wilde perspektiven

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Mittwoch, 1. Mai 2013

Im Westen viel Neues - naturkundliche Beobachtungen an der Algarve/Portugal im April 2013

Reisezeit: 13.04. - 27.04.2013

Das Wichtigste erst einmal vorweg: Die Carglass-Werbung in Portugal ist genauso armselig und nervig wie die in Deutschland! Und man hat sich auch keine Mühe gegeben, sie dort anders zu gestalten. Selbst die Schlusssequenz ("Carglass repariert, Carglass tauscht aus.") erklingt in derselben Melodie und ganz bestimmt auch mit demselben Text. Bin ich froh, dass sie dort den Seitenbacher noch nicht kennen!

Die Algarve, im Portugiesischen ist sie übrigens männlichen Geschlechts, war in den vergangenen zwei Wochen ein echtes Ereignis für mich. Und sie war insofern etwas Besonderes, weil ich sie bereits einmal besucht hatte. Vor unglaublichen zwanzig Jahren verbrachte ich dort einen dreiwöchigen Badeurlaub mit meiner damaligen Freundin. Weil herpetologische Kostbarkeiten während dieses Aufenthaltes leider nur eine Nebenrolle spielten, der Trip darüber hinaus in den Spätherbst fiel, blieben die Resultate meiner Suche eher dürftig. Damals konnte ich unter wenigen anderen Arten immerhin Vipernatter, Mauergecko, Erzschleiche und schließlich auch das geile Europäische Chamäleon nachweisen. 

Finally my flight appeared on the destination board

Doch mein jetziger Besuch hatte noch einen weiteren Grund. Es erschien mir reichlich spannend, ein Gebiet nach so langer Zeit ein weiteres mal zu bereisen, um etwaige Veränderungen, die in der Regel unausweichlich und leider oft auch von eher negativer Natur sind, zu erleben, auch wenn man so riskiert, alte und schöne Erinnerungen mit einem Mal zu zertrümmern. Tatsächlich gäbe es in dieser Hinsicht einiges zu berichten, doch das würde hier den Rahmen sprengen. Wenige Beispiele möchte ich trotzdem nicht vorenthalten: Kleine Fischerdörfer wie zum Beispiel Sagres, die man als beschaulich und wunderschön in Erinnerung behalten hatte, sind inzwischen zu Kleinstädten angewachsen. Dafür ist die Nationalstraße 125, die von Faro zum Cabo de São Vicente führt und seinerzeit zu einem beträchtlichen Teil noch eine bucklige Sandpiste war, inzwischen natürlich fertig gestellt. Eine Autobahn, die parallel zur N 125 verläuft, wird hingegen kaum genutzt, weil sie mautpflichtig ist.

Darüber hinaus kann ich mich noch an slum-artige Siedlungen in Quarteira erinnern, in denen damals wirklich sehr, sehr arme Menschen lebten, die allerdings aus dem heutigen Stadtbild verschwunden sind, ohne dass das etwas gebracht hätte, bleibt Quarteira doch auch in seinem neuen Gewand die wohl hässlichste Bausünde an der portugiesischen Südküste. Aber nicht nur deshalb wollte ich dort in diesem Jahr nicht wohnen.

Folglich entschied ich mich für das viel weiter im Westen gelegene Praia da Luz, das zur Stadt Lagos gehört. 




My rental car

Portugal gehört zum Armenhaus Europas! Doch wenn man schon mal Rumänien oder gar Bulgarien bereist hat, dann relativiert sich das wieder ganz fix. Den Escudo gibt es zwar nicht mehr, wie ja auch die D-Mark nicht mehr existiert, doch die Menschen, die in diesem Land leben, sind trotz aller Probleme, mit denen sie im Alltag zu kämpfen haben, Fremden gegenüber genauso freundlich und offen wie vor zwanzig Jahren. Gleichzeitig freute ich mich diebisch darüber, dass der Flug diesmal sehr kurz war, dass es im Outback keine schießwütigen Idioten gab und auch keine fiesen Feuerameisen, die einen unbedarften Menschen immens peinigen können. Alles war also sehr viel entspannter als auf meinen letzten Reisen! 

An einem Samstag ging es für mich gemütlich nach Düsseldorf, wo ich, das sei schnell noch erwähnt, meinem ersten Zilpzalp des Jahres begegnen sollte. Wegen der lang andauernden Winterkälte vier Wochen später als in normalen Jahren! Da ich wider Erwarten gut durchgekommen war - auf der Emslandautobahn herrschte wieder einmal gähnende Leere -, erreichte ich meinen «Heimatflughafen» viel zu früh, musste anschließend noch etwa vier lähmende Stunden warten, bis ich ich endlich durchstarten konnte.

Faro, die Hauptstadt der Algarve, präsentierte sich dann bei der Ankunft, nur etwa drei Stunden später,  unter einem azurblauen Nachmittagshimmel. Angenehm warm war es, und warm und sonnig sollte es die ganzen zwei Wochen auch bleiben. Den Schlüssel meines Mietautos bekam ich nach wenigen Unterschriften ganz unbürokratisch überreicht, übrigens inklusive einer Karte, die separat sowohl die Algarve als auch das restliche Portugal sehr detailliert wiedergab. Keine schlechte Sache, das will ich hier mal sagen! Und deshalb möchte ich an dieser Stelle auch den Namen der wahrscheinlich portugiesischen Verleihfirma nennen: Auto Jardim.

Ich stürzte mich also in den südeuropäischen Feierabendverkehr, der aber überraschend gesittet über die Bühne ging, musste nun etwa 70 Kilometer zurücklegen, um dann kurz vor meinem Ziel erstmals nach dem Weg zum Hotel zu fragen. In einer Kneipe in Lagos versuchten gleich drei Portugiesen in einem sehr guten Englisch, mir den Weg zu vermitteln, und tatsächlich fand ich eine halbe Stunde später meine Unterkunft ohne weitere zeitraubende und nervende Zwischenfälle.

So, das war der Prolog, wenngleich ich noch schnell die üblichen Statistiken einwerfen möchte: 2889 Kilometer, zum Teil auf unwegsamsten Bergpisten, legte ich zusammen mit meinen Polo zurück. Und meine Kameras mussten so hart arbeiten, dass am Ende sechs Speicherkarten à vier Gigabyte bis zum Bersten gefüllt waren. Übrigens ein Rekord! Und noch etwas: Ich habe natürlich auch wieder viel Musik gehört. Unter den zahllosen Liedern, die auch jetzt noch in meinen Ohren nachklingen, ist das von Ana Moura eines der schönsten. Es heißt schlicht Desfado! Es lohnt sich, diesen Song in Dauerschleife im Hintergrund laufen zu lassen, passt er doch vorzüglich zu meinem Bericht. Und bitte das Mitsingen nicht vergessen, meinetwegen auch mit einem eigenen Text!

