Im letzten Bericht, das werdet ihr sofort bemerkt haben, hatte ich ein wenig geflunkert.
Doch dazu später mehr.
Heute gibt es nach sehr langer Durststrecke endlich mal wieder ein paar Bilder.
Der Herbst 2021, also die Wegzugperiode dieses Jahres, dürfte die mit Abstand langweiligste der kompletten Erdgeschichte gewesen sein.
Ich selbst bin nahezu leer ausgegangen.
Nur zwei Gelbbrauen-Laubsänger konnte ich finden. Und sonst fast nichts.
In den Niederlanden wurde neben vielen anderen interessanten Arten ein zunächst sehr schlapp wirkender, sich dann aber doch noch aufrappelnder Rennvogel entdeckt, der erste seit knapp vierzig Jahren für das kleine Königreich, und im großen Königreich, das sich über eine große und ganz viele kleine Inseln erstreckt, hat ein aufmerksamer Beobachter die dritte Halsbanddrossel für die gesamte Westpaläarktis herausgekitzelt.
Und zwar auf einer der Orkney-Inseln (Papa Westray) und dort in einem Hausgarten. Später sollte sich herausstellen, dass sich dieser Vogel bereits einige Tage dort aufgehalten hatte. Die Hausbesitzer kannten die Art aber gar nicht und hatten der Drossel vor ihrer Enttarnung durch einen "echten" Beoachter auch keine besondere Bedeutung beigemessen.
Lustig!
Der Vogel des Herbstes für unsere geile Republik dürfte ein auf Helgoland entdeckter Rotaugenvireo gewesen sein, der zweite für die Insel und auch für Deutschland.
Ich kann leider nicht mit solch spektakulären Arten aufwarten:
male Firecrest
Immerhin sah ich am 29. Oktober einen Sommergoldhahn am Diekskiel.
Okay, war ein Scherz.
Eine knappe Woche zuvor hatte ich aber wirklich richtig Glück gehabt, denn auf dem Rysumer Nacken war an diesem Tag die Hölle los. Nicht etwa in den vielen Büschen, sondern am blauen Himmel. Es waren in den Morgenstunden neben zahlreichen Buch- und Bergfinken vor allem unglaublich viele Rotdrosseln unterwegs!
Ein echter Massenzugtag, wie man ihn selbst an diesem exponierten Ort kaum einmal in dieser Intensität erleben kann. Leider lassen sich riesige Schwärme nur schlecht in Bildern festhalten. Man kann mir aber nicht vorwerfen, ich hätte es nicht wenigstens versucht.
Ein erstes Foto:
on 24th of October tons of Redwings were migrating South, never before I had seen so many specimens on one single day!
Ein zweites Bild, diesmal mit mindestens einer erkennbaren Wacholderdrossel:
with one single Fieldfare
Ich kam aus dem Staunen nicht heraus, weil das Zuggeschehen einfach nicht abreißen wollte.
Ein Trupp nach dem anderen zog über mich hinweg oder an mir vorüber. Ich gebe zu, ich tue mich schwer, solche Vogelmasssen zahlenmäßig exakt einzuschätzen, und doch bin ich mir sicher, es waren an diesem denkwürdigen Tag mindestens 15.000 Individuen.
Ein Traum, so furchtbar schön und aufregend!
Ich glaube, so viele Rotdrosseln hatte ich in meinem ganzen Leben zuvor nicht einmal insgesamt beobachtet. Es war schier unglaublich. Und weil es so unglaublich war, musste ich zu Hause sofort recherchieren.
Für den Rysumer Nacken liegen natürlich kaum Vergleichswerte vor, was mich aber nicht erstaunte, weil dort außer mir selbst so gut wie keine Sau guckt. Eine sehr gute Referenz ist in solchen Fällen immer die Helgoland-Avifauna. Zwar lassen sich nicht alle Beobachtungen eins zu eins von der Insel aufs Festland übertragen – dies gilt vor allem für Raritäten –, aber die Phänologien sowie auch Zahlen bei häufigeren Arten stimmen oft ganz passabel überein.
Und so nahm ich den fetten Schinken schnell zur Hand, weil ich herausfinden wollte, ob auf dem roten Felsen überhaupt jemals so viele Rotdrosseln an nur einem Tag beobachtet worden waren, wie ich sie an diesem Morgen an der Emsmündung gesehen hatte. Ich meine, Selbstzweifel sind mir nicht wirlich fremd. Diesmal aber waren sie nicht angebracht, denn tatsächlich hat es auf der Insel sogar schon viel spektakulärere Zugtage gegeben in Bezug auf diese spezielle Art mit bis zu 40.000 Individuen (z. B. im Oktober 2007)!
Noch ein Bild mit wahrscheinlich derselben Wacholderdrossel:
same
Und schließlich sah ich auf der OAG-Homepage, dass auf Helgoland an den Tagen zuvor "sehr viele" Rotdrosseln beobachtet worden waren.
