Kinners, bevor wir den 4. Weltkrieg in Angriff nehmen können, müssen wir erst einmal den 3. auf die Reihe bekommen.
Und wenn ich so Richtung Ukraine gucke, dann kann es ja nicht mehr so furchtbar lange dauern.
Wir Menschen sind wirklich etwas ganz Besonderes.
Geradezu einzigartig!
Ich weiß, Kriege hat es immer schon gegeben. Und früher haben sich die Menschen schon wegen weitaus bedeutungsloserer Meinungsverschiedenheiten den Schädel eingehauen. Heute gibt es diplomatische Verbindungen, die nicht selten Schlimmstes verhindern, wenigstens aber hinauszögern.
Doch was vermag Diplomatie noch zu retten, wenn in einem Riesenstaat ein machtgeiler, rücksichts- und empathieloser Gartenzwerg das Sagen hat?
Egal.
Bevor es also mit dem Krieg losgeht, möchte ich schnell noch einen Beitrag ins Netz stellen. Und zwar einen über die Kuhreiher, die ich bereits im letzten Bericht gezeigt hatte und die sich mindestens seit Oktober im Bereich der Hauener Pütten aufhalten oder aufgehalten haben. Das war nach ihrer erstmaligen Sichtung nicht zu erwarten gewesen. Heute, es ist der für viele Menschen so heilige Abend, sah ich nur noch einen dieser Vögel. Und der stand am Morgen im wahrsten Wortsinn im Sterben, konnte sich gerade noch auf den wackligen Beinen halten.
Bei einer weiteren Kontrolle am frühen Nachmittag war der arme Kerl dann tatsächlich tot.
Der Hauptgrund dürfte Nahrungsmangel gewesen sein, denn in den letzten Tagen war es hier frostig, gestern sogar auch tagsüber so kalt, dass sich selbst sämtliche Regenwürmer in tiefere Bodenschichten zurückgezogen haben. Zwar soll einer der Reiher gestern noch Jagdglück gehabt und eine Maus erbeutet haben, doch insgesamt gab es für die Vögel dem Anschein nach nicht mehr genug zu holen.
Ich habe noch versucht, den geschwächten Vogel zu retten und ihm Mehlwürmer in den Schlund geschoben, doch er hat sie alle durch heftiges Kopfschütteln wieder herausgeschleudert. Wenn ich ehrlich sein soll, habe ich ihn sogar mit nach Hause genommen, um ihn vor der nasskalten Witterung zu schützen. Aus Erfahrung war mir aber schnell klar, dass der Vogel den kritischen Punkt bereits überschritten hatte.
Da ging leider nichts mehr.
Also brachte ich ihn zurück und stellte ihn dort hin, wo ich ihn zuvor gefunden hatte. Er tat mir leid, das will ich zugeben, wie er einfach so da stand, regungslos und apathisch. Dieser Kuhreiher hatte in den letzten Tagen offensichtlich deutlich an Gewicht verloren; sein Brustbein stand regelrecht hervor.
Alles in allem ganz bestimmt keine schöne Weihnachtsgeschichte, doch ich will mich bemühen, die hübschen und irgendwie so lustigen Vögel ein letztes Mal von ihrer schönen Seite zu zeigen.
Der Pilsumer Leuchtturm, in dessen Dunstkreis sich die Kuhreiher wochenlang aufgehalten haben, an einem wunderschönen Morgen im Dezember:
Pilsum lighthouse with some kind of geese in the sky
Ein einzelner Kuhreiher auf den Deich des Leyhörn:
five Cattle Egrets of unknown origin have spent several weeks at Pilsum Lighthouse
Gerade am frühen Morgen standen die Kuhreiher oft wie kleine bucklige Geister in der Gegend herum.
Zeitweilig waren die Vögel einzeln oder zu zweit oder zu dritt unterwegs, dann wieder alle zusammen.
