wilde perspektiven

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Mittwoch, 15. August 2012

Taunus und Nahe

Die  hier gezeigten Bilder entstammen ZWEI dicht aufeinander folgenden Reisen, die mich 2010 in den Südwesten Deutschlands geführt haben. Ich habe beide Reiseberichte für diese Seite aufbereitet und einfach verquirlt, weil sie eigentlich eine Einheit bilden (gekennzeichnet als Teile 1 und 2).

Teil 1 (08.05. - 15.05.2010):
Schon als kleiner Junge las ich das erste Mal von einem Vorkommen der Äskulapnatter in und um Schlangenbad/Taunus, das schon zur damaligen Zeit sehr berühmt war. Im Mai 2010, also ganz, ganz viele Jahre später, war diese wunderschöne Schlangenart der Grund für meinen etwa einwöchigen Ausflug in den Süden, in die Nähe Wiesbadens. Das Wetter war ungünstig, geradezu kaltherzig und tränenreich, doch am Ende hatte ich doch wieder einmal das nötige Glück:



In einer Streuobstwiese bei Eltville am Rhein sonnte sich ein Exemplar neben einem Brett - bei ausnahmsweise ganz passablem Wetter, denn nur an diesem Tag zeigte sich die Sonne für etwa zwei Stunden, um sich danach wieder hartnäckig zu verstecken. Zuvor hatte mir mein Vermieter in Schlangenbad eigens gedrehte und sehr gelungene Filmchen von dieser Schlange gezeigt, u. a. eines, das eine Äskulapnatter in seinem Garten zeigt, beim Erklimmen eines Busches und beim anschließenden Leeren eines Gimpel-Nestes. Er machte mir wenig Hoffnung, meinte, vor Ende Mai sei nicht mit diesen wärmeliebenden Tieren zu rechnen...

Hier ein Portrait desselben Tieres:

In Deutschland gibt es vier voneinander isolierte Populationen: im Neckartal bei Hirschhorn, bei Burghausen an der Salzach, an den Donauhängen bei Passau (hat als einziges deutsches Vorkommen Anschluss an das geschlossene Areal der Art) und eben um Schlangenbad im Taunus.

Und noch eines:

Wenige Meter weiter dann die Überraschung, denn ich fand doch glatt ein zweites Exemplar:

Die Äskulapnatter ist meine Lieblingsschlange, die mir bereits zuvor aus der rumänischen Dobrudscha bekannt war, und entsprechend groß war die Freude über diese Begegnungen, wenngleich es an den Folgetagen zu keiner weiteren mehr kommen sollte. 

Dafür aber fand ich eine junge Ringelnatter an einem Weg, der zum Kloster Eberbach führt, wo seinerzeit Szenen des spannenden Mittelalter-Thrillers Der Name der Rose gedreht wurden:

Hübsch!

In Bärstadt, das zur Gemeinde Schlangenbad gehört, versuchte ich mich an Singdrosseln, doch klappen sollte es nicht:

Immerhin kam die Misteldrossel im Hintergrund recht nah an mein Tarnzelt heran, doch saß ich gerade in meinem Auto, um meinem Rücken etwas Schonung zu gönnen ;-(

Mehr Glück sollte mir mit einer Gruppe Steinschmätzer in den Weinbergen oberhalb Eltvilles beschieden sein.

Hier eines von zwei Weibchen:

Und natürlich gibt es dazu auch ein Männchen:



Tja, dann, nach drei Tagen Aufenthalt, ging es nach Rheinland-Pfalz, an die Nahe bei Schloßböckelheim, wo ich gleich am ersten Tag die einzige Schlange unter einem Stein finden sollte, direkt neben einer Hauptstraße. 

Eine Schlingnatter:   


Das war schon Glück, denn auch hier wollte das Wetter einfach nicht mitspielen.

Und schließlich wieder ein aussagekräftiges Portrait:

Immerhin konnte ich noch eine kräftige männliche Blindschleiche in einem Wald bei Niederhausen finden, obwohl ich dort eigentlich den Feuersalamander gesucht hatte:

Keine Smaragdeidechsen, null Würfelnattern, auch keine weiteren Ringelnattern. Und an Mauereidechsen war auch nicht zu denken. Folglich musste ein Notprogramm her, und so fotografierte ich eine klassische Requisite des Weinbergs - die Weinbergschnegge: 


Sie war dort ungemein häufig, wenngleich sie auch um Aurich nicht selten ist. Ob die ostfriesischen Vorkommen allerdings auch bodenständig sind, ist mir nicht bekannt.