Und wenn man dort schon extra darauf hinweist, dann müssen es wirklich sehr viele Vögel gewesen sein.
"Nahaufnahme":
Redwing
Und noch ein weiteres Schwarmfoto, diesmal wieder ohne Wacholderdrossel:
Am frühen Morgen war die Geschichte losgegangen und gegen Mittag noch nicht beendet, wenngleich sich die Zahlen der minütlich durchziehenden Individuen im Verlauf der Stunden verringert hatte.
Trotz der vielen Menschen, die mit und ohne Hund im Gebiet unterwegs waren, sollte ich der Einzige bleiben, der vom spektakulären Naturschauspiel etwas mitbekam.
Na ja, so wie immer halt.
Ein Sanderling:
Sanderling
Es war der erste Sanderling meines Lebens, der einen Metallring trug:
with ring
Leider konnte ich den Code nicht ablesen, weil es am Strand nur so von Menschen und frei laufenden Hunden wimmelte.
Auch dem Vogel wurde es rasch zu bunt. Nach nur wenigen Minuten Aufenthalt machte er sich wieder aus dem Staub.
Ein drittes Bild kann ich aber noch schnell in die Waagschale schmeißen:
Durchziehende Stare:
migrating Starling
Vor allem im Herbst kann man die seltsamen "Höhenflüge" der Bartmeise beobachten:
Bearded Reedling
Es sind immer die einzigartigen Rufe, die einen Richtung Himmel schauen lassen, doch oft gelingt es mir nicht, die kleinen Vögel dort auch ausfindig zu machen, weil sie wirklich große Höhen erreichen, nur um sich dann doch wieder in die Tiefe zu stürzen und im Schilf zu verschwinden, bevor sie meist nur wenige Minuten später abermals abheben.
Bis heute weiß man nicht, warum Bartmeisen zu solchen Höhenflügen ansetzen.
Glaube ich zumindest.
Am 17. Oktober hörte ich endlich mal wieder die so schön klingenden Rufe eines Kolkraben auf dem Rysumer Nacken. Der Vogel wurde von einem Trupp Dohlen eskortiert, der den größeren Cousin aber nicht ein einziges Mal attackierte. Eher schien es mir so, dass er ihn sicher durchs gefährliche Gebiet geleitete (viele Jäger, die mit so großen schwarzen Vögeln nichts anzufangen wissen).
Aber seht doch selbst:
Raven, joined by Jackdaw
"Rrrru, rrru, rrru", rief mir der Kolkrabe zu, und ich hob die Hand und grüßte artig zurück.
same
Wenn im November der stürmische Wind aus westlichen Richtungen pustet, dann zieht es mich immer zum Wasser.
Besonders interessant ist hier der Abschnitt zwischen der Westdeichecke und Hamswehrum, also dort, wo es so genanntes Deichvorland gibt. Im Grunde rechne ich unter solchen Bedingungen immer mit einem Thorshuhn, doch klappen will das keineswegs immer.
Am 7. November war es endlich mal wieder so weit. Der Wind gab alles, und die Salzwiesen tauchten ab. Es war nicht die erste Sturmflut der Saison, und trotzdem waren da noch etliche Kleinsäuger unterwegs, die bei steigendem Pegel um ihr Leben schwammen. Nur wenige hatten Glück und kamen mit selbigem davon. Die Masse wurde aufgegessen von unzähligen Lach-, Sturm- und Silbermöwen. Wer es trotz der aufmerksam über dem Wasser patrouillierenden Vögel bis zum Deich schaffte, stand dort mindestens einem Turmfalken gegenüber wie einst David Goliath.
An solchen Tagen finde ich eigentlich immer mindestens eine Zwergmöwe:
on days with strong westerlies in late fall or winter Little Gull is already expected
Die Zwergmöwe ist so klein und niedlich, dass sie sich auf einem so großen Bild schnell verliert.
Ihr müsst also genauer hinsehen.
Das rasant auflaufende Wasser hat auch zwei Sumpfohreulen aufgescheucht, die auf einmal nicht mehr so recht wussten, wohin sie fliegen sollten:
perfectly camouflaged Short-eared Owl
Diese hier fand noch ein passendes Versteck zwischen den Überresten der Strandaster, mit deren trockenen Stängeln sie perfekt verschwamm.
Doch auch hier konnte sich der hübsche Vogel nicht lange ausruhen, denn das Wasser stieg einfach immer weiter.
Wie rücksichtslos!
Ansonsten ging ich leer aus an diesem Tag, kein Thorshuhn für mich.
Das folgte erst einige Tage später, nämlich am 10. November und in einem unerfreulichen Zustand:
this young Red Phalarope did unfortunately not survive the storm
Sehr wahrscheinlich war der arme Vogel bereits am Tag des Sturmes in Ostfriesland angekommen.
