Sonntag, 24. Juli 2022

Großer Schillerfalter

"Wenn man ihn anlocken will, dann muss man auf den Waldweg kacken und dann auch noch kräftig auf den Haufen draufstrullen."

Strullen, Kinners, sagt man das bei euch auch?

Jetzt hat er den Verstand verloren, werdet ihr denken, jetzt ist der Ofen aus.

Endgültig.

Und es stimmt, den Verstand habe ich tatsächlich verloren, aber ganz bestimmt nicht erst heute. 

Heute, das ist das Stichwort, geht es um den Großen Schillerfalter.

Um einen Schmetterling, der mit Leichtigkeit zu beeindrucken weiß, allein schon wegen seiner stattlichen Größe und des wunderschönen Blaus seiner Flügeloberseite.

Ende Juli oder Anfang August 2021 schrieb mir Herbert Janssen (Aurich) eine E-Mail. Und diese E-Mail hatte es in sich! Denn sie enthielt ein angehängtes Foto, das einen sich auf einem geschotterten Waldweg sonnenden männlichen Großen Schillerfalter zeigte, aufgenommen in einem Wald bei Aurich-Georgsfeld, der aber politisch zur Gemeinde Großheide gehört und nicht etwa zur Stadt Aurich und der den Südteil des Berumerfehner Moores bildet, quasi dessen südlichen Abschluss, und den man erst in den 70ern des letzten Jahrhunderts aufgeforstet hat, nachdem man das einstige Moor in diesem Bereich komplett abgetorft hatte. 

Dieser Wald, der eigentlich eher ein Forst ist, ist also jünger als ich!

Auf dem folgenden Bild könnt ihr sein Herz sehen:


this pond constitutes the centre of Purple Emperor's territorry within a forrest near the city of Aurich

Es ist ein Teich.

Entstanden ist er, weil man seinerzeit für das Anlegen der Waldwege Boden benötigte. In der Mitte dieses Teiches befindet sich eine Insel, die ihr hier auf dem Bild im Vordergrund sehen könnt.

Links könnt ihr gerade noch mehrere Nilgänse erkennen, aber auch ein Kanadagans-Paar hat in diesem Jahr erfolgreich auf der Insel gebrütet und immerhin zwei Kinder großgezogen. Und weil auf dieser Insel alljährlich auch Graugänse brüten, habe ich ihr in meiner grenzenlosen Kreativität einfach mal so den Namen Gänseinsel verpasst.

Hier zwei Nilgänse:


Egyptian Goose

Kacke und Pisse. 

Man könnte auch von stinkenden braunen Zeppelinen und Pipi schreiben, was ich aber für falsch halte. Ich meine, man muss die Dinge auch schon mal beim Namen nennen dürfen und nicht rumlavieren oder sie gar schönreden. Der obige Satz stammt übrigens nicht von mir. Ein früherer Osnabrücker Entomologe soll ihn aufgesagt haben. Wenn auch nur sinngemäß. Den wiederum habe ich aber nie kennengelernt, dafür aber jemanden, der mir den Satz schon vor vielen Jahren überliefert hat. 

Der Entomologe, dessen Namen ich hier nicht nennen werde, hatte damals auf eine Methode angespielt, die es einem ermöglichen sollte, diverse versteckt lebende Waldschmetterlinge vor die Kamera oder einfach vor die Füße zu locken. Gemeint war in diesem Zusammenhang aber nicht etwa der Große Schillerfalter, sondern der imposante Große Eisvogel, der seinerzeit noch am Kalkrieser Berg (Stadt Bramsche) vorgekommen sein soll. 

Es war eben auch schon damals nicht neu, dass man vor allem die Falter der Gattungen Limenitis und Apatura mit – nur aus menschlicher Sicht – übel riechenden und ekligen Substanzen aus der Reserve locken kann. Sie stehen einfach auf Kot, Urin und Aas, aber auch auf Schweiß und Terpentin. All diese Substanzen bieten Mineralien, die für die abschließende Entwicklung der Tiere unabdingbar sind.

