Mittwoch, 14. Februar 2024

Familie Gartenrotschwanz

Neulich sah ich, wie schon so oft zuvor, eine Türkentaube von der Straße auffliegen.  

In Visquard. 

Ich hatte sie selbst mit meinem Wagen aufgescheucht. 

Habt ihr ollen Pappschachteln schon einmal darauf geachtet, wie kraftvoll diese kleine Taube abhebt, wie ihr Steuer dabei auf den ersten beiden Metern hin und her wackelt und wie unglaublich rasant sie beschleunigen kann?

Sie explodiert förmlich!

Im Grunde ist die Türkentaube so eine Art Ben Johnsson der Vogelwelt.

Nur ohne Doping. 

Tauben ganz allgemein sind gute sowie schnelle und kraftvolle Flieger. Und der Mensch hat sich die Eigenschaft dieser Vögel ja auch zunutze gemacht, indem er die Felsentaube domestiziert und dann als Brief- oder Haustaube auf die Reise geschickt hat. Und wenn die Haustaube heute auch keine wichtigen Nachrichten mehr von A nach B transportieren muss, so erfreuen sich doch viele Menschen an ihrer Zucht und Pflege. 

Ich jetzt nicht so. 

Huch, wer seid denn ihr?


what bird species is this? Don't think this is an easy question

Tja, wen habe ich da am 24. Januar 2024 in Norddeich fotografiert?

Auflösung folgt.

Und noch ein Rätsel, wenn ich schon mal dabei bin: 



what bird?

Ja, Kinners, jetzt müsst ihr schon an eure bescheidene Leistungsgrenze gehen. 

Egal.

Heute möchte ich euch endlich die im Sommer im Garten meiner Vermieterin angefertigten Bilder von den Rotschwänzchen zeigen, die ich schließlich schon so oft fintenmäßig angekündigt, dann aber doch wieder ins dritte Glied zurückgestellt hatte.

Rotschwänzchen, so nennen viele Jäger diesen Vogel. 

Und auch den anderen mit dem nahezu komplett grauschwarzen Gefieder. Dass es zwei Arten gibt, wissen die meisten Lodenträger nämlich nicht. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Rotschwänzchen darf man in unserem Land nicht schießen, weshalb es sich für Flintenökologen also auch nicht lohnt, sich überhaupt für diese beiden Vogelarten zu interessieren. 

Von Ausnahmen, wie sie ja alle Regeln, die es auf diesem Planeten gibt, bestätigen, einmal abgesehen.  In Ostfriesland ist mir bis heute aber noch keine dieser Ausnahmen untergekommen.

Irgendwann im April war es so weit, ein männlicher Gartenrotschwanz machte mir allmorgendlich zu schaffen. Er sang so furchtbar früh so furchtbar laut, dass ich meine Fenster am Abend vor dem Schlafengehen nicht mehr kippen konnte. Ich versuchte alles, um ihn aus dem Garten zu vertreiben, drohte ihm auch, indem ich meine Pumpgun demonstrativ eine ganze halbe Stunde lang draußen auf die Fensterbank legte, doch der Vogel ließ sich nicht einschüchtern – und blieb!

Also gab ich nach und begann damit, ihn mit Mehlwürmern zu versorgen. Nicht ganz ohne Eigennutz, denn mit einem vollen Schnabel, so mein Gedanke, kann man nicht singen. Aus dieser Frühzeit der Geschichte, die ich euch heute erzähle, liegen trotz des Anfütterns keine Bilder vor. Ich meine, ich bin doch auch nicht so eine berechnende Arschkrampe wie ihr da draußen, die nur dann gibt, wenn sie im Anschluss auch nehmen kann. 

Nein, so bin ich nicht. 

Ebenfalls gerade noch im April tauchte auch das Weibchen im Garten meiner Vermieterin auf, um erst einmal kräftig den Saharastaub aus seinem Gefieder zu schütteln. "Kein schönes Revier", so dachte es halblaut und ganz nüchtern, "aber der ewig gedeckte Tisch ist ein überzeugendes Argument."