Und sehr wahrscheinlich hatte er daraufhin noch zwei bis zweieinhalb Tage gelebt. Es war mein viertes Thorshühnchen hier in Ostfriesland, und alle Individuen habe ich zwischen Hamswehrum und der Westdeichecke gefunden, einmal sogar zwei innerhalb von nur einer Woche, die leider von einer bedeutenden Kommission zu einem einzelnen Vogel zusammengefügt wurden.
Herbst:
these two Red-eared Sliders enjoyed the sun at the very end of October
Am 31. Oktober, bei herrlichstem Sonnenschein, aber recht kühlen Temperaturen, sah ich die beiden mir inzwischen so vertrauten Hamswehrumer Rotwangen-Schmuckschildkröten zum letzten Mal in diesem Jahr.
Ob sie im kommenden Frühjahr wieder auftauchen werden?
Mal schauen.
Am 27. Oktober wurden vier Kuhreiher in der Nähe der Hauener Pütten auf Ornitho gemeldet, ab dem 3. November sogar gleich fünf!
Erst zwei Tage später aber hatte ich endlich die Zeit, um mal nach den Vögeln zu sehen, die zuletzt für eine Fläche ganz in der Nähe des verfickten Pilsumer Leuchtturms gemeldet worden waren und somit für ein Gebiet, das ich eigentlich meide wie angeblich der Teufel das Weihwasser. Es war bedeckt und noch stockfinster, als ich am Parkplatz ankam. Weit und breit konnte ich keine Kuhreiher entdecken, doch nur einen Augenblick später, ich wollte gerade wieder losfahren, flatterten sie ganz dicht an meinem Wagen vorbei und landeten in nicht allzu großer Entfernung am Rande eines Grabens, wo sie sich erst einmal ausgiebig putzten. Weil es so düster war, gelangen mir nur lausige Belegfotos, doch zu meiner großen Überraschung sollte ich eine zweite Chance bekommen.
Weitere acht Tage später, am 13. November, sah ich die Vögel, die ich zu diesem Zeitpunkt längst vergessen hatte, nämlich ein weiteres Mal! Diesmal standen sie, ebenfalls am ganz frühen Morgen, mitten auf der Straße unweit der Beobachtungshütte und flogen bei meiner Annäherung auf, um am Rande des Leuchtturmparkplatzes wieder runterzugehen. Ich hatte sie zu meinem großen Erstaunen gar nicht gesehen, weil ich auf die große Wasserfläche rechts neben der Straße gestarrt hatte.
Viel bessere Bilder sollten mir aber auch an diesem Tag nicht vergönnnt sein, doch eines dieser Fotos kann ich wohl ohne schlechtes Gewissen zeigen, aufgenommen mit einer sehr langen Verschlusszeit und trotzdem halbwegs scharf.
Seht:
five Cattle Egrets at Pilsumer Lighthouses' parkinag lot!
Beim Anblick der ruhenden Vögel musste ich auf der Stelle lachen, weil es so aussah, als warteten sie auf den Fischimbiss.
Weil der aber zu dieser frühen Stunde nicht auftauchte, flogen die Kuhreiher beleidigt und nach wie vor hungrig ab. Sie steuerten eine Weide an, die von der Straße aus nicht einsehbar ist. Und möglicherweise halten sie sich auch heute noch dort auf...
Ja, der letzte Bericht.
Natürlich war das kompletter Blödsinn, wie ihr sicher sofort bemerkt haben werdet. Denn da tobte gar kein entfesselter Mob vor meiner Haustür, der mir nach meinem Leben trachtete. Tatsächlich war das der Ortsvorsteher samt Gefolge, der meine Tür eingetreten hat. Niemand hatte ihm jemals beigebracht, wie man ein fremdes Haus betritt. Ich meine, das sind echte Eingeborene hier, die noch nie eine Klingel gesehen haben. Umso überraschter war ich schließlich, als mir der Mann statt einer schwingenden Keule eine Urkunde entgegenstreckte!
Ich hasse Urkunden, wie ich auch Pokale hasse. Also lehnte ich ab. Überreichen wollte man mir den blöden Wisch, weil ich das Dorf von dieser ewig mähenden Nervensäge befreit hatte (siehe letzten Bericht). So richtig fassen kann ich diese Begründung bis heute nicht. Ich meine, ALLE Dorfbewohner hier sind echte Nervensägen, die den ganzen Tag mähen, hämmern oder laubpusten und so weiter.
Auch als Fuchs kann man da nur noch mit dem Kopf schütteln:
Red Fox
Das letzte Bild dieses Beitrages entstand im Sommer in der Leybucht, wo ich seinerzeit mit Ex-Nationalparkranger Christoph K. einen ganzen Tag verbracht habe.
Schluss für heute, das Käsebrötchen wartet.