wilde perspektiven

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Mittwoch, 16. April 2014

Neues aus der Avifauna Ostfrieslands

Viel gibt es eigentlich nicht zu berichten, aber ein paar Bilder haben sich in der vergangenen Woche schon noch angesammelt. Und die möchte ich heute verwursten. In einem Beitrag, der einen ganz besonderen Titel von mir verpasst bekommen hat.

Denn diesen Titel habe ich geklaut!

Eine entsprechende Rubrik zog sich nämlich wie ein roter Faden und über Jahrzehnte durch die Schriftenreihe von Klaus Rettig (Emden). Diese Schriftenreihe, die Beiträge zur Fauna und Flora Ostfrieslands (vormals Beiträge zur Vogel- und Insektenwelt Ostfrieslands), hat nun leider ein Ende gefunden, weil Klaus Rettig sie aus Alters- bzw. Gesundheitsgründen nicht mehr fortsetzen kann. Viel habe ich in den vergangenen etwa zwanzig Jahren daraus gelernt, vor allem Entomologisches und Botanisches, und manches davon ist sogar nach wie vor in meinem Hirn abgespeichert.

So erinnere ich ein Heft, in dem Klaus Rettig die aus Nordamerika stammende Rhododendronzikade vorstellte, eilte nach dem Lesen der Broschüre hinaus in unseren Garten und fand das mir bis dahin völlig unbekannte Tier in großer Zahl an den Rhododendronbüschen, die unsere Terrasse einfriedeten. Groß!

Dies soll nur als ein einzelnes Beispiel dafür dienen, dass man auch als vermeintlich allwissender Mensch immer noch dazulernen kann ;-)

Lieber Klaus, ich vermisse deine Hefte schon jetzt. Und ich möchte dir für die vielen Jahre, die du nicht nur mich gut informiert und unterhalten hast, danken!


Jägerromantik - ein Hochsitz unweit des Mahlbusens an der Knock:



Emden kann mit einer beachtlichen Hochsitzdichte aufwarten, weshalb man sich in dieser Stadt keine Sorgen zu machen braucht, dass der Naturschutz zu kurz kommen könnte.

Eine Brücke über das Knockster Tief im Morgennebel:

Tatsächlich hatte ich mir Trockeneis besorgt und das dann am Ufer ausgelegt, um mal so richtig fetten Nebel zu produzieren. Vielleicht war es zu viel, aber trotzdem erscheint mir die künstlich erzeugte Stimmung gut gelungen, oder?

Das folgende Bild zeigt die Brücke, auf der ich stand, als ich die andere Brücke fotografierte (unterhalb der linken WEA):

Mahlbusen on early morning

Gestern (15.4.2014) hielt sich ein Kuhreiher auf einer gleichnamigen Weide östlich des Mahlbusens auf. Der seltene Gast aus dem Süden oder aus einem Zoo sollte dort aber nur für einen Tag rasten. Ich entdeckte ihn am Nachmittag aus dem fahrenden Auto. Der Vogel fing eifrig Insekten, die von den mampfenden Kühen aufgescheucht wurden:


Cattle Egret on a pasture in Emden (record shots)

Hier pirschte er sich hinterlistig an die ruhende und wiederkäuende Kuh heran, um ihr dann mit dem spitzen Schnabel einen kräftigen Hieb in die Seite zu geben. "Die soll auch mal was erleben", rief der Vogel mir grinsend zu:


Okay, war nur ein Scherz.

Schöne Bilder sehen wohl anders aus, aber mehr konnte ich angesichts der Tageszeit und des Lichts einfach nicht herausholen.