Der erste Morgen führte mich zu einem Olivenhain westlich von Luz, wie der Ort meines temporären Domizils von den Portugiesen kurz und bündig genannt wird. Nach einer klaren Nacht lag der Tau schwer auf den Blümchen, die nur der Frühling des Südens in einer solch verschwenderischen Pracht hervorzaubern kann. Und weil das alles so viel auf einmal war, wusste ich zunächst nicht, mit welcher Pflanze ich anfangen sollte.

Schließlich entschied ich mich für eine Orchidee, von der ich glaube, dass es die Pyramidenhundswurz ist:













Pyramidal Orchid

Diese in Mitteleuropa so seltene Pflanze war an der Algarve sehr häufig und die mit Abstand zahlreichste Orchideenart.

Sehr hübsch und auffällig war auch diese Siegwurz, die ich nicht bis auf Artniveau bestimmen möchte:







Gladiolus spec.

Sie war ein echter Farbtupfer und wie die vorangegangene Art sehr häufig:

Man kann gar nicht aufhören, den Finger am Auslöser zu krümmen:

Die nächste Art ist mindestens ein Lippenblüter:

Species?

Vor meiner Ankunft in Portugal muss es sehr viel Regen gegeben haben, denn der schwere Lehmboden klebte an den Sohlen meiner Flip-flops und ließ sie so zu Plateau-Flip-flops mutieren. Es war ungemein anstregend, die halbe Algarve mit sich herumzuschleppen.

Ein Weg durch den Hain:

Und ein Teil desselben:

Es handelte sich dabei nicht etwa um eine dieser artenarmen Monokulturen, wie sie heute leider immer mehr die Oberhand gewinnen, sondern tatsächlich um eine alte Kulturlandschaft, die neben den bereits oben gezeigten Wildblumen auch anderen Baum- und Straucharten Lebensraum bietet. Mandel-, Johannisbrot- sowie Feigenbaum zum Beispiel waren ebenso präsent. All diese Bäumchen waren sehr knorrig, mit zahllosen Höhlungen ausgestattet, und sie bieten vielen Vogelarten ein Refugium. Steinkauz, Zwergohreule und Wiedehopf wissen das zu schätzen!

Und in jedem dieser Olivenhaine gab es mindestens eine Ruine, meistens aber waren es gleich mehrere. Die oben genannten Vogelarten leben dort in einem wahren Paradies:

Ich eilte hinüber, wendete rasch ein paar flache Steine, die dort herumlagen, doch eine Schlange fand ich zu diesem frühen Zeitpunkt leider noch nicht.

Also schnell noch ein paar Blumen, bevor die Sonne zu streng wurde:

Ragwurz-Arten sind aus geringer Distanz sehr prächtig. Doch sie sind auch sehr klein und überraschend unauffällig, verlieren sich im Blumenmeer. Es gibt zahllose Arten, vor allem in Südeuropa, sodass eine Artdiagnose für einen Nichtbotaniker wie mich eher riskant wäre. Ich verzichte an dieser Stelle also darauf.

Eine weitere Art:

Ophrys spec. as well as the individual shown above

Gefunden hatte ich beide Arten nur, weil ich beim Fotografieren des folgenden Falters wie besessen auf dem Boden herumkroch:


Spanish Festoon

So schlafen Spanische Osterluzeifalter! Sie klammern sich geradezu verzweifelt an ihrer Warte fest. Später dann, nach Sonnenaufgang, öffnete dieser hier seine hübsch gezeichneten Flügel:

So aus der Nähe betrachtet ist er wohl so eine Art George Clooney im Reich der Falter, doch wenn er an einem vorbeiflattert, ist er kaum auffälliger als ein Weißling.

Im Gegenlicht:

Die Ruine ließ mir trotzdem keine Ruhe, und ich versuchte erneut, etwas Reptiliges zu finden.

Diesmal mit Erfolg:

Bedriaga's Skink

Ein Spanischer Walzenskink ließ mich hörbar aufatmen. Das erste Kriechtier dieser Reise!

Geradezu beschwingt fuhr ich entsprechend nach Westen, Richtung Sagres, wo ich den Rest des Tages verbringen wollte. Dort, auf der N 125, gelang mir sogleich die zweite Begegnung mit einer Echse:

Ocellated Lizard

Eine eher enttäuschende Begegnung war das, aber die Perleidechse sollte ich in den kommenden Tagen noch sehr häufig zu Gesicht bekommen. Diese größte europäische Eidechse besiedelt nach meinen Beobachtungen vor allem baumlose und somit sehr offene Habitate. Während meiner Autofahrten sah ich sie immer wieder am Straßenrand auf dem Asphalt, doch wenn ich meinen widerspenstigen Polo einige hundert Meter weiter endlich zum Stehen gebracht hatte und zurückgefahren war, blieben sie natürlich stets verschollen. Diese Biester sind flink und trotz ihrer Größe unauffällig. Färbung und Zeichnung verschaffen ihnen eine ausgezeichnete Tarnung im unendlichen Grün. Vor allem im Westen der Algarve, um Sagres, Vila do Bispo und Carrapateira, scheint diese Art kopfstarke Populationen aufgebaut zu haben. Ob mir noch ein Bild gelingen würde, eines, das eine lebendige Perleidechse zeigt?

Ortsdurchfahrt in Sagres:


Sagres

Das folgende Bild illustriert den Wandel, den dieses einstige Fischerdorf vollzogen hat:




Keines der hier gezeigten Häuser existierte vor zwanzig Jahren!

Ich fuhr weiter zum Cabo de São Vicente, wo eine wildromatische und atemberaubende Steilküste auf mich wartete:

Steep coast near Sagres (Cape Saint Vincent)

Eine solche Landschaft lässt mich immer wieder erkennen, wie klein man doch eigentlich ist. Man staunt einfach nur, wenn man da oben am Klippenrand steht und in die Ferne blickt. Die ganze Zeit dachte ich darüber nach, warum die Krähen dort so merkwürdig rufen, machte mir aber nicht die Mühe, das Fernglas anzuheben. Erst als einer der Vögel dicht an mir vorüberflog und ich den schlanken, lackrot gefärbten Schnabel sah, wurde mir klar, dass das Alpenkrähen waren.

Lifer!

In dieser südwestlichsten Ecke Kontinentaleuropas sah ich viele Surfer sowie so Aussteigertypen, die wahrscheinlich wie Kolumbus  in die falsche Richtung gefahren sind und so niemals Goa sehen werden.













Das Schwarzkehlchen ist nicht nur im Westen der Algarve ein echter Massenartikel:

Stonechat

Hier noch ein Häuschen oberhalb von Sagres im Abendlicht:


Ganz rechts im Dunst kann man soeben das Dach der Algarve, den Fóia, erkennen, den ich aber erst in der zweiten Woche besuchte.

Meine sehr westlich gelegene Unterkunft wählte ich auch deshalb aus, weil zwei der von mir gesuchten Schlangenarten im unmittelbaren Küstenbereich bei Carrapateira vorkommen sollten. Ich hatte vor, dort sehr viel Zeit zu verbringen, um diese beiden Arten auch tatsächlich zu finden, doch die Steine, die dort herumlagen, hatten irgendwie alle die knubblige Form einer Haake-Beck-Pulle, waren nicht flach genug und somit eher ungeeignet als Versteck für Schlangen. Mehrere Male war ich dort, doch jedesmal ohne jeglichen Erfolg.

