Mittwoch, 23. April 2014

Kreuzotter und Ölkäfer ohne Farbe

Wenn man ausnahmsweise mal lange schlafen möchte oder es aus anderen Gründen nicht reicht, Fotos bei schönem Morgenlicht zu machen, der Zeigefinger der rechten Hand sich aber trotzdem nach einem Kameraauslöser sehnt, dann hat man immer noch die Möglichkeit, eigentlich bunte Bilder in so genannte Graustufen umzuwandeln.

Auch IrfanView, das geile und für Privatpersonen auch noch kostenlose Bildbetrachtungsprogramm mit einigen Bearbeitungsfunktionen (für mich persönlich der wichtigste österreichische Exportschlager ;-), hat einen entsprechenden Knopf. Man drückt ihn und zack: Farben wech, alles schwarz-weiß. Starke Kontraste und harte, hässliche Schatten können dann sogar den Wert einer Aufnahme steigern und sind durchaus erwünscht. Farben hingegen spielen keine Rolle mehr, sie sind in den Mittagsstunden ohnehin nicht vorhanden. Und so braucht man nicht auf Bilder zu verzichten, obwohl die verfickte Sonne senkrecht vom Himmel glotzt.

Hier zum Beispiel eine Aufnahme, die den Lebensraum der Kreuzotter bei Tannenhausen zeigt:

habitat of Common Adder in Aurich-Tannenhausen

Ein weiteres Bild aus dem Moorrandbereich:


Das ist das Geile hier an Ostfriesland; man braucht nicht ganz auf Schlangen zu verzichten:

Common Adder on a cloudy and pretty cool day

Ja, kühl war es vor etwa zwei Wochen im Moor. Sehr windig und stark bewölkt. Weil der Wind aber aus der der Sonne entgegengesetzten Richtung kam, hatten die Schlangen die Möglichkeit, sich ein geschütztes Plätzchen zwischen den Pfeifengrasbulten zu suchen.

Gab es mal keine Wolke, dann wurde es am Boden blitzschnell angenehm warm. Kreuzottern sind nach der entbehrungsreichen Überwinterung extrem sonnenhungrig und versuchen dann, soviel Wärme aufzunehmen wie nur möglich. Sie strecken sich aus und flachen den Körper mithilfe der abgespreizten Rippen ab, was dann so ausschaut:

Bei dem folgenden Tier sieht man es noch besser:

outstretched and flattened Common Adder tries to absorbe as much warmness as possible when sun suddenly hits the ground...

Schiebt sich eine Wolke vor die wärmende Sonne, reagieren die Schlangen in der Regel sofort, indem sie sich ganz eng an sich selbst kuscheln. Nur so haben diese Tiere eine realistische Chance, die zuvor aufgenommene Wärme gegen den hartnäckigen und in die hinterste Ecke vordringenden Nordwind zu verteidigen, was dann so aussieht:



...and coils up instantly, when a cloud covers the sun to defend its body temperature against strong and cool north winds

Auch wenn da ein paar Halme im Weg sind, gehen wir mal zusammen etwas näher ran:



Ich mag Pfeifengras, weil es für ungedüngte Flächen steht und gut duftet, wenn nach langer Trockenheit endlich die ersten Tropfen fallen. Was ich nicht an dieser Pflanze mag, ist, dass sie irgendwie immer im Weg steht, also die Halme, also mindestens vier von den geschätzten 4000 pro Bulte. Man kann ja auch nicht einfach so herumfuchteln, mit einer Schere oder so, weil sich das Tier nicht erschrecken und stattdessen einfach nur die Sonne genießen soll.

Egal, ich lag dann so da auf dem Bauch und vor der Schlange und beobachtete das Hin und Her zwischen Ausstrecken und Zusammenrollen gleich etliche Male, weil sich ständig Wolken vor die Sonne schoben und sie anschließend wieder verschwanden. Grundsätzlich dauert es eine gewisse Zeit, bis das Tier die perfekte Haltung gefunden hat. Da kann auch der mittlere Teil des Körpers noch ein wenig ausgerichtet werden, ohne dass sich Kopf oder Schwanz auch nur ein bisschen bewegen. Es wirkt immer so elegant. Und das so ganz ohne Extremitäten!

Wer das noch nie gesehen hat, der kann das jetzt nicht nachvollziehen, aber es sieht einfach nur süß aus, wie sich die Tiere im Falle einer Wolke ganz eng zusammenrollen, um am Ende wie ein Hundehäufchen dazuliegen:








Ein weiteres Bild aus dem Lebensraum:

Und noch zwei:

Die seltene Rosmanrinheide, ein echtes Kleinod:

Bog Rosemary

Blühender Gagel:

Bog Myrtle

Kreuzotter fast im Portrait:

Und schließlich ganz:

Es handelte sich an diesem Tag übrigens ausschließlich um männliche Tiere. Die Weibchen kommen stets erst einige Wochen später aus dem Winterquartier.

Im Landkreis Osnabrück musste ich auf diese Schlange leider immer verzichten, weil die Kreuzotter dort nicht vorkommt. Trotzdem behaupten vor allem zwei "Beobachter" (einer davon aus Bramsche) immer wieder, sie dort in diversen Mooren (Venner Moor, Schweger Moor) gesichtet zu haben, doch keine dieser vermeintlichen Feststellungen klang auch nur annähernd glaubhaft. Eine dieser Personen hat das sogar mehrfach in einer lokalen Tageszeitung veröffentlicht, natürlich stets ohne Belege. Sichtungen im Gehn sowie im Bereich Börsteler Wald/Hahnenmoor beruhten grundsätzlich auf Verwechslungen mit der an beiden Orten mittlerweile wohl ausgestorbenen Schlingnatter.