Rasch wurde ein Nest gebaut. 

Und zwar in diesem Kasten:









last summer two Common Redstarts raised their offspring in this nestbox 

Der sieht zwar originell und einladend aus, ist aber alles andere als optimal.

Das Einflugloch befindet sich zu weit unten, Box und Nistfläche sind insgesamt zu klein, aber als Gartenrotschwanz hat man vielleicht auch nicht immer eine Wahl in unserer sterilen und höhlenarmen Landschaft. Dass dieser Kasten nicht so prickelnd ist, kann man aber auch daran erkennen, dass er in den fünf Jahren vor der Rotschwanz-Brut nicht ein einziges Mal für die Familienplanung irgendeines Vogel-Ehepaars genutzt worden war, immerhin aber als Schlafplatz und das vor allem im Winter.

Woher ich das weiß? 

Er hängt an der Außenwand direkt über meinem Schreibtisch und oberhalb eines großen Fensters. Wenn es dunkel wird, sehe ich immer einen Vogel im Kasten verschwinden. Doch um welche Art es sich handelt, weiß ich bis heute nicht, weil ich der Sache nie wirklich auf den Grund gegangen bin.

Ich fütterte jedenfalls fleißig weiter.

Morgens gab es eine Handvoll Mehlwürmer und am Nachmittag eine weitere. Es dauerte nicht lang, bis die Vögel die Zusammenhänge durchschaut hatten und mir schon vor meiner Rückkehr nach Hause auflauerten und dann, wenn ich endlich mit meinem geilen Wagen auf den Hof fuhr, sogleich aufgeregt rufend und hin und her fliegend darauf warteten, dass ich die Schale wieder auffüllte.

Ich spule jetzt vor: Einige Wochen nach Nestbaubeginn bemerkte ich, dass die Vögel den Kasten gar nicht mehr ansteuerten. Ich befürchtete Schlimmstes, doch die Ursache war eine erfreuliche: Die Kinder waren wohl schon am Vormittag ausgeflogen!  

Wo sie sich befanden, wusste ich nicht. Doch natürlich brauchte ich nur die Altvögel zu beobachten, um die jeweiligen Standorte der jungen Gartenrotschwänze ausfindig machen zu können. Sie hielten sich in den dichtesten Büschen des Gartens meiner Vermieterin versteckt. 

Obwohl "meine" Gartenrotschwänze nicht wirklich scheu waren, wollten mir kaum passable Bilder gelingen. Dafür hätte es schon eine etwas längere Linse gebraucht. Und deshalb stellte ich die Schale mit den Mehlwürmern direkt vor eines meiner Fenster, um dann im Innern meiner Höhle zu lauern. 

Bis auf eine Ausnahme habe ich also alle Fotos von der Familie, die ich euch heute zeige, quasi diagonal durch die Scheibe hindurch geschossen. Dass es trotzdem scharfe Resultate zu sehen gibt, hat mich wirklich erstaunt. Ich meine, ich bin kein Physiker, und die Gesetze der Optik sind für einen einfach gestrickten Menschen wie mich nur schwer bis gar nicht zu verstehen, aber eigentlich hatte ich eher verschwommene Bilder erwartet, wie man sie hinbekommt, wenn einem die Windschutzscheibe des Autos im Wege ist.

Aber dann hätte ich sie natürlich gleich im virtuellen Mülleimer entsorgt. 

Der Kerl war ein hübscher, wie ihr sehen könnt:



the male at the beginning of the breeding season

Und seine Ehefrau stand ihm diesbezüglich in nichts nach (das Bild stammt aber aus dem August):


his pretty wife

Eines Tages kam ich am Nachmittag nach Hause.