Ich bekam plötzlich voll den Hunger, hatte aber nichts mehr im Auto. Alles schon aufgefuttert, die ganzen Vorräte. Einkaufen, so dachte ich sofort, und dann nach Hause, Füße hochlegen, dachte ich konsequent weiter, und dann fuhr ich auch schnell los nach Emden, wo ich in einem Supermarkt ganz viele Brötchen kaufte und Süßes, und einen beträchtlichen Teil davon aß ich auch sofort, nein, ich schlang ihn hinunter, und dann, so merkte ich, war der Hunger plötzlich wie weggeblasen, Bauchschmerzen nahmen seinen Platz plötzlich ein, und ich dachte, dass ich doch noch mal schnell zum Reiher fahren könnte, mit oder ohne Bauchschmerz, das war egal, und ich machte das dann auch ganz spontan, doch war der Vogel unauffindbar, und ich suchte stattdessen auf einem gefluteten Acker auf der anderen Straßenseite nach geilen Vögeln, hoffte auf einen Triel oder so, fand immerhin meine ersten Schafstelzen für das neue Jahr, zwei Heringsmöwen, zwei Flussregenpfeifer, einer balzte sogar im Fluge, ging voll ab, und ich entdeckte viele Bachstelzen, was mich nicht vom Hocker riss, auch einen Waldwasserläufer, es war der erste in 2014 für mich - Mensch, so dachte ich noch zwischendurch, du bist aber spät dran, du trödelnder Waldwasserläufer -, und dann geschah es: eine dunkle Bachstelze huschte da unscharf durchs Bild, während ich den Waldi mit dem Fernglas beobachtete.

Oh, dachte ich, du bist aber eine Trauerbachstelze. Und du bist meine allerallerallererste Trauerbachstelze in diesem Leben:

Pied Wagtail - rare visitor from the UK (record shots)

Unscharf im Hintergrund kann man eine männliche mitteleuropäische Bachstelze erkennen, so zum Vergleich.

Die Trauerbachstelze ist lediglich eine Unterart der auch bei uns sehr häufigen Bachstelze. Sie brütet allerdings auf den Britischen Inseln, wo sie "unsere" grauere Form ersetzt. Da die meisten britischen und irischen Bachstelzen auch im Winter im Land verbleiben, die wenigen ziehenden, wohl vor allem jene aus dem kühlen Schottland, eine streng südliche Richtung einschlagen, taucht diese Unterart eben nur selten bei uns auf:




Auf die Unterscheidungsmerkmale will ich an dieser Stelle gar nicht erst eingehen, die kann jeder im Netz oder aber in einem guten Buch nachschlagen. Interessant ist wohl noch, dass nur einen Tag später ein adultes Männchen auf Borkum fotografiert worden ist (Martin Wantoch/Bochum). Die Zugrichtung würde passen, aber anhand der Bilder im Club300 würde ich von einem anderen Vogel ausgehen.

Ein letztes Bild von dem seltenen Gast:


Auf Helgoland wird die Trauerbachstelze übrigens alljährlich festgestellt, meistens im April. Wenn ich mich recht erinnere, hat sie dort sogar schon mal gebrütet, aber das ist halt der Fuselfelsen, da gelten andere Gesetze, da ist nichts normal. Ich jedenfalls habe sie dort noch nie gesehen, weil ich noch nie zu dieser Jahreszeit auf der Insel gewesen bin.

Neue Ringdrosseln sind auch wieder reingekommen.

Eine einzelne:

Ring Ouzel

Und zwei auf einmal vor der Emsmündung und den Niederlanden im Hintergrund:




Was gibt's noch?

Ackerschachtelhalm vom frühen Morgen:

Field Horsetail

Keiner mag ihn, obwohl er doch eigentlich in diesem Stadium eine hübsche Erscheinung ist, oder etwa nicht?


Mondsüchtige Schafe auf dem Deich vor Sonnenaufgang:

moonstruck? 

Frisches Birkenlaub am frühen Morgen:

fresh birch leaves

Und es gibt noch ein Belegfoto eines balzfliegenden Baumpiepers auf dem Rysumer Nacken:

Tree Pipit - more than 20 years ago this species has bred for the last time in Emden. In the last three years there have been up to 4 displaying males at Rysumer Nacken, but only temporarily and without a breeding record so far. Hopefully this bird is going to return to Emden this or the coming years 

Durchziehende Baumpieper sind hier in Emden natürlich nichts Besonderes, doch in den letzten drei Jahren hat es auf dem Rysumer Nacken bis zu vier besetzte Reviere gleichzeitig gegeben. Die Landschaft dort entwickelt sich aus Sicht des Baumpiepers in die richtige Richtung, die Verbuschung nimmt zu, doch bislang verschwanden die Vögel leider immer nach spätestens zwei Wochen und noch bevor es zu einer Brut kommen konnte. Hoffentlich ist das in diesem Jahr anders, denn der letzte belegte Brutnachweis des Baumpiepers in Emden stammt aus dem Jahr 1991 (Quelle: Brutvogelatlas Stadt Emden von Klaus Rettig).

In den Mooren um Aurich ist die Art übrigens keine Seltenheit...