Und jetzt dürft ihr gleich dreimal raten, was sich in dieser Plastikpulle befand, als ich mich Anfang Juli anschickte, Große Schillerfalter im Wald bei Georgsfeld zu finden:


hope it's just yellowish water?

Kleiner Tipp: Es war weder Eistee noch Apfelsaft.

 

Nachdem ich mein Ziel erreicht hatte, begann ich umgehend mit den Vorbereitungen.

Schon auf meinem Weg zu diesem Ziel hatte ich diversen Tierkot eingesammelt, den ich auf dem Pfad durch den Wald entdeckt hatte. 

Ich platzierte ihn in der Nähe des Teiches am Wegesrand und fügte noch alten Tilsiter hinzu. 

Ich wusste, ich würde noch warten müssen, denn Schillerfalter sind grundsätzlich Spätaufsteher. Vor zehn Uhr braucht man hier im hohen Norden nicht mit ihrem Auftritt zu rechnen. Und jetzt war es erst sechs. 

Ich suchte mir einfach andere Fotomotive:






Lesser Butterfly-orchid

Nachdem ich die so wohlriechende Zweiblättrige Waldhyazinthe ja schon im letzten Bericht erwähnt und gezeigt hatte, gibt es nun noch einen Nachschlag. 

Weitere satte 100 Individuen konnte ich nämlich auf einer eingezäunten Wiese auf der anderen Seite des Teiches entdecken, wo auch das hübsche, inzwischen aber auch in Ostfriesland so seltene Sechsfleck-Widderchen in großer Zahl durch die Waldluft düste. 

Leider machte ich an diesem Tag keine Bilder von diesen hübschen Faltern, und zwei Wochen später, als ich schließlich doch noch welche schießen wollte, sollten mir auch keine gelingen, war die kurze Flugzeit des Sechsfleck-Widderchens doch schon wieder vorüber.

Die Reste eines einzelnen Individuums konnte ich aber doch noch finden:


at least the remains of Six-spot Burnet I found in the web of Agelena labyrinthica

Im Netz einer Labyrinthspinne

Und nach wie vor zahlreiche Kokons der Puppen, aus denen die Falter bereits im Juni geschlüpft waren:



I found tons of cocoons of pretty Six-spot Burnet

Diese beiden waren von zwei erwachsenen Raupen am Halm einer Flatterbinse befestigt worden.

Aus dem rechten ist kein Falter gekrabbelt, aus dem linken hängt noch die schwarze Exuvie als ein Beleg für einen erfolgreichen Schlupf des Widderchens heraus, also die Puppenhaut, wenn man so will.  

Viele dieser Kokons fand ich aber nicht etwa an Pflanzenstängeln, sondern am Draht des Zaunes und dort fast immer in Augenhöhe. 

Der Zaun sieht so aus:



where I found tons of cocoons

Ich entdeckte etliche Grüne Heupferde:



male Great Green Bush-cricket with female Roesel's Bush-cricket in da background

Die meisten dieser Tiere befanden sich aber noch, im Gegensatz zu diesem Kerl, im letzten Nymphenstadium.

Und ich machte einen Abstecher ins angrenzende Moor: 





pretty Bog Asphodel (image taken from the archives)

Dort entdeckte ich endlich mal wieder die hübsche Moorlilie, die eigentlich gar keine Lilie ist. 

Und ich sah ganz, ganz viele Hüpperlinge an diesem kühlen Morgen im noch taunassen Pfeifengras ruhen und auf den Anbruch des Tages warten:


Large Chequered Skipper (taken from the archives)

Roesels Beißschrecke, ein Kerl:


male Roesel's Bush Cricket

Diese possierliche Langfühlerschrecke, die ich so mag und die ihr schon auf einem Bild da oben unscharf im Hintergrund erahnen konntet, ist im Randbereich des Moores sehr häufig.

