wilde perspektiven

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Mittwoch, 9. September 2015

Magic Feuerlibelle

Im letzten Bericht konnte ich neben diversen Frühen Heidelibellen und anderen Tieren und Pflanzen ganz stolz auch eine männliche Feuerlibelle präsentieren. 

Völlig überraschend, denn es war für mich die erste des Jahres hier im Norden der Republik. Und ich erwartete auch keine weitere mehr, weil der Herbst ja schon vor der Tür steht. 

Doch wie so oft im Leben sollte es nur wenige Tage später ganz anders kommen.

Dieses erste Bild eines zweiten Individuums ist der eindrucksvolle Beleg dafür:


worn male Broad Scarlet on a rainy morning at Rysumer Nacken/Emden on 1. 9. 2015 – this species formerly was restricted to the Mediterranean, but has become an annual visitor in changing numbers to Ostfriesland since at least 6 years, but likely does not successfully reproduce here

Am frühen Morgen des 1. September suchte ich auf dem Rysumer Nacken mal wieder nach taubedeckten Heidelibellen. Und ich fand auch so einiges, nur eben nicht die ersehnten Heidelibellen. Zu allem Überfluss zogen jetzt auch noch finstere Wolken aus Westen heran. Wenig später regnete es bei plötzlich böig auffrischendem Wind und 14 Grad Celsius Bindfäden.

Das kam für mich völlig überraschend. Der Wetterbericht vom Vorabend hatte mir nichts von Regen und Wind erzählt. Keine einzige Silbe. Und ich hatte doch zuvor bei besten Witterungsbedingungen das Haus verlassen. Und jetzt diese Kacke. Der blöde Wettergott hatte mich also auf dem falschen Fuß erwischt und verarscht. Aber so richtig! Deshalb gab ich spontan auf. Und eigentlich wollte ich nur noch die wenigen Kilometer bis zu meinem Wagen zurücklegen, um schnell nach Hause zu fahren.

Doch kaum hatte ich die ersten hundert Meter geschafft, schlug mein Hirn Alarm. Da war was, Frank, du bist schon zu weit gelaufen! Du musst genau dreieinhalb Schritte zurückgehen! Du enttäuschst mich! Das kenne ich nicht von dir! Und bla, bla, bla...

Ich ging also genau diese dreieinhalb Schritte zurück und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus:

(ausnahmsweise mal ein paar technische Daten, um das schlechte Licht an diesem Morgen zu dokumentieren: ISO 640, 1/20 Sekunde)

Dass ich an diesem Morgen nicht eine einzige Heidelibelle gefunden hatte, war mir plötzlich egal, denn da hing doch glatt ein Feuerlibellen-Kerl wie eine Christbaumkugel an einem Halm. 

Danke, liebes Hirn!

Ich war unkonzentriert. Ich war nachlässig. In Gedanken saß ich schon im trockenen Auto. Ich gelobe Besserung und entschuldige mich. Aber dieser verfickte Wetterumschwung hat mich wirklich abgelenkt. Echt jetzt mal.

Plötzlich war ich hellwach und bereitete etwas hektisch die ersten Fotos vor. Eigentlich konnte ich mir alle Zeit der Welt lassen, denn bei diesem Wetter würde die Feuerlibelle ganz bestimmt nicht davonfliegen. Sie war mir ausgeliefert. Ich kämpfte zunächst mit meinem alten und ausgeleierten Stativ. Dann montierte ich die Kamera darauf. Und schließlich legte ich mich auf den Boden, weil sich das Tier am Abend zuvor einen Ruheplatz in nur wenigen Zentimetern Höhe ausgesucht hatte.  

Boah, dachte ich, als die ersten Verschlusszeiten im Sucher meiner Kamera aufleuchteten, ist das finster!

Den Dauerregen bemerkte ich nicht mehr, obwohl ich inzwischen nass bis auf die Haut war. In aufregenden Situationen wie dieser blende ich solche Nebensächlichkeiten aus. Das passiert einfach, ich habe gar keinen Einfluss darauf. Und aus demselben Grund, also wegen der Aufregung, erkannte ich erst nach einigen Minuten, dass das Tier reichlich abgeflogen war. Wenn gleich ganze Teile der Flügel fehlen, kann man davon ausgehen, dass eine Libelle nicht mehr die jüngste ist und wahrscheinlich schon einige Meilen zurückgelegt hat.

Immerhin sieht man aus dieser Perspektive nur einen kleinen Schaden am linken Hinterflügel:





Das Bild zeigt also die Schokoladenseite dieser Feuerlibelle.

