wilde perspektiven

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Sonntag, 9. Februar 2020

Die Amphibien und Reptilien Ostfrieslands


Moin Kinners,

heute gibt es einen zusammenfassenden Beitrag über eine Tiergruppe, die schon immer eine unglaubliche Faszination auf mich ausgeübt hat.

Schon als kleiner Junge war ich beeindruckt von der Schönheit und Vielfältigkeit aller Amphibien und Reptilien. Ja, selbst heute noch, im hohen Alter, kann ich mich an all die jeweiligen Erstbegegnungen mit den einzelnen heimischen Arten erinnern. 

Den ersten Laubfrosch meines Lebens z. B. sah ich, wie auch meine jeweils erste Waldeidechse, Zauneidechse und Blindschleiche, im Alter von etwa zehn oder elf Jahren in einem Heidegebiet an der Penter Straße in Hollage, wo ich aufgewachsen bin. Meine ersten Teich-, Berg- und Kammmolche hatte ich bereits zuvor in einem Niedermoor ("In den Rotten") gekeschert, das sich, eingebettet in einen Kiefernforst, am Ortsrand befand. Meine erste Ringelnatter fing ich dagegen relativ spät, nämlich erst mit 20 Jahren oder so, auf dem Flugplatz Achmer, wo ich schon viele Jahre zuvor erstmals Kreuzkröte und Moorfrosch bei der Balz über die Schulter geguckt hatte.

Und schließlich bin ich bereits als kleiner Steppke im Grundschulalter mit meinem klapprigen Kinderfahrrad und zusammen mit einem Schulkameraden extra bis nach Engter gefahren, über die höchsten Berge und durch die tiefsten Täler, nur um meinen ersten Feuersalamander zu suchen und schließlich auch zu finden.

12 Kilometer.

Ein Weg.

Ohne Gangschaltung!

Moor Frog – this blog post introduces the 13 species of amphibians and reptiles who can be found in Ostfriesland, the northwesternmost part of Germany

Einige dieser Vorkommen haben etwas gemein: Sie sind längst erloschen.

Das Niedermoor wurde in einer Nacht-und-Nebel-Aktion vom Besitzer in einen Maisacker transformiert, die Heideflächen an der Penter Straße sind größtenteils zugewachsen. Leider hat man dort auch die Gewässer zunächst mit Müll, später mit Bauschutt und schließlich mit Erde aufgefüllt, was das Aus für alle dort lebenden Amphibien bedeutete. Im Falle des Laubfroschs hat es sich um die einzige Population auf dem Gebiet der besonders naturfernen Gemeinde Wallenhorst gehandelt und um eine von ganz wenigen, die seinerzeit landesübergreifend im Dunstkreis der Stadt Osnabrück existierten. In meinem Leben habe ich insgesamt so viele Vorkommen von Amphibien und Reptilien durch Lebensraumzerstörung verschwinden sehen, dass ich sie nicht mehr einzeln aufzählen könnte. Das Allerschlimmste aber war und ist: Diese bedenkliche Entwicklung ist keine kommunale, sondern eine bundes-, ja sogar weltweite!

Wahrscheinlich könntet ihr, liebe Mitmenschen da draußen, Ähnliches aus eurer Heimat berichten.

Trotzdem kommen in Deutschland nach wie vor, je nach Autor und Taxonomie, etwa 21 Amphibien- und 15 Reptilienarten vor. Am Schreibtisch und vor allem im Labor entstehen nahezu permanent neue Arten, wie etwa die Barrenringelnatter, die lange Zeit als eine Unterart der Ringelnatter gehandelt wurde, doch ich bin der Meinung, dass man nicht jeden Trend mitgehen muss und der innerartlichen Variation durchaus auch etwas Spielraum zugestehen sollte.

Oh, seht doch, eine hübsche Knoblauchkröte:





Common Spadefoot

Ostfriesland liegt bekanntlich im äußersten Nordwesten der Republik. 