Was ich jetzt sah, ließ mein Herz mindestens zehnmal schneller schlagen als gewöhnlich. Auf dem Rasen, direkt am Gebüschsaum, standen alle drei Kinder hübsch aufgereiht herum und warteten geduldig darauf, von ihren Eltern mit Futter versorgt zu werden. Ihr wisst das nicht, ihr Nichtsnutze da draußen, aber der Garten meiner Vermieterin wird täglich gleich von vier verschiedenen Katzen mindestens als Transitstrecke genutzt, von einer aber auch als bevorzugtes Jagdrevier. Irgendwie ständig sieht man einen dieser Stubentiger bei der Patrouille, gerade so, als gäben sie sich geheime Zeichen.

"Weg da!" rief ich, während ich gleichzeitig auf die Kleinen losstürmte: "So geht das nicht!

Sie verstanden auf der Stelle und versteckten sich wieder im dichten Gebüsch. Aber natürlich hat es viele solcher Situationen gegeben und bestimmt auch dann, wenn ich nicht zu Hause war und meine schützenden Hände über die Brut halten konnte. Aber ich will euch beruhigen und vorwegnehmen, dass es alle drei Kinder bis zur vollen Flugfähigkeit geschafft haben.

Natürlich hatte ich von Beginn an darauf spekuliert, dass sich auch die Blagen irgendwann vor meinem Fenster blicken lassen. 

Oh, was ist denn das hier?




first kid at the feeder

Das hat funktioniert, wie ihr sehen könnt. 

Die Mama:


Mommili

Stress pur:


hard work for the parents raising three kiddies

Wieder eines der Kinder:


kid cute

Irgendwann konnten die jungen Gartenrotschwänze natürlich richtig fliegen. 

Und ab diesem Zeitpunkt gab es für die treusorgenden Eltern kein Entrinnen mehr. Das ist beim Gartenrotschwanz nicht anders als beim Blaukehlchen, das ich euch bereits im letzten Jahr hier vorgestellt hatte. 

Inzwischen hielt ich das Fenster wieder permanent gekippt, und so konnte ich die Bettelrufe der Kinder immer ganz deutlich hören, wenn ich zum Beispiel am Schreibtisch saß oder mir ein Käsebrötchen zubereitete. Meine Kamera lag immer griffbereit auf der Fensterbank, sodass da viele Bilder zusammenkamen, von denen ich euch aber nur einen kleinen Teil zeigen werde, weil es sonst auch einfach den Rahmen sprengen würde und so weiter. 

Die Eltern wirkten jetzt immer wie auf der Flucht, und das Männchen klopfte sogar einmal klammheimlich an eines der anderen Fenster und bat mich völlig verzweifelt um Einlass, um sich wenigstens für einen Augenblick erholen zu können vom ewigen Gebettel der Blagen, doch ich meinte nur trocken: "Diese Geister hast du selbst heraufbeschworen. Jetzt musst du die ganze Kiste auch konsequent durchziehen."

Ja, junge Gartenrotschwänze sind echte Nervensägen. 

Ich meine, sie treten ja auch immer in der Gruppe auf:



always hungry



all siblings together

Und haben fast immer Hunger!

Diese Aufnahmen hatte ich zu einer Zeit gemacht, als sich die Kinder schon selbst bedienen konnten. 

Das hielt sie aber nicht davon ab, die Eltern auch weiterhin hartnäckig anzubetteln. Und das klappte auch, zumindest bis zu einem bestimmten Zeitpunkt. Etliche Male konnte ich sogar beobachten, wie einer der Jungvögel einen Mehlwurm aus der Schale nahm und ihn dann in eines der Geschwister stopfte. Ja, die Kinder bettelten sich auch gegenseitig an, was sehr lustig aussah. Vielleicht übten sie einfach für ihre Zukunft, denn eines Tages würden auch sie kleine und taufrische Gartenrotschwänze in die Welt setzen, das war klar.

Wie niedlich:

it was really funny to watch these family behind the window

Kindchenschema pur. 

Wenn ich sie nicht angucke, dann sehen sie mich auch nicht, so dachte der Papa bestimmt ein ums andere Mal:



papa tried to ignore his kids

Und es hat nicht viel gefehlt und er hätte sich die Augen mit seinen Flügeln zugehalten. 