Viele Menschen gehen automatisch davon aus, dass es in einem Moor Kreuzottern geben muss, und so mancher sieht dann auch welche, obwohl gar keine da sind.


Willkommen im Mittelalter:


welcome to the Middle Ages

Die oben gezeigte Aufnahme einer aufgehängten Krähe "gelang" mir in Fulkum (Kreis Wittmund).

Zwei weitere sah ich am selben Tag auf einem Hof im Riepster Hammrich:

Abgesehen davon, dass sich Artgenossen von so einer im Wind schaukelnden Mumie nicht davon abhalten lassen, an der Silage zu naschen, ist so etwas ein sicherer Beleg dafür, dass sich seit dem Mittelalter kaum etwas geändert hat. Wie vor tausend Jahren sehen Menschen in diesen Vögeln etwas Unheimliches und Bedrohliches, was von vielen Jägern durch das gebetsmühlenartige Vortragen längst widerlegter Vorurteile unterstützt oder überhaupt erst am Leben gehalten wird.

Alle Rabenvögel gehören zu den Singvögeln, sind nach der EU-Vogelschutzrichtlinie eigentlich streng geschützt. Und das europaweit. Doch auch Deutschland will es nicht schaffen, diese sinnvolle Richtlinie hundertprozentig in die Tat umzusetzen.


Anderes Thema:

Meloe proscarabaeus

Zwischen Ende März und Mitte April begegnete ich nur fünf Ölkäfern auf dem Deich bei Rysum.

Der früher in Ostfriesland so häufige Schwarzblaue Ölkäfer (wenn es diese Art ist?) wird hier wohl in wenigen Jahren das Zeitliche segnen, ohne dass die Gründe für diesen raschen Rückgang auch nur ansatzweise bekannt wären. Vor fünf Jahren sah ich Dutzende auf dem Deich bei Upleward herumkriechen, doch in diesem Jahr waren auch dort nur einzelne Tiere zu finden. 

Und so wird diesem auffälligen Käfer in Ostfriesland dasselbe Schicksal widerfahren wie seinerzeit in Teilen des Landkreises Osnabrück, wo ich ihm über Jahre in einer Sandgrube in Hollage begegnete. Diese wurde zugeschüttet und in einen Bolzplatz umgewandelt. Die Käfer blieben daraufhin verschollen. Über dreißig Jahre ist das jetzt schon her. Nur eine Einzelbeobachtung auf dem Flugplatz Achmer sollte später noch gelingen, danach habe ich dieses aufgrund seiner Fortpflanzungsbiologie so interessante Tier erst wieder in Ostfriesland zu Gesicht bekommen, wo Klaus Rettig (Emden) es in den Jahren zuvor einem breiteren Publikum bekannt gemacht hat.



Die Weibchen mit ihren prall mit Eiern gefüllten Abdomen irren meist auf dem Schotterweg der Deiche umher (fallen allerdings auch nur dort wirklich auf, wenn man den Deich nicht verlässt), wo sie meist vergeblich versuchen, ein Loch für die Eiablage zu buddeln. Zu festgefahren und -getreten ist der Untergrund, und nur in der Mitte des Weges klappt es zuweilen mit dem Graben.

Andere Bereiche, etwa die sandigen Flächen beim Gassco-Gelände, wo grabbares Substrat vorhanden wäre, werden von den Käfern anscheinend gemieden, denn dort bin ich nie fündig geworden. Trotzdem habe ich mal ein verzweifelt auf dem Deichkamm schaufelndes Weibchen dorthin gebracht, um ihm die Arbeit zu erleichtern.

Es lief ein kurzes Stück und begann dann sofort mit seinem Job, der, ich nehme das vorweg, bis zum nächsten Morgen andauern sollte:

female Oil beetle looking for a suitable place for egg deposition

Hier lag noch ein hartes Stück Arbeit vor dem Tier:


Aber hier sah es schon deutlich besser aus (zu erkennen auch die Spuren des Käfers im Sand):

Und fast verschwunden war das Weibchen dann auf dem nächsten Bild:

Mit seiner Arbeit angefangen hatte das Tier am späten Nachmittag. Am nächsten Morgen war es gerade dabei, den Bau wieder zu verschließen, um das Gelege vor Essfeinden zu schützen. Das zuvor so pralle Abdomen besaß nun nur noch das halbe Volumen, wenn überhaupt.

Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass dieser sich eher träge fortbewegende Käfer giftig ist. In der Hämolymphe der meisten Ölkäferarten ist das Terpenoid Cantharidin enthalten, das als Wirkstoff (Aphrodisiakum) in sehr geringer Dosierung in einem Mittelchen namens "Spanische Fliege" enthalten ist. Benannt ist dieses Mittelchen übrigens nach einer in Südeuropa vorkommenden und sehr hübschen Ölkäferart, eben der Spanischen Fliege, die ein Käfer ist und keine Fliege.

Jetzt fällt mir doch noch eine mögliche Ursache für den Rückgang des Ölkäfers ein: Ich versuche mal herauszufinden, ob die Geburtenzahlen in Rysum in den letzten Jahren eventuell sprunghaft in die Höhe geschossen sind.

Ein letztes Bild, das einen Forst unweit des Moores in Tannenhausen zeigt:

So, jetzt muss ich mal los und Farbfilme kaufen ;-)