte Mann hob blitzschnell die Spritze an, um dem Falter ein paar Tropfem seines geheimnisvollen Gebräus mit auf den Weg zu geben. 

Der alte Mann weiß nicht, dass der Große Kohlweißling längst nicht mehr so häufig ist wie noch während meiner Kindheit. Und er ahnt nicht einmal, dass der Große Kohlweißling mit Kartoffeln überhaupt nichts am Hut hat.  

Egal, gegen Dummheit ist eben kein Kartoffelkraut gewachsen. 

Hier machte Hasilein nach einer längeren Ruhephase Dehnübungen:

sports

Die sind wichtig, denn auch als Feldhase kann man sich ganz bestimmt einen Muskelfaserriss zuziehen, wenn man von null auf hundert beschleunigen muss.


Während Hasilein den alten Mann von nebenan nicht leiden kann, zeigt er sich mir gegenüber inzwischen sehr vertraut. Ja, Feldhasen können unterscheiden zwischen bösen und guten Menschen. Ich habe das nie gesehen, aber vielleicht hat der alte Mann, der wohl unter einer Naturallergie leidet, Hasilein bereits nach dem Leben getrachtet und ihm eine Schippe hinterhergeworfen oder so. Er beäugt ihn jedenfalls immer sehr misstrauisch bis bösartig. Und er denkt bestimmt, dass Hasilein es auf seine bescheuerten Kartoffeln abgesehen haben könnte. Doch als Feldhase mag man keine Nachtschattengewächse, weil die giftig sind und abscheulich schmecken.  

Immer dann, wenn der alte Mann auf der Bühne erscheint, grinse ich ihm unverhohlen verhöhnend zu und blicke dann zu Hasilein, um dem Mann unmissverständlich zu signalisieren, dass der hübsche Feldhase unter meinem persönlichen Schutz steht.

Hasilein beim Mümmeln:

in the center of this small village Hasielin can not be killed by fucking hunters

Hasilein lebt in einem Garten, in dem meist Ruhe herrscht.

Er kann sich wahrscheinlich nicht einmal ansatzweise vorstellen, was sich tagtäglich jenseits der Häuserzeile, in deren Schatten er seinen Alltag verbringt, abspielt. Nämlich der ganz normale Wahnsinn, der Greetsiel zumindest während der Urlaubssaison zu einer pulsierenden Metropole im Gewand eines beschaulichen Fischerdorfes macht. Hasilein kann sich glücklich schätzen, denn vom ganzen bescheuerten Trubel bekommt er nichts mit.

In seinem Garten, nur wenige Dutzend Meter vom Massenterrorismus entfernt, kann er seine reine Hasenseele baumeln lassen.






Und er kann dort ganz in Ruhe essen.

Gänseblümchen sind ein nachwachsender Rohstoff.

Wenn Hasilein an einem Tag alle Blüten aufgegessen hat, dann kann er sich sicher sein, dass am nächsten Tag wieder genug neue vorhanden sind.

Sweet Hasilein wird jedenfalls nicht hungern müssen in diesem Hausgarten.

Wer hier regelmäßig reinschaut, der weiß, ich scheue weder Kosten noch Mühen! 

Und so habe ich im Netz recherchiert und nach Jagdstatistiken gesucht.

Fündig geworden bin ich auf der Seite des DJV.

In der Jagdsaison 2006/2007 (ich bin kein Jäger, aber Hasen werden wohl im Winterhalbjahr geschossen) sind allein in Niedersachsen 111.754 Feldhasen grundlos hingerichtet worden, bundesweit waren es 465.163. 

Nur zehn Jahre später, also 2016/17, war die Strecke in Niedersachsen auf nur noch 53.942 Individuen und somit auf weniger als die Hälfte gesunken. Gleiches gilt für nahezu alle Bundesländer und somit auch für die gesamte Republik.

Das ist ja toll, werdet ihr jetzt denken, man hat Einsicht gezeigt und weniger Hasen getötet.

Richtig, das ist tatsächlich der Fall, man hat weniger Hasen getötet. Doch darf man daraus nicht die falschen Schlüsse ziehen! Denn es ist davon auszugehen, dass diese geringere Jagdstrecke eben nicht darauf zurückzuführen ist, dass Jäger freiwillig darauf verzichtet haben, Feldhasen zu schießen. Vielmehr zeigen diese Zahlen, dass es Meister Lampe nicht mehr gut zu gehen scheint in unserem Land und die Bestände rückläufig sind und mancherorts sogar regelrecht einbrechen. 

Die Gründe sind bekannt!

Spaziert man auf dem Deich der Leybucht, etwa dort, wo sich der Mahlbusen des Norder Tiefs befindet, stellt man fest, dass auf der einen Seite unzählige Feldlerchen singen und auf der anderen nur wenige bis gar keine. Auf der einen Seite befinden sich ungedüngte und ungespritzte Salzwiesen, auf der anderen eine ganz normale Ackerlandschaft, wie sie nicht nur für Ostfriesland so typisch ist.

