Freitag, 31. Januar 2020

Bergpieper (Teil 5)

Moin Kinners,

heute gibt es mal wieder Bergpieper.

Auf dem Rysumer Nacken überwintern auch jetzt wieder einige Individuen, ohne dass ich genaue Zahlen nennen könnte.

Maximal sah ich dort sieben Vögel gleichzeitig an einer kleinen Pfütze unterhalb einer der beiden E-126.

Das war übrigens schon am 8. November 2019.

Doch im westlichen Ostfriesland kann man den Bergpieper keineswegs nur auf dem Rysumer Nacken antreffen. Im Grunde ist er in kleiner Zahl auf vielen Äckern entlang des Deiches gegenwärtig, so zum Beispiel auch in den Hauener Pütten, wo ich am siebten Dezember 2019 acht Individuen bei der Nahrungssuche beobachten konnte. 

Im Gegensatz zum nahe verwandten Strandpieper meidet der Bergpieper normalerweise Salzwasserhabitate, doch ein widerspenstiges Individuum, das ich leider nicht passabel fotografieren konnte, ignorierte einfach dieses Naturgesetz und hing im November gleich zwei ganze Wochen auf dem Manslagter Nacken unter Strandpiepern ab. Auf dem Deckwerk, direkt an der salzigen Wasserkante.

Ein Bergpieper vom Rysumer Nacken:

Water Pipit – all images show the same specimen

Diesen Vogel fotografierte ich am letzten Samstag.

Es war an diesem Morgen so finster wie in einer hellen Nacht. Gleich ein ganzes Dutzend verschiedener Wolkendecken schwebte da übereinander am grauen Himmel, nur um mir die Tour zu vermasseln. Ich hatte den Vogel nämlich bereits am sonnigen Vortag angefüttert und mich diebisch auf den kommenden Morgen gefreut. 

Die Enttäuschung war groß, denn da hatte ich endlich mal wieder nach langer Durststrecke einen Bergpieper ganz nah vor meinem Versteck stehen, und dann fehlt es einfach an einer der wichtigsten Zutaten für schöne Bilder.  

Am Licht:


Egal.

Es war natürlich trotzdem schön, diesen wunderbaren Gast aus der Nähe zu beobachten, auch wenn er jetzt nicht so furchtbar aktiv war.

Zwischen den Mahlzeiten stand er nämlich einfach nur aufgeplustert herum, bis er irgendwann kackte und erneut Mehlwürmer verschlang.  

Faszinierend an der Tarnzelt-Vogelfotografie ist aus meiner Sicht vor allem, dass die Biester nichts von meiner Anwesenheit mitbekommen und sich entsprechend natürlich verhalten. Schon oft habe ich hier geschrieben, dass ich vor allem Bilder von völlig entspannten Vögeln mag, die, wenn es perfekt läuft, sogar vor dem Tarnzelt einpennen. 

Denn im Grunde stört man als Mensch bereits in dem Augenblick, wenn man seine Wohnung verlässt. Menschen laufen überall herum, nicht selten in großer Zahl und in Begleitung von domestizierten Vierbeinern. Wahrscheinlich gibt es in Ostfriesland keinen Quadratmeter, der nicht mindestens einmal am Tag von Menschen betreten wird.

Und ich will gar nicht wissen, wie viele Vögel ich in meinem Leben bereits aufgescheucht habe. Das dürfte in die Millionen gehen. Und mal ehrlich, dieses ewige Stören und auch Zerstören ist doch ein trauriges Alleinstellunsgmerkmal unserer Spezies! 

Kurioserweise neigen bestimmte Menschen aber trotzdem dazu, den Schwarzen Peter (ist das noch politisch korrekt?) anderen zuzuschieben:


hunters lure carnivores like Red Fox and Raccoon Dog in front of their hide for execution and to protect Hare and Pheasant. Because what Fox and Raccoon Dog don't know: Hare and Pheasant are only hunter's property!

Hier, in einem Gehölz am Rande des Heidelerchen-und-Bergpieper-Ackers, hat ein Lodenträger gleich etliche Kilo Fleisch vor seinem Hochsitz ausgelegt. 

