Samstag, 5. Juli 2014

Polizeikontrolle!

Die schönsten Geschichten schreibt immer das Leben. In diesem Fall hat es vorgestern (2.7.2014) ganz spontan den Füllfederhalter zur Hand genommen (die Fotos stehen in keinerlei Zusammenhang zum Text):


Die Nesselander Straße in Emden ist lang. Und die Nesselander Straße verläuft schnurgerade. Fährt man stadteinwärts, liegt rechts der Hafen. Auf der linken Seite reihen sich einige mittelständische Unternehmen aneinander. Auch das städtische Tierheim befindet sich dort.

Ich fahre so gemütlich Richtung Stadtmitte, schaue nach rechts, schaue nach links. Schaue auch mal auf die Straße. Und ich schaue wieder nach rechts, weil da eine Mantelmöwe auf einem Schiff steht.

Hätte ich rechtzeitig einen Blick nach links geworfen, wäre mir das Polizeiauto nicht entgangen, das da auf dem Gelände einer kleinen Firma steht.

Nein, denke ich, nicht schon wieder.

Ich bin bereits an den Beamten vorbei, verfolge das Geschehen aber im versifften Rückspiegel. Und ja, sie fahren los. Und ja, sie folgen mir. Und scheiße, sie meinen wirklich mich! Inzwischen habe ich ein feines Gespür für solche Situationen entwickelt...

Ich folge der Vorfahrtstraße, die jenseits der Bahngleise einen anderen Namen trägt: Am Tonnenhof. Der Polizeiwagen dicht auf meinen Fersen. Jetzt, so denke ich, leuchtet gleich das Teil auf dem Dach auf. Und ich habe diesen Gedanken noch nicht zu einem Ende gedacht, da geht es auch schon los:

POLIZEI! STOPP! POLIZEI! 

Gott, wie hohl, stelle ich nüchtern fest. Dass ihr Polizisten seid, sieht man doch schon an eurem Auto.

Lesser Black-backed Gull with European Mole (Northern Lapwing right)





Ich halte umgehend mitten auf der Zufahrt eines Betriebes, die Beamten unmittelbar hinter mir. Der Fahrer hupt, gibt mir zu verstehen, dass ich hier nicht stehen bleiben könne. Einfahrt und so weiter. Ich lege wenige weitere Meter zurück und stehe nun mit den beiden rechten Reifen auf dem Radweg.

Die Beamten steigen aus. Einer bleibt am Heck meiner Karre stehen, der andere taucht an meinem Fenster auf.

"Moin, Herr Wachtmeister!" sage ich überfreundlich.

"Sie wissen, warum wir Sie gestoppt haben?" Er wirkt nicht unsympathisch.

"Ich muss nachdenken."

"Ich helfe Ihnen gerne auf die Sprünge. Sie sind zwar jetzt angeschnallt, aber eben, als Sie an uns vorbeigefahren sind, waren Sie das noch nicht."

"Geschultes Auge", erwidere ich trocken.

"Ihre Papiere, bitte."

Ich reiche ihm Führerschein und Fahrzeugschein.

Der Polizist liest halblaut und gekünstelt fragend meinen Namen vor: "Su-den-dääi?"

Ich bin das gewohnt, ich kenne es nicht anders. Man wächst ja auch an seinen Aufgaben. Und ehrlich, noch nie habe ich mich darüber aufgeregt. Eher finde ich es amüsant. Ich erinnere mich an meinen längst verstorbenen Vater. Wenn der jemanden anrief, der ihn noch nicht kannte, dann musste er unseren Familiennamen mindestens viermal wiederholen. Immer lauter werdend. Su-den-DEY!

Es klingt mir noch heute in den Ohren. Ich meine, jeder, der nicht Müller heißt, wird das verstehen. Man kann auch noch so deutlich sprechen, es bringt nichts. Und was soll denn eigentlich einer wie Martin Przondziono sagen, ehemaliger Fußballgott beim VfL Osnabrück und König der Konsonanten?

"Wie heißt die Insel westlich von Baltrum?"

Der Polizist versteht nicht.

"Okay, ich mach's ein bisschen einfacher", mache ich es nicht wirklich einfacher: "Wie heißt die Insel östlich von Juist?"

Der Polizist kann zwischen meiner Frage und meinem Namen auf dem Personalausweis keinen direkten Zusammenhang erkennen.

"Kleiner Tipp, es ist dieselbe."