Die Landschaft dort aber war nicht weniger imposant als am Cabo. Siebzig Meter hohe Steilklippen, die majestätisch auf einen mal tosenden, mal aalglatten Atlantik herabblicken, brachten mich zum Staunen:



Sehr windig war es dort eigentlich immer, doch im Osten der Algarve herrschte meist eher Flaute. Immerhin aber war es so, dass der Wind auch in anderen Gebieten gegen Abend stetig zunahm.

Für Angler, die im Leben ohne Höhenangst auskommen, ein Paradies:

Hier steht ein weiterer unmittelbar am Abgrund:

Der Strand in Carrapateira war wie viele andere auch beinahe menschenleer. Im April geht es im Süden Portugals noch recht beschaulich zu. Platz genug also für ruhende Mittelmeermöwen:

Yellow-legged Gull

Hier zwei aus geringerer Distanz:


Auch in Carrapateira sah man Surfer in großer Zahl,...

...doch was waren das noch für Zeiten, als sie in bunt bemalten Bullis unterwegs waren. Anscheinend schreitet auch bei ihnen die Entwicklung immer rasanter voran! Wohl eine Folge des sozialen Aufstiegs.

Abschließend noch drei Bilder, die die Schönheit des Gebietes belegen können:

Die See kochte!

Weil sich für mich dort aber nichts ergeben wollte, fuhr ich zurück in Richtung Vila do Bispo. Etwa auf halber Strecke entdeckte ich eine Ruine am Straßenrand und dahinter einen Teich, der untersucht werden wollte:

This pond was habitat of Viperine Snake, Mediterranen Tree Frog, Perez's Frog and Iberian Ribbed Newt

Na ja, der englische Untertitel nimmt es vorweg. An diesem Gewässer fand ich endlich meine erste Schlange, die Vipernatter:

Viperine Snake

Da war ich erst einmal beruhigt, hatte ich doch schon befürchtet, komplett leer auszugehen:



Und der erste und einzige Mittelmeerlaubfrosch dieser Reise sollte folgen:

Mediterranean Tree Frog

Ich hatte ihn sehr viel häufiger erwartet, doch da wurde mir schnell der Wind aus den Segeln genommen:


Zu allem Überfluss fand ich noch in einem steinernen Trog am Ufer des Tümpels die Larven des Spanischen Rippenmolchs:

Iberian Ribbed Newt (larvae)

Etwa dreißig Individuen hielten sich dort auf dem Grund des Beckens auf:

Michael Fahrbach aus Hohenlohe (Baden-Württemberg) war so freundlich, die Tiere für mich zu bestimmen, weil ich nichts über Molchlarven weiß. Danke!

Wie die Eltern in diesen Trog hineingelangen konnten, blieb mir allerdings ein Rätsel, waren doch die Wände alles andere als ebenerdig. Vielleicht aber sind sie die Brombeerranken hochgeklettert. Noch wahrscheinlicher ist, dass der Wasserstand des angrenzenden Teiches mal ein anderer war:

Danach bekam ich Hunger. Ich düste also zum Einkaufen nach Vila do Bispo. Hier der Wasserturm des kleinen Städtchens:

Vila do Bispo, water tower

Die Leute aus der aus Sicht eines VfLers verbotenen Stadt (Bielefeld, blauer Bulli) machten es richtig; nach der Pensionierung ging es auf eine längere Reise! Lidl hingegen war an der Algarve omnipräsent, und die Backwaren dort waren nicht zu toppen. Ein fester Termin eines jeden Tages, wenn man so will. Meist aber kaufte ich meine Fressalien im Lidl von Lagos ein, ohne jedoch einheimische Geschäfte zu vernachlässigen.

Nach diesem Anfangserfolg begann ich nun, die weitere Umgebung meines Hotels zu erkunden. Auf dem Weg vom Flughafen dorthin hatte ich ein Storchennest direkt am Straßenrand und in etwa nur zwei Metern Höhe entdeckt. An der N 125 in Odiáxere, wo sie Publikum gewohnt waren:

White Stork

Am frühen Morgen war immer Wachablösung. Vor allem dann konnte man beide Altvögel gleichzeitig auf dem Nest stehen sehen:


Nach einem kurzen gemeinsamen Putzen und ein paar ausgetauschten Zärtlichkeiten setzte sich der ablösende Vogel aufs Gelege, während der andere das Nest zwecks Nahrungssuche verließ. Nur einmal sah ich beide Vögel davonfliegen, weil ein kleiner Traktor unmittelbar am Nest vorbeifuhr:

Die Iberische Halbinsel ist echtes Weißstorchland! Sie sind wirklich überall! Und angesichts des Nahrungsangebotes verwundert das auch nicht. In der näheren Umgebung dieses Horstes gab es noch sechs weitere!

Hier der nächste:















Ebenfalls in Odiáxere befanden sich so seltsame Teiche, deren Sinn sich mir nicht so wirklich erschließen wollte. Fische jedenfalls konnte ich dort nicht entdecken:

Sie erinnerten mich ein bisschen an die Rieselfelder in Münster, nur eben in klein, doch vogelmäßig war dort nie wirklich was los. Flussuferläufer, Grünschenkel, Flussregenpfeifer waren immer nur einzeln anwesend, dafür aber brüteten dort zehn Paare des Stelzenläufers:

Common Stilt

Ein Kuhreiher hatte den Anschluss an seine Kollegen verloren und stand völlig verloren auf einem Haus herum:


Cattle Egret

Und der Vogel mit dem vielleicht nervigsten Gesang, der Cistensänger, putzte sich hier in der Morgensonne, nachdem er vielleicht zuvor ein Bad genommen hatte:

Zitting Cisticola

Eine obligatorische Ruine stand auch hier in der prallen Sonne:

Eine Schlange fand ich dort nicht. In der Zwischenzeit aber hatte ich eine überfahrene Treppennatter ganz in der Nähe entdeckt, die allerdings aus fotografischer Sicht nichts mehr hergeben wollte, war sie doch schon lange tot. Immerhin spendete sie mir Hoffnung!

Auch das Chamäleon schwirrte in meinem Hirn herum. Meia Praia, ein Strand bei Lagos, schien mir als Lebensraum geeignet, doch wusste ich nichts über die tatsächliche Verbreitungsgrenze der Art im Westen der Algarve. Ich suchte und suchte, fand aber leider nichts. Stattdessen  sah ich dort diese Rasselbande am Strand:


Zwar trugen zwei der Hunde ein Halsband, doch sicher bin ich mir nicht, ob sie auch wirklich ein Herrchen besaßen. Eher glaube ich, dass sie sich das Halsband selber umgelegt hatten, um den Makel des Streuners loszuwerden.

