Dienstag, 11. Mai 2021

Eine besonders hübsche Schafstelze

Heute, Kinners, das kann ich versprechen, wird es garantiert keine Spornammer geben.

Ich erkläre die Saison für diese Art jetzt endgültig für beendet.

Dafür aber zeige ich euch in diesem Beitrag hübsche Bilder von einer Schafstelze, die ganz offensichtlich britische Gene mit sich herumschleppt.

Jau!

Am 24. April hielt ich mich mal wieder in der Nähe "meines" Steinhaufens in den Salzwiesen bei Pilsum auf und beobachtete dort einen weiblichen Steinschmätzer, der nacheinander mehrere Mehlwürmer aß.

In größerer Entfernung bemerkte ich einen Schafstelzen-Mann auf dem Zufahrtsweg der Baustelle, der von links nach rechts stolzierte. Ich hob mein Fernglas an und freute mich, denn der Vogel zeigte weder einen blaugrauen Kopf noch einen weißen Überaugenstreif.

Englische Schafstelze, so dachte ich sofort.

Nach wenigen Sekunden hatte ich die ersten Belegfotos im Kasten, und nur einen kurzen Augenblick später sah ich, dass sich auf dem Scheitel, vor allem im hinteren Bereich, doch ein paar blaugraue Federn befanden.

Egal, so dachte ich, ein Hybrid ist doch auch schon mal was:

presumed male hybrid Motacilla flava flava and M. f. flavissima (so called Channel Wagtail)

Auf den meisten Bildern kann man die kleinen blauen Partien auf dem Scheitel aber gar nicht erkennen, auf anderen dagegen sehr gut.

Zum Beispiel hier:


note the bluish parts in the crown

Der Vogel ist auch in einer anderen Hinsicht ein ganz besonderer, denn er zeigte mir gegenüber von Beginn an so gut wie keine Scheu!

Bis auf drei Meter konnte ich mich ihm eigentlich immer problemlos annähern, wenn ich ruckartige Bewegungen vermied. Allerdings flog er trotzdem meist schon nach wenigen Sekunden auf, doch dazu später mehr.

Ey, was guckst du so über die Schulter?


So oder so, dieser Schafstelzen-Mann ist ein ganz fescher: 








Und damit das auch so bleibt, ist immer mal wieder Gefiederpflege angesagt:




Die britische Unterart der Schafstelze taucht alljährlich auf dem Heimzug auch in Deutschland auf.

Mal in kleiner, mal in etwas größerer Zahl.

Im Bereich des Ärmelkanals grenzt ihr Verbreitungsgebiet an das der mitteleuropäischen und blauköpfigen Schwester an. Wohl vor allem dort kommt es also zu Mischpaaren, die dann ungehemmt Kinder zeugen, die so aussehen können wie der hier vorgestellte Vogel.

Das aber natürlich nur dann, wenn es sich um Männchen handelt.

Schüttel dein Haar:


Bitte einmal umdrehen:


Die Freude über diesen nach wie vor anwesenden Vogel ist bei mir noch nicht verflogen!

Trotzdem ist es natürlich schön, wenn man so ganz nebenbei auch noch andere interessante Arten entdeckt:


record shot of my first ever self-found Glaucous Gull. This 2nd cy bird showed up on 7 may. It rested only for few minutes among other gulls and then departured Northeast

Aus dem fahrenden Auto bemerkte ich am 7. Mai diese Polarmöwe im 2. Kalenderjahr am Westrand des Leyhörn. 

Sie kam aus südlicher Richtung angeflogen und gesellte sich für ein paar Minuten zu einigen Herings- und Silbermöwen, nur um dann wenige Minuten später nach Nordost abzuziehen. Ich versuchte mein Glück noch an der Seeschleuse, doch leider ohne Erfolg.

Kinners, das war eine erschreckend kurze Begegnung mit diesem seltenen Gast.

Eine noch kürzere und wohl auch spektakulärere sollte nur zwei Tage später folgen!

Auf dem inzwischen zu einiger Berühmtheit gelangten Gerstestoppelfed bei Manslagt entdeckte ich am Sonntag (9. Mai) gleich fünf Ohrenlerchen, die vor mir aufflogen und in einiger Entfernung wieder runtergingen. Nie zuvor hatte ich so spät im Jahr noch Ohrenlerchen in Ostfriesland beobachten können. Normalerweise sollten sich diese Biester längst in den Bergen Norwegens oder an einem anderen nordischen Ort befinden. 