Kühl ist es hier und nicht selten ungemütlich, wenn man mal die beiden letzten Sommer ignoriert. Entsprechend kommen hier nur wenige Amphibien- und Reptilienarten vor. Nach einem 1991 vom Niedersächsischen Landesverwaltungsamt herausgegebenen Zwischenbericht über die Herpetofauna dieses Bundeslandes sind das folgende 13 Spezies: Bergmolch, Teichmolch, Knoblauchkröte, Erdkröte, Kreuzkröte, Moorfrosch, Grasfrosch, "Teichfrosch", Seefrosch, Blindschleiche, Zauneidechse, Waldeidechse und als einzige Schlangenart die Kreuzotter.

In den elf Jahren, die ich jetzt in Ostfriesland lebe, habe ich hier fast alle erwähnten Arten fotografieren und mit dem Fadenmolch sogar eine neue für diese Region erstmals nachweisen können. Nicht gefunden habe ich in diesem Zeitraum den Bergmolch (im Atlas nur ein einzelner Fundpunkt bei Aurich), die Kreuzkröte und die Zauneidechse.


Ich beginne mit dem Teichmolch, der in Ostfriesland wohl flächendeckend verbreitet ist und sowohl in der Marsch als auch auf der Geest vorkommt. Bis zu meinem ersten Fund hat es einige Jahre gebraucht. Rein zufällig sah ich dann einen Teichmolch in einer Kleientnahmestelle an der Wolfsburger Straße in Emden. Später folgten weitere Funde in den Waldgebieten um Aurich herum.

Dieses prächtige Männchen etwa fing ich zur Laichzeit im April 2016 in einem kleinen Gewässer auf einem Standortübungsplatz bei AUR-Brockzetel:

male Common Newt – this species is still quite common in any kind of water body

Dasselbe Männchen aus der Nähe:

same

Einen Kerl in Landtracht hatte ich zuvor bereits im März 2014 unter einem Holzbrett in einem Wald bei AUR-Plaggenburg gefunden:

another

Der männliche Teichmolch im Hochzeitskleid, das will ich euch nicht vorenthalten, ist für mich übrigens der attraktivste Molch der ganzen Republik.

Aber das nur am Rande.

Ebenfalls im April 2016 gelang mir der Erstnachweis des Fadenmolchs für Ostfriesland:







male Palmate Newt, first record ever for Ostfriesland in April 2016

Es war der Tag, an dem ich das erste Mal überhaupt hier in meiner neuen Heimat mit einem Kescher bewaffnet ins Outback ging. Tatsächlich wollte ich im Collrunger Moor nach Molchen suchen und mit etwas Glück, so hoffte ich damals, einen Bergmolch finden.

Das erste Tier, das ich nach nur wenigen Minuten fing, war, so glaubte ich, ein weiblicher Teichmolch. Kaum hatte ich ihn ins Wasser zurückgesetzt, da keimten auch schon Zweifel in mir auf. Der Molch war recht klein und auf dem Bauch nahezu ungefleckt gewesen. Ich dachte: Wenn das mal kein Fadenmolch war...

Eine ganze lange Stunde verging – ich wurde immer nervöser –, bis ich endlich wieder erfolgreich war beim Keschern. Gleich drei Molche zappelten da in meinem Netz. Jetzt fiel die Diagnose nicht mehr schwer, zumal ich ja auch längst einen Verdacht gehegt hatte. Es waren tatsächlich drei Fadenmolche, zwei Männchen und ein Weibchen!


same

Weitere Individuen folgten an diesem denkwürdigen Tag; andere Molcharten waren leider nicht darunter:

same

Die bis dahin nahesten bekannten Vorkommen des Fadenmolchs existierten seinerzeit um Oldenburg herum!

Schnell noch ein Weibchen:

female

Unweit des Fadenmolch-Vorkommens im Collrunger Moor, nämlich auf dem bereits erwähnten Standortübungsplatz bei AUR-Brockzetel, sollte mir nur etwa eine Woche später, also ebenfalls im April 2016, ein weiterer Coup gelingen!

