wilde perspektiven

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Mittwoch, 6. August 2014

Schöne Landschaften

In der Regel neigt man dazu, es gerade dort schön zu finden, wo man nicht lebt. 

Deshalb verbringen viele Menschen aus Süddeutschland ihren Urlaub bei uns im Norden und wir unseren gerne dort, wo es nicht ganz so flach wie in Ostfriesland ist. Doch obwohl ich in Ostfriesland lebe, sind für mich wie zum Trotze die Inseln das Nonplusultra unserer Republik! 

Nur Dünen, Salzwiesen, Strand, pollenfreie Luft, tolle Vögel - und keine Landwirtschaft! 

Merksatz: Für ein Leben auf Juist, Borkum oder Norderney würde ich auf der Stelle mein Lachen an Horst Frank verhökern.

Vor allem aber für ein Leben auf Juist!

blooming Great Willow-herb at Rysumer Nacken two weeks ago

Ich wohne aber in Emden, und so muss ich mich mit dem Rysumer Nacken und den Mooren bei Aurich zufriedengeben. Dass wir uns nicht missverstehen, ich liebe Moore, und der Rysumer Nacken ist eine Ecke, wo man noch so einiges finden kann, was man andernorts vergeblich suchte. 

Doch ist es nicht schade, dass es in der ausgeräumten Landschaft nur noch winzige Oasen gibt, wo die Natur auf dem Regiesessel sitzen darf? Würde man den größten Teil Emdens unter einem riesigen und sterilen Kunstrasen begraben, wäre das aus ökologischer Sicht kaum ein Verlust. Und wahrscheinlich fiele das keiner Seele auf. Hauptsache sie ist grün, unsere kleine Welt, dann muss sie doch auch heil sein.

Ich will aber nicht unfair sein, gibt es doch deutlich weniger attraktive Gebiete in unserem Land. Ostwestfalen-Lippe und hier besonders die Gegend um Bad Oeynhausen und Löhne sind mir nach wie vor in schlechter Erinnerung geblieben. Total zersiedelt, diese Ecke, nur Ausfallstraßen und Damenoberbekleidungsgeschäfte. Wenn man dort lebt und sich für die Natur interessiert, kann man eigentlich nur verzweifeln und verkümmern ;-)



Der Baumpieper, um jetzt mal was Gehaltvolleres zu schreiben, hat in diesem Jahr zum ersten Mal seit 1991, also nach sage und schreibe 23 Jahren, auf dem Gebiet der Stadt Emden gebrütet. Dass es so kommen würde, hatte sich bereits in den vergangenen Jahren abgezeichnet, hielten sich doch bis zu fünf singende Männchen gleichzeitig und jeweils über einen längeren Zeitraum auf dem Rysumer Nacken auf.

2014 konnte ich endlich fütternde Altvögel im äußersten Nordwesten der Stadt und an der Grenze zur Krummhörn beobachten, Fotos gelangen aber nur vom Lebensraum:

habitat of Tree Pipit at Rysumer Nacken - this species has bred successfully in 2014 for the first time in Emden since 1991!

Es ist die zunehmende Verbuschung, die dieser Vogelart in die Karten spielt.


Hier ein Baumpieper aus dem Archiv, fotografiert im Juni 2010 in Aurich-Tannenhausen, wo die Art eine klassische Requisite der Randbereiche des Moores ist:



Tree Pipit - taken from the archives

Ein weiteres Bild vom Lebensraum:

Ich habe Löcher in den Händen und gehe davon aus, dass die Zahl der Baumpieper-Brutpaare auf dem Rysumer Nacken in den kommenden Jahren noch ansteigen wird.

Eines der Männchen sang im Frühjahr ausgiebig auf einer Fläche rechts des gezeigten Weges, doch verschwand es nach zwei Wochen, ohne eine liebe Partnerin gefunden zu haben:


Am Strand sah es vor drei Wochen etwa so aus:

Wer ist da durch mein Revier gelaufen?

Ach, das war ich ja selber...

Künstliche Uferbefestigung aus Stein und Beton zwischen Strand und Restaurant:

Eine junge Bartmeise beobachtete mich aus sicherer Distanz:

Bearded Reedling

Sie war Teil eines Trupps, bestehend aus 34 Individuen!


Die Hanfernte auf dem Rysumer Nacken steht auch wohl bald bevor:

somebody is maintaining a hidden cannabis plantage at Rysumer Nacken consisting of six well grown and healthy individuals.  When is he going to gather his crop?


Kinners, jetzt geht's wieder ins Moor. 

Genauer: ins Collrunger Moor.


Das Bild zeigt einen verschilften Graben, neben dem ich immer parke. Und es illustriert die Stimmung am frühen Morgen eines nebeligen Tages, noch vor Sonnenaufgang.

Im Moor selbst sah es etwa eine Stunde später so aus:

Ein Ausschnitt des obigen Bildes mit dem Makro:

Wie eigentlich immer in der Zeit von März bis August/September konnte ich auch an diesem Tag die ansässigen Kraniche hören. Ich blieb bis Mittag, und so bekam ich die Vögel auch mal wieder zu Gesicht, weil sie das Moor irgendwann verließen, um auf den umliegenden Flächen nach Nahrung zu suchen. Weil für einen Objektivwechsel keine Zeit blieb, entstand das Bild mit meinem Makro, freihändig und ohne Bildstabilisator:

Common Crane

Und nach einer ganzen Weile kehrten sie wieder ins Moor zurück, um sich zu putzen oder einfach nur zu ruhen.