Ich beschloss, ihnen vorsichtig zu folgen, um ein paar Belegaufnahmen zu machen.

Doch dazu sollte es erst gar nicht mehr kommen, denn auf halber Strecke flog plötzlich ein richtig dicker Brummer eigentlich stumm, aber trotzdem geräuschvoll vor mir auf! Es mag blöd klingen, aber ich wusste sofort, wen ich da versehentlich aufgescheucht hatte, obwohl es sich hier um eine Vogelart handelte, die mir nie zuvor in meinem Leben begegnet war.

Wirklich jedes Zeichnungsdetail konnte ich aus kürzester Distanz mit bloßem Auge erkennen, die weißen äußeren Steuerfedern ebenso wie die beiden ebenfalls weißen Flügelbinden, die ein schmales dunkles Feld begrenzten. Die Flanken waren kräftig gebändert und der Vogel reichlich plump. Er gab mächtig Gas und düste in Bauchnabelhöhe geradlinig über einen breiten Graben hinweg und auf ein weites Roggenfeld hinaus. 

Mit dem Fernglas schaute ich ihm etwas verträumt hinterher. "Du musst ein Foto machen, Frank", riet mir ganz vorsichtig eine leise Stimme: "Sonst glaubt dir am Ende niemand." "Nein!" meinte eine andere schroff, "dafür ist es zu spät." "Frank, so kenne ich dich gar nicht, hol endlich die Kamera heraus", ertönte wieder die leisere Stimme. "Halt dein Maul, du blöde leise Stimme!" raunte mir die tiefere jetzt ins rechte Ohr: "Erkennst du denn nicht, dass das gar keinen Sinn mehr hat?"

Kein Scherz, diese Gedanken gingen mir in wenigen Sekunden durchs Hirn. 

Es war ein viel zu langes Hin und Her, das mich ausbremste und wirklich aussagekräftige Bilder verhinderte. Nach wie vor verfolgte ich den Vogel gedankenverloren mit meinem Fernglas. Doch plötzlich wischte ich trotz der eigentlich längst aussichtlslosen Situation alle Zweifel beiseite und kramte blitzschnell meine Kamera aus dem Rucksack hervor. Und kurz bevor der Brummer in etwa 300 Metern Entfernung ins Kornfeld fiel, gelangen mir doch tatsächlich noch drei Bilder!

Zwei davon waren allerdings komplett unscharf, eines aber hielt ich zumindest im Feld für ausreichend.

Und zwar das hier:


record shot of my very first Great Snipe, that I had accidently flushed few seconds before – lifer!

Das Roggenfeld war groß, eine Nachsuche hielt ich für sinnfrei. 

Und ich hatte doch auch einen Beleg in der Tasche!

Zu Hause sah ich mir das Foto dann genauer an. Ich fertigte eine Ausschnittvergrößerung an, um nach diagnostischen Merkmalen zu fahnden. Doch auf den ersten Blick konnte ich leider keine entdecken. 

Kinners, ich war so furchtbar enttäuscht:




cropped

Es dauerte eine Weile, bis mir die Augen aufgingen.

Denn tatsächlich verriet das Bild viel mehr, als ich zunächst vermutet hatte!

Da waren zum Beispiel die plumpe Gestalt des Vogels zu sehen und die relativ runde Spitze des linken Flügels, aber vor allem ein helles, auf dem Armflügel diagonal verlaufendes Feld, das nicht etwa dem grellen Morgenlicht geschuldet war. Nein, hier musste es sich um die beiden weißen Flügelbinden handeln, die ich beim Auffliegen des Vogels mit bloßem Auge erkannt hatte und die nun aufgrund der Unschärfe des Fotos zu einer hellen Fläche verschwammen. Dass auf dem Bild darüber hinaus kein weißer Flügelhinterrand erkennbar war, rundete das Ergebnis ab.

Geil, mein Beleg war wasserdicht!

Trotzdem war ich nicht zufrieden. 

Bis auf drei Meter hatte der Vogel mich herankommen lassen. 

Drei Meter

Hätte er sich zuvor nur ein kleines bisschen bewegt, nur mit einem Auge gezwinkert oder so, dann wäre er mir sofort aufgefallen, weil meine Augen auf Bewegungen trainiert sind. Ich hätte mich reflexartig auf den Boden geworfen und meine Kamera ausgepackt. Oh Mann, es ist kaum zu fassen, aber mit nur etwas mehr Glück hätte ich eine Doppelschnepfe in Ostfriesland fotografieren können!