Wenn sie sich aufteilten, dann hielten sie sich nicht selten kilometerweit voneinander entfernt auf. Zu Beginn ihres Aufenthaltes suchten sie die Nähe zu Weidevieh, wie es sich für echte Kuhreiher auch gehört. Doch nachdem die Bauern und Schäfer ihre Tiere nach und nach in den Stall verfrachtet hatten, mussten die Kuhreiher ohne vierbeinigen Support auskommen.
Einer der Vögel stand hier zwischen gefährlichen Aggro-Deichschafen:
among sheep
Dieses Bild, das ich in viel geringerer Auflösung auch auf Ornitho hochgeladen hatte, hat mir zu meiner Überraschung einige E-Mails eingebracht.
Man wollte von mir wissen, ob es sich bei dem gezeigten Vogel nicht eher um einen Seidenreiher handele. Also schaute ich genauer hin. Und tatsächlich wirkte der Schnabel plötzlich schlank und schwarz. Ich vergrößerte die Aufnahme, indem ich die Steuerungstaste drückte und gleichzeitig scrollte.
Das sah dann so aus:
looks like a Little Egret on this picture with his slender and black bill ;-)
Die haben alle recht, so dachte ich spaßeshalber.
Spaßeshalber deshalb, weil ich natürlich wusste, dass ich einen Kuhreiher geknipst hatte. Eine Ausschnittvergrößerung aus dem Original bringt es auf den Punkt:
okay, it is a Cattle Egrett
Also doch nur ein optische Täuschung, die der Tatsache geschuldet war, dass das auf Ornitho hochgeladene Bild nur aus vier Pixeln bestand.
Überwinternde Schwarzkehlchen sind alles andere als ungewöhnlich:
Stonechat in winter isn't too unregular
Dieses Männchen sah ich am 10. Dezember bei Pilsum.
Immer seltener sieht man hingegen größere Ansammlungen der Türkentaube:
Collared Dove
Diese ursprünglich in der Türkei heimische Art liebt es dreckig und unordentlich.
Auf dem Balkan z. B. ist sie überall auf den Dörfern eine Massenerscheinung, wie auch der Haussperling. Doch sobald der Mensch anfängt aufzuräumen, macht sie sich rar.
Auf dem Gelände des ehemaligen Klosters Appingen, das längst zu einem fetten landwirtschaftlichen Betrieb mutiert ist, kann man aber auch heute noch größere Ansammlungen beobachten mit zum Teil über 100 Individuen. Der Grund dafür ist das dort vorherrschende Nahrungsangebot in Form von Mais-Silage und anderem Körnerfutter.
Wenn das Frühjahr naht, verteilen sich die Vögel aber wieder auf die umliegenden Dörfer.
So sehen übrigens männliche Amseln in Ostfriesland aus:
male Blackbird
Und somit genauso wie überall in Deutschland.
Diesen Vogel habe ich in der Norder Innenstadt auf der Kirchenmauer stehend fotografiert.
Am 29. November und somit sehr spät im Jahr entdeckte ich auf dem Rysumer Nacken einen Grünschenkel, der sich in Begleitung eines ebenfalls trödelnden Dunklen Wasserläufers befand.
Letzterer ist (sehr wahrscheinlich) längst abgezogen, doch der Grünschenkel treibt sich bis heute an Ort und Stelle herum.
Das folgende Bild zeigt den Vogel am 11. Dezember im Bereich der Strandschutzbuhne, wo sich viele seichte und nahrungsreiche Pfützen befinden, wenn das Wasser nicht zu hoch steht:
late Greenshank on 11 December
Sehr schön, wie hier die Morgensonne einen Grünschenkel-Schatten gegen die Buhnensteine wirft.
Gestern, also satte zwölf Tage später, begegnete ich dem Vogel an exakt demselben Ort, nur bei bedecktem Himmel und Dauerregen:
same bird almost two weeks later
Grünschenkel überwintern normalerweise im Süden, hauptsächlich in Afrika, in geringer Zahl aber wohl auch im Mittelmeerraum.
