Mittwoch, 18. Juni 2014

Hoher Besuch aus dem Vereinigten Königreich in Emden-Wybelsum

Obwohl die Schafstelze hier in Ostfriesland aufgrund der Trockenlegung einst großer Feuchtgebiete erheblich an Lebensraum eingebüßt hat, ist sie nach wie vor ein relativ gängiger Brutvogel - auch hier in Emden.

Die heimische Unterart Motacilla flava flava, auch Wiesenschafstelze genannt, brütet heutzutage sogar in Getreidefeldern. Sie konnte, wie das früher sehr seltene Blaukehlchen, den Hebel erfolgreich umlegen und sich an eigentlich eher ungeeignete Habitattypen anpassen. 

Weil die einzelnen Unterarten der Schafstelze zum Teil sehr verschieden aussehen, kann man in Deutschland auch noch einige weitere von ihnen feststellen. Vor allem die Nordische Schafstelze M. f. thunbergi ist ein regulärer Durchzügler in unserer Republik. Sie brütet in Skandinavien und rastet auf dem Weg dorthin in geeignetem Gelände, nicht selten gemeinsam mit unserer Schafstelze. Daneben gibt es noch eine ganze Reihe anderer Unterarten, von denen einige eher den Status eines Ausnahmegastes genießen.

M. f. feldegg z. B. (Maskenschafstelze, Herkunft Balkan) sowie M. f. cinereocapilla (Aschkopfschafstelze, Italien) gehören in diese Gruppe. Und in der Häufigkeit seines Auftretens in Deutschland irgendwo zwischen M. f. feldegg und M. f. thunbergi liegt jener Vogel, um den es heute gehen soll.

Die geile Englische Schafstelze:

British Yellow Wagtail, rare visitor from the UK or Ireland to Emden-Wybelsum in May / June 2014

Am 26. 5. entdeckte ich im Wybelsumer Polder eine singende und balzfliegende Schafstelze, die nur wenige Meter von mir entfernt auf einem Zaunpfosten landete. Der Blick durchs Fernglas ließ mich schmunzeln, und sofort eilte ich zu meinem Wagen, um die Kamera zu holen.








Nach meiner Rückkehr musste ich entsetzt feststellen, dass der Vogel inzwischen abgetaucht war.

Erst nach einigen bangen Minuten des Hoffens kehrte er, aus einem angrenzenden Weizenfeld kommend, zu seiner Singwarte zurück. Ich schoss die ersten Belegfotos, um dann einige Meter auf die Stelze gutzumachen. Wieder folgten Bilder, und abermals verkürzte ich ganz vorsichtig die Distanz zum Vogel.

Am Ende lagen nur noch etwa acht Meter zwischen mir und dem Tier, sodass es sich bei meiner Ausbeute schon um etwas mehr als nur Belegfotos handelt.


Anders ausgedrückt: Ich war und bin sehr zufrieden!

An den folgenden Tagen stellte ich den Vogel immer wieder im Gebiet fest, doch stets nur dann, wenn ich nicht gezielt nach ihm suchte. Mehrfach hielt ich die Stelze bereits für abgereist, doch dann stand sie wieder auf dem Zaun, so als wollte sie mich veräppeln.

Sieh da, du Depp, da bin ich wieder. Oder so ähnlich.

Am Ende blieb der seltene Gast bis mindestens zum 14. Juni im Wybelsumer Polder. Ob der Vogel verpaart oder wie bei benachbarten Schafstelzen sogar Nachwuchs im Spiel war, kann ich aber nicht mit Gewissheit sagen. Interessant ist vielleicht noch, dass ich in diesem Jahr nach der ebenfalls aus Großbritannien stammenden Trauerbachstelze im April nun also auch die Inselvariante der Schafstelze erstmalig in Deutschland zu Gesicht bekommen habe.

Zufälle gibt's!


Im morgendlichen und diffusen Gegenlicht eines anderen Tages sah die Englische Schafstelze so aus:


An einem Nachmittag so:




Doch was unterscheidet die Englische Schafstelze eigentlich von unserer Wiesenschafstelze?