Teil 2 (19.06. - 26.06.2010):
Konsequenz ist alles im Leben, und so beschloss ich, dem unwiderstehlichen Drang in mir, der Nahe einen weiteren Besuch abzustatten, einfach mal nachzugeben. Die Gelegenheit dazu fand sich bereits gut vier Wochen später. Diesmal zeigte sich der Wettergott verständnisvoll, was nach den Entbehrungen des ersten Urlaubes nur gerecht war, denn fast die gesamte Zeit über schien die Sonne!

Und deshalb gab es auch Mauereidechsen (Unterart merremius):

Dasselbe Männchen im Portrait:

Da hängt voll der Ballon unter der rechten Achsel! Eidechsen ohne Zecken sind nämlich wie Nudeln ohne Soße, also wie etwas, das man nur sehr selten zu Gesicht bekommt.

Hier ein Weibchen:

Auch von diesem Tier möchte ich die Nahaufnahme nicht vorenthalten:

Wolken gab es schon immer wieder, doch wenigstens in der zweiten Hälfte des Urlaubs war es unglaublich heiß im engen Tal der Nahe, wo selbst die Luft keinen Ausweg mehr fand und sich einfach nicht bewegen konnte:

Sogar für die thermophilen Eidechsen war das zu viel, und so lagen sie auch schon mal im Schatten:

Später am Tag aber aalten sie sich wieder unter der prallen Sonne, weil sich die Luft am Ende doch minimal abgekühlt hatte:

Ich verabschiedete mich von den Mauereidechsen, um mich mal anderen Kreaturen zu widmen. Und auch eine der Eidechsen hob artig die Hand zum Gruß:

In einem alten Weinberg bei Niederhausen trugen Turteltaube, Pirol, Wendehals sowie Nachtigall ihr einmaliges und überwältigendes Konzert vor. Letztere konnte man überall in den Büschen entlang der Nahe hören, aber auch oben auf den Kuppen der Hügel fehlte sie keineswegs. Ein Foto dieser Vogelart sollte den Urlaub verschönern, und hier sieht man die Vorbereitung dazu (im Hintergrund das enge Nahetal):


Die Biester aber waren extrem scheu, nicht ein einziges scharfes Bild wollte mir gelingen.

Doch es gab Ersatz:

Diese Misteldrossel suchte immer wieder auf dem gezeigten Weg nach Nahrung für den Nachwuchs, hier mal im Licht der Morgensonne:

Und einen Grünspecht, der die Aussicht über das Tal genoss, gab es noch als Zugabe:

Ach, im Nahetal zwischen Schloßböckelheim und Bad Münster am Stein-Ebernburg ist es wirklich herrlich und im Gegensatz zum Moseltal viel beschaulicher. Nur wenige Menschen scheinen dort ihren Urlaub zu verbringen, was eine Vergreetsielierung wie am viel berühmteren Fluss im Norden sogleich im Keim erstickt! Unglaublich viel gibt es dort zu entdecken, Neues für einen Norddeutschen wie mich, ein echtes Kontrastprogramm zu Emden, wenn man so will, doch natürlich kann auch meine ostfriesische Heimat mit zahllosen Kostbarkeiten aufwarten, die man an der Nahe niemals zu Gesicht bekommen würde.

Trotzdem, das Nahetal ist ein wenig wie Toskana für Arme; man kann dort ganz exklusive Arten vor die Linse bekommen, die man im übrigen Deutschland vergeblich suchen würde, eben weil das Klima dort nahezu (das passt) mediterran ist.

Beim Fotografieren der Mauereidechsen zum Beispiel landete dieser sexy Exot unmittelbar vor meiner Linse:


Es handelt sich dabei um keinen Geringeren als den Variablen Prachtkäfer, der ansonsten im Mittelmeerraum verbreitet ist. Und weil die Art in meinem einzigen Buch über europäische Käfer nicht vertreten ist, konnte ich mit diesem Tier überhaupt nichts anfangen. Bestimmt hat ihn freundlicherweise Günther Wöss (Wien/Österreich).

In Schloßböckelheim, direkt am Ortsrand, flogen Ehrenpreis-Scheckenfalter über eine naturnahe Wiese. Am Abend wartete ich geduldig darauf, dass sie sich zum Schlafen auf einer Blüte niederließen, was auch geschah.

