Dienstag, 3. Februar 2015

Winter für nur einen Tag

Am vorletzten Wochenende kam es zu einer unglaublichen Überraschung in Ostfriesland.

Da hatte sich doch tatsächlich Väterchen Frost auf den Weg gemacht und ein bisschen mit dem Zuckerstreuer rumgespielt.

Und wenn er das macht, dann zieht es mich wie an einem unsichtbaren Faden ins Moor nach Tannenhausen, weil es dort unter diesen Bedingungen besonders schön ist. 





pretty winter landscape for only one day in a bog near Aurich

Sonnig sollte es den ganzen Tag über nicht werden. Stattdessen war es neblig, aber immerhin auch recht hell.

Im Grunde also ausgezeichnete Voraussetzungen, die malerische Landschaft in aussagekräftigen Bildern festzuhalten:

Ganz vorsichtig setzte ich Schritt für Schritt auf den gefrorenen Torfboden, um die schlafenden Kreuzottern nicht zu stören (siehe Titelbild, das in diesem Moor entstand). Tatsächlich aber war es eher so, dass ich zuvor beim Aussteigen aus meinem Auto mit dem linken Fuß umgeknickt war, sodass ich die ersten drei Kilometer eigentlich kaum gehen konnte.

Trotzdem war ich froh, dass die Schlangen im Untergrund ruhten, sonst hätten sie mich wahrscheinlich angesichts meines nun sehr unbeholfenen Vorwärtskommens ausgelacht, so nach dem Motto: "Uns ist das noch nie passiert!"

Schon klar.

Ich sah einen Raubwürger in großer Entfernung auf einer Birke stehen; zahllose Blässgänse flogen über mich hinweg und auf der Flucht vor der Kälte Richtung Südwest.

Und ich suchte nach einem zahmen Rotkehlchen, das ich eventuell mit Mehlwürmern vor meine Linse locken könnte, doch da tat sich nichts.

Also wieder ein Landschaftsbild:




Spuren schweren landwirtschaftlichen Gerätes im Sand:

Das ist eine feine Sache, denn ohne Traktor und andere Fahrzeuge blieben diese Wege durchs Moor nicht vegetationsfrei. So aber profitiert gleich eine ganze Reihe verschiedener Vogelarten davon, allen voran der hübsche Neuntöter, der seine Beutetiere eben vor allem entlang dieser Sandpisten sucht.

Im Mai wird er aus seinem afrikanischen Winterquartier zu uns und auch nach Tannenhausen zurückkehren, doch bis dahin sind es vor allem besagte Rotkehlchen, die auf Zweigen am Wegesrand stehen und den Boden nach kleinen Lebewesen absuchen. 

Ein zutrauliches war, wie oben bereits angekündigt, leider nicht dabei.


Sehr hübsch fand ich auch die auf einer nassen Kuhweide wachsenden Binsen:

Common Rush

Gezuckert:

Mein Lieblingsstrauch, der wohlriechende Gagel:

Bog Myrtle

Gäbe es ein After Shave mit seinem Duft, es stände in meinem Bad:

Die Sumpfohreule ist in Ostfriesland nur auf den Inseln ein regelmäßiger Brutvogel. Auf dem Kontinent hingegen ist sie eher unstet, und es kann mal hier, mal dort zu Bruten kommen.

Der Moorkörper am Ewigen Meer bietet grundsätzlich gute Voraussetzungen für diese seltene Art, doch bis heute habe ich dort nur ein einziges Mal eine Sumpfohreule gesehen. Und bei diesem Vogel handelte es sich definitiv um einen Gast, denn ich begegnete ihm mitten im Winter.

Ähnlich erging es vor gut einer Woche (23. Januar) Monika Klemm aus Uplengen, die sogar das große Glück hatte, eine Sumpfohreule im Neudorfer Moor bei Remels fotografieren zu können.

Dynamik pur, Kotstrahl inklusive:

Short-eared Owl (Photo: Monika Klemm/Uplengen)

Man beachte die abgespreizten Steißfedern, die natürlich beim Kacken nicht schmutzig werden dürfen.

Merksatz: Deckel auf, Kacke raus, Deckel wieder zu ;-)

Ein weiteres Individuum war anwesend. Weil Sumpfohreulen aber außerhalb der Brutzeit ganz gerne in lockeren Gesellschaften abhängen, muss es sich nicht um ein Paar gehandelt haben. Ausschließen aber kann man das auch nicht, weshalb es sinnvoll erscheinen mag, auch künftig auf anwesende Eulen zu achten. Vielleicht möchte Lady Bente diesen Part übernehmen...

Viele Brombeer-Arten werfen ihr Laub auch in der kalten Jahreszeit nicht ab:





Blackberry (Rubus spec.)

Für junge Stieleichen gilt das auch:

English Oak

Männliche Haselblüten

blooming Common Hazel

Ja, liebe Allergiker, die langweilige Phase der Erholung ist schon wieder vorüber!

Ich selbst kann nur von Mitte Oktober bis eben in den Februar hinein ein drogenfreies Leben führen. Allerdings kann sich das tränende Auge auch erst im März zu Wort melden; es hängt natürlich auch von der vorherrschenden Witterung ab, ob die Pollen von Hasel und Erle sich überhaupt in die Luft schwingen und integre Menschen wie mich an den Rand der Verzweiflung bringen können.

Okay, ich übertreibe, denn gegen Birken und diese verfickten Gräser sind die Frühblüher eher Waisenknaben.

Nach einem sehr langen Spaziergang durchs Moor setzte ich mich in meinen Wagen, weil ich noch die Wiesen und Weiden am Großen Meer nach Speziellem absuchen wollte, doch eine einzeln stehende Erle am Abelitzschloot ließ mich abrupt in die Eisen gehen:

Der Baum rechts im Bild ist gemeint:

Die Überschrift trügt ein wenig, denn seit diesem Tag im Moor haben sich die Temperaturen um den Gefrierpunkt herum eingependelt. Nachts gibt es zurzeit Frost, tagsüber ist es gerade so über Null. Der so pittoreske wie vergängliche Raureif aber war tatsächlich schon am nächsten Tag Geschichte.

Das folgende Schwarzkehlchen überwintert in den Meeden am Siersmeer:

Eurasian Stonechat

Die Regel ist das natürlich nicht, doch in der Vergangenheit konnte ich immer wieder mal überwinternde Schwarzkehlchen beobachten, in Ostfriesland ebenso wie im Landkreis Osnabrück. Wahrscheinlich handelt es sich dabei um Individuen, die keinen Bock auf einen anstrengenden Flug nach Spanien haben. Und gefährlich wird es für diese kleinen Federkugeln auch wohl erst, wenn es viel Schnee gibt, doch das ist in diesem Winter bislang nicht der Fall. Man mag es kaum glauben, aber es mangelt auch nicht an Beutetieren. Wintermücken oder kleine Spinnen z. B. gibt es auch in diesen Tagen zuhauf.

So, und zum Abschluss gibt es jetzt doch noch ein Rotkehlchen, das ich unter ähnlichen Bedingungen, nämlich an einem raureifigen Tag im Moor, in Bildern festhalten konnte.

Einziger Unterschied: Es schien die Sonne.

Eurasian Robin  (taken from the archives)

So ein Archiv ist eben auch eine feine Sache!