wilde perspektiven

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Samstag, 18. Juli 2015

Krötengoldfliege (Teil 2825)

Fast auf den Tag genau vor einem Jahr habe ich zuletzt über die dubiosen Machenschaften der Krötengoldfliege (KGF) hier in Ostfriesland berichtet. Diesen sehr schönen und reich bebilderten Artikel findet ihr hier: klick.

Damals wie heute hat es sich also um die jeweils erste Saison-Beobachtung einer mit den Maden dieses Tieres infizierten Erdkröte gehandelt. Das bedeutet, dass sich Erdkröten ab Mitte Juni besonders gut verstecken sollten, wenn sie der KGF erfolgreich aus derm Weg gehen wollen. 

Merksatz (heute für alle Erdkröten dieser Welt): Am besten tagsüber einbuddeln und alle Zugangswege zum Versteck dicht verschließen und dieses nur bei absoluter Finsternis und vielleicht noch bei Dauerregen verlassen


Am Freitagmorgen (17. 7. 2015) spazierte ich kurz nach Sonnenaufgang am Larrelter ("Lallter") Tief entlang. Kurz bevor dieses die Autobahn unterquert, lief mir die in den folgenden Bildern gezeigte Erdkröte vor die Füße:

Common Toad infected with the larvae of the notorious Toad Fly (see enlarged nostrils)

Oh, eine Edkröte, so dachte ich folgerichtig. Wetten, dass die Fliegenmaden im Hirn hat?

Ich wettete also in Gedanken mit mir selbst und sollte diese Wette auch gewinnen ;-)

Denn es ist einfach, wie es ist: Eine tagaktive Erdkröte scheint hier in Ostfriesland auch grundsätzlich mit den Larven der KGF infiziert zu sein. Festgestellt habe ich das aber erst in Emden, doch auch schon zu meiner Auricher Zeit hatte ich Individuen gefunden, die mitten am Tage unterwegs waren. Meist in den Sandabbaugebieten im Norden der Stadt.

Stubste ich sie an, wirkten sie total teilnahmslos, um schon wenig später und ohne erkennbaren äußeren Reiz wie aufgezogen und vor allem wenig zielgerichtet loszuhüpfen und zu -laufen. Es ist eigentlich nicht meine Art, nicht genau hinzusehen, doch tatsächlich müssen mir die Symptome des Fliegenmaden-Befalls (u. a. ausgefressene Nasenlöcher) damals etliche Male entgangen sein.  

Und ja, es klingt bitter, aber wahrscheinlich bin ich auch in meinem Osnabrücker Vorleben blind durch die Gegend gelaufen, denn ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass die KGF ihren Verbreitungsschwerpunkt ausgerechnet hier in Ostfriesland haben soll.


Hier hob die Erdkröte ihren Körper an, um größer zu wirken: 











same as in next images – usually in case of an encounter with a Grass Snake Common Toad adopts this characteristic kind of a defense posture

Normalerweise machen Erdkröten das, wenn sie einer Ringelnatter begegnen. 

Manchmal soll die Schlange dann sogar von ihnen ablassen, weil ihr die Beute zu groß, wenigstens aber zu sperrig erscheint.

Doch ich bin keine Ringelnatter!

Weder bin ich so schlank, noch umgibt mich der fischige Duft einer Wassernatter.

Oder etwa doch?

Zwischen den nach wie vor hübschen Augen dieser bedauernswerten Kreatur wütete also der Wahnsinn. Die erweiterten Nasenlöcher kann man auf dem folgenden Foto sehr gut erkennen. Ich gehe aber davon aus, dass diese so gruselig anmutende Geschichte beim Opfer ab einem frühen Stadium keine großen Schmerzen mehr verursacht. Das hoffe ich zumindest. Und wahrscheinlich handelt es sich relativ schnell gar nicht mehr um Erdkröten, sondern um Zombies, die im Gewand einer Erdkröte durch die Gegend irren und Menschen erschrecken sollen.

Huaaaaaaaah!



Leider habe ich jetzt kein Bild von einer gesunden Erdkröte zur Hand, aber da braucht ihr nur im Netz zu schauen.
































Neben den riesigen Nasenlöchern ist die fast permanent aufgeblähte Kehle ein Indiz für den Madenbefall:

































Der Grund dafür liegt auf der Hand. Die Tiere können nicht mehr durch die Nasenlöcher atmen.

Nebenbei: Ich bin nicht zartbesaitet und fasse eigentlich alles an. Nur diese infizierten Erdkröten will ich nicht in die Hand nehmen, obwohl es eigentlich keinen plausiblen Grund dafür gibt. 