"Keine Ahnung."

"Ist nicht so schlimm", sage ich. "Wissen Sie denn vielleicht, warum man einen mündigen und integren Bürger wie mich dazu zwingen kann, sich anzugurten? Es gibt so viele Menschen, die sind sogar kriminell! Möchten Sie sich nicht mal um die kümmern? Die wissen das vielleicht eher zu schätzen als ich."

Ich muss mir ein Lachen verkneifen. Der Beamte bemerkt das und geht auf mein Spielchen ein:

"Der Staat meint es gut mit Ihnen! Hatten Sie schon mal einen Unfall?"

"Nur welche, wo die Gegenparteien was abbekommen haben. Ich pass' da immer auf."

"Der Staat möchte nicht, dass Sie sich verletzen. Wie eben gesagt, er meint es gut mit Ihnen. Und manchmal muss man die Menschen zu ihrem Glück zwingen."

"Das Argument zieht nicht", gebe ich zu bedenken, "denn wenn der Staat sich wirklich um die Gesundheit seiner Bürger kümmern würde, dann gäbe es weder Schnaps noch Fluppen zu kaufen!"

"Irgendwie müssen wir doch das Gehalt von Frau Merkel zusammenbekommen!" kontert der Beamte geschickt.

Er verschwindet kurz, kehrt dann mit so einem Kartenlesegerät wieder zurück.

"Ich kann Ihnen ein Angebot machen. Sie können nämlich gleich an Ort und Stelle bezahlen. Mit der Karte!"

Ich vermute einen Haken: "Was ist denn dann der Vorteil für mich?"

"Sie haben es hinter sich, müssen nicht so lange auf den Bescheid warten."

Er freut sich über diesen Satz, den er wahrscheinlich nicht zum ersten Mal gebracht hat.

Ich krame meine Karte hervor. Nach wenigen Sekunden ist der Bezahlvorgang über die Bühne gebracht. In meinen wirren Gedanken stelle ich mir die Schlagzeile in der morgigen Ausgabe der Emder Zeitung vor: Frank Sudendey gleicht Staatsverschuldung aus.

Dreißig Euro, denke ich, meine Fresse. Zu allem Überfluss ist das jetzt schon das zweite Mal innerhalb von nur wenigen Wochen. Immerhin sind es heute nicht dieselben Beamten. Das wäre mir dann schon ein bisschen peinlich gewesen.

"Wie viele gibt es eigentlich von Ihrer Sorte in diesem Dorf?" frage ich vorsichtig nach.

"Emden ist eine Stadt!" antwortet er gespielt brüskiert.

"Ja, ja, schon klar. Wenn ich vor sechs von Wolthusen nach Larrelt fahre, benötige ich dafür vier bis fünf Minuten. Mitten durch die City. Nachmittags eine halbe Stunde. Wissen Sie, warum?"

Der Polizist räuspert sich, doch würge ich ihn ab, noch bevor seine Lippen ein Wort formen können: "Ich will's Ihnen sagen. In dieser geilen Stadt, die nicht wirklich groß ist, bekommt man es nicht auf die Reihe, die Ampeln vernünftig zu schalten. Grüne Welle und so weiter. Nähert man sich hier in Emden einer Ampel, egal, ob schnell oder langsam, springt sie um auf rot. Immer. Und jede. Man hat einfach keine Chance! Und ich glaube, sie machen das absichtlich. Die von der Stadt oder vom Dorf. Wegen der Touristen. Wenn die nämlich Fotos schießen, dann soll darauf auch was zu sehen sein. Ich meine, sie zeigen die Bilder dann zu Hause ihren Freunden und so weiter, und die wiederum staunen dann, was hier im beschaulichen Emden doch für ein aufgeplusterter Verkehr herrscht. Fast wie in Kairo, denken die dann bestimmt. Oder Peking. Big City!"

Der Polizist schmunzelt, aber ich bin noch gar nicht fertig mit meiner Analyse: "In Emden ist auf den Straßen eigentlich nur dreimal am Tag wirklich was los. Nämlich dann, wenn bei VW Schichtwechsel ist."

Ich verstaue meine Papiere.

"Kann ich jetzt weiterfahren? Ich meine, das ist doch jetzt auch alles mal fertig hier, oder?"

Er nickt.

"Muss ich mich anschnallen? Schließlich habe ich doch für heute schon gelöhnt."

