Donnerstag, 28. Juni 2018

Zu Besuch im Knyphauser Wald

Ach, was gibt es Herrlicheres, als sich am ganz frühen Morgen von einer flötenden Singdrossel wecken zu lassen?

Ich sag's euch: Noch viel schöner ist es, wenn statt nur einer Singdrossel gleich ganz viele ihren großartigen Meistergesang intonieren!

Genau das habe ich (wieder einmal) erlebt.

Zum Nulltarif. 

Denn die Nacht von Mittwoch auf Donnerstag, also von gestern auf heute, habe ich unmittelbar am Rand des Knyphauser Waldes verbracht. Unter freiem Himmel. Im Schlafsack und auf der geilen Isomatte. Und natürlich ohne Zelt.

Letzteres wäre auch eher etwas für Warmduscher gewesen. 

Wenn die Wettervorhersage passt, wenn also Regen ausgeschlossen wird, dann schlafe ich auch schon mal ganz gerne draußen. Nicht alle Orte sind geeignet. Ein Gewässer sollte zum Beispiel nicht in der Nähe sein. Moskitos und so weiter, das wisst ihr natürlich auch. Eine Übernachtung im Moor käme also selbst für jemanden wie mich nicht infrage.

Aber dort, wo ich etwa sechs Stunden tief und fest geschlumpft habe, gab es keine bösen Überraschungen. Leider hat auch kein Wolf vorbeigeschaut.  

So sah es an meinem Schlafplatz nach Sonnenaufgang aus:

in the deep woods absolutely nothing can scare me. No people, no crime. So I spent one more time a single night outside. Without tent, but just with sleeping bag and caming mat. Song Thrushes were singing in the late evening and Song Thrushes were singing on early morning, when I woke up to finally take my shots of different small creatures 

Immer wieder bin ich in der Vergangenheit gefragt worden, ob ich denn keine Angst hätte, so ganz allein im finsteren Wald. 

Die Antwort: nein! 

In Städten und überall dort, wo viele Menschen zusammenkommen, gibt es Kriminalität, doch im Wald muss man sich nicht in die Hosen machen vor Angst. Dort kann einem wirklich nichts passieren. Vor allem nachts ist man im Wald auf der ganz sicheren Seite. 

Ich schlief also wie ein Stein, bis mich eben gegen vier Uhr in der Früh die lärmenden Scheißdrosseln weckten. Rasch ein Frühstück, schnell die Beißerchen geputzt und schon hatte ich all meine wichtigen Sachen  geschultert, um ganz aufgeregt den langen Weg zum zuvor auserkorenen Ziel zurückzulegen. Natürlich zu Fuß, ihr Pappnasen da draußen.

Ich hatte es auf die Gerandete Jagdspinne abgesehen. Ende Juni soll bei dieser Art die Paarungszeit beginnen. Doch ich nehme es gleich vorweg: Gepaart wurde sich an diesem Morgen nicht. Überhaupt fand ich fast ausschließlich Jungtiere und nur ein adultes Weibchen. 

Und das war noch mit dem Frühstück beschäftigt:

female Raft Spider having breakfast (a spider)

War da etwa wieder Kannibalismus im Spiel?

Zumindest ist die Beute eine größere Spinne, wie man hier sehr gut erkennen kann:

Die sichtbaren Beine des Opfers erscheinen mir für eine Ger. Jagdspinne aber zu lang und schlank.

Ich tippe hier eher auf eine Listspinne, die da ihr Leben gelassen hat, doch sicher bin ich mir nicht. 

Von vorn:










same

Vielleicht hat hier ja doch der Kerl dieses Prachtweibes nach der Paarung nicht schnell genug das Weite gesucht. Dann wird man halt schon mal aufgegessen. Muss man als Jagdspinnenmann einfach wissen, wenn man überleben will.

Ein Jungtier:

juvenile specimen

Ein weiteres hatte sich, in wahrsten Wortsinn, in die Nesseln gesetzt:

second

Ein drittes:

another

Wo die Jagdspinnen leben:

habitat of Raft Spider within Knyphauser Wald (acidic ditches on either side of the trail)

Im Gegensatz zum vergangenen Herbst waren die Bedingungen nicht optimal.

Alle Gräben waren komplett ausgetrocknet. Von Jagdspinnen, die auf dem Wasser laufen, konnte ich an diesem Morgen nur träumen. Trotzdem hätte ich deutlich mehr Individuen erwartet. Wo sie sich versteckten, ob sie noch unter uns weilten an diesem Morgen, kann ich nicht beantworten.

Hier geht es zu einem ausführlicheren Bericht über die Jagdspinnen im Knyphasuer Wald: klick!


Positiv war gestern Morgen der überraschende Fund zweier Spiegelfleck-Dickkopffalter im noch taunassen Pfeifengras




Large Chequered Skipper – this beautiful species I had neer seen before in this wood, but in a bog few kilometers away

Diese in den Mooren Ostfrieslands erfreulicherweise noch verbreitete Art sah ich somit erstmals auch im Knyphauser Wald.