Überall hü-hü-hüpfte es an diesem Morgen und so weiter.

Am Zaun hatte sich eine (Gemeine) Streckerspinne auf die Lauer "gehängt":


likely Tetragnatha extensa

Eigentlich stand sie ganz normal kopfüber in ihrem Netz, wenn ich ehrlich sein soll.

Später stieß ich auf diesen schrillen Käfer:



did I find a new beetle species?

Farblich befand ich mich also schon mal auf der richtigen Spur, aber vielleicht habt ihr es bemerkt, er wirkte nur auf den ersten Blick echt, war es aber nicht.

Jemand hatte ihn auf einen riesigen Findling am Rande des Teiches gelegt, wohl vor allem deshalb, um etwas Werbung für die hauseigene Käferwerkstatt zu machen, die auch eine Webadresse hat: instagram@kieselkaefer.

Ich weiß wirklich nicht, wer sich dahinter verbirgt, aber vielleicht möchtet ihr euch das Projekt ja mal auf der Insta-Seite ansehen und so weiter:


not a true beetle at all – only fake

In den vergangenen Jahren hatte ich x-mal versucht, den Großen Schillerfalter hier in Ostfriesland zu finden, ohne zu wissen, ob er hier überhaupt vorkommt.

Ich scheiterte mit Käseködern im Ihlower Forst, im Egelser Wald, im Berumerfehner Moor, bei Friedeburg-Marx und auch im so genannten Neuenburger Urwald (Kreis Friesland). Heute glaube ich, dass der Große Schillerfalter alljährlich an (fast) all diesen Orten fliegt.

Ich erinnere mich noch sehr gut an meine erste Begegnung mit diesem Tagfalter überhaupt. Es muss Anfang Juli 1995 gewesen sein, denn ich weiß, dass ich mir kurz zuvor meine erste Spiegelreflexkamera samt Objektiv geleistet hatte. 

Gebraucht. 

Es waren die T70 von Canon und ein Zoom (30-80mm) von Tamron

Schon damals erzielte ich legendäre Resultate mit dieser legendären Kombination, weil ich natürlich unglaublich viel Fotografiertalent besitze. Und so schoss ich meine ersten Bilder von zwei Großen Schillerfaltern, die in der Mittagshitze auf dem Flugplatz Achmer (Stadt Bramsche) direkt auf mich zusteuerten, um mich auszusaugen. Nein, saugen wollten sie natürlich nur meinen Schweiß. Zunächst umflatterten sie mich mehrere Male in geringstem Abstand, und dabei konnte ich tatsächlich ihren Flügelschlag hören! Flapp, flapp, flapp oder so. Einer landete dann auf meinem linken Unterarm, der andere auf der rechten Schulter. 

Ich war so fasziniert, ich kann das auch heute noch nicht in Worte fassen. So schöne Tiere, so nah auf Arm und Schulter! 

An diesem Tag war ich der glücklichste Mensch auf der ganzen Welt, so kam ich mir jedenfalls vor. Ich konnte es kaum abwarten, den Film – ja, liebe Kinder, damals gab es noch Filme – im Bramscher Fotoladen abzugeben und weitere zwei Tage später wieder abzuholen. Damals machte ich noch nicht einmal Dias. Ich weiß noch, dass ich von den Abzügen etwas enttäuscht war, trotz meines Fotografiertalentes. Auf der anderen Seite hätte ich eigentlich Schlimmstes erwarten müssen, hatte ich die Schmetterlinge doch im harten Mittagslicht fotografiert.

Ein tolles Erlebnis war es aber trotzdem, eines, das ich niemals vergessen werde!

