wilde perspektiven

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Sonntag, 3. April 2016

Grasfrosch

Am gestrigen Samstag (2. April 2016) stand ich gegen Mittag auf einem Weg im Ihlower Forst, ganz in der Nähe des einstigen Klosters.

Im Hintergrund sang ein Waldbaumläufer.

Ich versuchte schon seit einigen Minuten, ihn in einem der alten Bäume ausfindig zu machen. Doch ich scheiterte, weil sich der Vogel immer im Kronenbereich aufhielt und gleichzeitig sehr mobil war. Ständig flog er von einer Eiche zur nächsten. Zwar konnte ich das nicht sehen, aber der Gesang wurde immer leiser und kam schließlich aus einem Bereich des Waldes, den ich von meinem Standpunkt aus überhaupt nicht mehr einsehen konnte. 

Wahrscheinlich handelte es sich dabei um jenen Vogel, der genau dort bereits im letzten Frühjahr und Sommer ein Revier behauptet hatte.

Merksatz: Es ist der einzige Waldbaumläufer im Ihlower Forst!

Jedenfalls konnte ich mich bei der Nachsuche nicht mehr so richtig konzentrieren, weil ich mir schon seit einigen Minuten beobachtet vorkam. Erklären kann ich das nicht; es ist wohl so etwas wie ein zehnter Sinn. Ich blickte mich x-mal nach allen Richtungen um, doch da war keine Seele weit und breit.

Dachte ich.

Schließlich ging ich ein paar Schritte weiter und blickte in Richtung eines Grabens.

Und jetzt wusste ich, wer mich da aus einer troglodytenhaften Perspektive permanent im Auge behielt:

Common Frog was watching me.

This year breeding season started at the end of March. In a ditch at Ihlower Forst approximately 50 males were competing for just a few females. While I was taking shots of the frogs in the afternoon, more individuals arrived on the scene at daytime. Several more breeding places of Common Frog are scattered all over the forest and adjacent areas, most of them consisting of only few specimens. Although this species's numbers have decreased the previous decades, caused by a heavy loss of habitat, Common Frog is still fairly distributed in most parts of Germany in contrast to less adaptable species like his close relative, the Moor Frog


Grasfrösche tummelten sich da, nur wenige Meter von mir entfernt.

Ich freute mich diebisch, denn in den vergangenen Jahren hatte ich die kurze Balzzeit dieser Tiere immer verpasst. Jetzt war es erfreulicherweise anders gekommen, obwohl ich diesmal gar nicht nach den Tieren gesucht hatte. 

Hochtiiiied, dachte ich mit einem Schmunzeln auf den Lippen, hoch die Tassen!

Nach etwa fünf Monaten hatten die Grasfrösche ihre Überwinterung offensichtlich abgeschlossen und sich unbemerkt auf den Weg zu ihrem Laichplatz gemacht. Der Grasfrosch ist wie die Erdkröte und der verwandte Moorfrosch ein so genannter Früh- und Explosivlaicher. Die Phase der Balz währt immer nur kurz. Je nach Witterung findet sie alljährlich in den Monaten März oder April oder, wie in diesem Jahr, zur Monatswende statt. 

Ich setzte mich an den Rand der Böschung und schaute den Fröschen eine ganze Weile bei ihrem Treiben zu. Weil der Abstand zu den Tieren nicht groß war, brauchte ich nicht einmal mein Fernglas anzuheben.

Hier einer der süßen Traumprinzen:

male Common Frog

Im Gegensatz zu den bekannten Grünfröschen, deren laute Sommerkonzerte man weithin hören kann, ist die Stimme des Grasfrosches eher dezent. Das leise Knurren kann man nur aus einer Distanz von wenigen Metern wahrnehmen.

Das ist einer der Gründe dafür, warum die meisten Menschen nichts vom Laichgeschäft dieser Art im zeitigen Frühjahr mitbekommen. Während ich dort saß und beobachtete, kamen viele Ausflügler an diesem Graben vorbeigeschlendert. Doch niemand bemerkte die Frösche.

Aufmerksam wurden sie nur deshalb, weil ich am Nachmittag meine Position verlagert hatte und nun seltsam verrenkt auf der steilen Böschung lag, um die Tiere zu knipsen. Das hatten die Leute noch nie gesehen. Mehrere Fußgänger dachten, ich sei schwer gestürzt.