Dieser Vogel ist der einzige zurzeit auf Ornitho gemeldete Grünschenkel nördlich des Alpenvorlandes und des Bayrischen Waldes!
Am 3. Dezember entdeckte ich bei Visquard aus dem fahrenden Auto heraus eine Rothalsgans:
Red-breasted Goose
Der Jungvogel stand unweit der Straße herum und war mit tausenden Nonnengänsen vergesellschaftet:
well camouflaged among Barnacle Geese
Weil ich so gut wie nie große Gänsetrupps nach Seltenheiten durchmustere, hat es sich hier für mich tatsächlich um die erste Rothalsgans in Ostfriesland gehandelt.
Die Prognose für diese hübsche Wildgans ist mehr als düster. Allein in den ersten zehn Jahren dieses Jahrhunderts hat sich die Zahl der Vögel halbiert auf heute geschätzte 50.000 Individuen.
50.000 Individuen weltweit, so viele Menschen leben allein in Emden!
Die Rothalsgans brütet in der sibirischen Tundra. Früher zog sie von dort aus ans Kaspische Meer, um an dessen Küsten zu überwintern. Weil der Mensch in den fruchtbaren Ebenen den Anbau von Getreide nahezu eingestellt und auf lukrativere Baumwolle umgeschwenkt hat, musste die Rothalsgans ihre Überwinterungsgebiete nach Westen verlagern und deutlich längere Strecken zurücklegen. Heute überwintert sie hauptsächlich an der bulgarischen Schwarzmeerküste, wo ich sie selbst schon mal gesehen habe.
Und obwohl die Weltpopulation nur noch aus etwa 50.000 Individuen besteht, wird die Rothalsgans auch heute noch illegal verfolgt, vor allem im Winterquartier.
Hier gibt es ein trauriges Video dazu: klick!
Den oben gezeigten Vogel sah ich zwei Tage später und etwa einen Kilometer vom Erstentdeckungsort entfernt ein zweites Mal:
same specimen, but two days later
Diesmal in Gesellschaft von nur wenigen Nonnen- und Blässgänsen.
Apropos Jagd:
never ever I will understand, why hunting within a Nationalpark is not prohibited
Ich werde niemals verstehen, warum in einem Nationalpark gejagt werden darf.
Und selbst in der besonders schützenswerten Ruhezone wird rumgeballert, wie man auf dem Bild gut sehen kann. Plausibel erklären kann mir das wahrscheinlich niemand.
In Ostfriesland überwinternde Kuhreiher oder Grünschenkel sind schon sehr ungewöhnlich, eine Rohrweihe im Dezember ist es aber auch:
wintering Marsh Harrier on early morning
Dieser schlecht von mir fotografierte Jungvogel war auch schon von anderen Beobachtern im Bereich der Hauener Pütten gesehen worden, von mir selbst zuletzt vor ein paar Tagen.
Zwei Singschwäne dümpelten am 20. Dezember auf einem der Manslagter Teiche herum:
Whooper Swan
Ein paar Tage später waren es dort bereits vierzehn.
Am 29. November behielt mich dieser Raubwürger auf dem Rysumer Nacken sicherheitshalber im Auge:
Great Grey Shrike was watching me
Wahrscheinlich hat der Vogel sogar ernsthaft in Erwägung gezogen, mich zu erbeuten.
Raubwürger-Gedanken: Wenn ich den Sudendey erwische, dann habe ich ausgesorgt. Ein Leben lang. 120 Kilo sind das bestimmt (ich weiß es nicht, ich kenne keine Waage [Red.]). Nicht mehr so ganz taufrisch, das Fleisch, aber im Winter sollte man nicht zu wählerisch sein. Aber wie, bitte schön, soll ich den Fettsack wegschleppen? Wer hilft mir dabei?
