Samstag, 20. Januar 2024

Der einsame Waldwasserläufer von Westermarsch

Frohes neues Jahr, Kinners!

Immer dann, wenn ihr gar nicht mehr damit rechnet, kommt in diesem Blog von Weltrang doch wieder ein neuer Beitrag. 

Sonst wäre es doch auch gar keine Überraschung.

Und heute geht es, der Titel hat bereits gepetzt, vor allem um einen bestimmten Waldwasserläufer!

Der hält sich mindestens seit dem 9. Januar 2024 in Norden-Westermarsch auf und lungert dort in diversen Entwässerungsgräben herum, anfangs in Begleitung eines Artgenossen. 

Doch der Reihe nach.

Am 9. Januar stolzierte ich elegant wie ein Silberreiher einen dieser vielen so schützenswerten Entwässerungsgräben entlang. Ich weiß nicht mehr, wie viele Kilometer ich bereits zurückgelegt hatte, als plötzlich ein Waldwasserläufer laut rufend vor mir aufflog.

Der Waldwasserläufer ist meine Lieblingslimikole, und deshalb freute ich mir einen Ast. Nur etwa hundert Meter weiter sauste ein weiteres Individuum auf und davon, das ganz bestimmt nicht identisch war mit dem ersten Vogel, der nämlich in eine andere Richtung geflogen war. 

Gleich zwei Waldwasserläufer im Winter, das ist wirklich sehr schön, so dachte ich. 

Ja, Kinners, irgendwann kam tatsächlich der böse Winter nach Norddeutschland, und es fror plötzlich wie Sau. Innerhalb weniger Tage vereisten fast sämtliche Gewässer. Nur ein kleiner Graben unweit des Deiches widersetzte sich erfolgreich dem Mainstream wie seinerzeit ein gallisches Dorf den Römern und floss ungerührt weiter. Er floss deshalb weiter, weil er schneller floss als all die breiteren Gräben, die sich tagtäglich völlig willenlos der Trägeit hingeben. Und selbst der Mahlbusen des Norder Tiefs lag plötzlich unter einer geschlossenen Eisdecke.

Und weil der kleine Graben partout nicht zufrieren wollte, bot er all jenen Vogelarten, für die der Zugang zu offenem Wasser quasi überlebenswichtig ist, ein letztes Refugium in dieser harten Zeit. Da waren plötzlich zwei Bekassinen, da stoßtauchten zwei Eisvögel, und da hielten sich eben auch die beiden Waldwasserläufer auf. 

Die kriege ich, so dachte ich selbstbewusst, das muss jetzt einfach mal klappen.  

Denn in der Vergangenheit hatte ich schon des Öfteren winterliche Waldwasserläufer beobachtet, doch an Fotos war aus verschiedensten Gründen nie zu denken gewesen. 

Jetzt witterte ich meine Chance.  

Eine männliche Kornweihe jagte am Morgen des 9. Januar über dem steif gefrorenen Buscher Heller ihrem Schatten hinterher:


male Hen Harrier hunting

An einem ganz frühen Samstagmorgen machte ich wieder einen auf Silberreiher und ging die Uferböschung des schmalen Grabens auf und ab. 

Es war so bitterkalt zu dieser frühen Stunde, dass selbst ich zu frieren begann, obwohl sich mein Kälteempfinden doch grundsätzlich von jenem anderer Menschen unterscheidet, wie man mir schon so oft bescheinigt hat. Kurioserweise blies der fiese Wind aber nicht aus Nordost – er kam also nicht etwa aus Wladolf Putlers Riesenreich zu uns herübergeweht –, sondern aus südwestlichen Richtungen. Von einer warmen Mittelmeer-Brise konnte aber wirklich nicht die Rede sein; es war richtig schlimm. Sogar so schlimm, dass ich tatsächlich für einen kurzen Augenblick in Erwägung zog, mir beim nächsten Besuch von Norden oder Emden oder Pewsum ein Paar wärmender Handschuhe zuzulegen.

Und genau in diesem Moment der Schwäche tauchte plötzlich ein Bisam auf, um seine Bahnen im Graben zu ziehen. 

Ich konnte es nicht fassen, und bei seinem Anblick fror ich gleich noch mehr: "Bist du verrückt? Wie kannst du jetzt ins Wasser gehen? Du erkältest dich, holst dir wahrscheinlich sogar den Tod! Ich meine, warum streifst du dir nicht wenigstens einen Neoprenanzug über, wie es die Kitesurfer an der Knock oder vor Norddeich immer so schön machen?"