Anderes Thema:

this White-tailed Lapwing, found by Stefan Goldenstein on 2nd July 2022 in a bog near Aurich, constitues the first record ever for Ostfiesland and only the fourth or fifth for Niedersachsen ("Lower Saxony")

Am ganz frühen Morgen des 2. Juli 2022 entdeckte Stefan Goldenstein (Aurich) diesen Gelbstelzenkiebitz, der in einer der neu eingedämmten Flächen des Berumerfehner Moores, also unweit des Schillerfalter-Forstes, zusammen mit anderen Watvögeln eine Rast einlegte. 

Noch bevor der Vogel am Vormittag das Gebiet verließ, konnte er von weiteren, inzwischen herbeigeeilten Beobachtern bestaunt werden. Mit einer Rückkehr rechnete wohl niemand ernsthaft, doch am Abend desselben Tages trudelte der Weißschwanzkiebitz, so der richtige Name dieses seltenen Gastes, überraschenderweise wieder im Moor ein. Weitere Belegaufnahmen konnten jetzt geschossen werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Weißschwanzkiebitz im Gebiet übernachten würde, war sehr hoch. Auch ich ging davon aus, wenn ich ehrlich sein soll. Doch es kam anders. Am nächsten Morgen konnte der Vogel nicht mehr gesehen werden, sehr zum Leidwesen weiterer Vogelgucker, die nur seinetwegen aus größerer Entfernung angereist waren. 

Dafür wurde nur wenige Stunden später ein Weißschwanzkiebitz bei Holzendorf in der Uckermark (Brandenburg) entdeckt! Man kann davon ausgehen, dass es derselbe Vogel war, der die Nacht für einen Ortswechsel genutzt und etwa 400 Kilometer (Richtung E) in einem Stück zurückgelegt hat. 

Für Ostfriesland war es die erste Feststellung eines Weißschwanzkiebitzes überhaupt! Und der Vogel stellt erst den vierten oder fünften Nachweis für ganz Niedersachsen dar. Vielleicht hat es sich hier ja schon um Ostfrieslands Vogel des Jahres gehandelt. Allerdings kommen da noch ein paar interessante Monate auf uns zu, bevor 2022 endgültig zur Neige geht.

Der Weißschwanzkiebitz ist deshalb ein sehr seltener und bei europäischen Ornithologen heiß begehrter Gast, weil er in den Steppen und Halbwüsten Zentralasiens brütet und in Afrika sowie Indien überwintert. Laut xeno-canto gibt es aber auch isolierte Brutvorkommen westlich des Kaspisees, z. B. in der Türkei, in Aserbaidschan sowie im Iran. Deutschland und somit auch Ostfriesland liegen jedenfalls völlig abseits seiner Wege.

Und deshalb Glückwunsch an den Entdecker!

 

Den Großen Schillerfalter umweht der Hauch des Geheimnisvollen. 

Ihn zu beobachten, ist gar nicht so leicht. Die Art ist unstet, und mit einem Fortschreiten der Flugzeit, die bis Mitte August reicht, wird es immer unwahrscheinlicher, dass sich so ein Tier am Boden blicken lässt. Den größten Teil ihres Lebens verbringen diese Falter in den Baumkronen, wo sie meist unsichtbar im Blätterdach ruhen. Besonders gerne suchen sie Eichen auf, aber ich habe sie auch in anderen Bäumen stehen sehen (s. u.).

Wenn man auf Youtube entsprechende Videos sucht, dann ist man immer wieder erstaunt darüber, wie spielerisch manche Zeitgenossen ihn vor die Kameras lotsen. Sie legen einfach etwas Fuchskot auf den Waldweg, und schon taucht ein Falter nach dem anderen auf. Zum Beispiel im Zeitzer Forst in Sachsen-Anhalt ist das so. Dort kann man auch schon mal 30 Schmetterlinge gleichzeitig auf dem Waldweg beobachten, Große und Kleine Schillerfalter, aber auch Große und Kleine Eisvögel sowie etliche weitere Arten. 