Ja, Kinners, genau so verlief die Begegnung mit der ersten Doppelschnepfe meines Lebens. 

Ein lupenreiner Lifer! 

Und eine einmalige Chance. 

Ich habe sie vertan und bin nach wie vor etwas traurig. Aber auch wütend! Denn diese verfickten Vögel machen das absichtlich. Sie ducken sich und lassen einen ganz nah herankommen, nur um dann im richtigen Augenblick den Abflug zu machen. Sie machen das vorsätzlich und wollen einen zur Weißglut bringen. Sie wollen, dass das Negative einer solch becheuerten Beobachtung überwiegt, damit man sich nicht wirklich über sie freuen kann. Man kennt das ja auch schon von der armseligen Bekassine oder der blöden Waldschnepfe.  

Und ich habe das hier doch auch schon des Öfteren im Kontext mit den beiden letztgenannten Arten geschrieben.

Inzwischen sind zwei Tage vergangen. Mein kleines Herz schlägt Gott sei Dank wieder im richtigen Rhythmus. Mit Spätfolgen sei jedenfalls nicht zu rechnen, meinte mein Hausarzt lapidar. Er mahnte aber auch: "Herr Sudendey, vielleicht sollten Sie sich mal ein anderes, weniger aufregendes Hobby suchen." Dann, nach einer kurzen Kunstpause: "Wie wäre es denn mit einer Modelleisenbahn?"

Bleibt noch eine Frage: Warum wusste ich sofort, wen ich da entdeckt hatte?

Ganz einfach: Ich kannte die Merkmale, weil ich zuvor schon viele Bilder von der Doppelschnepfe gesehen hatte. Und auch ihr typisches Verhalten nach dem Aufscheuchen unterscheidet sie sofort von der Bekassine, so wie das Verhalten der Bekassine diese von der Zwergschnepfe trennt. 

Neben den erkannten Gefiedermerkmalen ist das burrende Geräusch, das durch den schnellen Flügelschlag entsteht, unter heimischen Schnepfen einzigartig. Ebenso der niedrige Flug – eine Bekassine himmelt in der Regel sofort –, der laut Literatur selten weiter führen soll als hundert Meter. Okay, meine Doppelschnepfe hat eine deutlich größere Strecke zurückgelegt, aber das ist nicht weiter schlimm. Schließlich gibt es auch Bekassinen, die nach nur wenigen Metern wieder landen. 

Am späten Abend suchte ich das Roggenfeld noch einmal auf. Ich postierte mich in jenem Bereich, in dem der Vogel am Morgen gelandet war. Ich rechnete erst gar nicht mit einer Sichtung. Stattdessen lauschte ich aufmerksam, denn männliche Doppelschnepfen lassen mitunter auch schon während des Heimzuges ihren einzigartigen Gesang erklingen. 

Bis halb zehn blieb ich wie angewurzelt stehen, doch eine singende Doppelschnepfe blieb mir leider verwehrt. Vielleicht hat es sich bei diesem Vogel ja auch um eine Dame gehandelt. Und Doppelschnepfen-Damen singen nun mal nicht.

Polarmöwe und Doppelschnepfe lassen sich alljährlich in Deutschland blicken, allerdings in nur sehr geringer Zahl und meist zu unterschiedlichen Jahreszeiten. Die wohl ausschließlich im Norden Kanadas und auf Grönland brütende Polarmöwe ist in der Regel ein Vogel des Winterhalbjahres, während man die Doppelschnepfe auf dem Heimzug in den Monaten April und Mai sowie auf dem Wegzug von August bis Oktober beobachten kann. 

Aber nur mit sehr viel Glück!

Im Falle der Doppelschnepfe kann man wohl auch davon ausgehen, dass sie aufgrund ihrer Heimlichkeit und der Verwechslungsgefahr mit der viel häufigeren Bekassine oft übersehen wird. Während sie heute bundesweit nur noch als seltener Durchzügler in Erscheinung tritt, war sie in früherer Zeit auch ein Brutvogel Deutschlands. So konnte die Doppelschnepfe in Niedersachsen letztmalig 1926 im Emsland brütend nachgewiesen werden. Verlässliche Angaben aus anderen Bundesländern liegen mir nicht vor.