Wahrscheinlich überprüft er jetzt mit der Kamera, wann Fuchs und Marderhund zuschlagen, nur um dann selbst aus dem Hinterhalt zuzuschlagen und auf diese Weise einen vermeintlichen Konkurrenten ums begehrte "Niederwild" auszulöschen. Ja, diese Flintenökologen scheuen weder Kosten noch Mühen, wenn es ums Schießen auf lebende Zielscheiben geht. Genau an diesem Ort hatte ich im Herbst auch schon zwei getötete Nilgänse gefunden. Und wenn die Jäger die Beutegreifer ausgelöscht haben, behaupten sie, es gäbe einen Überschuss bei Feldhase und Fasan, den natürlich nur sie "abschöpfen" müssten. In diesem zusammenhang faseln sie dann was von Nachhaltigkeit und so weiter.

Wer diese billige Strategie nicht durchschaut, dem ist wirklich nicht zu helfen.

Von einem Vogel namens Bergpieper haben diese Feinde der Natur jedenfalls noch nie etwas gehört:


Weil man ihn nicht schießen kann, hat er aus der Sicht eines Jägers keinen Wert.

Der Bergpieper ist eine der wenigen Vogelarten, die den Winter wenigstens zum Teil nördlich ihrer Brutgebiete verbringen.

Ein anderes Beispiel wäre der Silberreiher

Viele Bergpieper ziehen zwar zum Überwintern auf die Iberische Halbinsel, nach Italien oder gar Nordafrika, aber ein beträchtlicher Teil der Individuen macht sich auf nach Norden. Und damit ist jetzt mal nicht die Ostfriesen-Metropole nördlich der Leybucht gemeint. Welchen Vorteil die Vögel daraus ziehen, ausgerechnet bei uns zu überwintern, ist mir schleierhaft, denn so liebliche Winter so ganz ohne Frost, Eis und Schnee hat es hier nicht immer gegeben!

Der Bergpieper ist zumindest im Winter und abseits seines Brutplatzes sehr genügsam. Selbst am Rande einer zugefrorenen Wasserfläche findet er noch ausreichend Nahrung. Wenn man als Mensch so durch die winterliche Landschaft latscht, bekommt man nichts mit vom reichhaltigen Leben auf dem Boden und in dessen unmittelbarer Nähe. Liegt man aber auf einer Isomatte auf einem Acker, sieht man aus geringer Distanz, wer da alles kreucht und fleucht. Es wimmelt geradezu von kleinen Insekten und Spinnen, die natürlich auch bei Frost nicht verschwinden, sondern lediglich regungslos verharren, bis die Temperaturen wieder ansteigen. Gleich mehrere Sackspinnen kletterten z. B. die Wände meines Tarnzeltes hoch, weil weil ich ihnen die Möglichkeit dazu geboten hatte.

In diesem Winter aber muss man sich als Bergpieper keine großen Sorgen machen. Zurzeit liegen die Temperaturen hier in Ostfriesland tagsüber im knappen zweistelligen Bereich!

Da braucht man als Vogel nicht einmal sein flauschiges Gefieder aufzuplustern:



likely Tremella mesenterica

Bei diesem Pilz, der sich mal eben ein leuchtendes Oranje-Trikot übergestreift hatte, handelt es sich vielleicht bis wahrscheinlich um den so genannten Goldgelben Zitterling.

Er wächst am Stamm einer viel zu früh verstorbenen Stieleiche auf dem Rysumer Nacken und leuchtete mir schon aus großer Distanz entgegen.

Kann man ja auch mal knipsen, wenn man sowieso gerade vor Ort ist.


Bergpieper bleiben in der Regel bis Ende März, Anfang April in Ostfriesland, um dann den Heimzug anzutreten, der aus der Sicht eines Ostfriesen eher ein Wegzug ist. 

Als ein Bewohner subalpiner und alpiner Lagen vieler Gebirge Europas muss der Bergpieper um seine Zukunft bangen. Sollten die Temperaturen, bedingt durch den durch uns Menschen ausgelösten Klimawandel, tatsächlich um mehrere Grade ansteigen, kann der Vogel nicht in höhere Lagen ausweichen, weil Gebirge grundsätzlich nicht schnell genug wachsen.

Im Schwarzwald und sicher auch in anderen Gebieten Europas hat sich dieser Trend längst bemerkbar gemacht. Dort steht der Bergpieper als Brutvogel nämlich bereits unmittelbar vor dem Aus.

Das ist kein schönes Ende.

Auch nicht für einen Blogpost.