Wieder hantierte ich mit meinem kleinen Aquarium-Kescher herum, als ich darin plötzlich einen undefinierbar dunklen Froschlurch entdeckte, der sich einfach weigerte, seine Augen zu öffnen. Ich nahm ihn in die Hand, und sofort begann das Tier damit, mit seinen Hinterbeinen alternierende Grabbewegungen auszuführen. Ich konnte mein Glück kaum fassen, ich hielt eine Knoblauchkröte in meiner Linken!

So sah sie aus:

Common Spadefoot – this specimen from April 2016 constituted the first record of this species for Ostfriesland for more than 20 years 

Es handelte sich hier um den ersten Nachweis dieser heimlichen Art für Ostfriesland nach über 20 Jahren und die erst zweite Knoblauchkröte für mich selbst nach einem Tier, das ich viele Jahre zuvor auf dem Flugplatz Achmer (Landkreis Osnabrück) gefunden hatte.

Dasselbe Individuum:







same

In den folgenden Tagen besuchte ich den Teich auch am Abend.

Erst als der Verkehr auf der nahen Landesstraße völlig zum Erliegen kam und es still wurde im Outback, konnte ich an diesem kleinen Gewässer die Rufe gleich mehrerer Knoblauchkröten hören. Wie viele es am Ende waren, ließ sich natürlich nicht genau ermitteln, weil die Tiere gerne gleichzeitig rufen.

Dieser Nachweis war für mich etwas ganz Besonderes, hatte ich doch in den Jahren zuvor gezielt nach der Knoblauchkröte gefahndet. Mit einer Taschenlampe war ich nach Sonnenuntergang durch einige Sandgruben östlich von Aurich gelaufen, jedoch stets ohne Erfolg. Dass mir dieses Phantom auch noch ausgerechnet in einem Augenblick geradezu in die Hände fiel, als ich nicht mit ihm gerechnet hatte, macht diesen Fund noch tausendmal schöner und spektakulärer!

Es folgt der Moorfrosch:




in Ostfriesland Moor Frog is restricted to bogs 

Ihn in Ostfriesland zu finden, ist keine große Herausforderung.

Denn wenn der Moorfrosch hier in seiner Verbreitung auch tatsächlich auf die Restmoore beschränkt ist, so kommt er dort doch glücklicherweise auch heute noch in recht großer Zal vor.

Vor allem am frühen Morgen, wenn ich mich im Collrunger Moor auf der Suche nach taubedeckten Insekten und Spinnen befand, hüpfte mir diese Art meist in größerer Zahl vor die Gummistiefel. Auch die hier gezeigten Moorfrösche stammen tatsächlich alle aus dem Collrunger Moor.

Ein immerhin leicht bläulicher Kerl blickte mir im April 2016 scheu und misstrauisch entgegen:


male

Ein Paar (beachte den immensen Größenunterschied):

Moor Frog couple

Der viel häufigere Vetter des Moorfrosches, der Grasfrosch, darf in dieser Zusammenstellung natürlich auch nicht fehlen:

Gras Frog is still one of the four common species together with Common Newt, Common Toad, and Marsh Frog, but has nevertheless declined the last decades by a heavy loss of natural habitat

Die hier gezeigten Aufnahmen stammen aus dem April 2016 und entstanden im Ihlower Forst, wo ich schon Jahre zuvor einen Balzplatz ganz in der Nähe des Fake-Klosters gefunden hatte.

same

Neben Erdkröte, Seefrosch und Teichmolch ist der Grasfrosch wohl die häufigste und anspruchsloseste Amphibienart hier in Ostfriesland.

Im Grunde kann man ihm fast überall begegenen, auch mitten in Ortschaften und Städtchen wie Norden, Wittmund, Aurch, Leer Und Emden.

Es kann nicht schaden, den Fotograf im Auge zu behalten:

Der Seefrosch, die folgende Art, ist in Ostfriesland vor allem ein Bewohner der Marsch (der englische Name ist mal wieder perfekt).