Für mich war das der allererste September-Nachweis dieser Art in Nordwestdeutschland. Zwar hatte ich wenige Tage zuvor ganz in der Nähe eine männliche Feuerlibelle gesehen und auch fotografiert (siehe letzten Bericht), doch die konnte mit völlig unversehrten Schwingen aufwarten.

Es trieben sich zu diesem Zeitpunkt also mindesten zwei Männchen auf dem Rysumer Nacken herum. Wahrscheinlich waren es aber wohl noch mehr, denn im Falle von nur zwei anwesenden Individuen wäre es eher unwahrscheinlich gewesen, dass ich an diesem verregneten Morgen ausgerechnet eine Feuerlibelle in der Bodenvegetation ausfindig machen würde. Die Stecknadel im Heuhaufen und so weiter...

Was man übrigens hier auf den Flügeln des Tieres sehen kann, ist kein Tau. Und ich hatte auch keinen Zerstäuber dabei, darauf lege ich großen Wert.

Es sind einfach nur Regentropfen:

Tja, das ist die demolierte Seite. Sieht ein bisschen wie ein Durchschuss aus.

Libellen mit solchen Abnutzungserscheinungen sind in aller Regel trotzdem voll flugfähig. Im Falle dieser Feuerlibelle war es nicht anders. Als irgendwann gegen elf Uhr der Regen versiegte und die Sonne endlich durch die Wolken brach, für längere Zeit schien und den durchtrainierten Körper der Feuerlibelle auf Betriebstemperatur brachte, da dauerte es nur noch wenige Minuten, bis sich das bunte Tier aus dem Staub machte.

Blitzschnell und für mich zu diesem Zeitpunkt völlig überraschend.

Dorsalansicht:
 




(ISO 400, 1/30 Sekunde)

Fragt ihr euch jetzt vielleicht, warum die Feuerlibelle auf dem ersten Bild auf einer anderen Warte stand, obwohl sie doch am frühen Morgen noch gar nicht fliegen konnte?

Weil ich wusste, dass ich in diesem Jahr wohl keine weitere Gelegenheit mehr bekommen würde, eine Feuerlibelle zu fotografieren, habe ich sie einfach mal umgesetzt. Das tut dem Tier nicht weh, das geht ganz schnell. Man hält einen Finger hin, und die Libelle krabbelt drauf. Dann hält man die neue Warte hin, und die Libelle verlässt erleichtert den Finger. Zack, fertig ist die neue Szenerie. Natürlich gelingt sowas nur bei niedrigen Temperaturen, denn ein aufgewärmtes Tier flöge schon bei der geringsten Störung auf und davon!

Die Qualität der hier gezeigten Bilder überrascht mich nach wie vor, denn das Licht an diesem Morgen war wirklich grottenschlecht. Unter diesen Umständen wäre ich nie auf die Idee gekommen, überhaupt auch nur an meine Kamera zu denken (sorry, Kamera), aber wie schon oben geschrieben, der Wettergott ist manchmal ein linker Vogel.

Es sind meine ersten Fotos von der Feuerlibelle, die ein wenig über einen Belegcharakter hinauskommen. Schade ist, dass die Leuchtkraft des roten Abdomens wegen des mangelnden Lichts nicht einmal ansatzweise zur Geltung kommt. Wer noch nie eine männliche Feuerlibelle an einem heißen und sonnigen Nachmittag gesehen hat, der kann sich nicht vorstellen, wie grell diese Tiere gefärbt sind.

Ein vorletztes Bild:

(ISO 640, 1/15 Sekunde)

Die Feuerlibelle ist für mich nach wie vor ein Neubürger Norddeutschlands.

Meine erste Begegnung zwischen Weser und Ems liegt etwa acht oder neun Jahre zurück. Gleich mehrere Männchen konnte ich seinerzeit an einer flachen Blänke im Hasetal zwischen Bramsche-Achmer und Wallenhorst-Hollage beobachten. Ich gestehe aber auch, dass mich ein guter Beobachter einige Wochen zuvor auf die sich in Ausbreitung befindliche Art aufmerksam gemacht hatte. Dieser Kollege war nämlich bereits ein Jahr zuvor an zwei Orten im Landkreis Osnabrück auf die Feuerlibelle gestoßen. Einer dieser Orte war damals das so genannte Alfsee-Reservebecken.

