Dienstag, 21. Oktober 2014

Beautiful Schneeammer

In der vergangenen Woche fand ich eine störungsresistente männliche Schneeammer nahe dem Deicharbeiter-Denkmal "Diekskiel" bei Pilsum.

Okay, ganz zu Beginn hielt sie schon noch so etwas wie eine Fluchtdistanz zu mir ein, aber so nach und nach nahm die dann ab, bis der Vogel irgendwann beschloss, mich einfach überhaupt nicht mehr zu beachten.

Gut für den Vogel und noch besser für mich, denn bis zu diesen Tagen, Freitag-Nachmittag bis Sonntag-Mittag, hatte ich noch nie wirklich vernünftige Bilder von der Schneeammer hinbekommen. Meist tritt diese Art in Trupps auf, aber dann sind die Vögel oft nervös und fliegen andauernd auf.

Wirklich gute Chancen auf brauchbare Bilder hat man vor allem bei Einzelvögeln, die sich Menschen gegenüber besonders vertraut zeigen.




tame male Snow Bunting

Die Schneeammer hielt sich über mehrere Tage an einem Weg auf, der von vielen Passanten für einen Spaziergang am Wasser genutzt wird.

Im Winterquartier besteht das Leben einer Schneeammer fast ausschließlich aus Nahrungssuche. Wie eine Maus huscht sie über den Boden und pickt permanent kleinste Pflanzensamen und winzige Insekten auf, die man als Mensch mit bloßem Auge kaum wahrnehmen kann.

Dabei gönnt sich der Vogel kaum eine Pause und hält auch nur selten an, was selbst den eigentlich schnellen Autofokus meiner Kamera auf eine harte Probe stellte:




Die Schneeammer brütet wie die im letzten Beitrag vorgestellte Spornammer im hohen Norden, in der Tundra und den Fjälls Norwegens zum Beispiel, aber im Gegensatz zur Spornammer auch in Schottland und auf Island.

Dort bewohnt sie menschenleere Gegenden, wo sich Raufußbussard und Lemming eine gute Nacht wünschen, wenn sie sich nicht gerade gegenseitig aufessen – also der Bussard vielleicht eher den Lemming als umgekehrt.

Und wenn die Brutsaison im kühlen Norden endlich vorbei ist, dann fliegt die Schneeammer in den "sonnigen" Süden. Soll heißen, nach Ostfriesland und in andere Gebiete, die zumindest in Mitteleuropa auf gleicher geografischer Breite liegen, in Asien aber auch viel weiter südlich.

Bei uns hält sich die Schneeammer vorzugsweise am Spülsaum der Nordsee auf, an Stränden und auf Wegen, die durch Salzwiesen führen. Zwischen natürlichem Getreibsel und leider auch angespültem Unrat sucht der hübsche Vogel nach Nahrung. Manchmal in Gesellschaft der Ohrenlerche oder des Berghänflings, noch seltener auch gemeinsam mit der Spornammer, mit der sie von einigen Wissenschaftlern in dieselbe Gattung Calcarius gestellt wird.

Hier also mal zwei Ohrenlerchen, die grundsätzlich sehr scheu sind, ebenfalls aufgenommen irgendwo zwischen Manslagt und Pilsum:

Shore Lark shares the wintering habitat with Snow Bunting, Rock Pipit, and Twite
  
Merksatz: Die Schneeammer meidet Gebüsche und Wälder, und die Schneeammer ist niemals Gast am Futterhaus!

Auf den Inseln fühlt sie sich besonders wohl, doch auch auf dem ostfriesischen Festland gibt es sehr zuverlässige Orte, wie z. B. den Strand von Bensersiel. Grundsätzlich aber kann man ihr mit etwas Glück überall im Wattenmeer begegnen.

Im Winterquartier ist die Schneeammer ein sehr sozialer Vogel, der meist in Trupps auftritt. Und trotz seines bunten Federkleides fällt das sich ausschließlich am Boden aufhaltende Tier kaum auf. Meist bemerkt man es erst, wenn es vor einem auffliegt.

Knabber, knabber:

Hat man den Vogel aber erst einmal entdeckt, kann man ihm aus geringer Distanz beim Tagesgeschäft über die Schulter sehen.

Und zum Tagesgeschäft gehört eben auch ein erfrischendes Bad in einer Pfütze mitten auf dem Weg.