Hier lebt er in nahezu allen Gewässern, auch in kleineren Gräben, aber vor allem in den vielen Kleientnahmestellen. Selbst die Kanäle mitten in Emden beherbergen Seefrösche, deren laute Rufe dort in lauen Sommernächten vielerorts zu hören sind – un dbestimmt dem einen oder anderen Einwohner auf die Nüsse gehen.

So sieht er aus, wenn er noch jung ist (alle drei Aufnahmen entstanden im August 2012 in einer Kleipütte an der Wolfsburger Straße in Emden):


juvenile Marsh Frog

Oder so:

second specimen

Oder auch so:

third

Der Seefrosch kommt auch am Rande der Geest vor, zum Beispiel in einem Gartenteich in Ochtelbur, doch unmittelbar um Aurich herum fehlt er komplett.

Dort wird er durch den sehr ähnlichen Teichfrosch, der im biologischen Sinne keine eigene Art darstellt (deswegen ganz oben die Anführungsstriche), ersetzt. Die folgenden Aufnahmen machte ich um Sonnenaufgang herum im Sommer 2019 in einem kleinen Randgewässer des so genannten Kiesteiches bei Münkeboe.

Ein erstes Bild:


Edible Frog

Ich stieg, wie auch schon bei den Seefröschen, einfach mit meiner Kamera ins Wasser:

second specimen

Die Perspektive muss einfach passen!

third 

fourth

Wenn sich See- und Teichfrosch auch sehr ähneln, so kann man doch zumindest adulte Tiere relativ leicht voneinander trennen, einerseits anhand ihrer Zeichnung, auf der anderen Seite anhand der diagnostischen Rufe (des durchschnittlich größeren Seefrosches). Die unterschiedlichen Farben der beiden Cousins auf den obigen Fotos sind allerdings vor allem das Resultat verschiedener Lichtverhältnisse.

Schnell noch ein letzter Teichfrosch, der damals neugierig auf mich zugeschwommen kam:

fifth

Die Erdkröte:

Common toad (infected by Toad Fly larvae) is the most unpretentious species among native amphibians and can be found almost everywhere. There are populatons even in the heart of Emdenand other cities

Sie ist unter all den hier gezeigten Arten die wohl mit Abstand anspruchsloseste.

Witzig ist, dass ich in all den Jahren fast ausschließlich Individuen fotografiert habe, die mit den Larven der Krötengoldfliege infiziert waren. Das liegt daran, dass solche Tiere auch tagsüber aktiv sind. Und auch bei dem hier gezeigten Indivuum, das mir an einem Morgen im Juli 2015 am Schlafdeich in Emden-Larrelt über den Weg gelaufen ist, war das der Fall (beachte die von den Fliegenlarven ausgefressenen Nasenöffnungen).

Dasselbe, dem sicheren Tod geweihte Tier baute sich vor mir auf, weil es mich für einen Feind, eventuell für eine Ringelnatter hielt:

same

Jetzt sollte eigentlich die Kreuzkröte folgen, doch die habe ich in Ostfriesland noch nie gesehen und somit auch ncht knipsen können.

Ob sie noch in einer der Sandgruben nördlich oder östlich von Aurich vorkommt, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich habe einige Male nach ihr gesucht, bin aber immer leer ausgegangen. Die Rufe der Kreuzkröte sind mir aus dem Landkreis Osnabrück gut bekannt und überhören kann man sie zur richtigen Jahreszeit eigentlich auch nicht. Sicher gibt es die süße Kreuzkröte auch heute noch auf einigen Inseln wie etwa Borkum, Langeoog und Spiekeroog, vielleicht auch auf Baltrum, Norderney und Juist, wo sie nach wie vor perfekte Bedingungen vorfindet.

Die Tatsache, dass fünf der in Ostfriesland vorkommenden Amphibien-Arten (beide Grünfrösche, Grasfrosch, Erdkröte und Teichmolch) nach wie vor weit verbreitet und stellenweise sogar recht häufig sind, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch sie in den letzten Jahrzehnten heftige Bestandseinbußen hinnehmen mussten. Kopfstarke Populationen, wie sie einst die Regel gewesen sein müssen, sucht man in Ostfriesland und weiten Teilen Deutschlands längst vergeblich.