Gleich nach meinem Umzug nach Ostfriesland im Jahr 2009 gelang mir die erste Feststellung in einer Sandgrube in Aurich-Pfalzdorf. In Emden dann stellte sich die Feuerlibelle als ein Tier der Kleientnahmestellen im Westen der Stadt heraus. Doch wie bei der im letzten Bericht vorgestellten Frühen Heidelibelle oder auch beim Postillon schwanken die Zahlen jahrweise sehr stark. 2014 sah ich nur ein einziges Männchen der Feuerlibelle im Wybelsumer Polder, das an mir vorbeiflog. Im Jahr davor, also 2013, waren es gleich einige Kerle an der Wolfsburger Straße, die sich dort im Juli über mehrere Wochen an einer Kleientnahmestelle aufhielten. Ebenso 2012.

Übrigens habe ich noch nie ein Weibchen gesehen!

Das liegt aber wahrscheinlich ausschließlich daran, dass diese sehr unauffällig gefärbt sind und im Fluge jenen des Großen Blaupfeils ähneln. Und der wiederum ist eine der häufigsten Libellen unserer Breiten. Ob die Feuerlibelle sich hier im rauhen Norden auch reproduziert, ist mir nicht bekannt. Sicher aber ist, dass sich diese attraktive Art noch nicht wirklich an unser Klima angepasst hat. Sie muss also alljährlich erneut aus dem Mittelmeerraum zu uns einfliegen, wenn sie mal die Nordsee in Augenschein nehmen möchte.

Ein finales Bild:









Überall in Deutschland sind in den letzten Wochen Rotfußfalken aufgetaucht. Und andere tolle Greife.

Und ich liege auf dem nassen Boden auf dem Rysumer Nacken und knipse eine Feuerlibelle!

Wisst ihr was? Es freut mich trotzdem. Denn wichtig ist für mich nur, dass überhaupt etwas passiert. Es muss nicht gleich der ganz große Knaller sein. Heckensänger und Prärieläufer können noch warten. Ihre Zeit wird kommen. Irgendwann. Vielleicht haben sie sich sogar schon auf den Weg gemacht...

Um das Thema aber jetzt abzuschließen, gibt es schnell noch einen Link zu einem interessanten Bild, das ich im Blog von Juan C. Adam gefunden habe. Als Feuerlibelle jettet man so durchs Leben. Man ist ein rasanter und wendiger und vor allem auch sehr aufmerksamer Flieger. Doch nicht immer reicht das aus, den zahlreichen Feinden zu entgehen: klick!

Fazit: Wenn ich einer Feuerlibelle begegne, dann bin ich immer beeindruckt. Und es ist die Farbe, die mich auf der Stelle ins Staunen versetzt. Dieses in der europäischen Libellenfauna einzigartige Rot variiert allerdings im Laufe eines jeden Tages. Während es morgens und an kalten Tagen eher matt wirkt, spielt es an heißen und sonnigen Tagen all seine Trümpfe aus. Wer dieses tolle Tier noch nie gesehen hat, der kann sich das natürlich nicht vorstellen.


Kommen wir von der Feuerlibelle zum Feuerfalter. Zum Kleinen Feuerfalter. Ein ganz frisches und kunterbuntes Individuum ruhte sich am Montagabend (31. 8. 2015) auf den plüschigen Fruchtständen des Landreitgrases aus:

Small Copper

Obwohl sich auch bei diesem Bläuling seit Jahrzehnten Rückgangstendenzen bemerkbar machen, kann man ihn doch noch an manchen Stellen finden. Der Kleine Feuerfalter benötigt offene und ungedüngte sandige Stellen, an denen er sich gerne sonnt. In einer intensiv genutzten Landschaft kommt er nicht mehr klar und verschwindet einfach leise und unauffällig.

In Emden fliegt er vor allem auf dem Rysumer Nacken, aber ich konnte ihn auch noch an anderen Orten wie einer Sandentnahmestelle an der Wolfsburger Straße finden.

Dieser hier gezeigte Falter schloss später die Flügel, nachdem sich eine fette Wolke vor die Sonne geschoben hatte:




Ein kleines, aber eben auch sehr schönes Tier ist dieser Feuerfalter. Seine unmittelbaren Verwandten sind inzwischen fast komplett aus unserer Republik verschwunden. Zu hohe Ansprüche an ihren Lebensraum ließen sie förmlich untergehen.

Großer Feuerfalter, Dukatenfalter und Lilagold-Feuerfalter sind drei von ihnen. In unserer überdüngten Kulturlandschaft ist einfach kein Platz mehr für solche Lebenskünstler.