Vielleicht habt ihr es auf den beiden letzten Bildern bemerkt.

Kaum waren die Jungen ausgeflogen, da setzte bei den Altvögeln die Vollmauser, die so genannte Postnuptialmauser, ein. Alles wurde gewechselt, nur Schnabel und Beine blieben die alten.

Das Weibchen am 1. Juli:


the adults began to moult 

Und das Männchen zwei Tage später:


male

Das sah bisweilen schlimm aus, ist aber grundsätzlich ein Muss.  

Denn ohne einen zyklischen Federwechsel wären Vögel kaum überlebensfähig. Sie verlören ihre Flugfähigkeit, während sie gleichzeitig erfrieren würden. Federn nutzen sich ab und können nicht wieder repariert werden. Nur ihre komplette Erneuerung kann Abhilfe schaffen. 

Ein weiteres Bild vom zerrupft aussehenden Weibchen:


moulting female

Und gleich mehrere vom Kerl, der jetzt gar nicht mehr so cool aussah: 



still moulting

Eine letzte Steuerfeder war am 4. Juli noch da:


the last tail feather

Doch nur einen Tag später war auch sie ausgefallen. 

Und das war lustig, denn jetzt konnte ich beobachten, dass Gartenrotschwänze auch dann mit ihrem Schwanz wackeln, wenn der längst nicht mehr vorhanden ist.

Kleiner Scherz zum Nulltarif. 

Bei den Flügeln ist das natürlich anders, Hand- und Armschwingen können nicht alle gleichzeitig vermausert werden, wie es beim Steuer der Fall ist, und den Grund dafür brauche ich euch nicht zu verklickern.

Zehn Tage später sah alles gar nicht mehr so schlimm aus:


ten days later the tail had "revoered" from the heavy loss

Das Weibchen am 19. Juli:


female on 19th July

Am 24. Juli:



24th July

Und am 1. August:


first of August

Nur einen Tag später:


one day later

Und schließlich wieder der Mann, fotografiert am selben Tag:




male on same day – in total moulting lasted around five weeks

Insgesamt dürfte die Vollmauser der Altvögel also etwa fünf Wochen in Anspruch genommen haben.

Auf die Uhr geguckt habe ich aber nicht. 

Vor allem beim Männchen fallen jetzt die hellen Federränder des Kleingefieders auf. Durch das Abnutzen dieser Federränder entsteht im zeitigen Frühjahr und noch vor der Ankunft in Ostfriesland das neue Prachtkleid, sodass man als männlicher Gartenrotschwanz perfekt gekleidet in eine neue Brutsaison fliegen kann. 

Bereits im November sah ich das hier in Norddeich:



nature is fighting back – Common Ivy found his way through a fence

Die Natur holt sich am Ende alles zurück.

Wenn der Mensch sie nur lässt. 

Hier "durchbrach" Efeu den Zaun der Seehund-Aufzuchtstation in Norddeich. 

Im letzten Bericht hatte ich euch diverse Ortsschilder gezeigt, die irgendeine "Gaunerbande" auf den Kopf gestellt hatte.

Nur wenige Tage später hatten vermeintlich seriösere Bürger, die zum Lachen vielleicht in den Keller gehen müssen, alles wieder in den Urzustand zurückversetzt. Doch abermals ein paar Tage später staunte ich am frühen Morgen nicht schlecht, denn jetzt hingen an vielen Ortsschildern hier in der Krummhörn Gummistiefel.

Mit Kabelbindern hatte man sie am Rahmen befestigt: 



farmers did this at night. This is part of their campaign against the policy in Germany, that allegedly does not enough support the people's interests (from their point of view)

Spaßvögel waren diesmal aber wohl nicht unterwegs gewesen. 

Stattdessen sind es die Bauern, die mit dieser Aktion auf ihre "schwierige Lage" hinweisen wollen.

Habt ihr den winzigen Aufkleber bemerkt? Ja, auch in Ostfriesland sind nicht alle Menschen braun – ääh, blau.