Ich schimpfte noch eine ganze Weile weiter, doch eine Antwort bekam ich nicht. Der Bisam bog nach rechts in einen anderen Graben ein und kam auch nicht wieder zurück. 

Wenig später, ich hatte die lebensmüde Wühlmaus bereits wieder vergessen, fand ich endlich, was ich eigentlich gesucht hatte. 

Da, so dachte ich, das ist genau die richtige Stelle. 

Perfekt. 

Ich wollte die Böschung hinabsteigen, geriet aber sofort ins Rutschen und fiel wenig elegant auf den Arsch. Klei, dieser verfickte Kleiboden, dachte ich, wie ich es schon so oft in der Vergangenheit gedacht hatte. Es hatte hier ja zuvor so furchtbar viel geregnet, und jetzt war der Grund so tief und seifig wie der eines vernachlässigten Bolzplatzes auf dem Dorf. Immerhin konnte ich nicht sehr weit rutschen, die Reise war also nur kurz. 

Da war eine kleine Schlammbank, eine von nur ganz wenigen in diesem Graben, auf der ich nun ganz viele Mehlwürmer auslegte. Als ich wieder hinaufsteigen wollte, rutschte ich sogleich wieder in die Tiefe. Hier komme ich nie wieder raus, befürchtete ich das baldige Ende meines Lebens, und ich wollte wirklich schon um Hilfe schreien, doch gerade noch rechtzeitig bemerkte ich, dass die Böschung auf der anderen Seite des Grabens nicht ganz so steil war. Und sie war dicht bewachsen. Der Aufstieg verlief frei von Komplikationen und gelang gleich beim ersten Mal. Anschließend setzte ich mich in den Wagen, den ich vorausschauend so geparkt hatte, dass ich den gesamten, sehr tief eingeschnittenen Graben mit meinem Fernglas einsehen konnte. 

Und es dauerte auch gar nicht lang, bis die beiden Waldwasserläufer zurückkehrten. 

Spannung pur. 

Echt jetzt mal. 

Genau das sind die Momente, die mein ganzes Tun im Outback ausmachen, die mir so verdammt viel Freude bereiten. Während ich eine halbe Doppelkeksrolle vernichtete, übrig geblieben vom Vortag, spannte ich gebannt auf den Graben. Einer der beiden Vögel lief genau in die richtige Richtung, der andere auf mich zu und somit in die falsche. Nach nur einer halben Stunde hatte der Glücklichere der beiden Waldis den Futterplatz entdeckt. Fortan wirkte er wie festgepflockt. Immer mal wieder nahm er einen einzelnen Mehlwurm in den Schnabel, um ihn dann ins Wasser zu tunken, bevor er ihn verschlang. Nach zehn Mehlwürmern folgte eine Ruhephase, die der Waldwasserläufer für die Gefiederpflege nutzte. 

Der zweite Vogel, den ich zeitweilig aus den Augen verloren hatte, watete jetzt auch Richtung Futterplatz. Doch lange bevor er ihn überhaupt erreichen konnte, bekam er auch schon von Vogel eins was auf die Mütze. Damit hatte ich gerechnet, denn dieses Verhalten war mir natürlich nicht neu. Immer ist es so, dass der Finder seine kostbare Entdeckung gegen Artgenossen verteidigt. Das machen alle Vögel so, selbst jene, die in Trupps leben und somit gerne in Gesellschaft. 

Merksatz: Der Finder gibt grundsätzlich nichts ab. 

Vielleicht kennt ihr das: Heiner hat einen ganzen LKW voller Süßigkeiten, aber Heiner gibt nichts ab. Sesamstraße oder Sendung mit der Maus, so ganz genau weiß ich das jetzt auch nicht mehr. Pädagogisch aber sehr wertvoll, denn man hatte es sich zum Ziel gesetzt, aus einem sich gerade entwickelnden möglichen Geizkragen auf Lebenszeit vielleicht doch gerade noch rechtzeitig eine etwas weniger asoziale Persönlichkeit zu formen.

Bei mir hat's nicht gefruchtet.

Kleiner Scherz.