In Ostfriesland und auch im Raum Osnabrück ist das leider anders. Man kann schon froh darüber sein, wenn sich überhaupt ein Schillerfalter am Köder blicken lässt. Woran das liegt, also warum es im Süden so und im Norden ganz anders ist, weiß ich nicht. Vielleicht ist hier bei uns die Falterdichte einfach viel geringer.  

Plötzlich war es zehn Uhr.

Nichts passierte an meinem Köder. Ich blickte hinauf in die Baumkronen und ließ meinem Unmut freien Lauf: "Ich weiß, ihr Arschkrampen seid irgendwo da oben! Und ich weiß, ihr beobachtet mich! Ihr denkt, was will der denn von uns, dieser lästige Idiot! Und ich sag's euch, ich will euch sehen und fotografieren! Und ich zähle jetzt bis drei! Wenn ihr dann nicht runterkommt, fahre ich in den nächsten Baumarkt und hole eine Riesensprühdose Paral! Familienpackung und so weiter! Und dann segelt ihr nur noch ein allerletztes Mal, Kinners, und zwar ausschließlich von oben nach unten!"

Kaum war ich fertig mit meiner kleinen Drohsalve, da tauchte der erste Falter auch schon auf. Er wirkte eingeschüchtert und segelte wie ein Blatt im leichten Herbstwind Richtung Boden, zeichnete enge Kreise, schlug dann aber plötzlich wieder ganz schnell mit den Flügeln und schoss geradezu senkrecht empor, um zwischen den Baumwipfeln zu verschwinden. Das war eine typische Begegnung mit einem Großen Schillerfalter, wie ich sie schon einige Male erleben musste. 

 "Ich fahre jetzt!" drohte ich ein weiteres Mal, so wie es Menschenmütter machen, wenn die Kurzen nicht spuren. 

Ich konnte meine eigene Autorität förmlich spüren. Und obwohl sie angeboren ist, jagte sie sogar mir selbst in diesem Augenblick einen richtigen Schrecken ein.

Trotzdem passierte nichts. Also packte ich meine Sachen zusammen, schulterte meinen Rucksack und tat so, als mache ich mich auf den Weg. So helle sind die nicht, dachte ich, als dass sie meine Finte durchschauen könnten, diese dummen Viecher. 

Und tatsächlich war da plötzlich wieder ein Schillerfalter, der sich jetzt im eleganten Gleitflug einem Holzstoß näherte, ihn immer wieder entlangflog, hin und her, sogar über einer bestimmten Stelle ausgiebig rüttelte und fast zur Landung ansetzte, nur um dann wieder blitzschnell senkrecht nach oben zu schießen und dort im Blätterdach abzutauchen. 

"Jetzt  'ne Valium", sagte ich zu mir selbst, "diese Biester machen mich fertig.

Ich fühlte gerade meinen Puls, als da doch schon wieder ein Falter auftauchte, der mich sogar umkreiste, wie damals vor fast 30 Jahren, und dann etwa einen Meter vom Köder entfernt auf dem Waldweg landete. Ich hielt den Atem an, so gespannt war ich jetzt. Ich wusste nämlich, diese Tiere landen nur selten direkt auf der stinkenden Nahrungsquelle, sondern gehen die letzten Zentimeter gerne zu Fuß. 

Es war sehr windig an diesem Tag, und selbst mitten im Wald zog es die Schneisen entlang wie Hechtsuppe (hat meine Mama früher immer gesagt). Es war unglaublich, aber kaum dass der Schillerfalter auf dem Schotter stand, da wurde er von einer Böe erfasst und gleich mehrere Meter weggepustet und dann auch noch auf die Seite gekippt. Er berappelte sich und – ihr ahnt, was jetzt kommt – stieg senkrecht empor und war wieder weg.

Viel hätte nicht gefehlt und ich hätte meine Pumpgun herausgeholt und einfach drauflos geballert!