Am frühen Morgen des 27. Januar stand der fette Mond hell leuchtend über der Emsmündung und beobachtete einen Trupp "Seemöven", der Richting Süden zog:



the moon was watching birds on early morning

Ich löse auf:



Branta christata, the so called Crested Brant, is a very new species that has never ever been reported before (record shot)

Kinners, ihr seid Zeugen einer echten Weltsensation! 

Es handelt sich hier nämlich um das erste Bild von einer ganz neuen Art überhaupt! Von der Haubenringelgans existiert sehr wahrscheinlich nur dieser eine Trupp! 

Weltweit!  

Und ich habe ihn beobachtet. In Norddeich. Auf der Drachenwiese. Und fotografiert. 

Wahnsinn. 

Einfach unglaublich. 

Nur einen Augenblick später, ich hatte nur kurz die Qualität der Fotos auf dem Display meiner geilen Kamera überprüft, waren die Vögel auch schon wieder weg, ohne dass ich ihren Abflug mitbekommen hätte. Das war schon reichlich gespenstisch, wenn ich ehrlich sein soll. Und ich bekomme jetzt noch eine mächtige Entenpelle, wenn ich nur an diese eigenartige Beobachtung zurückdenke. 

Sturm in Norddeich (mit der Skyline von Norderney im Hintergrund) und der klägliche Versuch meinerseits, ihn in zwei Bildern festzuhalten:



a stormy day at Norddeich

Und jetzt habt ihr bestimmt schon eins und eins zusammengezählt und erkannt, dass das mit der geilen Haubenringelgans nichts Anderes als ein verfrühter Aprilscherz war. 

Recht habt ihr!

Es war nur der Wind, der die Scheitelfedern der Vögel aufstellte für einen Augenblick, und auf dem folgenden Foto kann man es auch sehen beim rechten Vogel:



okay, it was just the wind who created the crest

Am 29. Januar entdeckte ich in den Meeden zwischen Greetsiel und Visquard eine junge Rothalsgans zwischen all den schnatternden Bläss- und Nonnengänsen



first winter Red-breasted Goose among allies

Am 11. Februar waren es am selben Ort zwei adulte:


two adults two weeks later at the same patch

Das bedeutet, dass ich in diesem Winter mehr Rothalsgänse beoachtet habe als in all den Wintern zuvor. 

Für jemanden, der nicht gezielt nach Gänsen Ausschau hält, ist das schon eine beachtliche Leistung, wie ich finde. 

Sanderlinge und ein Steinwälzer sausten auf dem Rysumer Nacken an mir vorüber: 


Sanderling and a single Turnstone

In der Leybucht kann man seit einigen Jahren auch regelmäßig Kolkraben beobachten:


Raven (with Great Black-backed Gull) eating a dead Barnacle Goose  

Und in der Leybucht ist der Tisch immer ebenso reich gedeckt wie jener im Garten meiner Vermieterin.

Vor allem im Winterhalbjahr mangelt es dort nie an Kadavern von toten Vögeln oder gar Säugern; da braucht man als Kolkrabe oder Mantelmöwe – auch auf dem Foto zu sehen – oder gar Seeadler nie mit einem knurrenden Magen zu Bett zu fliegen. So viele tote Vögel wie nur zwei Jahre zuvor waren es in diesem Winter allerdings bei Weitem nicht, für einige Opfer der Vogelgrippe hat es aber trotzdem wieder gereicht. In allen Fällen waren es Nonnengänse gewesen, die ich sterbend oder bereits verendet entdecken musste.

Am 1. Februar fand ich zwischen Norddeich und Hilgenriedersiel gleich 16 Hellbäuchige Ringelgänse in zwei verschiedenen Trupps der hier häufigen Dunkelbäuchigen Ringelgans

Es waren zwei Familien mit jeweils vier Kindern sowie zwei weitere Altvögel in dem einen Trupp auf der Seeseite des Deiches und zwei weitere Altvögel ohne Anhang auf einem Acker auf der anderen Seite des Deiches. 