Und ein brauchbares Fernglas hat er auch, ich könnte die Mäuse noch besser entdecken und beobachten. Dazu eine Kamera. Ich hätte die Möglichkeit, meine grausigen Taten zu fotografieren und ins Netz zu stellen. Nein, der Raubwürger schüttelte plötzlich angewidert und erschrocken über seine eigenen Gedanken den Kopf, ich bin ja kein Mensch.
Singschwan und Raubwürger sind übrigens reguläre Wintergäste in Ostfriesland, wenn auch immer in geringer Zahl.
Dasselbe gilt auch für den Waldwasserläufer:
Green Sandpiper, which is never green
Gleich drei Individuen sah ich bei einem kurzen Zwischenstopp an der Thülsfelder Talsperre auf meinem Weg nach Wallenhorst-Hollage Mitte Dezember.
Und auch der gute alte Kranich hat keine Lust mehr, nach Spanien zu wandern:
this Crane family spends the winter in Ostfriesland
Diese Familie, bestehend aus Vater, Mutter und Einzelkind, sah ich am 10. Dezember in einem Moor bei Aurich.
Bevor ich ein letztes Mal auf den Kuhreiher zu schreiben komme, gibt es noch schnell zwei Bilder, die die Morgenstimmung im Leyhörn illustrieren sollen:
early morning at so called Leyhörn
same
Als Kuhreiher isst man alles, was man überwältigen kann.
Doch vor allem sind es Insekten, denen man nachstellt. Die gibt es im Dezember aber nicht mehr in ausreichender Menge, sodass die fünf Vögel vom Leuchtturm vor allem Regenwürmer erbeuteten.
Wenn es dann auch noch friert, versiegt schließlich auch diese Nahrungsquelle. Mäuse sind beim Kuhreiher – anders als bei Silber- und Graureiher, die den Kleinsäugern gezielt auflauern – eher so etwas wie ein zufälliger Beifang.
Hier war die Welt noch in Ordnung:
Cattle Egret in his natural habitat
Zwar entstand auch dieses Bild im Dezember, doch an diesem Tag war es schön mild, und es gab für die weißen Vögel noch genug zu essen.
Hier genauso:
Auch dieser Kuhreiher am Diekskiel war zum Zeitpunkt der Aufnahme putzmunter:
very close
Und das Bild ist erst zwei Tage alt.
Auch dieses, das denselben Vogel zeigt, wie er etwas verträumt über die Deichkuppe hinweg in die Ferne blickte:
same
Kuhreiher im Winter!
Das ist schon sehr schräg, aber keineswegs einzigartig.
An dieser Vogelart, die im Mittelmeerraum sehr häufig ist und die, ausgehend von Afrika, sowohl Süd- als auch Nordamerika innerhalb weniger Jahrzehnte erobert hat, scheiden sich die Geister. Viele Vogelgucker meinen, es handele sich bei in Deutschland auftauchenden Individuen mehr oder weniger ausschließlich um Gefangenschaftsflüchtlinge.
Dass Kuhreiher aus Haltungen entkommen können, ist tatsächlich nicht abwegig, soll es doch gleich in mehreren deutschen Zoos Kolonien geben, deren Vögel frei herumfliegen dürfen. Trotzdem bin ich fest davon überzeugt, dass die meisten bei uns auftretenden Individuen wilde sind.
Und in diesem Winter hat es neben den Kuhreihern in der Krummhörn auch noch welche im Raum Cuxhaven und auch bei Oldenburg gegeben, weitere im Süden der Republik. Alle Vögel waren unberingt. Letztendlich bleibt es aber jedem selbst überlassen, wie er solche winterlichen Beobachtungen einordnet.
Und das gilt auch für euch.
Barnacle Goose
Ich weiß nicht, ob sich auch jetzt noch Kuhreiher im Dunstkreis des Leuchtturms aufhalten.
Irgendwann wird das aber nicht mehr der Fall sein. Dann wird wieder alles so sein wie immer im Winter.
So wie auf dem letzten Bild dieses Beitrages, das äsende Nonnengänse zeigt.
Im Schatten des Pilsumer Leuchtturms.