Mittwoch, 6. März 2013

Die Erbsünde

Wenn die Kreuzottern im zeitigen Frühjahr gemächlich aus ihren kühlen und dunklen Winterquartieren im Berumerfehner Moor hervorgekrochen kommen, um nach mehreren entbehrungsreichen Monaten endlich wieder Sonne zu tanken, dann ist die Freude bei mir wirklich sehr groß, ist doch diese erste Begegnung im Jahr nach wie vor etwas Besonderes für mich!

Heute konnte ich meinen Arbeitsplatz dank eines wichtigen Termins mit einem Mitarbeiter eines Telekommunikationsunternehmens vorzeitig verlassen. Die Sache ging schnell über die Bühne, und weil es in Emden nach wie vor sonnig und warm war, fuhr ich hoffnungsvoll ins Berumerfehner Moor, um endlich die erste Schlange des Jahres zu sehen. Doch dort hatten sich bereits fetteste Wolken vor die Sonne geschoben.

Ich suchte und suchte, fand aber leider keine einzige Kreuzotter, dafür aber diese männliche Waldeidechse:

Male Common Lizard

Die erste des Jahres!



Ein Portrait:

Gleich zwei weitere sollten mir auf meinem etwa zweistündigen Spaziergang begegnen, darüber hinaus ein Grasfrosch, der meinen Weg querte. Und weil es mit der Kreuzotter einfach nicht klappen wollte, gibt es hier jetzt ein Bild von einem Männchen aus dem Archiv, aufgenommen im selben Bereich des Moores (18.03.2010):

Male Common Adder from the archives (03/18/2010)

Und an diesem Ort kann man alljährlich ein bis zwei Männchen beim ersten Sonnenbad des Jahres beobachten:

Doch heute leider nicht.

Einen schönen Film zum Tier gibt's hier.

Der erste Weißstorch des Jahres kreiste über mir:

White Stork

Und es gab einen Wanderfalken, einen Raubwürger sowie die ersten beiden Schwarzkehlchen.

Ich bin mir sicher, dass sowohl gestern als auch heute die von mir so sehr herbeigesehnten Schlangen in der Sonne lagen, doch leider war ich zum falschen Zeitpunkt am Ort des Geschehens. Gestern hatte ich überhaupt keine Zeit und heute leider zu wenig.

Viele Menschen haben Angst vor Schlangen, wenige können sich kaum spannendere Tiere vorstellen. Und so polarisiert wohl nur Dieter Bohlen noch mehr. Die Furcht vor Schlangen aber ist keineswegs angeboren; Kleinkinder nehmen sie ganz unbefangen und neugierig in die Hände, wenn sie noch nie die ablehnende Reaktion Erwachsener diesen Tieren gegenüber mitbekommen haben. Tatsächlich aber haben die meisten Erwachsenen eine nicht nachvollziehbare Angst vor diesen Reptilien, obwohl die allermeisten von ihnen nie einer frei lebenden Schlange begegnet sind und in ihrem Leben wohl auch nie begegnen werden. Diese Vorurteile geben sie dann an ihre Kinder weiter, noch bevor diese sich ein eigenes Bild machen können. Die blöde Bibel (Buch Genesis, Altes Testament) hat in diesem Zusammenhang wohl mindestens eine Teilschuld zu verantworten, denn als Adam im Paradies eine verlockende Frucht von einer Schlange angeboten bekommt, diese in seiner geistigen Umnachtung auch noch annimmt, ist es bereits zu spät; die Kollektivschuld lastet fortan auf den Schultern der Menschheit. Und wer sich eine solch bescheuerte Geschichte mit derart bescheuerten Folgen ausdenkt, der muss zum Zeitpunkt des Niederschreibens mindestens eine Pulle Wodka intus gehabt, einen Pillencoctail zu sich genommen und zu allem Überfluss drei Tüten geraucht haben. Die meisten Menschen sind nicht sehr kritisch, glauben so allerhand und auch schon mal Dinge, die unglaublich hanebüchen daherkommen. Man darf sie einfach nicht überschätzen!

Hier eine von einem Unwissenden völlig sinnlos getötete männliche Kreuzotter, aufgenommen am 7. April 2010 im Berumerfehner Moor bei Aurich - Folge der Erbsünde oder einfach nur des Vakuums im Schädel?