Hier der Falter beim letzten Sonnen kurz bevor die Sonne zu Bett ging:

Wenige Minuten später bereits faltete dieses Tier die Flügel zusammen:

Und am nächsten Morgen war der hübsche Schmetterling natürlich immer noch da, denn ich suchte den Ort bereits vor Sonnenaufgang ein weiteres Mal auf:

Den in Deutschland nur noch sehr lokal vorkommenden Segelfalter verpasste ich, weil ich sozusagen zwischen den Generationen im Nahetal war, doch immerhin fand ich noch einen späten Schwalbenschwanz der ersten Generation, der in einem alten Weinberg oberhalb des Sportplatzes des SV Niederhauesen (vielleicht der am hübschesten gelegene Sportplatz im Kosmos) an den Blüten der Roten Spornblume saugte:

Die Fotos entstanden  um Sonnenuntergang. Jedenfalls war die Sonne zu diesem Zeitpunkt bereits hinter den Hügeln abgetaucht:




Und hier war es auch, wo ich meiner ersten deutschen Zippammer begegnen sollte! Doch an Fotos war zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu denken.

Zum Trost aber tauchte wie aus dem Nichts ein "Kolibri" auf:

Das Taubenschwänzchen kann man in manchen Jahren auch in Emden beobachten, auf Helgoland sogar fast alljährlich, aber an der Nahe ist dieser Schwärmer eine reguläre und häufige Erscheinung.

Die Hanglagen im Nahetal sind mit die steilsten in ganz Deutschland, also so in Bezug auf den Anbau von Wein. Die dortigen Reben aber wollen auch versorgt und gepflegt werden, doch weil das Gelände für Menschen nur schwer begehbar ist, kommen halt diese Dinger zum Einsatz:

Ich war in Schloßböckelheim auf einem Weingut untergebracht, und die Leute dort versicherten mir, dass im Nahetal ausschließlich "umweltverträgliche" Chemikalien zum Einsatz kämen. Die unglaubliche Diversität, die ich ja auch in Bildern festhalten konnte, scheint das zu bestätigen. Trotzdem bleibt unterm Strich ein Lärm, den man nicht in Worte fassen kann und der noch durch die Enge des Tales bis ins Unerträgliche verstärkt wird.

Ein echtes Highlight dieser Reise war die Smaragdeidechse, die ich noch nie zuvor in Deutschland gesehen hatte:

Meistens hörte ich die schnellen Tiere nur, wenn sie auf der Flucht vor mir laut raschelnd im trockenen Gesträuch verschwanden, doch dieses Männchen konnte ich innerhalb weniger Tage mit Mehlwürmern gefügig machen.

Was lehrt uns das? Auch Smaragdeidechsen sind käuflich:

Allabendlich kehrte ich völlig ausgelaugt und fertig zu meiner Unterkunft in Schloßböckelheim zurück. Der Berg, der zum Weingut hinaufführt, ist sehr steil, und man muss im zweiten Gang fahren, was aber auch bedeutet, dass man den Ausblick genießen kann, liegt doch die Kraft in der Ruhe. Und anlässlich einer solchen Gelegenheit sah ich einen Trupp des Schmalblättrigen Weidenröschens im Gegenlicht der untergehenden Sonne!

Ich hielt, stürmte aus dem Wagen, eilte auf die Wiese und brachte meine Kamera in Position, während zwei Omis, die ihre Fahrräder mühselig den Berg hochschoben, mir freundlich zuwinkten. Wahrscheinlich ahnten sie, dass in diesem Augenblich Großes geschah:


Das eigentliche Ziel meines Nahe-Urlaubes aber war natürlich nicht diese Blume, die auch in und um Emden alles andere als eine Seltenheit ist. Mein Ziel war eine Schlange, und zwar die Würfelnatter, die an diesem Fluss eines ihrer letzten Vorkommen in Deutschland hat! Riesiges Glück hatte ich, weil es gleich zu Beginn meines Aufenthaltes einen Wetterumschwung gab. Auf eine längere Kältephase folgte nun endlich eine mit viel Sonne und deutlich höheren Temperaturen. Für die Würfelnattern gab es also nach langer Durststrecke wieder die Gelegenheit, ein Sonnenbad zu nehmen:

Für genau zwei Individuen hat es gereicht, doch wo exakt sie mir begegneten, soll an dieser Stelle  verschwiegen werden, ist diese Schlangenart in Deutschland doch vom Aussterben bedroht.

Hier die zweite Würfelnatter:


Nur an diesem Tag hatte ich besagtes Glück, danach sollte mir kein einziger Fund mehr gelingen, weder am frühen Morgen noch am späten Abend und dazwischen eben auch nicht, war es doch inzwischen zu allen Tageszeiten einfach zu heiß!

Mir konnte das egal sein, denn ich hatte die Ziele, die ich mir zuvor gesteckt hatte, erreicht. Hätte mir vor Antritt dieser beiden Kurzausflüge jemand gesagt, dass ich sowohl Äskulapnatter als auch Würfelnatter finden sollte, dann wäre ich, moderat ausgedrückt, eher skeptisch gewesen. So aber hätte es nicht besser laufen können!