Eine ganze Stunde ließ ich verstreichen, bis ich wieder aus meiner geilen Karre stieg. Inzwischen hatte es auch noch zu schneien begonnen!

Alles, was ich jetzt benötigte, nahm ich in beide Hände. Den Rest klemmte ich mir unter die Arme, um dann schwer beladen loszumarschieren. Nein, nicht alles auf einmal, denn es war gleich zu Beginn klar, dass ich mindestens zweimal würde laufen müssen. Der Waldwasserläufer flog schon auf, als ich noch 50 Meter entfernt war. Gut so, so dachte ich, denn für das, was nun folgen sollte, benötigte ich nun wirklich keine Zeugen. Einen Teil der Ausrüstung, die ich wie ein als Lasttier missbrauchter armer Esel durch die Gegend schleppte, hatte ich nämlich geklaut. Mit einem Kollegen zusammen gestoooohlen in einer aufregenden Aktion weit nach Sonnenuntergang und nur einen Tag zuvor. 

Irgendwo in Ostfriesland. 

Die Beute: zwei Holzlatten sowie eine ausrangierte Tür. 

Wenn wir die Sachen nicht geklaut hätten, wären sie einem dieser sinnfreien Osterfeuer zum Opfer gefallen und hätten ganz bestimmt zu einer CO2-Katastrophe geführt. Ich meine, vielleicht hätte ihr Verbrennen das Fass wirklich zum Überlaufen gebracht und so den lang erwarteten Klima-Supergau verursacht.

Es war also eine gute Tat. Die eines echten Helden!

Der Graben war genauso matschig wie seine Scheißböschungen. Als ich schließlich im seichten Wasser stand, maß ich zunächst die richtige Entfernung zum Futterplatz aus. Dann legte ich in gebührendem Abstand zueinander die beiden Latten quer über den Graben und drückte sie in den Schlamm, um ein verzögertes Nachsacken meiner Plattform zu verhindern. Und auf die Latten legte ich die Tür. Und nachdem ich darauf mein Versteck gestellt hatte, machte ich mich wieder fix vom Acker. 

Kaum saß ich im Auto, da kam der Gewinner-Waldwasserläufer auch schon wieder angeflogen. 

Doch er landete nicht, flog stattdessen laut rufend einen weiteren großen Bogen. Das Tarnzelt jagte ihm Angst ein, auch das hatte ich erwartet. Manche Vögel kümmern sich gar nicht darum, dass sich in den letzten Minuten etwas am Landschaftsbild verändert hat, andere wiederum verschwinden gleich auf Nimmerwiedersehen, weil sie Angsthasen sind. Ja, auch hier ist es innerhalb einer Art ein individuelles Ding. Jeder Vogel tickt anders. Dieser Waldwasserläufer wählte den Mittelweg. Er flog zwar nicht gleich für immer weg, landete aber auch nicht unmittelbar beim Tarnzelt. Stattdessen näherte er sich ihm zu Fuß mit großer Vorsicht. Doch nach einer gefühlten Ewigkeit stand er wieder dort, wo er als Waldwasserläufer stehen sollte. 

Ich freute mich abermals und verspeiste weitere fünf Kekse aus einer neuen Rolle. 

Eine halbe Stunde später stieg ich wieder aus, schulterte meinen Fotorucksack, nahm die Isomatte in meine Rechte und eilte los. Natürlich flog der Vogel auch diesmal davon, doch ich wusste, er würde bald zurückkommen. Blitzschnell legte ich die Isomatte auf die Tür und schließlich mich selbst auf die Isomatte. Auf ein Stativ verzichtete ich, denn mein Ziel war ein möglichst tiefer Kamerastandpunkt. Tatsächlich lag meine Linse etwa sechs Zentimeter oberhalb des Wassers auf der Tür. 

Jeder, der schon mal bodennah fotografiert hat, weiß, wie anstregend das sein kann. Man muss sich schon sehr verrenken, wenn man durch den Sucher der Kamera blicken will. Und das auch noch für eine längere Zeit! Am Ende schmerzt der ganze Körper. Und um das zu verhindern, habe ich meinen geilen Winkelsucher eingesetzt. Kinners, das war Entspannung pur. Und es war erst der zweite Einsatz dieses nützlichen Gerätes, seit ich es mir schon vor einigen Jahren in weiser Voraussicht geschossen hatte. 