Aus dem Hirn dieser Scheeammer: Erst einmal reinstellen ins Nass und warten, was passiert:

Okay, nichts passiert, dann lass' ich jetzt einfach mal einen Flügel hängen. Und der Bauch ist immer das Schlimmste. Da muss man sich wirklich überwinden. Das kostet Kraft. Huaaah. Bin ich schon drin?

Wenn man ihn aber erst mal im Wasser hat, dann geht's eigentlich:

Jetzt noch Schnabel und Gesicht. Soll ja schließlich keine Katzenwäsche werden.

Ich bin doch eine Schneeammer und kein Warmduscher:


Jau, jetzt macht's wirklich Spaß:

Und sauber bin ich auch gleich im Handumdrehen.

Trotzdem, der Magen knurrt schon wieder, da will ich mal schnell noch meinen Anzug putzen.

Die Schneeammer lief ans Ufer und begann mit der Gefiederpflege. Federn sind das höchste Gut eines jeden Vogels. Sie schützen vor Nässe und Kälte und ermöglichen der einen oder anderen Art den einen oder anderen Langstreckenflug.

Eine Schneeammer ohne Federn könnte nicht einfach mal so nach Ostfriesland fliegen. Und der harte nordische Winter brächte ihr umgehend den Tod. Und nicht nur deshalb ist die tägliche Gefiederpflege unerlässlich.

Bei uns Menschen sollte das eigentlich nicht anders sein:

Das ist dann der Moment, in dem man als Fotograf sofort zuschlagen sollte, bleibt der Vogel doch endlich mal stehen und ist mit sich selbst beschäftigt:

Und es ist der Augenblick, in dem Schneeammern besonders flauschig und hübsch sind!

Manche Bereiche des Körpers sind mit dem Schnabel nur schwer erreichbar:


Für andere muss man sich als Schneeammer nicht so strecken und verrenken:

Und noch einmal hoch, das Schwänzchen:

Einfach nur goldig:

Ein sichernder Blick zwischendurch kann nie schaden. Zu jeder Zeit kann ein Sperber um die Ecke kommen:

Im Schlichtkleid gefällt mir die Schneeammer mit Abstand am besten.

Und ganz besonders die Männchen mit ihrem hohen Weißanteil machen wirklich was her. Im Prachtkleid sind sie einfach nur schwarz-weiß gefärbt, und selbst der jetzt so schön orangefarbene Schnabel wird sich im Frühjahr in ein schlichtes Schwarz umfärben. 

Interessant in diesem Zusammenhang sind die braunen Bereiche des in diesen Tagen noch frischen Federkleides. Sie nutzen sich bis zum Frühjahr komplett ab und legen so nach und nach das sich bereits darunter befindende Prachtkleid frei. Der Kopf zum Beispiel wird bis zur Brutzeit reinweiß werden.

Quintesssenz: Das Prachtkleid der Schneeammer ist quasi das Schlichtkleid ohne die verdeckenden braunen Federränder und es entsteht, wie bei vielen anderen Vogelarten auch, nicht durch Mauser.

Hier mal die braunen Federspitzen im Detail:

Wieder was gelernt!


Nach dem Putzen ging es erneut auf Streife durchs Winterrevier:

Wirklich perfekt war das Licht an diesem Tag leider nicht. Zwar war es nicht kristallklar, aber trotzdem wirkte alles für meinen Geschmack etwas zu grell.

Nur selten dimmte eine vorbeiziehende Wolke für wenige Minuten das gelbliche Licht:

Nur dann sah der Vogel wirklich großartig aus:

Jetzt ist es an der Zeit, ein kleines Geheimnis preiszugeben.

Dass der Vogel seine Scheu mir gegenüber immer weiter ablegte, hatte natürlich auch einen Grund. Aus Erfahrung wusste ich nämlich, dass auch Ammern gerne Mehlwürmer verspeisen. Rohr- und Goldammer habe ich in der Vergangenheit des Öfteren als Beifang vor dem Tarnzelt beobachtet und geknipst.

Und so dachte ich mir, dass vielleicht auch Schneeammern darauf stehen könnten. Zufällig hatte ich Mehlwürmer in meinem Rucksack und warf kurzerhand eine kleine Portion in Richtung des Vogels. Sie landeten aber im Nirwana, weil ich die Rechnung ohne den böigen Wind gemacht hatte.