Derselbe Falter, aber eine andere Bildgestaltung und Perspektive:

same

Ein drittes Bild zeigt das Tier im Gegenlicht der inzwischen durch die Baumkronen lugenden Sonne:

same

Viele Wespenspinnen konnte ich in der Bodenvegetation entdecken, doch die waren noch zu klein und unscheinbar für ein aussagekräftiges Foto.

Stattdessen querte diese grasgrüne Dame meinen Weg:

female Great Green Bush-cricket

Ich hielt ein adultes Individuum des Grünen Heupferds zu dieser Zeit des Jahres für reichlich früh, doch hat man mir im Netz bestätigt, dass diese Schrecke bereits Ende Juni ausgewachsen sein kann, Vor allem dann, wenn es im Mai besonders viele warme Tage und somit günstige Bedingungen für die Entwicklung der Jungtiere gegeben hat.

Roesel's Bush-cricket

Diese Art, Roesel's Beißschrecke, hatte ich für diesen Ort bereits im letzten Herbst vorgestellt, im ausführlichen Beitrag über die Gerandete Jagdspinne. 

Oh, wer bist du denn?





Trypetoptera punctulata 

Es handelt sich hier um einen Vertreter aus der Familie der Hornfliegen, nämlich um Trypetoptera punctulata. 

Die Art war mir bis zu diesem Tag völlig unbekannt, doch im Netz findet man schnell Menschen, die sich auch mit so speziellen Tierchen sehr gut auskennen. Mein Dank geht deshalb an Angelika und Reimund Ley aus Recklinghausen, die diese sehr schöne Fliege freundlicherweise für mich bestimmten. Jetzt werde ich ihren Namen ganz sicher nicht mehr vergessen.

Ein zweites Individuum:

second specimen

Das sich wenig später zu putzen begann (Hinterbeine!):


Die allermeisten Hornfliegen, so auch diese Art, legen ihre Eier an Schnecken ab, die dann von den Larven der Fliegen aufgegessen werden.

Welche Schnecken genau belegt werden, ist mir nicht bekannt. Sollten es diverse Nackschnecken sein, würden wohl viele zu künstlicher Hysterie neigende Gartenbesitzer aufatmen.

Die kleinen und bunten Biester machten sich schließlich aus dem Staub, und ich ging die letzten zwei Kilometer zurück zu meinem Auto.

Auf dem Weg dorthin hörte ich meine vielleicht allererste Turteltaube hier in Ostfriesland! Sie sang ausgiebig in einer Eiche, doch sehen konnte ich sie leider nicht.

Scheißblätter.

Ein Trostpreis:


Hedge Woundwort

Noch tief im Schatten blühte dieser Waldziest vor sich hin.

Ich war so frei, ihn für die Ewigkeit in Bildern festzuhalten.

Wie auch diesen Damhirsch, der eigentlich eine Kuh war:

this female Fallow Deer was staring a bit to long at me. If I was a hunter (I am certainly not), he would have been shot easily

Der Damhirsch ist eines der ganz wenigen Tiere, für die sich Jäger überhaupt interessieren. 

So, Kinners, kommen wir zum Ende: Das mit den lärmmenden Drosseln nehme ich natürlich zurück, das war nur Spaß!

Das gilt auch für die Pappnasen ;-)

Ein finales Bild:




never before I had seen so many individuals of Small White gathering together. On Wednesday there were hundreds of butterflies foraging in a small area of just few squaremeters

Am Mittwochmorgen (27. Juni 2018) sah ich in der Nähe des so unglaublich berühmten Pilsumer Leuchtturms ebenso unglaublich viele Weißlinge durch die Luft flattern.

Sie waren offensichtlich kurz zuvor von einer Reiterin aufgescheucht worden und ließen sich nach und nach wieder am Wegesrand nieder. Es waren mehrere hundert Individuen des Kleinen Kohlweißlings, die da an den Blüten der Ackerkratzdistel Nektar saugten und möglicherweise ihre Kindheit in einem nahen Rapsfeld verbracht hatten.

Nie zuvor hatte ich so viele Weißlinge auf so engem Raum gesehen!

In der heutigen Zeit dürften solche Massenvermehrungen von vermeintlichen Schädlingen eher selten auftreten, weil der hemmungslose Einsatz von Chemie sie verhindert.  Umso überraschter war ich also, als ich das "Schneetreiben im Juni" in der Ackermarsch entdeckte.

Erst am Nachmittag sollte mir dann ein Licht aufgehen. Mir war plötzlich klar, die Tiere hatten sich zum Public Viewing getroffen! Ich meine, sie trugen doch auch alle schwarz-weiße Trickots. Gebracht hat diese Unterstützung leider nichts. Die Spieler der deutschen Fußballnationalmannschaft hatten an diesem denkwürdigen Tag weiche Knie und verloren sang- und klanglos gegen die aufopferungsvoll kämpfenden Südkoreaner, für die es bereits zu diesem Zeitpunkt um nichts mehr ging.

Nur noch um Belangloses wie Ehre und so weiter.