Ich war so aufgeregt wie immer, wenn ich mir halbwegs sicher war, dass mein ausgeklügelter Plan vielleicht schon in wenigen Minuten aufgehen würde. Und dann kam der Vogel auch schon angerauscht. Diesmal landete er exakt an der richtigen Stelle, doch statt sich bei den Mehlwürmern zu bedienen, kam er jetzt auf mich zugelaufen, fast gerannt. Er kam immer näher heran, am Ende so nah, dass ich im Sucher nur noch das wackelnde Hinterteil des Vogels schemenhaft erkennen konnte. Dieses Auf-und-ab-Wippen, das ja auch einige Verwandte des Waldwasserläufers zeigen, ist ein echter Gradmesser für den Gemütszustand eines solchen Vogels. 

Der Waldwasserläufer war genauso aufgeregt wie ich.

Kinners, ich wagte kaum mehr zu atmen. Ich wusste, in einem so frühen Stadium des Kennenlernens konnte eine falsche Bewegung oder das leiseste Geräusch alles vermasseln. Es sollte aber schließlich doch gut ausgehen, und der Waldwasserläufer entfernte sich wieder vom Versteck. Warum er sich ihm bis auf wenige Zentimeter genähert hatte, kann ich nicht beantworten. Ähnliches hatte ich aber schon bei anderen Vögeln beobachtet. Möglicherweise ist dann einfach nur Neugierde im Spiel.

Als der Waldwasserläufer endlich zu essen begann, füllten sich meine Lungen wieder mit Sauerstoff. Puh, so dachte ich, das war knapp. Jetzt war da nur noch eine letzte Hürde, die es geschickt zu überspringen galt. Wie würde der Waldwasserläufer auf das erste Klicken der nahen Kamera reagieren? Dieses erste Auslösen von Verschluss und vor allem Spiegel konnte einen Vogel nämlich locker erschrecken und so in die Flucht schlagen.  

Auch das hatte ich schon mehrere Male erlebt!

Doch alles ging gut aus, der Waldwasserläufer machte nur einen langen Hals.

Jetzt schoss ich wild drauflos. 

Das Resultat sieht so aus:



Green Sandpiper in da winter wonderland

Und so hatte ich den Vogel vor dem Errichten meines Versteckes abgelichtet (Suchbild):

the same bird photographed without the support of my hide – note the difference

Das ist schon ein Unterschied, oder?

Am 25. November 2023, also noch im alten Jahr, beobachtete ich das interessante Verhalten einer klugen Lachmöwe im Hafen von Norddeich:

last November this smart adult Black-headed Gull joined a flock of Ruddy Turnstones in the harbour of Norddeich. While the Turnstones were looking for Earthworms, the gull kept an eye on the waders themselves. When one of the Turnstones succeeded, the gull instantly attacked him and robbed the worm in an act called kleptoparasitism. I watched it a couple of times and it really worked well

Sie hielt sich immer eng an einen Trupp Steinwälzer, behielt jeden der Vögel genau im Auge. 

Und immer dann, wenn einer der Steinwälzer einen Regenwurm erbeutete, wurde er auf der Stelle von der Lachmöwe attackiert und um seinen Fang beraubt. Das nennt man Kleptoparasitismus. Mehere Male kam es zu einem regelrechten Tauziehen der Kontrahenten, und ich fragte mich dann immer, wie es wohl wäre, wenn Regenwürmer schreien könnten.

Am 15. Dezember entdeckte ich ganz in der Nähe des Campingplatzes an der Knock und während der Fahrt einen Sperber, der sich in der Nachmittagssonne aalte:


sunbathing Sparrowhawk

Aus großer Distanz schoss ich einige Bilder, um dann den Motor erneut zu starten und einige Meter näher an den Vogel heranzufahren. 

Dieser Vorgang wiederholte sich genau so oft, bis ich schließlich verstand, dieser Sperber besitzt überhaupt kein Fluchtverhalten. 

Am Ende war ich nur noch etwa sechs Meter von ihm entfernt:



this specimen was unusually confiding and did not show any signs of fear

Ich hätte bestimmt noch näher heranfahren können, doch dann hätte der Vogel nicht mehr ganz aufs Bild gepasst.

Es war wirklich unglaublich, aber der Sperber sonnte sich einfach weiter.