Eine der beiden Familien ist auf dem folgenden Foto zu sehen (mit den beiden Elternvögeln jeweils links und rechts außen):



at the beginning of February I spotted in total 16 Pale-bellied Brant Geese in two flocks of Dark-bellied Brant, which is much more common in Ostfriesland 

Diese eher selten, aber doch wohl allwinterlich bei uns auftretende Unterart der Ringelgans brütet vor allem im Nordosten Kanadas und überwintert entlang der Atlantikküste der USA zwischen den Bundesstaaten Maine im Norden und Georgia im Süden. 

Zwei weitere und deutlich kleinere Populationen brüten im Nordosten Grönlands sowie auf Franz-Josef-Land und Svalbard. Diese Vögel verbringen den Winter im Norden Großbritaniens und in Dänemark (Quelle: Wikipedia), aber eben in geringer Zahl auch in Deutschland und den Niederlanden.

Die andere Familie:


second family within the same flock of Dark-bellied

Es folgt die Auflösung des zweiten Rätsels:



the picture shows the beautiful primaries of a ...

Na, habt ihr die Art erkannt?

Beachtet bitte auch den Vergrößerungseffekt der Wassertropfen!

Ein zweiter Hinweis (mit den Armschwingen links und den Handschwingen rechts):


border between secondaries (left) and primaries

Diese außerordentlich hübsch gemusterten und gefärbten Federn stammen von einer Schleiereule, die ich am 31. Januar in Norden-Westermarsch tot und ohne erkennbare äußere Verletzungen in einem Straßengraben aufgefunden habe.  

So sah sie aus:



this unlucky Barn Owl I found dead in a ditch right next to a road. Likely the bird collided the previous night with a vehicle

Sehr wahrscheinlich war der arme Vogel die Nacht zuvor mit einem Kraftfahrzeug kollidiert und von diesem in den Graben geschleudert worden.

Traurig. 

Doch es gibt auch Positives zu berichten: 


my first Common Ringed Plover in 2024 popped up on 5th of February

Am 5. Februar sah ich den für mich ersten Sandegenpfeifer des Jahres unweit der so genannten Westdeichecke im Westen des NSG Leyhörn. 

Und nur einen Tag später fand ich meine erste Schwarzkopfmöwe dieser noch jungen Saison östlich von Greetsiel, wo sie auf Grünland nach Nahrung suchte in Gesellschaft vieler weiterer Möwen; darunter befanden sich auch die für mich ersten Herungsmöwen des Jahres 2024. 

Was bedeutet das?

Der Heimzug ist in vollem Gange!

Doch zurück zu den Gartenrotschwänzen:


back to the (Red)start

Oh, ein Kind:



a child

Nicht nur die Altvögel mussten eine Mauser durchlaufen, sondern auch die Kinder.

Allerdings nur eine Teilmauser. 

Warum ist die nötig, werdet ihr euch vielleicht jetzt fragen, wo doch die Federn des Jugendkleids noch ganz frisch waren, kaum älter als ein paar Wochen.  

Die Lösung ist ganz einfach: Solange die Kinder das gefleckte Jugendkleid tragen, werden sie von den Eltern im Revier geduldet. Je mehr sie aber ins erste Winterkleid mausern, das dem der Altvögel gleicht, desto häufiger und heftiger werden sie von den eigenen Eltern attackiert. Das Jugendkleid ist also ein Gewand, das den Kindern so eine Art Welpenschutz verschafft. 

Es ist ein Hemmungskleid.

Die Postjuvenilmauser setzt also mit dem Selbstständigwerden des Nachwuchses ein. Und im Falle meiner Gartenrotschwänze kann ich schreiben, dass alle drei Kinder weiblichen Geschlechts waren und sich am Ende optisch kaum mehr von ihrer Mutter unterscheiden ließen. 