Heute muss man nach Süd- oder Osteuropa fahren, wenn man mal was Tolles erleben will. In diesem Zusammenhang erinnere ich mich an einen dreimonatigen Aufenthalt in der rumänischen Dobrudscha Mitte der 1990er Jahre. Die in den weiten Feuchtgebieten südlich des Donaudeltas allabendlich einsetzenden Konzerte vor allem von Seefrosch, Laubfrosch und Rotbauchunke waren so laut und beeindruckend, dass ich sie nie wieder vergessen werde. Die Rufe der einzelnen Tiere, es müssen Hundertausende oder gar Millionen gewesen sein, waren nicht mehr herauszuhören. Es war ein durchgehender und unbeschreiblicher Ton, der erst mitten in der Nacht, manchmal sogar erst am folgenden Morgen verstummte. Und obwohl die Lautstärke kaum mehr zu toppen war, habe ich diese Froschkonzerte nie als Lärm empfunden, eher als Balsam für die Seele. Jedenfalls haben mich die Tiere nicht von einem gesunden Tiefschlaf in den Ruinen von Histria abhalten können. Damals wurde mir schlagartig klar, was wir in Deutschland zuvor schon alles verloren und vernichtet hatten.


Es folgen die Reptilien und gleich zu Beginn die Blindschleiche:


Slow Worm – this lizard is restricted to woodlands and bogs in the centre of Ostfriesland

Viele Jahre lang habe ich ihr Vorkommen in Ostfriesland bezweifelt, ja sogar energisch bestritten, obwohl sie im oben erwähnten Verbreitungsatlas mit mehreren Fundpunkten bei Aurich aufgeführt wurde.

Selbst wenn mir Gewährsleute von Begegnungen mit der Blindschleiche berichteten, wollte ich es nicht glauben. Ich meine, ich habe schon oft Geschichten über Vorkommen bestimmter Tierarten gehört, die sich sofort oder nachträglich als falsch herausgestellt haben. Man weiß doch auch gar nicht, wie zuverlässig die Leute sind. Im Grunde glaube ich immer nur das, was ich selbst sehe, oder Beobachtungen von anderen, wenn sie durch Fotos belegt wurden. Und tatsächlich konnte mir ein sympathischer Mensch aus Aurich später ein Bild von einer Blindschleiche präsentieren, das im Garten seines Bruders in Aurich-Sandhorst entstanden war.

Doch bereits zuvor hatte ich selbst endlich eine Blindschleiche gefunden. Und zwar im Sommer 2017 im Collrunger Moor. Kurios war, dass ich nur wenige Tage später und exakt auf demselben Quadratmeter eine weitere fand und dann, wieder einige Tage später, sogar noch eine dritte! Ich ging zunächst davon aus, immer demselben Tier begegnet zu sein, doch anhand meiner Bilder und der jeweiligen Gesichtszeichnung der Tiere konnte ich feststellen, dass es sich tatsächlich um drei verschiedene Individuen gehandelt hat!

Ja, auch das zeigt eindrucksvoll die Bedeutung von Fotos!

Hier kann man die erwähnten Unterschiede gut sehen:

in summer of 2017 I found my first Slow Worm in Ostfriesland after eight years of failure! Few days later I spotted a second specimen at the exact same location, and, another some days later even a third one. I took portraits of all these guys. And when I first assumed I had encountered the same specimen on three different days, I now could separate them from each other by their facial pattern. Photography can be so important!

Das war schon kurios, hatte ich doch, wie bereits angedeutet, in den acht Jahren zuvor nicht eine einzige Blindschleiche in Ostfriesland entdecken können.

Der nächste Kandidat:

Sand Lizard, picture taken not in Ostfriesland, but in Südheide. Maybe this species is already extirpated in Ostfriesland 

Die Zauneidechse, da bin ich mir sicher, kommt nicht (mehr) in Kontinentalostfriesland vor.

