wilde perspektiven

wilde perspektiven

Mittwoch, 15. Oktober 2014

Eine Spornammer besucht die Krummhörn

Es gibt Geschichten, die sind so dermaßen urkomisch, dass man sie einfach erzählen muss, obwohl man sie vielleicht im Detail besser für sich behielte.

Am Nachmittag des 13. Oktober fand ich an dem im Sommer gesperrten Weg entlang der Wasserkante zwischen Hamswehrum und Manslagt (Gemeinde Krummhörn) einen sehr zutraulichen Steinschmätzer, dem ich die Restscheu nahm, indem ich ihm einige Mehlwürmer zuwarf.

Schnell konnte ich einige Bilder von ihm machen, doch war das Licht bereits sehr schlecht:

fearless Northern Wheatear (the true braveheart)

Ich hoffte auf eine zweite Chance am Dienstag und fuhr gegen vier am Nachmittag abermals nach Hamswehrum, wo ich meinen Wagen parkte. Den Steinschmätzer traf ich zu meiner großen Enttäuschung leider nicht mehr an, doch gab es einen noch viel interessanteren Ersatz für mich.

Von meinem Auto, das auf einem Parkplatz am Deich stand, bis zum Tatort war ich bereits mehrere Kilometer marschiert, als mich plötzlich großer Durst plagte. Ich sicherte nach allen Richtungen, setzte die Pulle an und leerte sie beinahe in einem Zug. Es war die Sorte Mineralwasser mit maximalem Kohlensäuregehalt. Und es war eine volle Eineinhalb-Liter-Flasche!

Ich sah ein letztes Mal skeptisch zum fernen Deich hinüber, doch war da auch jetzt niemand unterwegs. Keine Seele weit und breit.

Dann ließ ich es raus. Ich rülpste, wie ich es schon seit mindestens 24 Stunden nicht mehr getan hatte. 

Laut, lang und heftig.

Ein kleiner Vogel flog nur ein paar Schritte von mir entfernt aus der schütteren Vegetation auf und landete wenige Meter weiter auf dem gepflasterten Weg, um dann rasch wieder in den Queller zu rennen.

Wenn man in passendem Gelände einen Kleinvogel aufscheucht, der wie eine Schneeammer ruft, aber ein großes weißes Flügelfeld vermissen lässt, dann kann das eigentlich nur eine Spornammer sein.

Langsam pirschte ich mich heran und schoss das erste Bild. Es zeigt sehr eindrucksvoll, wie ausgezeichnet getarnt so eine Spornammer ist, wenn sie sich nicht bewegt.

well camouflaged - finally my very first Lapland Longspur since I have moved to Ostfriesland (IJsgors)

Wenig später stand der Vogel für einen Augenblick völlig frei, verschwand anschließend aber wieder im Pflanzengewirr:

same

Die Spornammer ist wahrscheinlich ein regulärer, aber eben auch sehr spärlicher und manchmal wohl auch übersehener Durchzügler an der Nordseeküste. Dass diese Fotos eines Individuums in der Krummhörn etwas Besonderes sind, kann man schon daran erkennen, dass von den vielen Bildern dieser Art im Club300 nur wenige abseits Helgolands entstanden sind und nur ein einziges überhaupt nicht auf einer Insel.   

Also gab ich mir noch mehr Mühe und wurde am Ende auch belohnt:


same

Mehr ging leider nicht, denn der Vogel flog in die angrenzenden Salzwiesen und war so für mich unerreichbar. Geschafft, habe ich ihn noch erleichtert zischen hören. Immer wieder diese Psychopathen mit den Kameras. Wo man auch landet, mindestens einer ist schon da, das Teleobjektiv im Anschlag...

Ich hingegen war zufrieden mit meiner Ausbeute. Und wenn es sich auch nur um megamäßige Ausschnittvergrößerungen handelt, so bin ich doch froh, endlich mal ein passables Bild von der Spornammer hinbekommen zu haben.

Denn diese Feststellung war erst meine zweite auf dem norddeutschen Festland. Vor einigen Jahren (vielleicht 2007?), noch vor meinem Umzug nach Ostfriesland, sah ich in Schillig/Kreis Friesland gleich einen ganzen Trupp dieser Art, doch für Belegfotos sollte es seinerzeit nicht reichen, obwohl ich wirklich alles gegeben hatte. Ich kann mich leider weder an das Datum erinnern noch an die genaue Anzahl. Und nachsehen kann ich das auch nicht, weil ich die letzten Berichte der OAO (Ornithologische Arbeitsgemeinschaft Oldenburg) nicht mehr bestellt habe (man muss irgendwann aufhören, Bücher zu kaufen, weil die Regale voll sind und man sie nicht mit in die Kiste nehmen kann...).

Spornammern brüten in der Tundra des hohen Nordens. Und das sogar rund um den Pol! 