Male Common Adder, senselessly killed by human

Für die Schlangen der Welt hatte und hat wohl auch dieser wirre Erbschuldschwachsinn böse Folgen. Nach wie vor werden viele von ihnen grundlos getötet, und in diesem Zusammenhang spielt es überhaupt keine Rolle, dass von den weltweit circa 3000 Arten nur etwa 600 giftig sind (wiederum nur wenige davon können einem gesunden Menschen ernsthaften Schaden zufügen). Keine dieser Arten aber ist hinterlistig! Dabei wäre es doch so simpel, die Geschichte in ein lustigeres Gewand zu kleiden und mit einem positiveren Ende auszustatten. Ich bin mir nicht zu schade dafür, an dieser Stelle genau das zu tun, weil es einfach mal an der Zeit ist! Und so würde Adam in meiner blühenden Fantasie den Apfel einfach verweigern und behaupten, er leide unter einer Kreuzallergie (die Bezeichnung passt hier in zweifacher Hinsicht), dürfe somit keine frischen Äpfel essen. Oder: "Geh weg, du Tröte! Der ist doch bestimmt gespritzt!" Dritte Alternative: "Ich hasse Golden Delicious!" Die vierte: "Obst sättigt nicht. Aber wir beiden Hübschen könnten uns doch zu Eva setzen und leckere Käsebrötchen essen, ein paar kühle Alster dazu trinken und vielleicht noch eine Gauloise rauchen..." Und schließlich hätte Adam den Apfel in seiner Einfalt für eine Tomate halten können: "Die kommt doch nicht etwa aus Holland, oder?"

Man könnte die Geschichte aber auch in die Neuzeit übertragen und die Schlange durch bekannte Personen des Zeitgeschehens ersetzen. 

Folgendes Szenario: Der oben nicht ganz zufällig erwähnte Dieter Bohlen schleicht sich in ganz böser Absicht von hinten an Adam heran und hält ihm eine seiner geilen CDs über die Schulter hin. "Ha, Überraschung, ich bin's, der Diiiiieder!" Adam, der sich unbeobachtet wähnte und gerade Pornoseiten auf seinem Smartphone bestaunt, erschrickt und errötet, fährt herum und blickt in die breit grinsende Fresse Bohlens. Die entfernt auf einer Liege unter der paradiesischen Sonne brutzelnde Eva wirkt eher teilnahmslos und warnt Adam nicht davor, die CD zu berühren. Sie ist nämlich in Bezug auf den Teufel nicht mehr ganz objektiv, hat sie sich doch hinter Adams Rücken bei DSDS beworben, um eine eigene Karriere zu starten und endlich aus seinem langen Schatten hervorzutreten. In dem Moment, als die Fingerkuppen des überrumpelten Adam die noch in Cellophan verpackte CD erreichen, geht unter fürchterlichem Donner- und Blitzgetöse ein noch fürchterlicherer Platzregen hernieder, und um die Menschheit ist es geschehen.

Glaubwürdig? Auf jeden Fall realistischer als dieser gequirlte Kot mit der Schlange, die nicht einmal Hände hätte, um die verlockende Frucht vernünftig anzubieten.

Für jene Bürger, die noch nicht überzeugt sind, gibt es hier schnell noch eine zweite Geschichte:

Adam hat sich nach einer passablen Fußballerkarriere, die ihn vom FC Erzgebirge Aue über Tennis Borussia Berlin sowie AC Florenz schließlich zum FK Austria Wien geführt hat, zum Geschäftsführer des aktuellen Deutschen Meisters, des VfL Osnabrück*, hochgeschlafen, während Eva ihr sinnfreies Dasein in ausgiebigen Shoppingtouren zu ertränken sucht. Sie stöckelt permanent über die trostlose und mit chinesischem Granit gepflasterte Große Straße Osnabrücks, um Adams sauer verdiente Kohle in diversen Edelboutiquen und bei H&M zu verprassen. Vielleicht auch in einem Nagelstudio oder für himmlische Frustpralinen von Leysieffer. Aus ihrer eigenen Karriere ist leider noch nichts geworden, ist sie doch bereits in der ersten Runde von DSDS kläglich gescheitert, wo sie sich obendrein noch von Bohlen als nackerte Schlampe verhöhnen lassen musste. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt: Man hat sie doch tatsächlich zu einem Casting für GNTM eingeladen, und auch fürs Dschungelcamp rechnet sich sexy Eva nach wie vor große Chancen aus! Nachdem Adam gerade den eigentlich erfolgreichen Trainer der Lila-Weißen wegen Alkoholmissbrauchs entlassen hat, steht ihm nun ein quengelnder Lothar Matthäus gegenüber, der sich ein weiteres Mal ungefragt ins Gespräch gebracht hat und auch nach vielen erfolglosen Jahrzehnten einfach nicht aufhören will, um einen Trainerjob in der Bundesliga zu betteln. Dieser ist sogar dazu bereit, alles dafür zu geben, wedelt linkisch mit einer abgegriffenen und nicht ganz keimfreien Fünf-Euro-Note vor Adams Nase herum. In seiner Gier - Adam konnte den Hals noch nie vollkriegen, und Eva ist eben nicht ganz billig im Unterhalt - greift der schließlich nach dem verhängnisvollen Schein...