Hier ein Bild zum Vergleich, aufgenommen im Mai 2012 in Logumer Vorwerk:

Blue-headed Yellow Wagtail for comparison, taken from the archives (May 2012) - note white (instead of yellow) supercilium and white malar as well as bluish-grey parts on crown, nape, and ear coverts (instead of green)

Ein weiteres Bild desselben Individuums:


Überaugen- und Bartstreif sind weiß statt gelb, die bei der britischen Unterart grünen Partien am Kopf  sind hier blaugrau. Und ich bilde mir sogar ein, dass der Mantel bei der Wiesenschafstelze eher moosgrün ist, bei der Englischen hingegen olivgrün:


Ein vorletztes Bild einer mitteleuropäischen Schafstelze in diesem Beitrag:

Der neue Zaun im Wybelsumer Polder, auf dem neben einigen Schafstelzen auch Blaukehlchen, Schwarzkehlchen, Rohrammer und Wiesenpieper stehen, um ihre Umgebung besser im Blick zu haben:

this new fence at Wybelsumer Polder is a favorite perch for many bird species as for instance Bluethroat, Reed Bunting, Stonechat, and Meadow Pipit

Hier etwas mehr Lebensraum mit einem Gewässer links hinter dem Zaun (noch vom Morgennebel bedeckt), einem Weg in der Mitte sowie dem oben bereits erwähnten Weizenfeld rechts im Bild:

habitat shot: Bluethroat and Yellow Wagtail breed and raise their offspring in the wheat field on the right

Und so sieht die Kacke der Englischen Schafstelze aus:

Her Royal Highness British Yellow Wagtail did this to the pole ;-)

Okay, ich will zugeben, dass da wohl auch andere Vögel mitgemischt haben.


Übrigens heißt die Schafstelze deshalb Schafstelze, weil sie gerne zwischen den Beinen von Großtieren herumhuscht und Insekten erhascht, die von Pferden, Rindern oder eben Schafen aufgescheucht werden:

Sheep

Im afrikanischen Winterquartier können das aber durchaus auch Gnus, Zebras oder Elefanten sein.


Hier jetzt mal ein ungewöhnlich gefärbtes Männchen aus der unmittelbaren Nachbarschaft der Englischen Schafstelze:

this male Yellow Wagtail shows very pale underparts, that usually have to be as bright yellow as a domestic Canary - maybe a second year male...

Der Vogel sang und balzflog wie alle anderen Männchen im Gebiet auch. Ein Kerl im zweiten Kalenderjahr vielleicht, doch müsste man dann nicht viel häufiger solche Individuen in hiesigen Brutgebieten sehen? Bislang sind mir solche Vögel nie aufgefallen...


Zur Farbe Gelb passt ausgezeichnet die Farbe Orange.

Die folgenden sechs Bilder sollen das illustrieren:














Orange Hawkweed

Dieser Trupp des Orangeroten Habichtskrautes wächst ausnahmsweise mal nicht auf dem Rysumer Nacken, sondern im Wybelsumer Polder und dort entlang eines Grabens.

Die folgende Pflanze aber stammt wieder vom Rysumer Nacken, und diesmal sind sogar die behaarten Blätter mit auf dem Bild:

Diese hübsche Blume ist in Ostfriesland, ich habe das hier bereits mehrfach geschrieben, nicht bodenständig. Sie stammt aus  Südeuropa, wohl auch aus Mittelgebirgen Mitteleuropas.

Der Kalifornische Mohn hat es sogar von Kalifornien aus bis nach Emden geschafft. Ohne menschliche Hilfe ging das allerdings nicht, wird dieser Hingucker doch oft mit so genannter "Wildblumen"-Saat z. B. auf Verkehrsinseln ausgebracht.

Das folgende Exemplar aber stammt, wie sollte es auch anders sein, vom Rysumer Nacken, wo die Pflanze den Blick auf die Ems genoss:

California Poppy (and Orange Hawkweed) - only two examples of non-native plants / flowers from all over the world, that have settled successsfully in Emden with Human support


Bis zu dieser Begegnung hatte ich das auch Goldmohn genannte Blümchen nur im Herkunftsland - eben in Kalifornien - gesehen. Im September 2005 war die Hauptblütezeit allerdings längst vorüber. Für Einzelblüten aber hat es seinerzeit noch gereicht.

Viele Pflanzen aus Europa kommen inzwischen in der Neuen Welt und auch anderswo vor, umgekehrt haben es Vertreter aus der Neuen Welt nach Europa geschafft. Mit der "Erstentdeckung" Amerikas durch Kolumbus ging das los.

