Samstag, 29. Juni 2019

Rotschenkel mit Modeschmuck

Wenn ich mich ins Outback aufmache, dann ist meine Erwartungshaltung eigentlich immer sehr hoch.

Oft sogar übersteigert!

Schließlich weiß man ja nie, wem man da draußen begegnet.

Am 21. Juni 2019, also am längsten Tag des Jahres – ja, ihr kleinen Arschkrampen, die Tage werden bereits wieder merklich kürzer – hielt ich mich abends bei herrlichstem Sommerwetter an der Wasserkante südlich vom Diekskiel auf. Seit einigen Jahren wird in diesem Bereich das Deckwerk angehoben und erneuert, um mehr Schutz vor noch höheren Wasserständen zu gewährleisten. Die vielen Steinhaufen und Paletten, die dort herumstehen, werden von einigen in den Salzwiesen brütenden Vogelarten gerne als Ruheplatz und Ausguck genutzt.

Die meiste Kacke findet man jedenfalls immer af dem am höchsten liegenden Stein.

Neben Wiesenpieper, Schafstelze und Austernfischer ist es vor allem der süße Rotschenkel, der hier seinen Blick über die weite Emsmündung schweifen und so auf ganz angenehme Weise den Tag ausklingen lässt.

In den unmittelbar umliegenden Salzwiesen brüten etwa zehn Paare dieses im Binnenland vielerorts bereits ausgestorbenen Wasserläufers, vielleicht sogar mehr. Ein Teil der Vögel sucht immer wieder die Baustelle auf, um sich mit anderen Koloniemitgliedern auszutauschen und ganz angeregt zu unterhalten.

Moin:






cute Redshank with dirty feet

Die so angenehm weichen Flötenrufe des Rotschenkels sind quasi das Gegenstück zu den etwas nervigen und lärmenden des Austernfischers.

Für mich stellen sie quasi die Stimme der Salzwiese dar.

Ich stand also auf dem Deckwerk und sah und knipste so etwas wie eine  Rotschenkel-Betriebsratsversammlung, die in diesem Augenblick auf einigen Paletten mit Pflastersteinen abgehalten wurde:

members of the colony were gathering in the evening

Jeden der Vögel schaute ich mir einzeln an.

Einen Grund dafür gab es eigentlich nicht. Es war jedenfalls nicht etwa so, dass ich nach irgendwelchen Besonderheiten suchte. Umso überraschter war ich aber, als mir einer der Vögel eine Kombination aus verschiedenen Farbringen präsentierte.

Auf dem Bild da oben ist es der zweite von links.

Und so sieht er aus der Nähe aus:

this second specimen is currently breeding in one of my favorite birding areas. This female Redshank has been ringed in Portugal (close to Lisboa) on 15 February 2017 as a winter visitor or just on migration

Derselbe Vogel, aber auf einem anderen Stein stehend:

same

Niedersächsische Rotschenkel ziehen im Herbst wohl grundsätzlich nach Südwesten ab (Quelle: Die Vögel Niedersachsens) und werden dann von Individuen aus dem Norden abgelöst, sodass es den Anschein hat, die Art sei in unseren Breiten ein Standvogel, was aber allenfalls auf einzelne Individuen zutreffen mag.

Jedenfalls fügt sich dieser Ringfund sehr gut ein in das bereits bestehende Bild.

Wo sich mehrere Rotschenkel versammeln, ist es niemals wirklich still. Es wird beinahe in einer Tour gequasselt. Ohne Punkt und Komma. Und immer wieder kommt es zu kleineren Kabbeleien, die aber niemals böse enden und sich meist auf Verfolgungsflüge beschränken.

So oft es unter den Vögeln auch zu Auseinandersetzungen kommen mag, wenn es darauf ankommt, halten sie zusammen wie Pech und Schwefel. Taucht zum Beispiel eine Rohrweihe auf, eine Rabenkrähe, Silbermöwe oder ein Rotfuchs, dann nehmen alle Mitgklieder einer Kolonie das Projekt Feindabwehr gemeinsam in den Handflügel. Und zwar so lange, bis der Eindringling wieder das Weite sucht.

Danach kehren die Vögel einer nach dem anderen zu ihren Ruheplätzen zurück und widmen sich wieder den kleinen intraspezifischen Grabenkämpfen, ohne die sie dem Anschein nach nicht existieren können.

Seht, ein Graustufen-Rotschenkel!

Das Bild zeigt die Reaktion des Vogels auf einen sich annähernden Artgenossen

Es handelt sic hier also um eine Drohgebärde.

Nachdem der Feind das Weite gesucht hatte, war wieder Entspannung angesagt:

Ruhig mal die Augen schließen, ich bin ja da und passe auf:

An diesem Abend war das Licht sehr unangenehm.

Da zeigte sich keine einzige Wolke am azurblauen Himmel. Und so eine Situation mag ich überhaupt nicht! Zu grell, das verfickte Licht, zu kontrastreich die Resultate. Da hilft am Ende nur noch die Umwandlung in so genannte Graustufen.

Schwarzweißfotografie hat nichts gegen hartes Licht, im Gegenteil, sie lebt davon. Hier sind Kontraste nicht nur geduldet, sie sind erwünscht. Und so wird aus einem allenfalls mittelmäßigen Farbbild ein perfektes SW-Foto!

Hinzu kommt, dass ich eine schwere Allergie gegen einen einheitlich grünen Hintergrund habe, den so viele Naturfotografen bevorzugen. Grau dagegen finde ich einfach nur schön.

Ein Wiesenpieper löste den Rotschenkel irgendwann auf seinem Beobachtungsposten ab:




Meadow Pipit

Er putzte sich ausgiebig im Abendlicht:

Zwischendurch muss man aber auch als Wiesenpieper immer wieder sichern:

Und wenn man schließlich auch die letzte Feder in Position gebracht hat, macht das Singen auch wieder viel mehr Spaß:

Der Lebensraum von Wiesenpiper und Rotschenkel an der Wasserkante sieht so aus:

habitat of all birds shown in this blog post

Der zur Hälfte beschattete Steinhaufen links im Bild war der Lieblingsplatz der hier gezeigten Vögel.

Ein bestimmter Rotschenkel aber bevorzugte einen Pfosten als Aussichtsplattform:

Schnell noch ein paar hübsche Rotschenkel kurz vor Sonnenuntergang im Watt bei der Nahrungssuche, die für etwas Farbe sorgen:

foraging 

Und einige Dunkle Wasserläufer, fotografiert am ganz frühen Morgen:

Spotted Redshank

In Gegenlicht der noch nicht aufgegangenen Sonne kamen sie mir noch dunkler vor, als sie es tatsächlich waren. Immerhin trugen alle Vögel das abgetragene Prachtkleid.


So, Kinners, das war es fast schon wieder.

Wäre da nicht noch ein echter Überraschungsgast aufgetaucht, den ich leider nur aus sehr großer Entfernung mit meiner Kamera belegen konnte:

mystery mammal

Wer das ist oder war, werde ich aber erst im nächsten Beitrag verraten...

Kleiner Tipp: Auf dem Bild ist das Hinterteil zu sehen.