Sie boten mir Hilfe an, doch ich lehnte dankend ab, ohne meinen Blick von den Fröschen abzuwenden.

Kuckuck:




same

Die Böschung ist wirklich furchtbar steil.

Es hätte nicht viel gefehlt und ich wäre ins Wasser gerollt. Das wäre aber nicht so richtig schlimm gewesen, denn nass bis auf die Haut war ich zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon, weil der Uferbereich sehr schlammig war und meine Isomatte keinen wirklichen Schutz bot.  

Wie gemalt:

same

Als Grasfrosch laicht man fast immer in sehr seichtem Wasser. 

Das hat den Vorteil, dass sich die Larven wegen der höheren Temperaturen schneller entwickeln können. Der Nachteil: Die flachen Bereiche eines Gewässers trocknen bei länger andauernder warmer und niederschlagsarmer Witterung sehr schnell aus. Das kann dann zu einem Massensterben der Kaulquappen führen!

Dann war alles umsonst, die ganze Sause für die Katz.

Auch für ihn:

 
Amphibien und Reptilien sind die Bioindikatoren schlechthin! 

Sie reagieren allesamt sehr empfindlich auf Veränderungen in ihrem Lebensraum. Vor allem der Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden wirkt sich nachteilig auf eine gesunde Population aus und kann sogar zu ihrem vollständigen Erlöschen führen. Aber auch das Ausräumen der Landschaft und Verschütten von kleinen fischfreien Gewässern hat dieser Tiergruppe in der Vergangenheit immense Verluste zugefügt, wie ich im Laufe meines Lebens im Falle einiger kleiner und großer Populationen verschiedener Arten selbst erfahren musste.

Das bedeutet aber nicht, dass jede Form der Kultivierung gleich böse Folgen für Amphibien und Reptilien haben muss. Es ist einfach eine Frage des Ausmaßes. Eine zurückhaltende, extensive Bewirtschaftung ohne den Einsatz von Chemikalien kann sich sogar förderlich auf viele Vertreter dieser Tiergruppe auswirken. Alte Oliven- oder Korkeichenhaine im Mittelmeerraum und pittoreske Weinberge im Südwesten unserer Republik, in denen weder gespritzt noch gedüngt wird, belegen das. Weil sie auf engstem Raum ein Mosaik aus unterschiedlichen Strukturen anbieten, beherbergen sie oft eine beachtliche Herpetozönose.

In diesem Zusammenhang ist der Gehn bei Bramsche ein sehr gutes Beispiel, obwohl er weder Olivenhain noch Weinberg ist.

Der in weiten Teilen naturnahe Mischwald mit seinen Gewässern, Heideflächen und Steinbrüchen beherbergt Populationen von Fadenmolch, Teichmolch, Kammmolch und Bergmolch. Der Feuersalamander kommt dort ebenso vor wie die Erdkröte, die Kreuzkröte, der Grasfrosch und der Teichfrosch. Und zu allem Überfluss kann man im Gehn auch noch Blindschleiche, Zauneidechse und Waldeidechse begegnen. Die in mehreren Bereichen dieses Waldes herumwuselnden Mauereidechsen gehen auf ausgesetzte Tiere zurück. Und die Schlingnatter als einzige Schlange des Gebietes möglicherweise auch. Ihr Vorkommen ist dort allerdings bereits seit Jahren erloschen.

Merksatz: Im Gehn leben mindestens zwölf autochthone Arten auf engstem Raum!

In der umliegenden Agrarsteppe suchte man die allermeisten von ihnen vergeblich. Die traurigen Gründe dafür habe ich genannt. Dieses Beispiel zeigt auch sehr eindrucksvoll, dass Amphibien- und Reptilienpopulationen nicht miteinander vernetzt sind und somit auch kein genetischer Austausch mehr zwischen ihnen stattfinden kann. Und das wiederum stellt eine weitere Gefahr für die genannten Arten in den wenigen für sie verbliebenen Rückzugsgebieten dar.