Ich könnte das jetzt einfach immer so fortsetzen, denn mein Unterfangen, einen Großen Schillerfalter zu fotografieren, war wirklich eine echte Herausforderung für meine schwachen Nerven. Und an diesem Tag sollte es auch überhaupt nicht klappen. 

Doch ich blieb hartnäckig und versuchte es einfach an einem anderen Tag, an einem Tag ohne Wind:


male Purple Emperor eating at my bait, what a stunning beauty!

Lecker, Kacke. 

Gänsekacke.

Am Holzstoß Harz (Terpentin!) saugend:


they also love to feed on fresh resin 




Lateralansicht:


eating

Wie ich bereits oben schrieb, die Falterdichte ist in diesem Wald nicht sehr hoch.

Nie sah ich mehr als zwei Individuen gleichzeitig, meistens aber nur eines. Doch wenn ich einen Schillerfalter sah, dann war ich auf der Stelle wie elektrisiert. Das liegt einfach auch an der Kürze der meisten Beobachtungen; nur ein einziges mal konnte ich einem Männchen gleich eine halbe Stunde am Stück bei der Nahrungssuche am Boden zusehen.

Ohne Köder.

Blick über die Lichtung neben dem Teich kurz nach Sonnenaufgang:



habitat with one single Goat Willow on the right hand side (not the bright green bush in the front, but the greyish one in da background)

Am rechten Bildrand seht ihr eine von einigen Salweiden, die am Ufer des Teiches stehen. 

Es ist nicht das grasgrüne Teil im Vordergrund, sondern das graugrüne dahinter.

Die Salweide, aber auch die ebenfalls in diesem Forst vorkommende Öhrchenweide, dürften den Raupen des Großen Schillerfalters als Nahrungsgrundlage dienen. Im Winter hatte ich versucht, sie ausfindig zu machen, doch obwohl es da gute Methoden gibt, fand ich keine einzige. Auch hier dürfte die geringe Falterdichte eine entscheidende Rolle gespielt haben.

Der Weg auf der anderen Seite des Teiches:



habitat with Oaks. Purple Emperor loves to rest on Oak leaves  

Die vielen Stieleichen am rechten Bildrand dienen den Schillerfaltern als Balz- und Ruheplatz.

Einer von vielen Holzstößen:


habitat shot

Später am Tag wimmelte es auf den Wegen und den Holzstößen von Großen Blaupfeilen:



male Black-tailed Skimmer was abundant in da wood 

Das Bild zeigt ein Männchen.

Eine dieser abgrundtief bösartigen Libellen erbeutete einen unschuldigen Schornsteinfeger.  Kaum hatte sie den Falter ergriffen, da rieselten auch schon dessen Flügel zu Boden. Es war überhaupt erst das zweite Mal in meinem langen Leben, dass ich eine Großlibelle einen Tagfalter erbeuten sah. Und ich erinnere mich auch noch an den ersten Zwischenfall dieser Art. Der hatte vor ganz vielen Jahren in Schillig (Kreis Friesland) stattgefunden, als sich eine Blaugrüne Mosaikjungfer ein Waldbrettspiel schnappte und es dann auch noch aufaß!

Warum Tagfalter so gut wie nie von Libellen attackiert werden, ist mir bis heute ein Rätsel.

Derselbe Holzstoß, aber eine andere Perspektive:

same, but different angle

Am Ende dieses etwa 1,6 Kilometer langen und schnurgeraden Weges, der nach Münkeboe führt, fand ich auch zwei Große Schillerfalter, die auf dem staubtrockenen Schotter standen und eifrig saugten:


another specimen

Eine Passantin mit einem Hund sprach mich freundlich an, was ich denn mitten auf dem Weg fotografieren würde. 

Ich zeigte ihr den Falter, und sie war beeindruckt. "Den habe ich hier noch nie gesehen", meinte sie. Und sie versprach leichtfertig, ihren Hund künftig nur noch mit geschärftem Blick auszuführen. 

Ob das klappen wird?