Ich traute meinen Augen nicht, als später gleich sieben Kraniche am Himmel auftauchten:

seven adult Cranes - it felt like it was already late fall


Sie landeten auf einem Acker außerhalb des Moores, während ich das Collrunger Brutpaar gleichzeitig im Auge behielt. Neun Kraniche also an einem Tag im August!

Alle Vögel waren adult. Von einem gigantischen Bruterfolg konnte leider nicht die Rede sein. Doch woher die sieben Kraniche stammten, kann ich nicht sagen. 


Eine Wespenspinne aus dem Moor:





Wasp Spider

Eigentlich habe ich das Bild nur gemacht, weil diese Spinne ihr Netz recht hoch zwischen den Blütenständen des Pfeifengrases errichtet hatte. Das ergab dann mal einen andereren Hintergrund.

Das nächste Bild zeigt dieselbe Spinne einen Tag später, allerdings deutlich vor Sonnenaufgang.

Sehr schön kann man sehen, wie sich das Licht auf die Farben eines Tieres oder einer Pflanze auswirken kann:




Der Große Blaupfeil ist eine der anspruchslosesten Großlibellen unseres Landes. Vor allem in Sandgruben und Kleientnahmestellen kann man ihm in großer Zahl begegnen, doch auch Moore bieten dem Anschein nach günstige Voraussetzungen für diese Libelle:

Black-tailed Skimmer

Aber nur dann, wenn es vegetationslose Bereiche gibt

Ein zweites Männchen, ebenfalls von Tau bedeckt:

second specimen

Die trockengefallenen Bereiche der Blänken werden auch gerne vom Waldwasserläufer aufgesucht (Archivaufnahme eines adulten Vogels im PK aus Emden):

Green Sandpiper - taken from the archives

Im August ist diese tolle Limikole grundsätzlich ein echter Stammgast im Moor.

Zwei beachtlich große Exemplare des Königsfarns stehen neben dem Damm, der durch das Gebiet führt:

Royal Fern

Sexy Besenheide:





Common Heather

Eine recht schrill gefärbte Gartenkreuzspinne zog mich in ihren Bann:

European Garden Spider


Dasselbe Tier, das auch aus der Nähe ein echter Knaller und nicht weniger hübsch als eine Wespenspinne ist:




same

Weitere Impressionen aus dem Moor vom sehr frühen Morgen:

Huuuaaah, war das wieder schaurig an diesem Morgen:

Spaß beiseite, nur wenn man noch nie in einem Moor gewesen ist, kann es einem Angst einjagen. Schuld daran sind schlechte Gruselfilme aus dem letzten Jahrhundert.

Moore sind einfach toll, und wer sie nicht mag, ist halt doof:


Eine Hängematte für eher schmächtige Personen:

because of its horizontal position Tetragnatha extensa's web reminded me of a small hammock. I tried - and dropped ;-)

Es war ein Netz der Streckerspinne.

Und natürlich gab es weitere Libellen, die da in der Bodenvegetation auf die wärmende Sonne warteten.

Sehr viele Schwarze Heidelibellen:

Black Darter

Und auch wieder zahlreiche Individuen der Zarten Rubinjungfer:




Small Red Damselfly

Und es hielten sich 23 Silberreiher im Moor auf.

Gleichzeitig, wohlgemerkt:

Great White Egret and Greylag Goose

Mehr als neun der Vögel konnte ich aber nicht auf einem Bild verewigen. Trotzdem hatte das was von Florida, wie die weißen Vögel da so in den Weiden standen.


Weitere Bilder aus dem Moor:


Links der Mitte kann man einen von mehreren Hochsitzen erkennen. Der Jagdpächter (aus Leer) ist mir dort bereits zweimal begegnet. Und zwar beide Male in den letzten Apriltagen, wenn er den Beginn der Bockjagd vorbereitete - je einmal 2009 und 2010. Sonst habe ich ihn dort nicht ein einziges Mal gesehen, was wiederum ein Beleg dafür ist, das sein Interesse an der Natur eher bescheiden ausfällt ;-)


Die erste Herbst-Mosaikjungfer des Jahres patroullierte entlang einer Blänke neben dem Damm:

Migrant Hawker

Da sie immer mal wieder wie ein Helikopter auf der Stelle flog, konnte ich in aller Ruhe manuell fokussieren:


Für den Autofokus war die Libelle nämlich viel zu klein.


Das Collrunger Moor ist ein Naturschutzgebiet, das der Interessierte auf den markierten Wegen betreten darf.

Ansonsten gilt es, die Tiere dort nicht zu stören und die Pflanzen nicht zu pflücken. Alle Tiere! Und alle Pflanzen!

Das folgende Schild weist ausdrücklich darauf hin (Punkt 2):

Collrunger Moor actually is a strictly protected area: "Don't bother/disturb/harass any wildlife" 
But hunting is allowed as hunting is allowed almost everywhere in my country. Why?

Doch natürlich gibt es wieder die bekannten Ausnahmen, wie gleich mehrere Hochsitze im Gebiet belegen.