Sie sahen ein wenig so aus wie Dingos mit Schlappohren:

Dieser Hund hier hatte ein Herrchen (im Hintergrund Lagos)!

Strandvegetation:

Unweit des Strandes, auf einem Hügel, stand diese Ruine:

Ich wälzte mal wieder gefühlte tausend Steine, doch ein weiteres Mal ging ich leer aus.

Ich setzte mich in mein Auto und studierte die Karte, während ich gleichzeitig einen Rotkopfwürger beobachtete, der auf einer Telefonleitung am Ortsrand, etwa 250 Meter von mir entfernt, Fluginsekten fing. Zwei Typen, beide mit einem Gewehr in der Hand, kamen den Hang herunter und gingen genau in die Richtung des Vogels. Sie stiegen eine Treppe zu einer Wohnung hinauf, waren jetzt nur noch 20 Meter vom Würger entfernt, doch sehen konnte ich die beiden nicht mehr, weil mir jetzt ein Busch die Sicht versperrte. Ich befürchtete Schlimmstes! Flieg, du blöder Vogel, gib Gas, doch der Rotkopfwürger zeigte sich leider wenig ängstlich, hatte er sein Revier doch im Siedlungsbreich bezogen. Ein trockener Doppelknall ertönte, und das eben noch quicklebendige Tier taumelte zu Boden! Wut stieg in mir auf, Fassungslosigkeit. Ich bin nicht naiv, weiß, dass die Jagd auf Zugvögel rund ums Mittelmeer weit verbreitet ist, doch die Tatsache, dass ich das Böse auf den Würger hatte zukommen sehen, ließ mich frösteln. Es waren ja keine Menschen, die vielleicht wie jene in manchen Ländern Afrikas auf wichtige zusätzliche Proteine angewiesen waren; die beiden jagten einfach nur so zum Zeitvertreib.

Ein Gleitaar, der wenig später über dem Hügel rüttelte, hatte nun aber nichts mehr zu befürchten, war die Jagd für diesen Morgen doch beendet:

Black-winged Kite

Und auch diese Blauelstern nicht:





Azure-winged Magpie

Ich startete den Motor und fuhr woanders hin. Eine weitere Ruine bot mir die Chance, interessante Tiere zu entdecken, ohne dass ich die soeben erlebte Tragödie aus meinem Hirn verbannen konnte; diese Szenen sollten mich auch noch in den folgenden Tagen beschäftigen.

Viele Bretter und Steine lagen dort herum, und auf der Rückseite wuchsen diese Pflanzen:

Es sind junge Feigen, die sich durch ein Kakteendickicht ans Licht kämpfen. Genau so ein Bild musste der seinerzeit amtierende Gott, der ein Ostfriese war, Adam unter die Nase gehalten haben, nachdem er ihn wenige Minuten zuvor geschaffen hatte. Er fragte ihn also in Bezug auf das Bild: "Du hest de Waal. Wat wullt du antrekken?" Na ja, wir wissen ja alle, dass sich Adam nicht für die Stacheln entschieden hat.

Unter einem Brett fand ich einen Mauergecko:


Common Wall Gecko

Und darüber hinaus auch noch eine Erdkröte:

Common Toad

Weitere Bilder dieser Hütte aus einer anderen Perspektive:

Ein einsamer Olivenbaum stand dort auch:

Und die lila Blumen sind wohl ein Natterkopf:

Echium spec.

Hübsch!

Ein Blütenmeer:

Ein weiterer Mauergecko sonnte sich dort am frühen Abend:

Common Wall Gecko

Diese Schaf-, Kuh- und Ziegenhirten sahen ihn nicht:

Und auch dieser Distelfalter blieb ihnen verwehrt:

Painted Lady

Mein Mietauto vor einem anderen Anwesen, das unter anderem auch von Rötelschwalben bewohnt wurde: 



Aldi gab es natürlich auch, doch im Vergleich mit Lidl schnitt der Konkurrent sehr schlecht ab. Es sah da einfach nur billig und schäbig aus. Und selbst die vertrockneten Topfpflanzen nahm man dort nicht aus dem Sortiment:


Aldi Nord im tiefen Süden, wenn man so will. Auffällig war, dass sowohl bei Aldi als auch bei Lidl die Kassiererinnen fast immer im Stehen arbeiteten. Eine Vorgabe der Geschäftsführung? Und wenn ja, warum? In Deutschland zumindest konnte ich das noch nie sehen.

In einem einheimischen Supermarkt (Intermarché) war das Sortiment an Meeresfrüchten sehr reichhaltig:



Geile Glubschaugen! Der Atlantik südlich und westlich Portugals scheint in dieser Hinsicht einiges zu bieten.

Ach ja, Spar gab es auch noch:

In Lagos musste ich immer sechs Kreisverkehre bewältigen, um die Stadt zu durchqueren. In einem befand sich ein Brunnen, den die Mittelmeermöwen zum Trinken und Baden nutzten. Doch zeigten sie sich überraschend scheu, wenn man sich mit einem Teleobjektiv in Position brachte, während sie sich nicht um die sie umkreisenden Autos kümmerten.

Ein bekanntes Phänomen:

Yellow-legged Gull

Unweit der Strandpromenade Lagos':

Ein beschauliches Flusstal im Hinterland von Odiáxere war dann in den nächsten Tagen mein Ziel. Ich konnte mir dort die Stülpnasenotter sehr gut vorstellen, doch auch andere Kreaturen sollten sich an einem so hübschen Ort wohlfühlen, so dachte ich jedenfalls.

Auf dem Weg dorthin lag eine tote Eidechsennatter auf der Straße, die erste und einzige dieser Reise:

Montpellier Snake

Im Tal sah es so aus:

Stream valley near Odiáxere

Tamarisken und Oleander begleiteten den Fluss.

Schon bei meiner Ankunft vernahm ich ein Konzert des Iberischen Wasserfrosches, dessen Rufe zum Teil noch gestückelter wirken als jene des Seefrosches:

Perez's Frog

Ansonsten sahen sie auch nicht sehr viel anders aus als Grünfrösche in anderen Teilen Europas:

Die drei Bilder zeigen denselben Frosch:

Ein anderes Individuum:

Süchst du mi?


Atmen muss sein, der Frosch tauchte auf:

Süchst du mi (Teil 2, Plattdüütsch für "Siehst du mich?"):

Viperine Snake

Das war die erst zweite Schlange dieser Reise! Wieder sollte es eine Vipernatter sein, die hier auf der Pirsch war. Ob die Frösche die Gefahr kommen sahen?

Eine weitere fand ich unter einem flachen Stein:

Another specimen

Vipernattern können auch innerhalb einer lokalen Population sehr variabel gefärbt und gezeichnet sein! Von kaum einer anderen Schlangenart ist mir das bekannt, vielleicht noch von der nah verwandten Würfelnatter:


Ich setzte sie zurück ins Wasser, wo ich sie aber gar nicht gefunden hatte:

Ein attraktives Tier:

Die wohl fetteste Erdkröte meines Lebens, die "Fette Elke", sollte mir dort auch begegnen:

Common Toad

Beide Hände waren erforderlich, um diese Kaventsfrau unter Kontrolle zu bringen:

Die den Fluss umgebenden Flächen waren auch in anderer Hinsicht sehr interessant, geradezu spannend. Die Natur weiß eben, wie man den Frank bei Laune halten kann.

Hier zum Beispiel ein Scheckenfalter, der der Gattung Euphydryas angehören sollte:

Checkerspot (genus Euphydryas)

Ein Waldbrettspiel:

Speckled Wood

Und auch der Mauerfuchs durfte natürlich nicht fehlen:

Wall Brown

Während das Waldbrettspiel auch in Ostfriesland nach wie vor eine häufige Erscheinung ist, hat der Mauerfuchs hier in den vergangenen Jahrzehnten wohl sehr stark im Bestand abgenommen. Vor vier Jahren konnte ich ihn noch in diversen Sandgruben bei Aurich nachweisen. Ob er dort noch vorkommt?

Ein Wollschweber wartete auf den Sonnenaufgang:


(Large) Bee-fly

Die folgende Pflanze ist im westlichen Mittelmeerraum sehr häufig. Und diese Pflanze ist bestimmt schon millionenfach fotografiert worden. Doch bis zuletzt noch nie von mir. Das konnte ich endlich ändern, der Schopflavendel  ist nun ein Teil meines fotografischen Lebens:


French Lavender

Unter vielen Steinen lungerten lichtscheue Gelbe Skorpione herum, die ich aber nur in der ersten Woche finden konnte. Eines dieser Tiere fotografierte ich aus verschiedenen Perspektiven:

Common Yellow Skorpion

Und wie es sich gehört, stand auch hier, oberhalb des Flüsschens, eine beschauliche Ruine am Hang:

Die weißen Blüten in Vorder- und Hintergrund sind jene der Lack-Zistrose, die an der Algarve sehr häufig ist.

Nachdem ich all diese tollen Tiere und Pflanzen im Kasten hatte, fuhr ich zurück zum Hotel, doch auf dem Weg dorthin musste ich noch einmal einen Halt einlegen. Ein Spanischer Rippenmolch lag da auf dem Asphalt:

































Spanish Ribbed Newt

Knapp eine Woche hatte ich nun hinter mir, doch bis auf drei Vipernattern und eine tote Eidechsennatter hatte ich bis dahin leider keine weiteren Schlangenarten gesehen. Acht davon kann man mit etwas Glück an der portugiesischen Südküste entdecken, nicht viel im Vergleich mit zum Beispiel dem Süden der Türkei, aber immer noch mehr als in Deutschland. Zwei Arten, Hufeisennatter und Treppennnatter, hatte ich fest eingeplant, doch stellte sich das Auffinden dieser von mir so begehrten Spezies als sehr viel komplizierter heraus, als ich es mir in meiner Naivität im Vorfeld dieser Reise ausgemalt hatte.

Andere Gebiete mussten her, denn an jenen Orten um Luz und Lagos wollte sich das Glück einfach nicht einstellen. Das hässliche Quarteira war nun mein Ziel, auch deshalb, weil ich dort vor zwanzig Jahren das Europäische Chamäleon gefunden hatte. Dort, das wusste ich also, konnte ich mit ihm rechnen. Insgesamt fuhr ich an fünf Tagen dorthin. Und diese Tage sollten mir das verdiente Glück bringen!

Es ging für mich also nach Osten, an Portimão vorbei, wo man diese Brücke überqueren muss:

Bridge over Rio Arade

Auf der linken Spitze des vorderen Pylons kann man soeben etwas nach links überragen sehen. Es handelt sich dabei um ein an einem ganz exklusiven Ort errichtetes Storchennest, das auch besetzt war!

Diese imposante Brücke führt den Reisenden über das Mündungsgebiet des Rio Arade, das in Teilen so ausschaut:

Im Hintergrund kann man die Stadt erkennen, die in etwa die Größe Emdens hat, aber im Vergleich mit ihm viel wuchtiger und großstädtischer wirkt.

Im Hintergrund ist wieder der Fóia zu erkennen. Und auf dem folgenden Bild die Brücke der meist leeren Autobahn:

Die Gewässer dort sind natürlich schon dem Einfluss der Tide unterworfen. Bei Niedrigwasser sah ich dort immer viele Menschen in den Watten, die ganz offensichtlich nach Muscheln suchten.

Bei Albufeira fand ich wieder einen Hügel, der mit seinen vielen Legesteinmauern viel zu versprechen schien:









Ein gelber Schmetterlingsblüter (Stechginster?):































Gorse?





























Doch bis auf den Europäischen Halbfinger fand ich dort nichts. Der allerdings versteckte sich dort unter jedem zweiten Stein:







Mediterranean House Gecko

Im Portrait:

Und eine Haubenlerche konnte ich dort auch noch fotografieren:

Crested Lark

Diese Art war früher auch im Kreis Osnabrück und im angrenzenden Westfalen eine geläufige Erscheinung. Und auf dem Dach meiner Schule brütetete sie, wie auch auf den Dächern vieler anderer Schulen und Supermärkte. Während des Unterrichts konnte man sie dann auf dem Schulhof herumlaufen und nach Nahrung suchen sehen, was sehr viel interessanter war als das, was der retardierte Geschichtslehrer, Herr Kötter, da an die Tafel schrieb.

Doch ist Deutschland inzwischen nicht mehr "dreckig" genug für diesen Vogel, und so steht er heute für einen der dramatischsten Bestandseinbrüche innerhalb einer dramatisch kurzen Zeit, wie man sie zuvor selten erleben konnte. Im Osten der Republik kommt die Haubenlerche allerdings stellenweise noch recht häufig vor, doch auch dort gehen die Zahlen inzwischen stark zurück, weil der Osten jetzt zum Westen gehört. In Südeuropa hat die Haubenlerche dieses traurige Schicksal aber noch nicht ereilt.

Taubenkropf?

Eine weitere Lichtnelke:

Borretsch mit Dreitagebart:

Borage

Und ich begegnete dem Algerischen Sandläufer, den ich nahezu überall sah, in unterschiedlichsten Habitaten, doch zu meiner großen Überraschung nie in großer Zahl, wie ich es eigentlich erwartet hatte:

Large Psammodromus

Eine Agave an der Algarve:





























Wie die allerorten wachsenden Opuntien stammt auch diese Pflanze aus der Neuen Welt. Vielleicht haben sie die stolzen portugiesischen Seefahrer mitgebracht und in Portugal angesiedelt.

Ich setzte meine Fahrt nach Quarteira fort und kam auch irgendwann dort an. Vieles hat sich dort verändert, auch in Fonte Santa, das damals nur aus wenigen Häusern bestand. Die Hütte, in der wir vor zwanzig Jahren wohnten, konnte ich nicht mehr ausfindig machen, doch vielleicht hat man sie in der Zwischenzeit auch einfach abgerissen, weil diese schnell erbauten Ferienhäuser einfach nicht länger halten.  

Vilamoura, das zu Quarteira gehört, stellt ein extremes Kontrastprogramm dar; größer könnten die Unterschiede nicht sein. Auf der einen Seite prollige Bettenburgen ohne Ende, auf der anderen sterile Villen ohne Charakter und gestutzte Rasenflächen, die von Palmen beschattet werden. Für meinen Geschmack sind beide Varianten unschön. Sie tun sich nichts. Und wenn man wirklich attraktive Ortschaften sehen möchte, dann muss man sich die Mühe machen, das Hinterland zu erkunden. Loulé zum Beispiel, Silves oder kleinere Bergstädtchen wie Monchique am Hang des Fóia haben da deutlich mehr zu bieten, wenngleich auch viele Orte an der Küste im Besitz wirklich hübscher Altstädte sind, in deren engen Gassen man sich verfahren oder verlaufen kann.

Es sollte wieder einmal eine Ruine sein, die mein Interesse weckte. Sie stand am Rande eines Feuchtgebietes östlich der Stadt, unmittelbar am Schilfgürtel:






Unbekannte Künstler haben ihre Spuren an den Wänden hinterlassen:

Ich fand die Bilder von diesen Fantasiegestalten wirklich ansprechend und cool, würde sie mir auch ins Wohnzimmer hängen, doch erschien es mir unmöglich, die bemalten Steine gut sortiert nach Hause zu schaffen.

Vor allem dieses Bild gefiel mir wirklich sehr:

Und wenn ich auch einen Blick für dieses Artwork hatte, so verlor ich den Sinn meiner Reise nicht aus den Augen. Steine wälzen war nun einmal angesagt, und der Erfolg ließ nicht allzu lang auf sich warten:


Iberian Worm Lizard

Die Maurische Netzwühle war der erste Fund und ein viel versprechender Auftakt. Insgesamt fand ich dort gleich drei Individuen dieser zu den Doppelschleichen gehörenden Kreatur. Wenige Tage zuvor hatte ich bereits zwei auf einer Schutthalde in Portimão entdeckt.

Wenig später dann gab es wieder eine Vipernatter, ein Jungtier:




Viperine Snake

Ein Individuum mit Längsstreifen sollte folgen:

another specimen with longitudinal stripes

Ein Portrait desselben:

Und schließlich entdeckte ich ein prächtiges und großes Weibchen:





third individual

Eine echte Schönheit:

Auf den Mauern einer anderen verfallenen Hütte hatte jemand Glasscherben in Mörtel gepackt, was ich lustig und kreativ fand:

Am Strand:

Die fiesen Häuser im Hintergrund sind weit entfernt, doch durch den Teleeffekt wirken sie sehr nah. Insgesamt waren nur wenige Menschen an den Stränden der Algarve unterwegs, egal, wo ich auch war, und nicht selten hatte ich einen ganzen Strand für mich allein. Da ich morgens immer sehr zeitig losfuhr (gegen fünf), wurden im Laufe des Tages meine Lider so furchtbar schwer. Und nicht selten nahm ich meine Strandmatte aus dem Wagen, um mich vorsätzlich in den warmen Sand zu legen. Zack, eingepennt! Nicht selten sogar gleich für ein paar Stunden ;-) Für den Nachmittag war ich dann aber immer gerüstet und ausgeruht, weil das doch auch erforderlich ist, wenn man so hart kämpfen muss bei der Suche nach interessantem Getier.


An einem dieser Tage in Quarteira war dort allerdings die Hölle los, weil es, wie ich später herausfinden sollte, ein nationaler Feiertag war. Ich suchte mir also eine ruhige Ecke, wo ich mir ein ganz bestimmtes Tier erhoffte:

Dieser Damm führte durch das Feuchtgebiet, unmittelbar hinter den schmalen und sehr flachen Küstendünen. Mittelmeerschilf und vor allem Tamarisken wuchsen dort. Konnte es einen besseren Ort geben für dieses unglaublich gut getarnte Geschöpf?




Habitat of...

Ich stellte meinen Rucksack ab und gleichzeitig meine Augen auf Scannermodus um. Ganz langsam schritt ich voran, jeden Augenblick damit rechnend, dass es passieren möge. Und schließlich, die Sonne stand bereits nur noch wenige Zentimeter überm Horizont, war es so weit. Da bist du ja, sagte ich leise. Endlich! Du bist ent-tarnt (bitte genau so lesen, mit einer längeren Pause zwischen den Silben). Ich grinste richtig, freute mich so sehr, dass ich das Chamäleon gefunden hatte, war ich doch in der Türkei zweimal leer ausgegangen. Und genau in diesem Augenblick des Glücks ertönten die wohlklingenden Rufe mehrerer Regenbrachvögel, die im nahen Feuchtgebiet niedergingen, um dort eine Rast einzulegen.

Das Chamäleon indes hatte sich bereits zur Nachtruhe gebettet. Man beachte die unglaublich gute Tarnung! Das Tier hat nicht nur das Grün des Laubes exakt hinbekommen, nein, es hat auch mal so eben die Fruchtstände mit eingebaut.

Eine lebende Landschaftstapete stand hier in der Tamariske:



Common Chameleon

Normalerweise bewegen sich die Augen eines Chamäleons unablässig und voneinander unabhängig, doch das auf mich gerichtete fror auf der Stelle einfach ein. Das Tier fixierte mich regelrecht. Und ich musste nun freihändig Bilder machen, denn das Stativ lag im Auto. Das schwindende Licht ließ mir leider nicht mehr die Gelegenheit, es zu holen, und so gelangen mir nur wenige scharfe Bilder. Vor zwanzig Jahren fand ich ganz in der Nähe zwei Chamäleons, ein Weibchen, ein Männchen. Eines dieser Tiere nahm ich mit zur Unterkunft. Meine damalige Freundin begutachtete es kurz und sagte dann trocken: "Franz! Wir nennen ihn Franz." Ich möchte hier nicht schreiben, wie sie auf diesen Namen kam, das tut nichts zur Sache, aber es war das Weibchen, das ich mitgenommen hatte, was sie nicht ahnen konnte. Ein paar Stunden war Franz somit unser Wohnungsgenosse, der bereitwillig ein paar Heuschrecken aß, die ich zuvor auf einer Ödfläche gesucht hatte. Dann entließ ich das Tier wieder in die Freiheit.

Erwähnenswert ist vielleicht noch, dass das andere Tier damals in einem ausgetrockneten Busch stand, mit wenigen braunen Blättern ausgestattet, doch das Chamäleon war gerade leuchtend grasgrün, sodass ich es schon aus großer Distanz erkennen konnte.

Nach diesem Fund war ich noch dreimal in Quarteira, um vielleicht ein weiteres oder einfach dasselbe Chamäleon zu finden, doch es blieb stets ein aussichtsloses Unterfangen. Dafür aber gelangen mir schöne Bilder von einem Gelbling, dessen Artzugehörigkeit ich nur vermuten kann, zumal diese Gattung sehr kompliziert ist und selbst Spezialisten zeitweilig Schwierigkeiten haben, die einzelnen Arten anhand eines Fotos zu unterscheiden. Bei Imagines ist bisweilen nur der Flügelschnitt ein Unterscheidungsmerkmal.

Ich hau's trotzdem einfach mal raus. Die Bilder zeigen sehr wahrscheinlich einen männlichen Postillon (eigentlich zwei), dem ich vor ganz vielen Jahren auch schon mal in Bramsche begegnet war:

Clouded Yellow

An den Blättern einer Mittagsblume:


Und schließlich nach Sonnenuntergang:

Farblich sehr gut aufeinander abgestimmt - Blume und Falter!

Die Ruine aber sollte noch weitere Überraschungen für mich bereithalten:

Ladder Snake

Diese etwa eineinhalb Jahre alte Treppennatter (der englische Name passt besser) trägt noch das Jugendkleid. Ich fand sie unter einem Brett neben der Ruinenmauer, und sie ließ sich völlig gelassen aufheben, biss nicht zu, obwohl man in der Literatur immer wieder auf das wilde Temperament dieser Kletternatter stößt:

Immer dasselbe Tier:

Ist sie nicht süß:

Und das neue Titelbild dieser Seite hat es ja eigentlich schon vorweggenommen; die äußerst attraktiv gezeichnete Hufeisennatter kam am Ende zu allem Überfluss auch noch dazu. Gleich zwei vorjährige Tiere zusammen fand ich unter einem Stein, der auf einem anderen lag.

Schlange eins:





Horseshoe Whip Snake

Die beiden Individuen sahen so dermaßen geil aus, dass ich, sorry, ich kann es mir nicht verkneifen, fast eine Erektion bekam ;-)

Und noch ein Bild:

Tier zwei, vielleicht waren es Geschwister, war genauso hübsch:

Second individual

Tiefer mit der Linse:

Es war ganz schön schwierig, die äußerst flinken Tiere mit einer Hand zu fangen, musste ich doch mit der anderen den Stein festhalten. Die Haut an den Fingerknöcheln der Fanghand war am Ende etwas lädiert. Eigentlich war sie sogar weg:

Nur noch zwei weitere Schlangenarten sollten mir in Portugal begegnen, eine davon ganz in der Nähe, doch hier an der Ruine gab es vorher noch eine Zugabe:


Common Wall Gecko

Am späten Abend schließlich fotografierte ich noch eine Frühe Heidelibelle, die dort zusammen mit einigen frischen Feuerlibellen umherschwirrte:


Red-veined Darter

Beide früher ausschließlich im warmen Süden vorkommenden Arten besuchen inzwischen auch alljährlich Norddeutschland und auch Emden.

Ein Stubentiger genießt die wohlige Wärme am Abend:


Feral Cat

Wenn verfallene Häuser, die so unglaublich interessant sind, noch ein Dach besaßen, dann konnte man davon ausgehen, dort das Nest der Rötelschwalbe zu finden.

Hier ein halbfertiges:

Der Vogel dazu (mit einer Rauchschwalbe unscharf im Vordergrund) beim Besuch des Baumarktes:

Red-rumped Swallow

Hübsche Fliesen am Eingang eines Hauses:

Ein Hund, der ganz tief bellte und wohl unangenehmen Besuch fernhalten sollte:

Die fünfte Schlangenart, die mir als nächste vor die Linse kriechen sollte, war eine echte Überraschung. Diese zum Teil noch mit Moniereisen in Verbindung stehenden Betonbrocken verhießen den wirklich verdienten Lohn meiner anstrengenden Suche:

Der unterste große Brocken in der Bildmitte war es wohl. Ich hob ihn an, sah nichts, ließ ihn wieder runter. Mein Hirn aber schlug Alarm und sagte mir, dass ich nicht richtig geschaut hatte und dort sehr wohl eine großartige Überraschung auf mich wartete. Und so legte ich ein weiteres Mal Hand an. Tatsächlich entdeckte ich da den kleinen Teil der Körpermitte einer Schlange, der mich zeichnungstechnisch an die Schlingnatter erinnerte. Girondica, dachte ich entsprechend, doch als ich das Tier aus dem Sand zog, war die Überraschung groß:

False Smooth Snake

Der englische Name ist gut gewählt! Die Kapuzennatter kann auf den ersten Blick tatsächlich für eine Schlingnatter gehalten werden, doch insbesondere die Mundpartie weicht in der Form deutlich ab. 

Von oben:

In Carrapateira hatte ich sie erwartet, doch am Ende fand ich sie in der Nähe von Quarteira!

Closer:

Und ein Portrait:

Der Lebensraum dieser heimlichen Schlange war ein Pinienwald auf sandigem Boden, der unmittelbar an das erwähnte Feuchtgebiet angrenzte. Ein Strandrestaurant war übrigens auch nicht weit:

Pine Forrest - habitat of False Smooth Snake

Das also war das hässliche Quarteira, das mir am Ende doch so viel zeigen konnte.

Blieb für mich zum Schluss nur noch das Dach der Algarve, die Serra de Monchique mit ihrem höchsten Berg, dem Fóia, der mit seinen 902 Metern eine passable Aussicht auf die Landschaft der Algarve bot und mich mit seinen Radaranlagen und Sendemasten an den Brocken erinnerte, auf dem ich allerdings noch nie gewesen bin.

Bis nach Sagres konnte man von dort aus sehen! Ich weiß überhaupt nicht, warum ich den Besuch dieses Berges immer wieder aufgeschoben hatte, doch nachdem ich ihn das erste mal erklommen hatte (mit dem Auto), ließ er mich nicht wieder los.

Will man den Fóia erkunden, kommt man an der Basisstation Monchique nicht vorbei:


Old town of Monchique

Das Städtchen kann einen mit seinen engen Gassen und den unzähligen Einbahnstraßen zur Weißglut bringen, aber ich konnte ihm das nachsehen, weil es so pittoresk am Hang des Berges liegt und mein Auge mit seinen hübschen Häusern einfach begeisterte. Viele Touristen sah ich dort, sogar Japaner, doch stets erst dann, wenn es für mich zurück zum Hotel nach Luz ging. Am frühen Morgen, wenn ich ankam, war dort nie wirklich was los.

Der zentrale Platz, der gleichzeitig Straße war:


Vom Gipfel des Fóia hinabgeschaut in die weite Serra:

Auf dem Dach:

Knapp unterhalb:

An einem Tag lag die Kuppe auch im Nebel, was aber eigentlich sehr häufig vorkommen soll:

Meist aber war es sonnig:

Zum Teil wenigstens:

Affodill blühte da im Vordergrund, eine hübsche Blume, die aber keine anderen Pflanzen neben sich zu dulden scheint:

Asphodelus

Ein weiteres Mal war ich als Immobilienhai unterwegs, weil die Preise im Süden nach wie vor unwiderstehlich sind. Insgesamt kaufte ich diesmal vierzig Häuser, die allesamt so aussahen wie das folgende:

Gut, das Dach müsste schon gemacht werden...