Der zweite Versuch aber war erfolgreich. Etwa sechs der zehn geworfenen Mehlwürmer trafen den Vogel am Kopf!

Hä?

Wie?

Was?

Woher?

Das schien die Schneeammer binnen einer Sekunde zu denken. Wahrscheinlich fühlte sie sich an die Bibel erinnert, an das Manna, das Himmelsbrot, das den Israeliten auf ihrer viele Jahre andauernden Wanderung durch die Wüste das Leben gerettet haben soll.

Aber Vögel glauben gar nicht an Gott oder die Bibel, weil sie für so einen Schwachsinn gar keine Zeit haben.

Und so langte die Schneeammer auch sofort zu, so ganz ohne Tischgebet:




Snow Bunting versus Mealworm

Und nach der Mahlzeit gab es ein erfrischendes Kaltgetränk:
























Nach dem Eintauchen des Schnabels müssen die meisten Vögel den Kopf anheben, damit das Wasser in den Rachen rinnen kann.

Genau das tut der Vogel hier:

Ein Sättigungsgefühl scheint sich bei Schneeammern aber grundsätzlich nicht einzustellen. Bestimmt haben sie einen Spitzmaus-Stoffwechsel und können kaum schnell genug nachladen.

Und so ging es weiter, Schritt für Schritt und geduckt durch die niedrige Vegetation:

Am Rande eines gepflasterten Weges bei Pilsum:

wintering habitat of Snow Bunting near Pilsum

Alle bislang gezeigten Bilder stammen vom Samstag.

Die nächsten drei sind vom Freitag-Nachmittag:

Immer wieder gingen kräftige Schauer nieder. Eine Schutzhütte gibt es dort aber nicht, und man kann auch nicht jedes Mal zum Auto laufen, weil man dann nur noch am Laufen ist.

Und wenn die Sonne mal durchkam, dann gleich auf eine Art und Weise, wie ich es hasse:

Einzelne Tropfen kann man auch auf diesem Bild noch sehen.

Wenn das Licht von der Qualität her irgendwie dazwischen war, gab es die schönsten Fotos an diesem Tag:

Oder so:

Das nächste Bild ist das einzige vom Sonntag.

Es belegt, dass man sich auch als Schneeammer richtig strecken muss, wenn man am Boden nichts Essbares mehr findet:

Hier noch ein letztes Bild, wieder vom Samstag, das die Schneeammer unter der malerischen Herbstsonne und bei der Nahrungssuche zeigt:


Als ich mich am Samstagabend schließlich zu meinem Wagen aufmachte, hatte sich die Sonne bereits ins Meer gestürzt.

Unmittelbar nach Sonnenuntergang entdeckte ich eine an Vogelkacke auf dem Pflaster klebende Feder, die im Wind zuckte und im allerletzten Licht des Tages noch einmal aufleuchtete:

right after sunset at a place on the shore, where tons of Mallards and Gulls and few more bird species spend the time around high tide

Bereits wenige Sekunden später war dieses Feuer wieder erloschen.

Tschüß, Schneeammer.


Am Donnerstag-Nachmittag (16. 10.) begegnete ich im Dauerregen einem Regenbrachvogel, der sich zwar ganz normal verhielt, aber irgendwie doch einen etwas geschwächten Eindruck auf mich machte. Er stocherte mit seinem krummen Schnabel zwischen den Pflastersteinen des Weges herum und schluckte die Beutetiere, die ich nicht erkennen konnte, sofort runter:




debilitated Whimbrel

Ja, der Vogel war nicht scheu, aber das Wetter eben wirklich scheiße!

Meine Kamera wäre beinahe abgesoffen, sodass ich vorsichtshalber abbrach und auf den Freitag-Nachmittag hoffte.

Und tatsächlich war der Regenbrachvogel noch da!

Allerdings hatte er in der Zwischenzeit eine Art Metamorphose vollzogen, denn jetzt sah er komplett anders aus:

same bird at the same location one day later, likely preyed by a Peregrine or Goshawk

So sieht ein Regenbrachvogel aus, wenn der Wanderfalke oder ein Habicht mit ihm fertig ist...


Eine geile Amsel, die in keinerlei Kontext zum bisher Geschriebenen steht, darf heute den Schlusspunkt setzen.

Es ist eine echte Emder Amsel, das möchte ich betonen:

Common Blackbird

Gesehen und fotografiert im Stadtteil Wolthusen.