wilde perspektiven

wilde perspektiven

Dienstag, 13. November 2012

Vom Braunsichler, der einfach nicht in Emden rasten wollte

Am vergangenen Samstag (10.11.2012) besuchte ich wieder einmal den Emsstrand im äußersten Westen Emdens, wie ich es auch schon die Wochenenden zuvor gemacht hatte. Zu dieser Jahreszeit hat man bekanntlich einige selten in Deutschland auftretende Vogelarten im Hirn, vielleicht so von Sperbereule bis Hakengimpel, doch vor allem der Wüstensteinschmätzer stand (und steht nach wie vor) ganz oben auf meinem Wunschzettel! Auf Helgoland erscheint diese Art beinahe alljährlich, wenn auch nur in ein bis zwei Individuen, doch warum, bitte schön, sollte nicht mal einer Emden besuchen wollen?



Glossy Ibis (likely the first record for Emden, at least the third for Ostfriesland)

Es kam natürlich wieder einmal ganz anders als geplant, aber nicht unbedingt schlechter. Nachdem ich das Ende des Strandes erreicht hatte, kehrte ich sofort wieder um, etwas enttäuscht, weil sich mein Wunsch ein weiteres Mal nicht erfüllt hatte. Doch kurz bevor ich den asphaltierten Weg erreichte, vernahm ich bei Windstille ein deutliches Rauschen im Rücken. Ich drehte mich um und sah einen großen Starenschwarm auf mich zukommen und hinter diesem einen einzelnen größeren und sehr dunklen Vogel, der sich unschwer als Braunsichler bestimmen ließ:























Oh, ein Sichler dachte ich so, was für ein Glück ich doch wieder einmal habe! Ich war etwas baff, hob nicht einmal das Fernglas an, war tatsächlich ein wenig paralysiert und staunte einfach nur so mit bloßem Auge, während der Vogel immer näher herankam. Wertvolle Sekunden verstrichen ungenutzt, doch dann fiel mir plötzlich ein: Mensch, du musst doch noch schnell ein Bild machen.





















Kurz: Rucksack vom Rücken und auf den Boden, Reißverschluss öffnen, Kamera herausschälen, NICHT auf die eingestellte Belichtung achten (ich dachte schon daran, aber mir fehlte die Zeit) und Dauerfeuer. Das war gegen Viertel vor zwölf. Fünf Bilder konnte ich machen, dann war der Sichler schon an mir vorbei. Natürlich war die Belichtung weder auf den weißen Himmel noch auf das sehr schlechte Licht abgestimmt, aber das war mir egal, sind doch fünf miserable Bilder immer noch besser als gar keins (das Spatz-in-der-Hand-Taube-auf-dem-Dach-Prinzip):

Ein freundlicher und interessierter Passant lieh mir unentgeltlich sein Mobiltelefon (ich besitze nämlich gar keins), sodass ich die Beobachtung an entsprechende Stellen weiterleiten konnte, wenngleich mir das Telefonat zunächst völlig sinnfrei erschien, weil der Sichler doch überhaupt keine Anstalten gemacht hatte, eine Pause einzulegen und längst über die Ems hinweg entschwunden sein konnte. Der Mann mit dem Handy berichtete mir dann noch von einer Begegnung mit einem Trupp Rebhühner (mit dem Trupp) und erzählte mir, er sei dieser Art in Emden seit vielen Jahren nicht mehr begegnet.

Nach zwei weiteren Stunden auf dem Rysumer Nacken suchte ich auf dem Rückweg geeignete Bereiche nach dem seltenen Gast ab, vorzugsweise entlang des Emsdeiches, doch leider ohne jeden Erfolg. Braunsichler brüten u. a. in Südeuropa, vor allem im Südosten, und mir war die Art zum Beispiel aus Rumänien bekannt. Darüber hinaus gibt es Vorkommen dieses echten Kosmopoliten in Asien, Afrika, Australien sowie in Süd- und Nordamerika. In den USA sind mir Braunsichler zum Beispiel in South Carolina begegnet und dort nicht selten in Gesellschaft des leuchtend weißen Schneesichlers.

Immerhin entdeckte ich an der Kleientnahmestelle an der Hauptstraße in Wybelsum noch fünf rastende Kormorane, die man dort beileibe nicht jeden Tag bewundern kann:

Great Cormorant

Es handelt sich in diesem Fall um eine der vielen eher ungeliebten Vogelarten (so von Blässgans bis Elster), die es in der heutigen Zeit wahrlich nicht leicht haben, werfen doch viele Menschen dem Kormoran in ihrer Unwissenheit und Ignoranz vor, er fange genau jenen Fisch, der angeblich ihnen gehöre. Hier in Ostfriesland hat es in der Vergangenheit heftige Diskussionen um eine angeblich überproportionale Zunahme des "Seeraben" gegeben, die nach Meinung vieler Angler ein Einschreiten des Menschen erfordere, doch stehen die Zahlen dieses genialen Fischfängers nach wie vor völlig im Schatten jener der hiesigen Angler, denn allein im Bezirksfischereiverband Ostfriesland sind geschätzte 6000 Petrijünger organisiert! Liebe Angler, lasst euch also sagen: Die Besitzfrage ist erst dann geklärt, wenn der Fisch gefangen ist. Anders ausgedrückt: Der Kormoran kann nichts dafür, dass er viel besser an das Fangen glitschiger Fische angepasst ist als ihr. Die großartige Natur wird sich schließlich etwas dabei gedacht haben.

Am Sonntag (11.11.2011) dann war das Wetter nahezu perfekt! Sogar ein Tagpfauenauge ließ sich noch einmal blicken, stellte sich immer wieder auf einen dieser Steinhaufen, um dann nach einigem Zögern in den Lücken zu verschwinden, wo es wahrscheinlich nicht nur die Nacht, sondern auch gleich den ganzen kommenden Winter verbringen wird:


European Peacock

Und auch Stieglitze waren mal wieder anwesend, ernteten die Samen der Nachtkerzen:

Goldfinch

In Emden-Port Arthur/Transvaal trieb sich schließlich noch ein männlicher Fasan auf einem grobscholligen Acker herum:

Common Pheasant




Die abschließende Suche nach Beerensträuchern und sich eventuell darin aufhaltenden Seidenschwänzen und Hakengimpeln im Emder Stadtgebiet wollte leider nicht so recht fruchten, aber am kommenden Wochenende werde ich wieder alles geben, keine Frage.

Weitere Feststellungen vom Samstag auf dem Rysumer Nacken:

1 Kornweihe, 1 Raufußbussard, 12 Rebhühner, 9 Heidelerchen (auch am Sonntag), 17 Bartmeisen, 3 Beutelmeisen, einige artreine Trupps der Blaumeise, die auf die weite Ems hinauszogen (insgesamt wohl 200 Ind.) sowie 3 Silberreiher im Wybelsumer Polder