wilde perspektiven

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Mittwoch, 28. Mai 2014

Schilfrohrsänger

Es gibt eine Vogelart, die hier in der Emder Marsch wirklich sehr häufig ist. Trotzdem konnte sie sich mir aber bislang aus fotografischer Sicht erfolgreich entziehen. Sie ist nicht wirklich scheu, aber eben auch nicht zahm. Und man sieht sie an nahezu jedem verschilften Graben, wo sie vor allem wegen ihrer etwas schrägen Singflüge eine auffällige Erscheinung darstellt.

Gemeint ist nicht das Blaukehlchen.

Gemeint ist der Schilfrohrsänger:

Sedge Warbler is fortunately still a very common bird species in Emden

Dieser Vogel hier hat sich in den vergangenen Tagen sehr kooperativ gezeigt. Er pendelt in Wybelsum eigentlich den ganzen Tag zwischen nur zwei verschiedenen Warten, die sich auf beiden Seiten eines Weges befinden. Wenn man sich mit dem Auto zwischen diese Warten stellt, dann stört das den Vogel nicht im Ansatz. Er straft einen mit Missachtung und zieht sein Programm einfach durch.

Und das unterscheidet ihn von fast allen Schilfrohrsängern hier in Emden:





Hier sieht man ihn mit der Sonne im Rücken. 

Fliegt er aber auf die andere Seite des Weges, kann man ihn im Gegenlicht knipsen:

Und wieder zurück:

Und den ganzen Tag über trägt er eilig seinen eher trockenen und endlosen Gesang vor:

Und wieder im Gegenlicht auf der anderen Seite des Weges:

Der Schilfrohrsänger hat in den vergangenen Jahrzehnten in weiten Teilen der Republik starke Bestandsrückgänge hinnehmen müssen, weil der Mensch meinte, nahezu alle Feuchtgebiete trockenlegen zu müssen. Wenn ich an meine Zeit im Landkreis Osnabrück zurückdenke, dann kommt mir keine einzige Begegnung mit dieser Vogelart in den Sinn.

Nur im Schilfgürtel des nahen Dümmers konnte ich den Schilfrohrsänger alljährlich antreffen, doch gehört der See selbst ausschließlich zum Landkreis Diepholz, während die Kreise Vechta und Osnabrück nicht ganz an dessen Dämme heranreichen. In Ostfriesland beschränkt sich sein Vorkommen vor allem auf die Marsch, während er auf der Geest, von den Meeren einmal abgesehen, eine Seltenheit ist.


Eigentlich ist es doch bezeichnend, dass dieser Vogel in Emden bevorzugt genau jene Entwässerungsgräben besiedelt, die ihm in weiten Teilen Deutschlands die Lebensgrundlage entzogen haben.

Ich mag den Schilfrohrsänger, weil er eine echte Charakterart dieser herb-spröden ostfriesischen Landschaft ist. Wie das ebenfalls allgegenwärtige Blaukehlchen, das in der Regel zu seinen Nachbarn gehört, zeigt auch dieser Kleinvogel einen beeindruckenden Singflug, dessen Ablauf eine Artdiagnose schon aus sehr großer Distanz zulässt, ohne dass man dafür auch nur ein einziges Gefiederdetail erkennen oder den Gesang hören können müsste.

Ein letztes Bild, das einen anderen und scheueren Vogel zeigt, der sich da kaum aus dem Schutz der dichten Vegetation (Wiesenkerbel) heraustraute:

Auf dem Rysumer Nacken blüht zurzeit das hübsche Orangerote Habichtskraut, das ich hier bereits im vergangenen Jahr vorgestellt hatte:

Orange Hawkweed is a non-native, but pretty flower, that has found its way out of the backyards into the wilderness 

Die Art ist hier nicht bodenständig, ist stattdessen aus diversen Gärten ausgebüchst, um sich an einem geeigneten Standort auf dem Rysumer Nacken anzusiedeln, wo sie inzwischen geradezu einen echten Rasen gebildet hat. Auf den Grundstücken einiger Nachbarn habe ich das Orangerote Habichtskraut auf dem Weg zu meinem Auto übrigens auch schon entdeckt.

Ich würde diese Blume gerne mal am frühen Morgen fotografieren, mit Tau und so weiter, doch öffnet sie ihre Blüten erst recht spät am Tage:

Voll die Haare am Stängel und auch an den Blättern:

Ein letztes Bild:

Ein weiteres Blümchen, das auf dem Rysumer Nacken nichts zu suchen hätte, ist nicht einfach nur aus irgendeinem Garten entkommen, nein, man hat es wohl vorsätzlich dort ausgebracht.