Ja, also mal ehrlich, DAS wären tatsächlich Gründe für eine kollektive Bestrafung!

Vor zwei Tagen, am vergangenen Montag (04.03.2013), sah es im morgendlichen Moor noch ganz anders aus. Während es am Wochenende entgegen der Vorhersage größtenteils bedeckt geblieben war und nach wie vor eher kalt, gab es am frühen Montagmorgen nach einer frostigen und nebligen Nacht eine herrliche Überraschung. Alle Bäume waren weiß! Normalerweise verpasse ich solche Gelegenheiten immer, weil dieses Wetterphänomen selten auftritt und dann zumeist in die Arbeitswoche fällt, doch diesmal war mir Glück beschieden, weil ich in weiser Voraussicht einen Tag frei genommen hatte.

Bei meiner Ankunft gegen acht:

Bog impressions

Wenige hundert Meter weiter dann so:

Das letzte Bild enstand am selben Ort wie der Vorgänger, doch etwa eine halbe Stunde später.

Gezuckerter Gagel im Gegenlicht:

Bog Myrtle

Closer:



Besonders stark ausgeprägten Raureif findet man stets an der dem Wind zugewandten Seite des Busches, während es im Windschatten ganz anders und irgendwie viel hübscher ausschaut:

Wenn man so will, ist diese sehr angenehm duftende Pflanze mein Lieblingsstrauch:

Vergängliches im Detail:

Kalt war es, und meine Finger drohten zu erfrieren am metallenen Stativ, weil ich keine Handschuhe dabei hatte. Doch angesichts der unglaublich schönen Landschaft kann man das schon mal ignorieren:

Mit Kreuzottern rechnete ich da nicht, wenigstens nicht zu dieser frühen Stunde:

Die Landschaft hat Zucker!

Man kann sich in so einer Situation einen echten Wolf fotografieren, weiß nicht, wo man angesichts dieser Reizüberflutung anfangen soll, doch am Ende nahm mir meine Knipse die Entscheidung ab, weil die eigentlich noch neuen Batterien bei dieser Kälte immer wieder den Geist aufgaben und gewärmt werden wollten:

Über Nacht waren auch die Gewässer wieder zugefroren.

Besenginster:

Common Broom

Ein weiteres Bild vom Uferbereich eines Moorgewässers, diesmal bereits mit etwas weniger Nebel und somit blauerem Himmel:

Frei nach Olympia ist das Dabeisein alles! Und egal, in welche Richtung ich blickte, es war ein echter Traum und vielleicht die letzte Chance im ausklingenden Winter, ein solches Szenario in Bildern festzuhalten:

Ich musste die ganze Zeit an Sperbereulen und Wölfe denken, übrigens auch an Tiefkühlpizza und hängende Schweinehälften, aber ich sah "nur" einen Raubwürger in großer Entfernung auf einer dieser weißen Birken stehen.

An einer weiten Blänke:

Hier kam das Licht bereits stärker durch den Nebel:



Mir war natürlich klar, dass die Sonne den ungleichen Kampf gegen den hartnäckigen Nebel am Ende gewinnen würde, doch ein paar weitere Bilder wollte ich schon noch machen:

In der Nähe der so genannten Krickmeere:

Um halb zehn etwa gab es auf dieser Weide nur noch einen kläglichen Rest vom Raureif zu bestaunen. Doch während die Binsen sich inzwischen vom gefrorenen Nass befreit hatten, trotzten die Birken im Hintergrund noch einigermaßen erfolgreich den immer wärmer werdenden Sonnenstrahlen:

Ich lief schnell zu ihnen hinüber:

Eine jagdliche Einrichtung, die selbst der Raureif meidet:

Ein Schwenk nach links:

Am Wasser:

So gegen zehn war der Spuk, von dem viele Menschen nichts mitbekommen haben dürften, leider wieder vorbei. Von den Bäumen tropfte es stetig, und an den Blänken sah es so aus (rechts unten sieht man sehr schön den von den Torfmoosen gebildeten Schwingrasen):



Tja, der Frühling war kaum da, und schon soll es wieder kälter werden. Sogar von Schnee im Norden des Landes war heute im Radio die Rede. Eigentlich brauche ich den nicht mehr, aber auf der anderen Seite kann man das Wetter eh nicht beeinflussen, muss es nehmen, wie es kommt.

* alle genannten Vereine haben eine Gemeinsamkeit