Und wieder ein Distelfalter vom Rysumer Nacken:

Painted Lady

Diese Art ist hinsichtlich ihrer Flügelfärbung recht variabel. Unabhängig vom Alter gibt mal ein blasses Orange den Ton an, mal geht es eher ins Pink-Grapefruitige. Doch auch in Sachen Zeichnungsdetails gibt es, wie ja auch bei einigen anderen Schmetterlings-Arten, beträchtliche Unterschiede. Der folgende Falter belegt das eindrucksvoll im direkten Vergleich mit dem obigen.

Die Flügelzeichnung ist bei dieser Art also individuell und entspricht in ihrer Einzigartigkeit dem Fingerabdruck bei uns Primaten:

different

Auch dieses zweite Exemplar sonnte sich am späten Nachmittag auf einem Weg in der Nähe des Gassco-Geländes. Nur wenige Meter vom ersten Individuum entfernt. Und weil es ausnahmsweise mal nicht so scheu war, wechselte ich nach diesem Foto schnell das Objektiv – von Tele zu Makro – und pirschte mich wie eine Robbe an das Tier heran.

Das sah dann bei offener Blende so aus:



same from a different angle and photograph taken with a different lens

Ich drehte daraufhin am Rad, im wahrsten Wortsinn, und stellte auf Blende neun um:

same angle and lens, but different aperture (9 instead of 4)

Leider befand sich der Kopf des Falters im Schatten, weil sich Distelfalter beim Sonnen immer so ausrichten, dass das Hinterteil in Richtung Sonne zeigt. Darauf hat man keinen Einfluss, das ist artspezifisch. Das Tier hätte sich um neunzig Grad drehen müssen, egal in welche Richtung, um die Beleuchtung zu optimieren.

Immerhin kommt das Fell des Falters jetzt viel besser zur Geltung. Es sieht weich aus und glänzt so schön seidig im Sonnenlicht. Man möchte das Tier streicheln, aber das lässt kein Schmetterling der Welt einfach so zu. Ich hoffe, niemand kommt jemals auf die Idee, aus Distelfaltern einen Pelzmantel herzustellen. Pelzmäntel gehören grundsätzlich verboten und verbannt. Und die Menschen, die so etwas tragen, gleich mit.


Viele Zeitgenossen haben lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach:




Eurasian Collared Dove

Und so sehen Tauben auf dem Dach aus. Also Türkentauben sehen so aus. Auf dem First der Nachbarhütte.

Sie kommen einem immer so verliebt und vertraut vor. Und im Gegensatz zu vielen Menschen spielen sie da auch keine Rolle, die man vielleicht von ihnen erwartet. Trotzdem ist bis heute wohl nicht geklärt, ob die Türkentaube eine monogame Saisonehe führt oder gar eine lebenslange Einehe, wie es zum Beispiel viele Rabenvögel tun. Der Grund dafür ist, dass sich Türkentauben im Herbst zu größeren Wintertrupps zusammenschließen und erst im Frühjahr wieder paarweise ein Revier beziehen. Ohne Beringung kann man aber nicht erkennen, ob es tatsächlich dieselben Partner sind wie in den Jahren zuvor.

Ich persönlich bevorzuge übrigens die Tauben auf dem Dach, weil der Spatz nicht in die Hand gehört.

Dieses für mich seit über einem Monat erste Vogelbild entstand am stürmischen und regnerischen letzten Wochenende und durch mein geöffnetes Küchenfenster hindurch. Es war das Wochenende, an dem Petrus sich arg erkältet haben musste. Jedenfalls pisste er im Minutentakt. Und deswegen bin ich am Samstag nicht ein einziges Mal vor die Tür gegangen. Am späten Sonntag-Nachmittag (6. 9. 2015) konnte ich immerhin eine eineinhalbstündige Regenpause ausnutzen.

Und in dieser kurzen Zeit hat es immerhin für einen Wendehals, zwei jagende Baumfalken sowie eine diesjährige Raubseeschwalbe gereicht:






























record shot of a Caspian Tern

Diese letzten drei Beobachtungen gelangen mir in den Meeden zwischen Siersmeer und der Hieve.


Zu guter Letzt darf wieder ein Bild so ganz ohne Farben den Beitrag abschließen. Aufgenommen habe ich es auf dem Rysumer Nacken:

Speckled Wood

Das Tier, das da auf einem Grashalm steht und sich sonnt, ist natürlich ein Waldbrettspiel. Diese Art ist in Ostfriesland omnipräsent und scheint hier in jedem Jahr in gefühlten tausend Generationen zu fliegen.