Der zweite Falter ließ sich am Grund eines ausgetrockneten Grabens nieder und nahm dort Flüssigkeit auf:


another

Kinners, ich habe nicht auf den Waldweg gekackt.

Wie ich bereits oben schrieb, gibt es Alternativen, wenn man einen Schillerfalter vor die Linse locken möchte. 

Doch falls ihr mal plötzlich Druck auf dem Darm verspüren und im Wald kacken müssen solltet, dann wird diese bunte Fliege euren Haufen ganz sicher nicht ansteuern:


Pellucid Fly

Es ist nämlich die Gemeine Waldschwebfliege.

Und die besucht nur Blüten, wenn sie hungrig ist.

Ein Großer Schillerfalter im Obergeschoss des Waldes:


almost invisible

Mit ausgebreiteten Flügeln:


male Purple Emperor resting and sunbathing in the canopy

Ich hatte ihn zuvor fliegen und dann dort im Wipfel einer Moorbirke landen sehen.

Nie ist es mir gelungen, einen ruhenden Schillerfalter mit meinem Fernglas in den Baumkronen ausfindig zu machen.

Derselbe Falter, jetzt plötzlich mit blauen Flügeln:



same specimen

Vielleicht habt ihr es schon bemerkt: Manchmal ist keiner der vier Flügel des Schillerfalters blau, dann wieder sind es alle vier. Es ist aber auch möglich, dass nur ein Flügel oder gar nur der Teil eines Flügels blau schillert und die restlichen drei braun sind (s. o.).

Das Blau des Schillerfalters ist keine Pigmentfarbe, sondern eine so genannte interferente. Sie entsteht durch Lichtbrechung in den Schuppen der Flügeloberseite. Die Ausrichtung der Schwingen zur Lichtquelle entscheidet also darüber, ob ihre Oberfläche blau schillert oder eben nicht. 

Ein weiteres Beispiel:



maybe my best photograph of PE this year

Wie ein Tropentier kommt der Große Schillerfalter daher.

Man hat gar keine andere Wahl, als ihn zu bewundern für seine unglaubliche Pracht!

Inzwischen hat Herbert Janssen den Großen Schillerfalter tatsächlich auch im Egelser Wald (Aurich) nachgewiesen und auch fotografiert. Darüber hinaus hat er dort gleich zwei Große Füchse beobachten können sowie unzählige Kaisermantel.  

Spontan verabredeten wir uns für den letzten Dienstag. 

Dass es hier für Ostfriesland der bislang heißeste Tag des Jahres werden sollte, hatten wir natürlich zuvor nicht ahnen können. 32 Grad Celsius im Schatten, das war schon grenzwertig für einen Flachatmer wie mich. Und so schwitzten wir uns am Nachmittag durch den Wald. Für einen Großen Fuchs oder Schillerfalter hat es leider nicht gereicht, aber die vielen Kaisermäntel waren gewiss mehr als nur ein billiger Ersatz. 

Sie waren wieder einmal eine wahre Wonne!

Einer war von Herberts Satteltaschen fasziniert und saugte sich dort einen Wolf:



male Silver-washed Fritillary is currently expanding his range in Ostfriesland from East to West

Ein Archivbild eines weiteren Männchens aus demselben Gebiet:


male (taken from the archives)

Auch im Schillerfalter-Forst bei Georgsfeld konnten Herbert und ich in diesem Sommer an verschiedenen Tagen und unabhängig voneinander erstmalig jeweils einen einzelnen männlichen Kaisermantel die Waldwege entlangflattern sehen.

Und dann sah ich diesen ebenfalls sehr eindrucksvollen und wunderschönen Falter in diesem Jahr auch erstmals im Lütetsburger Forst! Der Kaisermantel breitet sich aus. Und er ist aus dem Osten gekommen. Im Hasbruch bei Hude (Kreis Oldenburg) kennt man ihn schon seit Jahrzehnten, im Neuenburger Urwald unweit des Jadebusens sah ich ihn vor Jahen bereits in großer Zahl, und auch das Vorkommen im Egelser Wald hat ja inzwischen einige Jahre auf dem Buckel. 