Ich gehe sogar davon aus, dass es sich bei den beiden im Atlas markierten Fundpunkten um Verwechslungen mit der Waldeidechse gehandelt hat. Weil die Zauneidechse darüber hinaus auf den Inseln bislang nur auf Wangerooge nachgewiesen worden ist – dieses Eiland gehört politisch nicht zu Ostfriesland, sondern zum Oldenburgischen –, könnte es sogar sein, dass die Zauneidechse überhaupt nicht (mehr) zur ostfriesischen Herpetofauna zählt.

Bei Sonne:

second specimen

Doch die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Und weil die Zauneidechse möglicherweise doch noch auf einer der anderen Inseln vorkommt, zeige ich zwei Bilder von zwei verschiedenen Individuen, die ich im August 2017 in der Südheide fotografieren konnte – auf der Suche nach der Roten Röhrenspinne.

Die anspruchslosere Waldeidechse kommt dagegen noch an einigen Orten Ostfrieslands vor. Ich sah sie auf Juist (wohl einziges Inselvorkommen) und in einigen Mooren und Waldgebieten um Aurich herum.

Hier ein sich im März 2013 sonnendes Tier aus Tannenhausen:

Viviparous Lizard is not common, but still fairly distributed in Ostfriesland and can be found in different bogs and forested areas, that are unfortunately isolated from each other

Unter den hier vorkommenden Reptilien ist die Waldeidechse die häufigste Art.

Ein Männchen aus dem Collrunger Moor:

second from different location

Und schließlich eines aus dem Knyphauser Wald:

specimen from Knyphauser Wald

Zu guter Letzt kommt jetzt die Kreuzotter an die Reihe!

Schlangen ganz allgemein sind für mich die Königsdisziplin in der Herpetologie. Ich kann das nicht näher begründen, aber das muss ich ja auch nicht. Meine Liebe zu diesen von so vielen Menschen verabscheuten Tieren spiegelt sich aber nicht zuletzt im seit Jahren unveränderten Titelbild dieses Blogs wider (schnell nach oben scrollen!), das eine weibliche Kreuzotter zeigt.

In Ostfriesland ist die Kreuzotter die einzige Schlangenart. Obwohl es hier so viele Gewässer gibt, fehlt z. B. die Ringelnatter auf der Halbinsel komplett. Die nahesten Vorkommen gibt es im Emsland, bei Oldenburg sowie südlich des Jadebusens im Kreis Friesland, sofern all diese Populationen noch aktuell sind.

Die Vorkommen der Kreuzotter sind auf die letzten Moorfragmente beschränkt. Und selbst dort wird man nicht fündig werden, wenn man keine Erfahrung hat und nicht weiß, wo genau man suchen muss. Denn die Kreuzotter bevorzugt Bereiche mit bestimmten Strukturen. Nur an solchen Orten verweilt sie über Monate, wahrscheinlich sogar über Jahre oder gleich ein ganzes Leben lang. Trotzdem kann man ihr innerhalb eines Moores mit reichlich Glück überall begegnen, weil sich vor allem die jüngeren Tiere auf die Suche nach einem geeigneten "Revier" begeben und dann auch schon mal längere Strecken von einigen hundert Metern zurücklegen können.

Ein sich unter der Märzsonne aufwärmendes Männchen:

male Common Adder – the only snake species of Ostfriesland is restricted to the last bogs

Derselbe Kerl:

same

Das war's schon.

Aus zwei Gründen erhebt diese Auflistung keinen Anspruch auf Vollständigkeit: Ganz bestimmt sind in der Vergangenheit nicht alle Feststellungen von den wenigen sich mit dieser Tiergruppe beschäftigenden Beobachtern an das Niedersächsische Landesverwaltungsamt gemeldet worden. Und darüber hinaus kenne ich natürlich nicht alle geeigneten Gebiete. Vor allem Stadt und Landkreis Leer sind mir aus herpetologischer Sicht völlig unbekannt. Es mag dort also durchaus noch Vorkommen der einen oder der anderen Art geben, von denen ich nie etwas gehört habe.