Irgendwann begann er sich zu putzen, in aller Ruhe:


preening


small passerine's nightmare

Doch dann brach plötzlich die doofe Sonne durch und sorgte für noch blöderen Schlagschatten:





unfortunately the sun broke through and produced ugly shadows

Der Vogel musste zuvor gebadet haben, was man an den noch nassen Federn am Steiß erkennen kann. 

Zwischendurch wurde auch immer mal wieder geguckt, was es so zu gucken gab:


what's up?

Nach hinten, aber auch nach unten:


same 

Und irgendwann verschwand die Sonne auch wieder hinter einer Wolke:




same

Kristallklare Wintersonne sieht in Sachen Fotografie immer scheiße aus, aber in der Mittagszeit konnten auch die Wolken leider nicht für wirklich schönes Licht sorgen. 

Schade, dass ich diesem Sperber nicht am frühen Morgen begegnet bin.  

Der machte sich nach einer guten halben Stunde aus dem Staub, flog die Hecke ein Stück entlang, um schließlich in einem rechten Winkel in sie einzubiegen und so, wie es sich für diese Art gehört, meinen neugierigen Blicken zu entziehen.

Eine Begegnung, wie ich sie wirklich immer hasse, folgte genau eine Woche später:



these people I really don't like were checking for Red Fox's den

Diese Naturschützer hatten es in der Leybucht auf den Fuchs abgesehen.

Mit einigen Autos kamen sie angefahren, um an Orten, die ihnen wahrscheinlich schon lange bekannt waren, jeweils einen Stopp einzulegen und einen Dackel in diverse Fuchsbaue zu schicken. In diesem Fall ging das Ganze aber nach hinten los, denn der Hund kam nicht wieder heraus. 

Ein Spaten war schnell zur Hand, doch wie die Gechichte ausgegangen ist, kann ich nicht schreiben, weil ich einfach keine Lust mehr verspürte, das armselige Treiben aus der Distanz zu verfolgen. Außerdem regnete es, und ich hatte noch einen kilometerlangen Fußmarsch vor mir. Immerhin, ein Schuss ist nicht gefallen. Fuchs und Dackel dürften also mit dem Leben davongekommen sein, wenn ihr versteht, was ich meine. 

Ende Dezember hat es mehr als nur einmal so richtig gestürmt. Und wenn es in Ostfriesland im Winter stürmt, dann kann man grundsätzlich mit dem Auftreten der niedlichen Zwergmöwe rechnen:


heavy storm always delivers Little Gull

Diesen Jungvogel sah ich in der Leybucht.



same

Habt ihr den kleinen Wurm bemerkt, der noch aus dem Schnabel des Vogel heraushängt?

Aber auch in Norddeich flogen einige Individuen dieser so hübschen Möwenart herum:






at Norddeich

Auch im Hafenbecken, wo sich zu dieser Zeit auch ein Seehund blicken ließ, suchte eine Zwergmöwe nach Nahrung:


Little Gull exploring Norddeich harbour

Einer dieser stürmischen Tage war der 25. Dezember:


lonley Mute Swan swimming on the sea

Ein einsamer Höckerschwan wirkte auf dem weiten Ozean etwas verloren. 

Und wie im Falle der Brandenten im letzten Beitrag könnt ihr auch hier im Hintergrund die Norderney-Fähren sehen, die wegen der schweren See mächtig ins Schwitzen gerieten.. 

Am selben Tag stemmte sich ein ebenso einsamer Knutt gegen den beinharten Südwest:


Red Knot

Bei Itzendorf.

Nur drei Tage später, am 28. Dezember, stürmte es schon wieder oder immer noch, wie man an dieser jungen Silbermöwe sehen kann:


Herring Gull on a stormy day

Der Neigungswinkel der Körperachse einer stehenden Seemöve sagt viel über die vorherrschende Windstärke aus. 

Das weiß nur noch keiner. 

In diesem Fall waren es sage und schreibe acht Beaufort! Bei neun berührt der Schnabel des Vogels den Boden und bei zehn muss er sich in den Sand setzen, wenn er nicht weggepustet werden will.