Dieser Graureiher am Stausee bei Niederhausen hatte da nämlich weniger Glück, denn ihm blieb die Würfelnatter verwehrt:





Bevor nun also die letzte Kostbarkeit des Gebietes folgt, eine ornithologische noch dazu, gibt es hier noch ein paar interessante Tiere zu sehen, die man allesamt, bis auf zwei Ausnahmen vielleicht, nicht in Ostfriesland finden kann.

Zwar habe ich das Schachbrett in Aurich und Emden noch nie gesehen, aber zumindest könnte es auch hier vorkommen:







Und auch der Große Schillerfalter dürfte in Ostfriesland heimisch sein. Hier saugt ein Männchen am Fels, nimmt Mineralien auf:

Der Kleine Fuchs ist einer der häufigsten Tagfalter der Republik, doch um ihn geht es bei den folgenden zwei Bildern nicht:

Ich freute mich darüber, endlich mal einem Schmetterling zu begegnen, der nicht auf eine Distanz von mehreren Metern das Weite sucht, doch der Grund dafür war ein trauriger, wenigstens für den Kleinen Fuchs, war er doch einer Krabbenspinne zum Opfer gefallen:

Und die gibt es in Norddeutschland nicht. Es handelt sich dabei nämlich um Thomisus onustus, eine Art, die in Deutschland ausschließlich Regionen besiedelt, die von der Sonne verwöhnt werden. An der Nahe aber begegnete sie mir sehr oft.

Wie auch die beiden folgenden Arten, die ebenfalls nicht im rauen Norden zu finden sind:


Die Kleine Zangenlibelle (oben) flog zahlreich an einem Wehr der Nahe,  Hemipenthes morio, ein Vertreter der Wollschweber, begegnete mir nahezu auf allen Waldwegen.

Nachtrag vom 15.08.2012: H. morio kommt doch tatsächlich auch bei Osnabrück vor und zwar am Niedringhaussee bei Westerkappeln! Dieser Baggersee, im Volksmund Sundermann genannt, ist mir sehr gut bekannt, doch habe ich dieses zwar kleine, aber eben doch sehr auffällige Insekt in der Vergangenheit nie dort gesehen. Woher ich die neuen Informationen habe? Ich wurde auf der Seite von Wolfgang Rutkies (Osnabrück) fündig: Insekten in Osnabrück

Das war's schon fast, wäre da nicht noch der Vogel, den ich weiter oben wenigstens schon einmal erwähnt hatte:


Die Zippammer ist eine Charakterart des Nahetals. Überhaupt ist sie eine Art, die bis vor einigen Jahren ausschließlich im Süden, bzw. Südwesten Deutschlands vorkam, an Orten, die ein günstiges, das heißt warmes Klima bieten können. Inzwischen aber sind auch völlig isolierte Vorkommen im Sauerland bekannt geworden, wo die Zippammer in Steinbrüchen brütet.

Meist stehen die Vögel auf Büschen oder Felsvorsprüngen, wo sie ihren klassischen Gesang vortragen, der dem der häufigen Heckenbraunelle durchaus ähnelt, wenngleich die einzelnen Strophen im Vergleich mit ihr eher kürzer sind.

Am so genannten Felsenberg, zwischen Schloßböckelheim und Niederhausen, führt ein Wander- und Wirtschaftsweg auf halber Höhe die Klippen entlang, wo man sich den singenden Männchen mit etwas Geduld nähern kann, um zum Beispiel ein Bild zu machen. Teilweise zeigten die Vögel dort überraschend wenig Scheu!

Fazit: Alles in allem waren diese beiden Kurzreisen mehr als nur lohnenswert! Nie hätte ich mit einer solchen Ausbeute gerechnet, und ich bin froh, dass ich mich zu einem Urlaub in Deutschland durchgerungen habe, wenngleich diese Reisen aus der Not heraus geboren worden sind, denn in jenem Jahr wollte mir mein Arbeitgeber einfach keinen längeren Urlaub am Stück gewähren. Nicht dass unsere Republik nichts zu bieten hätte, aber ein Aufenthalt im Süden ist eben doch noch etwas anderes, weil man dort nicht zuletzt in Bezug auf die Reptilien viel mehr erwarten kann.

Trotzdem möchte ich das mittlere Nahetal jedem Menschen, der ein Auge für die Natur hat, ans Herz legen. Und auch für jene Zeitgenossen, die einfach nur Ruhe und eine schöne und besondere Landschaft genießen wollen, vielleicht bei einem Glas Nahe-Wein, stellt dieser Fluss mit seiner reizvollen Umgebung ein Ziel dar, dessen Besuch sich lohnen kann.

Zum Abschluss dieses Berichtes noch einmal die männliche Zippammer im Sonnenlicht: