Dienstag, 20. August 2013

Ein Besuch in Tergast

Bereits vor meinem Umzug nach Ostfriesland waren mir viele Gebiete in und um Emden "gut" bekannt. Allerdings nur namentlich, denn seit über zwanzig Jahren beziehe ich die naturkundlichen Hefte von Klaus Rettig (Emden).

Nach meinem Umzug war es schon irgendwie komisch für mich, die in seinen Broschüren genannten und in der Regel durch ihren reichen faunistischen und floristischen Wert besonderen Ecken hier in und um Emden nacheinander abzuklappern, wenngleich das bis auf diese Ausnahme nie gezielt geschah.



Die von Klaus Rettig so oft erwähnte Magerwiese in Tergast hingegen musste recht lange auf mich warten. Vor allem auch deshalb, weil die Hauptattraktion dort längst verschwunden ist. Die letzten Skabiosen-Scheckenfalter wohl ganz Ostfrieslands verließen das Gebiet nämlich bereits in den achtziger Jahren, doch die Futterpflanze der Raupe dieses ungemein attraktiven Falters kann man auf der Wiese auch heute noch bestaunen, den Gewöhnlichen Teufelsabbiss:





Devil's-Bit

Die Hauptblütezeit ist längst vorüber, aber einzelne Individuen kann man auch jetzt noch antreffen. 

Eine weitere Attraktion dort ist der in großen Beständen vorkommende Lungenenzian:

Marsh Gentian

Als ich etwa elf Jahre alt war, pflückte ich auf einer Fläche am Zweigkanal Osnabrück ("In den Rotten") ein Exemplar eben dieser Art und nahm es mit nach Hause. "Hier, Mama, das ist Lungenenzian!" rief ich erfreut, doch meine Mutter glaubte mir nicht, hielt das königsblaue Blümchen für eine Glockenblume.

"Enzian, mein Junge, gibt es nur in den Bergen", meinte sie ungläubig, doch ich wusste natürlich, dass ich die Pflanze korrekt bestimmt hatte. Das Vorkommen, von dem hier die Rede ist, existiert schon seit Ewigkeiten nicht mehr, weil es von einem Bauern in einer Nacht- und Nebelaktion umgebrochen und in einen Maisacker umgewandelt wurde. Viele seltene Pflanzen und Tiere fanden seinerzeit einen völlig sinnfreien Tod.

Diese kleine Anekdote kann ich übrigens nur deshalb hier wiedergeben, weil meine Untat - alle Enzianarten sind streng geschützt - natürlich längst verjährt ist. Und mal ehrlich: Was ist schon ein kleiner Junge, der einen einzelnen Enzian pflückt, gegen einen Landwirt, der gleich ein ganzes tolles Gebiet mit einem Male für die Ewigkeit zerstört?

Ein weiteres Bild dieser Kostbarkeit:

Übrigens gefallen mir die Blüten dieser Rarität am besten, wenn sie noch nicht geöffnet sind. Und am frühen Morgen, vor Sonnenaufgang, sind sie grundsätzlich geschlossen.

Am Tage sehen die Blüten so aus, aufgenommen mit meiner Knipse:

Eine Schwebfliege machte die ersten Dehnübungen des soeben angebrochenen Tages:

Hoverfly spec.

Ich fand Sumpf-Läusekraut, ohne jedoch Bilder davon zu machen. 

Und ich begegnete Heidelibellen, die ich nicht bis auf Artniveau bestimmen kann, weil ich sie aus der falschen Perspektive abgelichtet habe. Da die Beine einen gelblichen Längsstreifen haben, auffällige Flügelzeichnungen aber gleichzeitig fehlen, kann es sich nur um die Große oder aber die Gemeine Heidelibelle handeln:

Either Vagrant Darter or Common Darter

Nun weiß ich aber nicht, welche der beiden Arten hier in Norddeutschland fliegt, aber ich meine, es ist die Gemeine...

Noch eine:

Die Wiese vor Sonnenaufgang:

Diese Fläche hat was von einem völlig isolierten Reservat, denn die umliegenden Weiden werden intensiv bewirtschaftet. Und weil ich nicht eine einzige Wespenspinne fand, gehe ich davon aus, dass die Magerwiese alljährlich im Herbst gemäht wird.

Ein Hahnenfuß auf einer herkömmlich bewirtschafteten Fläche nebenan:

Buttercup spec.

Und eine große Vierfleckkreuzspinne:

Four-spot Orb-weaver

Die hier gezeigten Bilder (auch die folgenden) sind allesamt schon mindestens zwei Wochen alt. Und eigentlich wollte ich weitere und vor allem bessere in Tergast machen, doch fehlen mir im Moment leider sowohl die Zeit als auch die notwendige Ruhe.

Diese Elster fotografierte Sabine Baum im eigenen Garten in Hinte:


Magpie (Photo: Sabine Baum/Hinte)

Als Elster sollte man sich jedem Menschen gegenüber eher misstrauisch verhalten, weil die meisten Menschen Elstern eher unsympathisch finden. Dieser junge Vogel aber braucht im Garten der Fotografin natürlich nichts Schlimmes zu befürchten, doch schon jenseits des Zaunes kann das wieder ganz anders aussehen!

Irgendwo in Ostfriesland entstand auch diese Aufnahme von einem wahrscheinlichen Ampfer-Purpurspanner:

assumed Lythria cruentaria (Photo: Sabine Baum/Hinte)

Hundertprozentig sicher bin ich mir in diesem speziellen Fall aber nicht, denn irgendwie ist die Zeichnung des Tieres etwas anders als bei jenen, die ich im Netz finden konnte. Und, ehrlich gesagt, mit Spannern und Spinnern kenne ich mich nicht wirklich aus ;-)

Zum Abschluss gibt es noch ein paar Bekassinen aus dem Wybelsumer Polder:


Common Snipe

"Platz da, ich laaaande!"

Das malerische Dorf Tergast liegt übrigens im Landkreis Leer, in einem Trinkwasserschutzgebiet etwa fünfzehn Kilometer östlich von Emden