Individuen, die bei uns an der Küste auftauchen, können sowohl von Grönland stammen als auch aus Skandinavien. Letzteres ist belegt unter anderem durch einen in Schweden beringten Jungvogel, der später in Belgien abgelesen werden konnte (Quelle: "Die Vögel Niedersachsens, Rabenvögel bis Ammern").

Der Ort des Geschehens (etwas südlich davon):

the place where I found Wheatear and Lapland Longspur

Starker Regen, wenn auch nur in Form eines Schauers, sowie einsetzende Finsternis ließen mich zum Auto zurückkehren. Klitschnass kam ich dort an. Doch weil ich solche Erfahrungen schon des Öfteren gemacht habe, liegt in meiner Karre immer eine trockene Garnitur bereit. 

Es war einfach nur herrlich, sie überzustreifen!

Und was lehrt uns diese kleine Geschichte: Geht raus und rülpst. Ihr werdet euer blaues Wunder erleben.


Der oben erwähnte Steinschmätzer befand sich wahrscheinlich schon in NL oder noch weiter im Süden. 

Hier aber ein paar zusätzliche Bilder von ihm:

Ein weiteres:

Noch mehr:

Und ein letztes:







Am 13. 10. sah ich als weiteren interessanten Vogel eine weibliche Bergente vor Uplewards Campingplatz nach Beute tauchen:

Scaup

Diese Art kann man vor allem auf dem breiten Emstrichter, also nördlich des Dollarts, antreffen. Meist halten sich die Vögel aber in großer Entfernung zum Deich auf, dafür aber nicht selten in ansehnlichen Trupps.


Rostgänse galten früher meist als Gefangenschaftsflüchtlinge. Das ist heute wohl kaum noch der Fall, doch das bedeutet nicht etwa, dass diese hübschen Entenvögel aus ihrem eigentlichen Verbreitungsgebiet zu uns nach Mitteleuropa einfliegen. Im Gegenteil, denn dort, wenigstens im westlichen Bereich ihres Areals, scheinen sie eher selten zu sein. In Rumänien jedenfalls habe ich keine einzige gesehen.

Am Eemmeer bei Utrecht/NL mausern alljährlich große Zahlen dieser "Halbgans", in 2014 wohl etwa 800 Individuen (Quelle: Ornitho). Weil der niederländische Bestand eher niedrig ist, möchte man herausfinden, woher diese vielen Rostgänse stammen. Vor allem Deutschland steht in diesem Punkt unter Verdacht!

Kurz: Sie bekommen einen gelben Halsring mit einem Buchstaben- /Zahlencode verpasst, der es dem Beobachter ermöglicht, die Vögel auch aus größerer Distanz abzulesen. Über Resultate weiß ich allerdings noch nichts.

Die Rostgänse, die ich in den letzten Tagen zwischen Emden-Wybelsum und den Hauener Pütten beobachten konnte, waren leider allesamt unmarkiert und sehr scheu.

Alarm, die sehen ja alle ganz anders aus als ich (aus der Rubrik Rostgans-Gedanken):







Ruddy Shelduck - the previous week I have encountered several individuals at the Ems estuary, but none of them was banded or wore a neck collar. So the origin of these birds has to remain open

Bloß weg hier:

Aus der Nähe sehen Rostgänse so aus (Spießente im Hintergrund):

Ruddy Shelduck (Pintail in the background), Photo: Herald Ihnen/Freepsum

Das Bild gelang Herald Ihnen aus Freepsum an den Hauener Kleipütten, wo ich am 9. 10. auch gleich einen ganzen Trupp Uferschnepfen ablichten konnte:

a flock of Black-tailed Godwit is still present at Hauen

28 waren es insgesamt:


Heute Nachmittag (15. 10.) sah ich einen durchziehenden Fischadler im Wybelsumer Polder:


record shot of a migrating Osprey 

Wie man erkennen kann, hatte der Vogel ausreichend Proviant für die lange Reise nach Afrika dabei. Und zwar in seinem Bauch. Anders ausgedrückt: Der Fischadler war prall gefüllt. Ein gefüllter Fischadler, wenn man so will, oder ein fliegender Vogelfettsack ;-)

Zum Abschluss dieses Beitrags gibt es eine Heringsmöwe, die ich schon vor einigen Wochen am Hafen von Greetsiel fotografiert habe:

Lesser Black-backed Gull 

Sie schaute den örtlichen Krabbenfischern beim Verladen ihres Fanges zu.

Ich meine, dass da auch Speichel aus dem Schnabel tropfte.


Morrissey, einer meiner Lieblingskünstler, soll an Krebs erkrankt sein!

Ich hoffe, dass er wieder gesund wird und verlinke an dieser Stelle zu einem seiner Songs: klick!

Und hier noch ein Auftritt in London mit seiner Band The Smith viele Jahre zuvor: klick!