Dabei sollte es sich um den mir bis zu diesem Tag völlig unbekannten Inkarnat-Klee handeln, dessen Heimat eigentlich im Mittelmeeraum liegt:

Crimson Clover

Wie so viele seiner Verwandten wird auch er als Futterpflanze angebaut.

Auf dem Rysumer Nacken hat ihn jemand angepflanzt, um mit seiner Hilfe das Reh vor den Hochsitz zu locken. Nebenbei konnte ich dort nämlich noch einen anderen, mir aber unbekannten Schmetterlingsblütler finden. 

Das Ansiedeln florenfremder Pflanzen ist eigentlich streng verboten, aber dem Anschein nach spielt das spätestens dann keine Rolle mehr, wenn man  nur noch den kapitalen Bock im Hirn hat.

Acker-Vergissmeinnicht:

Field Forget-me-not (heißt wirklich so ;-)

Die Neuntöter im Wybelsumer Polder sind auch endlich zurück aus Afrika!

Das Männchen:

Red-backed Shrike is finally back from Africa

Und hier das Weibchen, das bereits mit dem Nestbau begonnen hat, sodass der erst dritten Emder Brut (in Folge) nichts mehr im Wege stehen sollte:

these two birds constitute the only couple in Emden

Höckerschwäne am frühen Morgen im Wybelsumer Polder:

Mute Swan

Diese Vögel sind Nichtbrüter, doch gibt es dort auch Höckerschwäne, die bereits für Nachwuchs gesorgt haben:


Niedlich, oder?

Schnatterenten, ebenfalls im Wybelsumer Polder:

Gadwall

Jetzt gibt es noch ein paar Schwarz-Weiß-Aufnahmen, die ich wieder einmal in unschönem Licht gemacht habe. 

Die erste zeigt einen unausgefärbten männlichen Karmingimpel, der am Morgen des 24. Mai auf dem Rysumer Nacken ausgiebig sang (drei Tage später folgte ein zweites Männchen):




Common Rosefinch

Die nächsten Bilder entstanden am selben Tag gegen Mittag und illustrieren ganz gut einen Hauch von Falsterbo (Südschweden), wo der Wespenbussard vor allem im Herbst in großen Trupps durchzieht.

seven Honey Buzzards captured in one photograph

Ich entdeckte die Vögel aus großer Distanz, als sie sich, von der niederländischen Seite des Emstrichters kommend, bereits wieder in der Thermik hochschraubten und im Anschluss daran Richtung Nordost ohne auch nur einen einzigen Flügelschlag abzogen:

Da waren nur Belegfotos drin, doch eilte ich in die Richtung der Vögel, weil ich auf weitere Wespenbussarde hoffte. Nach etwa zehn MInuten tauchten dann tatsächlich noch einmal vier Individuen auf, von denen ich immerhin zwei im Bild festhalten konnte:

good morning, Honey Buzzard




Und ein zweiter Vogel:

Der Wespenbussard brütet nicht im waldarmen Emden, sehr wohl aber um Aurich herum, wo ich ihm in der Vergangenheit immer wieder in diversen Waldgebieten oder auch am Rande des Moores begegnete. Die Art ist zur Brutzeit sehr heimlich und unauffällig und ernährt sich nahezu ausschließlich von den Larven diverser Wespenarten.

Um an die Waben zu gelangen, muss der Vogel die sich im Erdboden befindenden Nester ausgraben, wobei er von den wütenden Insekten heftig attackiert wird. Doch aufgrund seiner dichten Befiederung können sie ihm absolut nichts anhaben.

Für mich war das erst die zweite Begegnung mit einem größeren Trupp dieser Art in Deutschland (von Helgoland einmal abgesehen) nach acht Vögeln, die am 11. Mai 1993 in etwa doppelter Haushöhe über Wallenhorst-Hollage/Kreis Osnabrück hinwegzogen.

Bei Wespenbussarden, die zu dieser recht späten Zeit des Jahres in Gebieten auftauchen, in denen sie nicht brüten, handelt es sich in der Regel um skandinavische Durchzügler.


Wichtiger Hinweis: Auf Helgoland ist heute ein Schwarzbrauenalbatros entdeckt und fotografiert worden.

Ich krieg' 'ne Krise ;-)