Am letzten Tag des Jahres 2023 flitzten etliche Schneeammern über den nach dem Ablaufen des Wassers frei gefallenen Wattboden bei Hamswehrum: 



Snow Bunting

Und am selben Tag entdeckte ich die für mich erst zweite Spornammer dieses Winterhalbjahres:


record shot of my second Lapland Longspur this winter – a male, that is not easy to spot on this photograph

Und zwar in den angrenzenden Salzwiesen, nur wenige Meter von den Schneeammern entfernt, vergesellschaftet war sie aber, wie so oft, mit Strandpiepern und Ohrenlerchen

Ich weiß nicht einmal, ob ich diese beiden nordischen Ammern überhaupt schon einmal zusammen beobachtet habe. Ich glaube aber, das ist noch nie der Fall gewesen.  

Habt ihr so etwas schon einmal gesehen:


a prank 

Zunächst hielt ich es für ein Versehen.

Vielleicht hatte man da nicht so richtig aufgepasst beim Montieren und Aufstellen, doch es war nicht das einzige Schild in der Krummhörn, das von einem Tag auf den anderen auf dem Kopf stand, wie ihr sehen könnt:


many city limit signs are now shown upside down. There must have been more than a single jester who planned and organized this action that happened at night

Gleich in mehreren Orten war das der Fall.

Da müssen sich ein paar Scherzbolde zusammengetan und diese lustige Aktion im Schutze der Nacht durchgeführt haben. Einer allein hätte das so niemals schaffen können, ohne erwischt zu werden. Ich musste lachen, so etwas ringt mir Respekt ab. Ich meine, auf eine solche Idee muss man ja auch erst einmal kommen.

Egal, jetzt ist es an der Zeit, dass wir uns wieder dem Waldwasserläufer nähern. Nur etwa 400 Meter von ihm entfernt, am Südhang eines längst pensionierten Deiches, suchten am 9. Januar gleich sieben Singdrosseln nach Nahrung.

Fünf davon habe ich auf ein Bild bekommen:



even in winter Song Thrush ist rather common in the western part of Ostfriesland. Seven specimens of which five are shown in the picture I found on 9th January foraging on an old dike. When temperature drops below freezing point, these birds mainly eat land snails, which is unique in European bird life 

In weiten Teilen Deutschlands und dem Anschein nach auch im Rest Ostfrieslands ist diese Art zu dieser Jahreszeit eher selten anzutreffen, vielerorts vielleicht sogar gar nicht. 

In der Krummhörn aber sind winterliche Singdrosselns ein fast schon gewöhnlicher Anblick. In den letzten Jahren ist das immer so gewesen, auch in Emden und dort wiederum ganz besonders auf dem Rysumer Nacken. Wenn die Temperatur unter den Gefrierpunkt sinkt und der steinharte Boden die Suche nach Regenwürmern unmöglich macht, dann steigt diese hübsche Drossel ganz geschwind auf Schnirkelschnecken um, die sie auch noch in der dichtesten Bodenvegetation zielgerichtet aufspürt. Doch wie sie das macht, wird mir immer ein Rätsel bleiben, zumal ich bei meinen vielen Versuchen stets kläglich gescheitert bin. 

Oh, ein Waldwasserläufer:


same specimen

Im Gegensatz zu so vielen anderen Vögeln hatte dieser Zeitgenosse während der Frostphase kein Problem, satt zu werden.

Ich will mich nicht selbst rühmen, aber das lag natürlich an mir.

Und je voller sein Bauch war, desto schwerer wurden ihm die Lider:


tired after a heavy meal

Ich bin so müde:


same

So verdammt müde:


still tired

Nein, so geht das nicht!

Augen also wieder auf:


what's up?

Natürlich schläft so ein Vogel nicht einfach so ein. 

Er ist immer sehr aufmerksam. Und das muss er auch sein, denn jederzeit kann ein Sperber über dem Grabenrand auftauchen, und dann ist es schnell vorbei mit dem lustigen Herumstehen. Wie so ein Vogel seine Batterien wieder auflädt, wenn er nicht einmal richtig abschalten kann – auch das ist mir ein Rätsel. 

Mein Tarnzelt bei Schneefall:


my hide

Vom nahen Deich aus geknipst:


photographed from the opposite direction

Von oben (die kleine und eingeschneite Schlammbank seht ihr oben rechts im Bild):



from above. Note the small mudflat on the upper right 

Von vorne und ganz aus der Nähe:


note the lens few centimeters above water surface

Und schließlich gibt es ein Closeup, weil ich festgestellt habe, dass mein Tarnzelt angstfrei ist und niemals flieht:


close up

Da guckt meine kleine Kinderlinse raus!

Und was ihr hier auch noch sehen könnt, ist, dass das Wasser zurzeit sehr klar ist. 