Es ist der leichtfertige Umgang mit Chemie, der in den letzten Jahrzehnten zu einem starken Rückgang bei vielen Tier- und Pflanzenarten geführt hat oder sogar zu deren Aus. Der Feldhase ist da keine Ausnahme. Und wenn es mancherorts auch noch viele Hasen geben mag, wie etwa hier in Ostfriesland, so bedeutet dass doch nicht, dass man sie abballern muss. 

Merksatz: Es gibt keinen Grund, Hasen zu töten!

Waidmänner sprechen in diesem Zusammenhang gerne davon, sie würden lediglich den "Überschuss abschöpfen".

Wenn sie jede Bodenhaftung verloren haben, und das ist leider sehr oft der Fall, dann fügen sie noch rasch an, dieser vermeintliche Überschuss sei die Folge ihrer Hegemaßnahmen. Diesen Unsinn verbreiten sie zu allem Überfluss auch noch in den Medien. Und es gibt tatsächlich Menschen, die das dann glauben!

Kinners, die Mär vom Überschuss ist so alt wie die Jagd selbst. Es gibt ihn nicht, den Überschuss. Ich meine, wer wollte festlegen, wie viele Hasen für welches Gebiet normal wären? Wie dreist und unverschämt können Menschen sein? Populationen von Wildtieren sind natürlichen (und unnatürlichen) Schwankungen unterworfen. Und nur weil eine Tierart zurzeit vielleicht häufig ist, rechtfertigt das doch noch lange nicht ihre Bejagung!

Gleiches gilt für die so genannten Hegemaßnahmen. Ihr Ausmaß sowie ihre Auswirkungen werden von vielen Waidmännern und -frauen hoffnungslos überschätzt. Oft existieren sie nicht einmal. Aber irgendwie muss man das, was man so tut, ja rechtfertigen. 

Viele Jäger neigen darüber hinaus dazu, die Verantwortung für den Rückgang des Feldhasen und einiger anderer Wildtiere diversen Beutegreifern in die Schuhe zu schieben. Der geile Rotfuchs ist in dieser Hinsicht ein Generalschuldiger, aber auch über Steinmarder und Wolf ergießt sich immer wieder ein widerlicher Schauer aus Lügen und Jägerlatein. Man muss nur einschlägige Foren besuchen, wenn man wissen möchte, wie die meisten Jäger ticken, wenn sie sich unbeobachtet fühlen. 

Doch nur der Jäger schießt die adulten und fortpflanzungsfähigen Individuen, die für eine gesunde Population von immenser Bedeutung sind. Ein Fuchs käme niemals in diesen Genuss. Er ist klug genug, um zu wissen, gegen Meister Lampe hätte er keine Chance. Der braucht nur einmal kurz Gas zu geben, um die Distanz zum vermeintlichen Feind zu verzehnfachen. Dem Fuchs würde auf der Stelle der Speichelfluss versiegen. Ihm blieben lediglich ein sehnsüchtiger Blick und ein leerer Magen.

Was ist da los?


Die Zeichen der Zeit trügen nicht.

Doch sie werden stumpf ignoriert. 

Wie im Falle des in vielen Regionen der Republik bereits ausgestorbenen Rebhuhns muss es wohl erst zum absoluten Desaster kommen, bevor die "einzigen staatlich geprüften Naturschützer" einlenken und die Bejagung des Feldhasen bedingungslos stoppen. 

Doch dann wäre es zu spät. 

Rebhuhn und Feldhase haben über Jahrhunderte ihren Lebensraum geteilt. Und man muss inzwischen befürchten, dass das eines Tages auch für ihr Schicksal gelten wird. Jäger, die sich gerne als einzige Anwälte der Natur aufspielen, haben bereits in der Vergangenheit eindrucksvoll gezeigt, dass sie nur am Schießen interessiert sind. Am Schießen auf lebende Zielscheiben. Die Natur in ihrer nahezu grenzenlosen Vielfalt spielt für die allermeisten Lodenträger überhaupt keine Rolle. 

Ihr ahnt also, ich befürchte Schlimmstes.

Und ich wünsche mir Veränderung.

Ich wünsche mir, dass die Jagd, so wie man sie heute betreibt, endlich und endgültig abgeschafft wird!



Hasilein hat im Moment nichts in seinem Greetsieler Hausgarten zu befürchten.

Nicht nur einmal habe ich ihm in den letzten Wochen mit Nachdruck verklickert, er solle bloß nie die Ortsgrenzen überqueren. 

Ob das fruchten wird? 

Ich hoffe es!


Das vorletzte Bild dieses Beitrages zeigt zwei Elstern, die gegen Sonnenuntergang auf dem Turm der alten Pilsumer Ziegelei standen und die Aussicht genossen:

these two Magpies were enjoying the overwhelming perspective on a sunny evening right before sunset

Von so einem Ausblick konnte diese Sektorspinne nur träumen:

this Silver-sided Sector Spider was captured in the inside of a fuel dispenser

Ich entdeckte sie nicht etwa auf, sondern im Innern der Anzeige der Zapfsäule einer Tankstelle in Greetsiel ;-)