Das Beipiel Fadenmolch zeigt eindrucksvoll, dass Nachweise nur erbracht werden können, wenn sich jemand die Mühe macht, nach solchen Tieren zu suchen. Deshalb lässt dieses Beispiel auch Raum für Hoffnung: Denn wie der Fadenmolch kommen auch Berg- und sogar Kammmolch auch heute noch im Raum Oldenburg vor. Mögliche Populationen dieser beiden Arten auch in Ostfriesland lassen sich also nicht einfach kategorisch ausschließen. Meine Suche mit dem Kescher beschränkte sich schließlich auf nur wenige Tage und einzelne Gewässer. Da geht vielleicht noch was, würde ich einfach mal behaupten. Und wenn am Ende "nur" weitere Vorkommen von Teich- und Fadenmolch bei so einer Recherche herauskämen, wäre das doch auch schon eine tolle Sache.

Grundsätzlich geht es aber in die andere Richtung. Soll heißen, dass es nicht gut ausieht für all die genannten Arten, die ich in diesem Blog in den letzten zehn Jahren bereits einzeln vorgestellt hatte. Amphibien und Reptilien sind vor allem anspruchsvolle Ödlandbewohner. Sie sind perferkte Indikatoren, die uns anzeigen. ob ein Landstrich noch intakt ist oder nicht. Es ist kein Zufall, dass viele der hier vorgestellten Arten in Ostfriesland nur noch in Wäldern, Mooren und auf einem Standortübungsplatz vorkommen, also dort, wo keine Landwirtschaft betrieben und somit weder gedüngt noch gespritzt wird. Wenn die Menschen es allzu ernst nehmen mit ihrem Sauberkeits- und Ordnungsfimmel – Deutschland nimmt in dieser Hinsicht weltweit eine der Spitzenpositionen im Ranking ein –, dann ziehen Amphibien und Reptilien und mit ihnen viele andere Tier- und Pflanzenarten rasch den Kürzeren.

Im Collrunger Moor ist die Welt noch eine halbwegs heile:

bogs offer important habitat to many amphibians and reptiles, like for instance Moor Frog, Viviparous Lizard, and Common Adder 

Doch auch dieses Gebiet ist recht klein und liegt völlig isoliert in einer intensiv bewirtschafteten Agrarsteppe. Und weil Amphibien und Reptilien nicht fliegen können und einige Arten gleichzeitig nicht dazu in der Lage sind, intensiv bewirtschaftete Flächen, wie sie hier in Ostfriesland überall den Ton angeben, hüpfend oder kriechend zu durchqueren, stehen die einzelnen Teilpopulationen nicht mehr in einem Kontakt miteinander. Eine genetische Veramung ist die Folge, ein Aussterben steht deshalb zumindest bei einigen Arten zu befürchten.

Das betrifft natürlich auch und vor allem die Kreuzotter. Doch als wäre das noch nicht schlimm genug, wird dieser interessanten Schlange zu allem Überfluss auch heute noch nachgestellt:

male Common Adder beheaded by an unknown asshole

Dieses geköpfte Männchen fand ich im Juni 2013 bei Tannenhausen.

Es lag mitten auf dem Weg, der Kopf neben dem Rumpf. Ich kann und will nicht glauben, dass es Menschen gibt, die rein zufällig das passende Werkzeug für das Abtrennen eines Schlangenkopfes in der Tasche haben. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass da jemand gezielt nach Kreuzottern gesucht haben muss, nur um sie zu töten.

Ja, Kinners, betrachtet dieses Bild von der gemeuchelten Schlange ruhig als ein Symbol für die grenzenlose Dummheit einer Einzelperson, gleichzeitig aber auch als eines für den allein durch uns Menschen verursachten Niedergang der Artenvielfalt.

Die Zukunft wird jedenfalls keine rosige sein.


Zum Abschluss gibt's noch eine lustige Randnotiz: Das oben erwähnte Kinderfahrrad fuhr ich tatsächlich noch bis zur Pubertät und, wenn ich ehrlich sein soll, auch noch weit darüber hinaus. Es zeigt, wie anspruchslos ich doch eigentlich bin.