Während so manche Pflanze absichtlich gesammelt und in die Alte Welt transportiert worden ist, sind andere als blinde Passagiere mitgereist, z. B. in Form von Samen oder ganzen Früchten in der Schiffsladung. Was damals also noch relativ neu war, ist bis in die heutige Zeit fortgesetzt worden.

Sogar Tiere haben auf diese Weise nahezu die ganze Welt erobert, die Wanderratte ist wohl das bekannteste Beispiel dafür. Leider geht das plötzliche Auftreten solcher Neubürger auf einsamen Inseln oder in fremden Ländern nicht immer glimpflich über die Bühne, egal, ob der Mensch bewusst seine Finger im Spiel gehabt hat oder auch nicht. Es gibt zahllose Beispiele für mittelschwere bis riesige ökologische Katastrophen, die auf diese Weise heraufbeschworen worden sind, bis hin zum Aussterben einheimischer, nicht selten endemischer Arten, die dann für immer und ewig für die Nachwelt verloren sind.

Der Mensch!


Zurzeit fliegt der Kleine Fuchs in sehr großer Zahl auf dem Rysumer Nacken. Das sind wohl die Folgen der sehr starken zweiten Generation des vergangenen Jahres:

Small Tortoiseshell currently occurs in unusually large numbers as a result of the very strong second generation in previous late summer/fall


Die folgenden beiden Bilder entstanden an einem lauen Abend im Wybesumer Polder. Ich beobachtete vom Weg aus einen Silberreiher, der da einen fetten Seefrosch gefangen hatte. Das gleichzeitige und plötzliche Warnen aller Bewohner einer gemischten Kolonie aus Säbelschnäbler, Rotschenkel, Kiebitz und Austernfischer ließ mich aufmerksam in die entsprechende Richtung schauen.

Einheitlich attackierten die Vögel etwas oder jemanden im hohen Gras, das/der seine Position ständig zu verändern schien. Scheißgras, dachte ich so, wieso bist du noch nicht gemäht. Doch dann fielen mir die jungen Limikolen ein, die ja Schutz benötigen.

Schutz vor dem Fuchs zum Beispiel, der nun einen vegetationsärmeren Bereich der Weide betrat. Oh, diese bescheuerten Vögel, jammerte er, der eigentlich nur die Abkürzung nehmen wollte, eben mitten durch die Kolonie. Was wollen die nur von mir? Flattern hier rum, veranstalten einen Höllenterror, obwohl ich doch nur mal frische Luft schnappen wollte. Schnell machte er sich aus dem Staub, ohne auch nur ansatzweise nach jungen Piepmätzen zu suchen. Ich meine sogar gesehen zu haben, dass er sich die Ohren zuhielt ;-)

Nach einer Weile kehrte er mit Beute zurück und durchquerte abermals die Kolonie. Und wieder bekam er mächtig auf die Mütze.

Vom Kiebitz:

Red Fox with Lapwing

Und dann zusätzlich von den Rotschenkeln:




Red Fox  attacked by Lapwing and Redshanks - this can happen, if you walk through a mixed bird colony

Natürlich verspeist der Rotfuchs auch junge Limikolen, keine Frage. Doch letztendlich ist auch das sein Job. Und wenn die Landschaft für diese Vögel eben nicht mehr so gut geeignet ist wie vielleicht zu einer Zeit, als der Mensch noch nicht alles zerstört hatte, dann kann man Meister Reineke keinen Vorwurf machen, wenn er irgendwann tatsächlich den allerletzten Rotschenkel erbeutet.

Der Fuchs ist seit jeher rücksichtslos verfolgt worden. Wie Bär, Wolf und Luchs hätte man auch ihn ganz gerne komplett aus dem Weg geräumt, doch das kluge Tier hat den Waidmännern da einen Strich durch die Rechnung gemacht. Und man hat dem Fuchs sogar noch in die Karten gespielt, indem man mit der Tollwut seinen letzten ernsthaften natürlichen Feind ausgemerzt hat. Das wiederum rechtfertigt aber nicht die Jagd auf ihn! Der Fuchs ist, wie andere große Beutegreifer auch, eines jener Endglieder der Nahrungskette, die eben außer Krankheiten nicht viel zu befürchten haben.