Entwässerungsmaßnahmen sowie ganz allgemein die nach wie vor unaufhaltsam voranschreitende Zerstörung von naturnahen Lebensräumen haben die Doppelschnepfe, wie so viele andere Arten auch, aus unserem Land vertrieben. Um die auf so kleiner Fläche lebenden 83 Millionen Menschen satt zu bekommen, muss halt jeder Quadratmeter intensiv genutzt werden. 

Da bleibt die Natur auf der Strecke. 

Das heutige Brutareal der Doppelschnepfe reicht von Fennoskandien und Osteuropa im Westen bis nach Mittelsibirien im Osten. Schon im Osten Polens oder in Weißrussland ist die Welt für diese Art auch heute noch eine heile, wie man in diesem schönen Video von Dmitry Yakubovich eindrucksvoll sehen kann: klick!

Ein weiteres tolles Video mit balzenden Doppelschnepfen gibt es aus Schweden oder Norwegen: klick!

Hoffen wir, dass diese interessante und hübsche Vogelart wenigstens dort überleben wird.

Ebenfalls in geringer Zahl kann man die Englische Schafstelze in Deutschland beobachten, wenn auch insgesamt deutlich häufiger als die beiden anderen Arten. 

Moin:













Schüttel doch bitte noch einmal dein Haar:


Danke!


Und jetzt bitte gähnen:


Bravo:


Wenn wir Menschen gähnen, reißen wir das Maul bis zum Anschlag auf und das gleich für eine gefühlte halbe Stunde. 

Vögel begnügen sich mit einer Dreiviertelsekunde, dann wird der Schnabel schon wieder geschlossen. Wirkt auf mich viel ästhetischer, wenn ich ehrlich sein soll. Und weil das Ganze so schnell über die Bühne geht, brauchen sich Vögel auch keine Hand vor den Mund zu halten.

Kurz vor Sonnenaufgang "aufgebaumt":


Wie ich bereits schrieb, zeigt diese Schafstelze mir gegenüber so gut wie keine Scheu. 

Trotzdem bleibt sie grundsätzlich nie lange auf derselben Warte stehen. Der Grund dafür sind die drei Männchen, deren Reviere an das dieses Schafstelzen-Mannes angrenzen. Ständig kommt es zum Überschreiten irgendwelcher unsichtbaren Linien, und sofort wird die Attacke gestartet.

"Mein" Schafstelzerich muss auch immer seine Angebetete im Auge behalten, denn obwohl alle Männchen verpaart zu sein scheinen, kommt es des Öfteren zu aggressiven Abwerbeversuchen. Im Schafstelzen-Revier ist also wirklich immer was los. Und es ist lustig, die Vögel bei ihrem Tun zu beobachten.

So sieht es vor Ort aus (Pop Art):


habitat (salt meadows)

Und das hier ist die Frau an seiner Seite:



his wife for one summer

Und sie baut auch schon ein hübsches Nest für den Nachwuchs:


Und dieser Nachwuchs wird dann sehr wahrscheinlich aus Viertelbriten bestehen.

Diese beiden Gesellen werden wohl niemals für Nachwuchs sorgen:


Red-eared Slider

Im letzten Bericht hatte ich euch nur das hintere Tier vorgestellt.

Das liegt daran, dass das vordere sehr scheu ist. Jedes Mal, wenn ein Spaziergänger vorbeigeht, taucht es sofort ab. Und auch dann, wenn ich meinen Wagen am Straßenrand stoppe, bleiben mir nur wenige Sekunden für passable Bilder.

Das sieht dann so aus:



Da ging es schon wieder im Rückwärtsgang zurück ins Wasser:


Servus:


Huhu:



Ich werde dieses Schafstelzen-Paar auch in den folgenden Wochen im Auge behalten.

Mal schauen, wie sich die kleine Familie so entwickelt:



Bis zum nächsten Mal, du hübscher Kerl:


Eingangs war die Rede von einem Steinschmätzer-Weibchen.

Auch diesen Vogel konnte ich in Bildern festhalten. 

Und zwar am nächsten Morgen: 



female Northern Wheatear

Süß, oder?


Und mal ehrlich, wäre dieser Vogel nicht vor meinem Versteck aufgetaucht, dann hätte ich mich locker mit dem Ausblick zu meiner Rechten begnügt:


nice morning before sunrise

Neben den Gebüschen vom Diekskiel kann man ganz links die weit entfernten Gebäude der Seeschleuse "Leysiel" erkennen. 

Das ist der Ort, an dem mir mal eine prächtige Weißflügel-Seeschwalbe vor die Linse geflattert ist.

Jahre ist's her.