Einer der Jungvögel mitten in der Mauser:


one of the young birds moulting from juvenile into first winter plumage

Beachtet bitte die noch zahlreichen Federn aus dem Jugendkleid, vor allem auf dem Kopf.

Jetzt gibt's noch schnell ein paar Anekdoten für euch: Drei junge Gartenrotschwänze haben im Garten meiner leider immer noch quicklebendigen Vermieterin das Licht der Welt erblickt, wie ich euch hier berichtet habe. Doch am Futterplatz waren einmal vier Jungvögel gleichzeitig zu sehen gewesen. Einer mehr also als sonst. Dieses zusätzliche Kind fiel mir sofort auf wegen seines unsicheren und zögerlichen Verhaltens, und es wurde auch auf der Stelle von den anderen Vögeln mit Vehemenz vertrieben. Woher dieser Gartenrotschwanz stammte, muss leider offen bleiben. 

Andere Konkurrenz um meine leckeren Mehlwürmer ließ sich nicht so leicht in die Flucht schlagen:



young Great Tit

Mit jedem Tag wurde die Zahl der Kohlmeisen größer.  

Neben einigen Jungvögeln (oben) waren auch etliche Altvögel am Start:



adult male

So wie dieser Kerl. 

Und weil auch Kohlmeisen mausern müssen, gab es auch schon mal einen Vogel ohne Steuer zu sehen:


moulting 

Eine kleine Auseinandersetzung am Futternapf:


this is my food, du blöde Kohlmeise :-)

Grundsätzlich hatten die Meisen aber das Sagen. 

Jedenfalls solange er nicht anwesend war: 


House Sparrow was hungry, too

Ja, auch der gute alte Haussperling darf nicht fehlen, wenn es in einem Dorf eine nie versiegende Futterquelle gibt.  

Irgendwann war die Not aber doch riesengroß, denn mir gingen die lebenden Mehlwürmer aus. An einem Samstag. Ich bestelle die Biester immer im Netz, die Lieferzeit beträgt mindestens zwei Tage. Aber darauf konnte ich diesmal natürlich nicht warten, musste ich die ganze Rasselbande doch bei Laune halten. Also blieb mir nichts Anderes übrig, als nach Norden zu fahren und gefriergetrocknete Mehlwürmer zu kaufen. Und die sind sauteuer, obwohl nicht einnal halb so lecker wie lebendige. 

Und natürlich hegte ich auch große Zweifel, ob die Vögel diese Kost überhaupt annehmen würden. 

Mit einem Lächeln stellte ich die Schale hin und wartete auf die Reaktionen. 

Er war einfach nur enttäuscht:


trying dried Mehlwörms for the first time

Und versuchte auch erst gar nicht, das zu verschleiern. 

Meinst du das ernst? 

Das muss er gedacht haben, jedenfalls guckte er mich entsprechend an. 

"Halt dein Maul, du undankbarer Vogel", sagte ich nur, weil ich ihm seine Gedanken förmlich ansehen konnte: "Solange du deine Füße unter meinen Tisch stellst, wird gegessen, was auf eben diesen Tisch kommt!" Ich schmunzelte, weil das ja gar nicht mein Tisch war, sondern der meiner Vermieterin, und lenkte dann schnell ab: "Bis zum kommenden Mittwoch werdet ihr jedenfalls alle mit diesen drögen Dingern auskommen müssen. Dass das mal klar ist." 

Trockenkost, so dachte ich, Erdnussflips für Vögel, wenn man so will. Und Erdnussflips sind doch auch wirklich lecker, wie ich finde. 

Kurz: Alle Vögel schafften die Umstellung, der eine früher, der andere später. Und irgendwann war die Tüte leer. Doch zu diesem Zeitpunkt war die ersehnte Lieferung aus Schleswig-Holstein längst bei mir eingetroffen. 

Zwei Bilder von den Kindern will ich noch schnell zeigen, weil die Vögel doch so niedlich sind:




last pictures of the young

Und ein letztes vom Kerl, der an einem windigen Tag einen auf Marilyn Monroe machte: 


on a stormy day he pretended to be Marilyn Monroe

Oder besser Oliver Knöbel alias Olivia Jones, wenn ihr versteht, was ich meine. 