Ich bin gespannt, wie es weitergehen wird.

Der Folgetag war hier in Ostfriesland glücklicherweise nicht mehr ganz so heiß. In anderen Regionen Deutschlands und auch im östlichen Niedersachsen war das ganz anders. Gleich in sechs Bundesländern konnten (wieder einmal) neue Rekordtemperaturen gemessen werden! Es ist wohl nur eine Frage von wenigen Jahren, wann diese abermals getoppt werden.

Süchst du mi?


can you see me? 

Der Große Schillerfalter ist ein echtes Spektakel, ein Class Act, wie man in England vielleicht schreiben würde.  

Und ich kann mich nur immer wieder bei Herbert bedanken, dass er stets mit offenen Augen durch die ostfriesischen Wälder radelt. Ohne Fernglas, übrigens, einfach nur mit zwei Augen ausgestattet. Ebenfalls im vergangenen Jahr war ihm ja bereits auch der Erstnachweis des Kleinen Eisvogels für Ostfriesland gelungen. Leider hat sich dieser Schmetterling in diesem Sommer noch nicht gezeigt. 

Für mich wäre es die erste Begegnung mit ihm überhaupt. 

Am Köder:



feeding at my bait

Und das folgende Bild war das erste überhaupt, das ich in diesem Jahr von einem Großen Schillerfalter schießen konnte:


my first Purple Emperor picture of the year

Kaum hatte ich abgedrückt, da war der Falter auch schon wieder verschwunden.

Der Große Schillerfalter kann nur ausnahmsweise an Blüten beobachtet werden. Ich selbst habe das in meinem Leben nur ein einziges Mal gesehen. Damals stand ein Individuum am Ufer des Hasedükers bei Bramsche-Achmer auf dem Blütenstand des Wasserdostes, doch ob es auch gesaugt hat, weiß ich nicht mehr. Was ich aber noch weiß, ist, dass sich dieser Blütenstand bereits im Auflösungsprozess befand. Vielleicht hat auch er bereits seltsame Gerüche verströmt, die diesen Schillerfalter letztendlich angelockt haben.

Andere Schmetterlinge sind nur gelegentliche Kotnascher, so wie etwa dieser C-Falter:



C-Album

Normalerweise saugt er aber an Blüten.

Die Pulle:


simply drinkable water taken from the pond

Natürlich kein Pipi war in der Flasche, sondern Wasser aus dem Teich.

Schon als ich den Berumerfehner Wald vor 13 Jahren zum ersten Mal aufgesucht hatte, füllte ich an diesem Ort meine Wasserflasche auf. Ich erinnere mich genau, es war ein sehr heißer Tag und ich bereits nahezu komplett dehydriert, hatte ich mich doch wieder einmal zu Fuß baffzig Kilometer von meinem Wagen entfernt. Weder grenzt der Teich an landwirtschaftlich genutzte Flächen an, noch befinden sich Siedlungen in dessen Nähe, und braun ist das Wasser nur deshalb, weil es huminsäurehaltig ist, vielleicht auch ein bisschen wegen der Gänsekacke. 

Nein, das war nur ein Scherz.

Man kann dieses Wasser jedenfalls bedenkenlos trinken, auch jenes aus den weiten Blänken im Moor, ich habe das schon tausendmal  getan, es schmeckt genauso lecker und erfrischend wie ungechlortes Leitungswasser.   

Zu guter Letzt sei noch erwähnt, dass der oben erwähnte Entomologe längst tot ist und der Große Eisvogel seit Jahrzehnten aus Westniedersachsen verschwunden. 

Die Gründe kennt ihr, wenn ihr hier regelmäßig reinschaut.

Wiederholen möchte ich sie heute jedenfalls nicht.