Auf der anderen Seite war genau dieser Umstand, also das Ergreifen einer kranken Erdkröte, der Grund dafür, dass ich überhaupt auf diese ganze Geschichte mit der KGF aufmerksam geworden bin. Denn als ich vor ein paar Jahren (4. 9. 2010) auf dem Rysumer Nacken erstmalig eine infizierte Kröte aufhob, quollen in einer dicken und halbklaren Suppe schwimmende Fliegenmaden aus den Nasenlöchern hervor – ausgelöst durch den leichten Druck, den meine Finger auf den Körper des Tieres ausübten.

Ihr könnt euch vorstellen, dass das nicht sehr angenehm war.

Nie werde ich das vergessen. Nie-mals!

Hier ein letztes Bild der Erdkröte, diesmal ohne aufgeblähte Kehle:




















Ich hoffe, dass die Fliegenmaden ihren Job schnell erledigen werden.

Noch 'ne kleine Anekdote gefällig?

Als ich auf dem Boden lag und die Bilder machte, kam plötzlich ein Jogger um die Ecke gelaufen. Plötzlich erhöhte er die Geschwindigkeit. Pustend kam er bei mir an und fragte, ob mit mir alles in Ordnung sei.

Soll ich ihn auf die Erdkröte hinweisen oder besser nicht, überlegte ich für einen kurzen Augenblick. Ich meine, von einem nagelneuen Turnschuh der Marke Nike zermanscht zu werden, wäre vielleicht die bessere und weniger qualvolle Alternative für das Tier, brachte ich meinen Gedanken rasch auf den Punkt. Doch dann machte der Jogger einen auf schlau, und sein Blick folgte der Ausrichtung meiner Linse, die vor mir auf dem Boden lag. Eine eigentlich simple Aufgabe, an der in der Vergangenheit aber schon so einige Mitmenschen gescheitert waren.

"Oh, ein Frosch!" sagte er erfreut, um dann mit einem Lächeln hinzuzufügen: "Da bin ich ja erleichtert, dass Ihnen nichts passiert ist."

Und ich dachte nur: Schade, jetzt muss das Tier, das kein Frosch ist, sein Leid bis zum bitteren Ende ertragen. Nix mit Sterbehilfe und so weiter.


Zum Abschluss gibt es ein Bild von einem nicht nur in Ostfriesland sehr häufigen Tagfalter:

the so called Ringlet is still one of the most common butterflies in Germany

Der Braune Waldvogel, im Volksmund wegen seiner düsteren, beinahe schmutzig wirkenden Erscheinung auch Schornsteinfeger genannt, ist nach wie vor ein häufiger Tagfalter in der ganzen Republik. Dieses Exemplar fotografierte ich auf dem Rysumer Nacken an einem Weg hinter dem Gassco-Werk.

Was man auf diesem Bild auch sehr gut erkennen kann, ist, dass die Designer der Luxus-Modemarke Chanel hier vor geraumer Zeit abgekupfert haben müssen. Diese klassischen Kostüme aus dunklem, hell gesäumtem Stoff haben mich jedenfalls immer sofort an diesen Schmetterling erinnert.

Oder umgekehrt.

Die allerletzte Frage: Warum bin ich bei diesem schönen Wetter und um diese Uhrzeit nicht im Outback? Weil ich meine geile alte Waschmaschine im Auge behalten muss, wenn sie ihre Arbeit verrichtet. Sie wackelt da durchs Bad und hört sich im Schleudergang wie ein Helikopter an. Wie der fette von der Bundeswehr mit den zwei Rotoren.

Und ich muss jetzt auch ganz schnell Schluss machen. Die Landung steht unmittelbar bevor!


Nachtrag vom 19. 7. 2015: Heute (Sonntag) war ich bei Dauerregen im Ihlower Forst und sah auf den Wegen gefühlte einhunderttausend Erdkröten. Bis auf zehn waren das ausschließlich frisch umgewandelte Individuen. Und die zehn anderen waren mindestens vorjährig und ausnahmslos von der KGF parasitiert worden.

Zwei habe ich auch fotografiert, eine davon zeige ich jetzt:



another infected specimen at a different location on a different day (19. 7.)

Und ich ermahnte die Frischlinge: "Seht euch das an! So wird es auch euch ergehen, wenn ihr leichtfertigerweise tagsüber unterwegs seid!"

Von den zehn kranken Kröten waren immerhin vier vorjährig und noch recht klein. Die abgebildete ist eine davon.

Ach ja, und vergesst bitte die Gästebuch-Einträge nicht, wenn euch dieser Beitrag genauso gut gefallen sollte wie all die anderen zuvor!