So, Kinners, wir befinden uns schon wieder kurz vorm Ende dieses wunderbaren Beitrages. Die letzte Frage lautet: Und wie ging die Gartenrotschwanz-Geschichte aus?

Zwei der Jungvögel verschwanden im Laufe der zweiten Juli-Hälfte, einer blieb bis zum Monatswechsel. Anfang August bin ich dann für zehn Tage nach Osnabrück gefahren, und nach meiner Rückkehr waren auch die beiden Altvögel nicht mehr aufzufinden. 

Der Sommer der Gartenrotschwänze hatte sein Ende gefunden. 

Und ich war sehr, sehr traurig. 

Haustauben unter der Brücke über dem Störtebekerkanal ("Klappbrücke Leybucht"):


Feral Pigeon under the bridge

Wie viele es dort genau sind, weiß ich nicht. 

Aber man hat bereits vor über einer Woche mit dem Nestbau begonnen, und mindestens eines der Weibchen brütet auch schon fleißig. Einige dieser Vögel sehen aus wie echte Felsentauben. Ich wette, die sind voll wild und auf eigenen Schwingen, vielleicht aus dem Mittelmeerraum kommend, nach Ostfriesland geflogen, um sich hier niederzulassen. 

Allerdings trägt eine dieser Tauben einen Züchterring, was bedeutet, dass sie mal in Gefangenschaft gelebt haben, aber irgendwie dann doch ausgebüxt sein muss. Vielleicht hatte man sie auf die Reise geschickt – und der Vogel einen Schwächeanfall bekommen. Oft werden solch geschwächte Tauben vom Habicht erbeutet oder vom Wanderfalken – ich meine, wir Menschen gehen ja auch immer den Weg des geringsten Widerstands und so weiter und ziehen uns ein Käsebrötchen rein statt erst eine Kuh zu melken und mühselig Gouda herzustellen –, manchmal scheint es aber auch gut auszugehen wie in diesem Fall und ein Leben in Freiheit nimmt seinen Anfang. 

Gesprengte Ketten. 

So sieht das aus, auch wenn der Vergleich mit dem Käsebrötchen vielleicht etwas hinkt. .

Diese Türkentaube hatte da deutlich weniger Glück:



female Sparrowhawk with Eurasian Collared Dove

Tauben sind kraftvolle und schnelle Flieger.

Das hatte ich euch eingangs verraten. 

Doch diese Schnelligkeit bringt ihnen nichts, wenn ein Sperber jede sich ihm bietende Deckung geschickt ausnutzt und die Taube ihn deshalb erst im letzten Moment zu Gesicht bekommt. 

Die Silagehaufen des Klosters Appingen laden mich immer zu einem Zwischenstopp ein. Viele Vögel nutzen diese Nahrungsquelle im Winter, vor allem bei großer Kälte, so von Nilgans über Sturmmöwe und Gebirgsstelze sowie Haussperling bis hin zu Türken- und Hohltaube. Und wo sich tagtäglich so viele Vögel unterschiedlichster Größenklassen zusammenfinden, da lässt sich eben auch der Sperber gerne blicken. 

Als ich am 7. Februar während der langsamen Fahrt einen Blick zum Maismehlhaufen zu meiner Linken wagte, da stand der Greif schon da mit seiner Beute, die fast so groß wie er selbst war. Ich stoppte, ließ die Scheibe herunter, stellte den Motor ab und ballerte wild drauflos. Wenig später machte sich der Sperber aus dem Staub. Mühelos flog er mit seiner Taube auf, um auf der anderen, nicht einsehbaren Seite des großen Haufens wieder runterzugehen. 

Die grellgelben Augen dieses Sperberweibchens waren wahrscheinlich das Letzte, was die Türkentaube in ihrem Leben gesehen hat. 

Das ist Natur. 

Amen. 

Und bis zum nächsten Mal!