Bejagt wird er natürlich weiterhin. Trotzdem belegen wissenschaftliche Untersuchungen, dass sich die Zahl der Füchse auch bei strenger Verfolgung in einem Gebiet kaum verändert. Tiere aus anderen Bereichen wandern zu, Füchsinnen werden fruchtbarer und gleichen Verluste durch eine erhöhte Nachwuchsrate aus. Das machen die Hormone. Das nennt man Natur. Und das ist gut so!

Stichproben aus Fuchspopulationen (Europa, Nordamerika) bestehen zu 49 bis 77 Prozent aus Tieren, die jünger als ein Jahr sind (Quelle: Handbuch der Säugetiere Europas). Die meisten dieser Jungfüchse vollenden das erste Lebensjahr vor allem deshalb nicht, weil sie bereits in ihrem ersten Winter in Fallen gefangen oder aber abgeschossen werden. Hinzu kommen Straßenverkehrsopfer, wobei es sich hier in erster Linie um Individuen handelt, die sich auf der Suche nach einem eigenen Revier befinden.

Meine Frage also lautet: Mit welchem Recht geht jemand raus, um Füchse zu töten? Man kann doch nicht ernsthaft beabsichtigen, bestimmte Tiere zu töten, um andere zu schützen. Wobei ich den meisten Jägern ohnehin nicht abnehme, dass sie aus solch vermeintlich samaritischen Gründen auf die Pirsch gehen. Der einzige Sinn der Jagd jedenfalls war und ist die Nahrungsbeschaffung, doch gelten diese Umstände meiner Meinung nach heute nur noch für Naturvölker wie z. B. die Inuit in Nordamerika oder die Indianer im Amazonasbecken.

Jedenfalls haben diese Menschen keinen Lidl vor der Haustür.

Liebe Jäger, kauft euch doch auch mal gehaltvolle Lektüre, statt so biedere Blätter wie den "Niederträchtigen Jäger" oder aber "Blind und wund" zu unterstützen. Und geht raus und schaut mal richtig hin ;-)


Farbtopf schon wieder alle:

European Roe Deer didn't realise absolutely anythything

Ein bekannter Jäger aus Uphusen mal zu mir: "Wenn Sie hier ihr Tarnzelt errichten, dann entsteht da eine Schneise von 300 Metern, wo sich kein Wild mehr aufhält."

Ah so, dachte ich halblaut. Denn man to!

Das obige Bild entstand im Wybelsumer Polder. Während ich so auf die Englische Schafstelze wartete, entdeckte ich in größerer Entfernung ein Reh, das auf mich zugelaufen kam. Ich bin 186 Zentimeter groß und inzwischen auch fast so breit. Der Wind blies aus meiner Richtung. Doch das Tier lief unbeeindruckt weiter in meine Richtung.

Galoppier, galoppier - dumdideldum:






Gut so, gab ich dem Reh in Gedanken ein paar überlebenswichtige Ratschläge mit auf den Weg. Immer weg von diesen Hochsitzen. Und das möglichst schnell! Die Menschen, die dort linkisch im Hinterhalt lauern, führen stets Böses im Schilde. Sie mögen die Natur nicht, sie verfolgen sie.

Längst hatte ich meine Kameraeinstellungen vorgenommen und den Autofokus eingeschaltet.

Ich richtete die Linse langsam, wie in Zeitlupe, auf das ahnungslose Reh.

Dann Dauerfeuer. Klick, klick, klick, klick, das Tier ging in die Eisen.

Vollbremsung:

Mooooment, da war doch was?

Man beachte die Ohren, eines nach vorn, das andere nach hinten ausgerichtet. Ich hab's jetzt tausendmal versucht, ich krieg's einfach nicht auf die Reihe.

Mal ehrlich, wenn Rehe auch kaum sehen und nur schlecht riechen können, ihr Gehör ist geradezu fabelhaft. Trotzdem läge das Tier jetzt tödlich verletzt am Boden, wenn ich statt einer Kamera ein Scheißeisen in der Hand gehabt hätte.

Und diese Sache hier ist kein Einzelfall. Immer wieder laufen mich Rehe beinahe über den Haufen. Hasen übrigens auch, doch da muss man wenigstens nicht mit Prellungen oberhalb des Knies rechnen. Wenn ein gestandener Waidmann also so einen Nonsens von sich gibt, vonwegen Schneise und so weiter, dann frage ich mich schon, wie stark das Interesse an der Natur bei ihm überhaupt ausgeprägt sein kann...

Kinners, in diesem Sinne ein dreifaches Horrido!