So trug es sich also zu, ihr Ofenkacheln da draußen.  

Ich hoffe inständig, dass es in diesem Winter noch einmal mindestens eine Woche so richtig kalt wird. Denn ich würde es gerne noch einmal versuchen da am Entwässerungsgraben. Richtig geil fände ich eine Begegnung mit einer Zwergschnepfe oder einer Waldschnepfe, aber auch eine Bekassine würde ich nicht verschmähen. 

Und natürlich würde ich mich auch über einen weiteren oder denselben Waldwasserläufer freuen, womit wir wieder beim Thema sind.

Es kann übrigens nie schaden, mal einen Schluck Grabenwasser zu trinken:




drinking

Und dann kann man sich auch als Waldwasserläufer mal wieder etwas bewegen und die unmittelbare Gegend erkunden:







exploring the ditch

Putzig, der Vogel.

Der nächste auch irgendwie. 

Diese Eisvogel-Dame fing am 18. Januar innerhalb von nur 45 Minuten sieben Neunstachlige Stichlinge sowie fünf Garnelen.  

Ich konnte das vom Wagen aus genau beobachten, fischte der Vogel doch nur etwa 15 Meter von mir entfernt:



female Kingfisher with Shrimp of unknown ID, caught in freshwater close to the dike

Doch wenn die Bestimmung des Eisvogels auch wasserdicht sein mag, die der Garnele muss leider offen bleiben. 

In Deutschland gibt es nur eine echte Süßwassergarnele und zwar Atyaephyra desmarestii. Dieser ursprünglich nur im westlichen Mittelmeergebiet heimische Zehnfußkrebs ist im 20. Jahrhundert nach Nordfrankreich eingeschleppt worden. Von dort aus hat er sich selbständig nach Osten ausgebreitet und über Belgien und die Niederlande auch Deutschland erreicht (Erstnachwies 1932 am Niederrhein). Doch ob diese Art auch in Ostfriesland vorkommt, weiß wahrscheinlich keine Sau. 

Vom semitransparenten Erscheinungsbild her scheint alles zu passen, doch sehen junge Nordseegarnelen auch so aus. Ob die aber auch im reinen Süßwasser (Geschmacksprobe absolviert!) eines Entwässerungsgrabens leben können, darf zumindest angezweifelt werden. Und natürlich stellt sich mir auch die Frage, wie diese Biester dann dort hingelangt sein können, befinden sich doch zwischen dem Fundort und dem Wattenmeer gleich mehrere Siel- und Pumpwerke, die das Wasser eigentlich immer nur in eine Richtung fließen lassen. 

Keine Ahnung. 

Und Frau Eisvogel ließ auch keine wirklich guten Bilder zu, bearbeitete die Garnelen auch gar nicht, sondern schlang sie einfach so runter und das nicht einmal mit dem Kopf voran, wie es bei Fischen ja bekanntlich obligat ist. 

Hier kann man das Opfer immerhin etwas besser erkennen:


another shrimp

Schüttel dein Haar:




Green Sandpiper

Beachtet bitte auch die Schneeflocken auf diesem Foto!

Kuckuck:


same

So müti:



tired one more time

Kinners, das war es auch schon wieder.

Für die kommende Woche, sogar schon ab Sonntag-Nachmittag (also morgen), hat man einen Wetterwechsel prognostiziert. Die kleine Eiszeit ist also leider schon wieder vorbei, was ich sehr, sehr schade finde. Folgende Zutaten hat sich der geile Wettergott für die nächsten Tage ausgedacht und in seine Wundertüte gepackt: Sturm, Regen, mindestens zehn Grad Celsius. 

Und weil ich das schon seit einigen Tagen weiß, bin ich heute (Samstag) schnell noch einmal nach Westermarsch gefahren, um dem Waldwasserläufer ein letztes Mal den Tisch reich zu decken. Und als ich oben am Grabenrand stand und ihm beim Dinieren zusah, da tauchte doch glatt auch wieder der Bisam auf. Ich bekam einen Lachanfall, als ich ihn entdeckte, denn obwohl er gruß- und achtlos an mir vorbeigepaddelt war bei unserer ersten Begegnung, so musste er sich meine mahnenden Worte doch ein wenig zu Herzen genommen haben. 

Denn jetzt trug er einen Neoprenanzug.