"Ganz bestimmt", erwidert der Polizist lachend, "das war jetzt keine Flat!"

Ich verabschiede mich und starte den Motor. Im Rückspiegel sehe ich, dass die Beamten wenden und in die entgegengesetzte Richtung fahren, wahrscheinlich zurück zu ihrem Logenplatz. Und die Polizisten hier waren ja wirklich freundlich. Okay, von dem einen habe ich jetzt fast nichts mitbekommen. Überhaupt sind mir in Deutschland noch nie unfreundliche Polizisten vor die Fahrertür getreten.

Kein Scherz.

Wenn man schon mal in den USA von hysterischen Cops oder auch nur Parkrangern kontrolliert worden ist, dann relativieren sich entsprechende Erfahrungen in Deutschland ganz fix. Alles muss dort wie in Zeitlupe ablaufen. Wie in Zeitlupe zieht man seinen Führerschein aus dem Portemonnaie, wie in Zeitlupe beantwortet man Fragen. Sie haben panische Angst vor Waffen. Und wahrscheinlich liegen sie nicht falsch, wenn sie in jedem zweiten Auto welche erwarten. Und deshalb sollte man für die Dauer so einer Kontrolle unbedingt die Atmung verlangsamen oder besser gleich ganz einstellen, damit sich auch wirklich niemand bedroht fühlt. Denn in nicht wenigen US-Bundesstaaten kann sich jemand, der sich bedroht fühlt, auch mit tödlichen Waffen zur Wehr setzen.

Und wann das der Fall ist, ist Ermessenssache.

Leider auch kein Scherz!

Ich beschließe, meine Gedanken wieder nach dem aktuellen Geschehen auszurichten. Wenig später biege ich in die Petkumer Straße ein. Ich fahre Richtung Borssum, hinein in die mir sehr gut bekannte und völlig überflüssige Dreißigerzone mit einem stationären Blitzautmat auf jeder Straßenseite. Stadtteil Friesland. Und weil mich die Polizeikontrolle zuvor eben doch ein wenig aus dem Konzept gebracht hat und meine Gedanken immer noch um diesen ganzen Schwachsinn kreisen, vergesse ich, die Geschwindigkeit rechtzeitig zu drosseln.

POTZBLITZ!

Nein, verfickt, so denke ich, auch das noch.

Egal, abhaken die Scheiße. Mein nächstes Auto hat getönte Scheiben. Wie bei einem Mafiaboss oder so. Und morgen fahre ich zur Lääibucht und anschließend nach Nor-der-nääi.

Ende!


Die beiden Bilder oben zeigen eine Heringsmöwe, die mit einem Maulwurf angeflogen kam. Ob sie ihn selbst erbeutet oder bereits tot aufgefunden hat, ist mir nicht bekannt. Sie hat ihn, wie es Möwen halt machen, in einem Stück hinuntergeschlungen. Witzig ist, dass ich das in Wybelsum bereits mehrfach beobachten konnte. Man kann fast schon von einer Spezialisierung auf Maulwürfe sprechen ;-)

Meine allererste Steppenmöwe (im 3. Kalenderjahr) in Ostfriesland zeigte sich vorgestern und gestern (2. u. 3. 7. 2014) an der Kleientnahmestelle in Wybelsum:

my very first Caspian Gull (with Black-headed Gull), since I have moved to Ostfriesland

Silbermöwe, Heringsmöwe und Steppenmöwe (von links):








Herring Gull, Lesser Black-backed Gull, and Caspian Gull (left to right)

Wahrscheinlich könnte man solche Vögel auch in Emden häufiger entdecken, wenn man sich regelmäßig die Mühe machte, größere Möwentrupps durchzumustern.

Hier sind es zwei Heringsmöwen, eine Sturmmöwe (links), die Steppenmöwe sowie eine Lachmöwe (rechts):

Neben der Maulwurfmöwe und der Steppenmöwe hielt sich noch eine farbberingte Silbermöwe (gelb, dritter Vogel von links) im Gebiet auf:

Herring Gull with Colour Ring

Und es gab auch noch eine Mantelmöwe:

Great Black-backed Gull (with Black-headed Gulls in foreground)

Für jene Menschen, die sich nicht so sehr für Vögel interessieren, sind die gezeigten Individuen nichts anderes als schnöde "Seemöven".  Diese Menschen haben es leichter.


Alle Bilder dieses Beitrages sind Belegaufnahmen (Verhalten, Art):