Mal ehrlich, in Deutschland würden sich die Anwohner wohl so lange über dieses Chaos aufregen, bis der Besitzer ein Abriss- und Fuhrunternehmen beauftragt. Hier aber, in Portugal, darf alles einfach verrotten. Viele Tiere nehmen solche Angebote dankend an.

Blaumerlen sah ich dort, Provencegrasmücken und eben auch die Zippammer:


Rock Bunting

Callophrys rubi oder doch eher avis war rund um den Gipfel eine sehr häufige Falterart:

Callophrys rubi or avis

Tritt man eine Reise eher unvorbereitet an, dann ist die Erwartungshaltung nicht ganz so hoch. Nicht einmal Bücher hatte ich dabei, weil sie so schwer sind. Trotzdem wusste ich von der Existenz des folgenden Tieres in der Serra de Monchique, doch hatte ich es nie im Visier.

Umso größer war die Überraschung, als dieser Feuersalamander am Spätnachmittag einen Bergbach durchquerte:

Fire Salamander

Ein Portrait:
































Auf frisches Grün und austreibende Bäume hatte ich vor meiner Reise nach Portugal in Deutschland vergeblich gewartet, obwohl es doch schon Mitte April war. An den Hängen des Fóia erlebte ich den Frühling dann doch noch:






























Doch ist nicht alles erwünscht, was grün ist:






























Eucalyptus wood

Wer auch immer den Eukalyptus nach Europa gebracht haben mag, konnte wohl nicht die heftigen Folgen für einheimische Pflanzen und Tiere absehen. Diese sehr schnellwüchsigen Bäume tragen dazu bei, dass der Boden bis in große Tiefen austrocknet. Darüber hinaus erhöhen sie mit ihren ätherischen Ölen die Waldbrandgefahr. In der Serra de Monchique sind Eukalyptuswälder leider ein gewohntes Bild. Und es wird auch in der Zukunft kaum möglich sein, diesen Einwanderer in Schach zu halten.

Doch es gibt zum Glück auch noch schöne Korkeichenwälder an den Hängen des Fóia:

Cork Oak

Hier mal ein besonders knorriges Exemplar:


Southern Smooth Snake

Diese sechste Schlangenart meiner Reise fand ich tot auf der Straße, irgendwo zwischen der Bergkuppe und Monchique. Doch das war nur für die Schlange schlimm, denn bereits am Vortag hatte ich eine lebende Girondische Glattnatter fast an derselben Stelle gefunden. Nach Sonnenuntergang hatte ich den Gipfel verlassen und war hinuntergefahren, und da lag sie auf der Straße, bei nur 13 Grad Celsius:































Im Vergleich mit der Schlingnatter fiel mir auf den ersten Blick die spitzere Mundpartie auf (von der Seite betrachtet), und auch die insgesamt schlankere Gestalt unterschied sie von der mitteleuropäischen Verwandten.
































Die Art ist dämmerungs- und nachtaktiv, doch bei so niedrigen Temperaturen hätte ich sie nicht erwartet!





























Wenige Meter weiter dinierte dieser Igel an einer überfahrenen Erdkröte:




Hedgehog

Ich trug ihn von der gefährlichen Straße, schimpfte auch ein wenig mit ihm, weil er doch sein Leben so leichtfertig aufs Spiel gesetzt hatte.

Lebensraum von Igel und Girondischer Glattnatter zwischen Bergkuppe und Monchique:

habitat of Southern Smooth Snake

An einem anderen Tag sollte es dann auch noch mit der Perleidechse klappen. Ein vorjähriges Tier lag unter einem flachen Stein im Schatten der Radarstation:

Ocellated Lizard

Das war schon schön, denn wenige Tage zuvor und am selben Ort hatte ich bereits eine vernichtende Niederlage einstecken müssen. Unter einem flachen Stein fand ich eine adulte Perleidechse, die mir aber trotz der niedrigen Temperaturen am frühen Morgen unbeholfen und recht langsam entkam. Ich erinnerte mich an Kaufhauserpresser Dagobert, der sich von einem Polizisten losreißen konnte, weil der auf nassem Laub ausgerutscht war (die BILD machte Hundekot daraus).

Doch jetzt der Hammer: Am nächsten Morgen wendete ich diesen Stein erneut eher halbherzig, hatte darüber hinaus keine Hand mehr frei, weil ich in meiner rechten meine Linse trug. Ich rechnete nämlich nicht damit, dass dieselbe Eidechse sich ein weiteres Mal darunter verstecken könnte, doch genau das war der Fall! Und natürlich entkam sie erneut: Niederlage Nummer zwei. Es ist schon erstaunlich, dass die Natur für so ein großes Tier auch noch ein Fluchtloch bereithält.

Das letzte Reptil auf dem Fóia war die zweite Treppennatter dieser Reise. Es war ein Jungtier aus dem Vorjahr, das sich ein Stück Blech als Versteck ausgesucht hatte:


Ladder Snake

Das war's!

Portugal war eine Reise wert. Das Wetter war klasse und vor allem nicht zu heiß, die Menschen freundlich, und am Ende bin ich wieder einmal mit dem Gefundenen zufrieden. Sicher, ich hätte mehr erreichen können, doch als Einzelkämpfer, der darüber hinaus auch noch auf Utensilien wie Kescher und was weiß ich nicht alles verzichtet, habe ich mehr auf die Reihe kriegen können, als ich mir zuvor erhofft hatte.  

Stülpnasenotter und Ringelnatter blieben mir leider vorenthalten, und vor allem im Zusammenhang mit letzterer würde mich interessieren, welche Lebensräume sie im Süden Portugals bevorzugt und ob sie wie mit der Würfelnatter auch syntop mit der Vipernatter vorkommen kann. Millionen Steine habe ich mir von unten angesehen, gefühlte viertausend Bretter gewendet, ich habe mir vom stacheligen Gesträuch und vom steinigen Boden unzählige Wunden zugezogen, die auch jetzt noch nicht komplett verheilt sind. Aber all das ist nicht nur in Kauf zu nehmen, nein, es ist erwünscht, weil es einfach dazu gehört. Nie Langeweile, immer knisternde Spannung, und dieser positive Stress, der einen sogar die Arbeit vergessen lässt, von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang: So sieht für mich ein erholsamer Urlaub aus!

Als Belohnung durfte ich dann am Ende meinen feisten Körper ins kühle Nass eintauchen und den Vipernattern und Grünfröschen Gesellschaft leisten:


Das letzte Bild dieses Reiseberichtes habe ich mit dem geliebten IrfanView in Graustufen umgewandelt, weil Schwarz-Weiß-Fotografie sofort und automatisch auch Kunst ist! Es soll die abschließende Frage beantworten:

Welche Seite im Kosmos ist die schönste, die informativste und einfach die geilste?


Pretty Portuguese woman goes top model

So soll es sein. Amen und:

Obrigado, Portugal!