Dazu ein ostfriesisches Beispiel: Eine Kreuzotter aus den Mooren am Ewigen Meer, wie sie den Titel dieser Seite schmückt, wird nie die Möglichkeit haben, einem der wenigen Artgenossen aus dem Collrunger Moor zu begegnen. Intensiv bewirtschaftetes Ackerland erstreckt sich kilometerweit zwischen beiden Gebieten. Für die Schlange stellt es eine unüberbrückbare Barriere dar. Sie würde es unter keinen Umständen bekriechen.

Einst bestand der zentrale Teil der ostfriesischen Halbinsel mehr oder weniger ausschließlich aus Moorgebieten. Nur ein kümmerlicher Rest ist davon übrig geblieben. Die früher noch in Kontakt zueinander stehenden Population der Kreuzotter und natürlich auch anderer Arten wie Waldeidechse und Moorfrosch sind heute komplett voneinander isoliert. 

Unterm Strich könnte man postitiv sehen, dass es überhaupt noch letzte Refugien für so anspruchsvolle Kreaturen wie Amphibien und Reptilien gibt. Und wenn ich mich an einem dieser Orte aufhalte, dann hüpft mein Herz geradezu vor Freude. Für die meisten Menschen aber haben all diese großartigen Mitbewohner unseres Planeten überhaupt keine Bedeutung.

Sie kennen sie nicht einmal.

So, das war der sozialkritische Teil dieses Beitrages.


Zurück zum Grasfrosch, um den es hier und heute ausschließlich gehen soll:


different specimen

Zwar ist der Grasfrosch im Gegensatz zum Moorfrosch noch vergleichsweise anspruchslos, aber auch er hat  in den vergangenen Jahrzehnten aus den genannten Gründen heftige Bestandseinbußen hinnehmen müssen.

Trotzdem kann man ihm auch mitten in Städten begegnen. In Emden zum Beispiel auf dem Friedhof Tholenswehr oder auf dem Wall.

Balzplätze mit mehr als tausend Individuen gehören aber wohl nicht nur in Ostfriesland der Vergangenheit an. Im Ihlower Forst gibt es zahlreiche kleinere Hochzeitsgesellschaften, die über den ganzen Wald verstreut liegen. Oft bestehen sie nur aus weniger als zehn Tieren.

In dem Graben, wo diese Fotos entstanden sind, waren es immerhin 50 Männchen und wenige Weibchen. Letztere erkennt man sehr schnell daran, dass sie ausnahmslos ein Männchen auf dem Rücken tragen.

Hier mal ein Paar:


a couple 

Auf diesem Foto kann man sehr schön erkennen, dass das Weibchen im Prinzip genauso gefärbt ist wie an Land. Das ist die Regel, muss aber nicht immer so sein.

Die Männchen sehen während ihres Wasseraufenthaltes dagegen deutlich anders aus. Sie sind dann insgesamt sehr dunkel gefärbt. Ein variables Muster aus pechschwarzen und braunen Markierungen, das so individuell wie der Fingerabdruck bei uns Menschen ist, zeigen sie ganzjährig. Während der Balz kommt es aber wegen der sehr düsteren Grundfärbung der Oberseite kaum zur Geltung. Von einer echten Hochzeitstracht, wie sie der männliche Moorfrosch zeigt, kann man hier aber wohl nicht sprechen.

Oft begegnen die Geschlechter einander bereits auf ihrem Weg zum Laichplatz. Während ich meine Bilder machte, kamen permanent weitere Frösche am Graben an.

Darunter auch verpaarte:

same 

Er drückte sie ganz fest an sich. Das muss wahre Liebe sein.

Okay, sie hatten einander natürlich auch gerade erst kennen gelernt:

same 

Habt ihr's gemerkt?

Ich habe die Kamera immer weiter abgesenkt, um mich schließlich mit dem Paar auf Augenhöhe zu befinden. 


Die Ehe der Grasfrösche währt übrigens nur kurz. Wenn das Weibchen alle vorrätigen Eier ins Wasser abgegeben hat, verliert das Männchen rasch sein Interesse an ihm. Dann verlässt sie das Wasser. Und er schaut sich nach einer neuen Braut um. Doch solange sich noch Eier im Weibchen befinden, bleibt der Kerl auf ihm hocken wie ein lästiger Rucksack, den man nicht abschütteln kann.

Sein Signal an alle anderen Männchen: Die gehört mir!

Zwischenfälle kommen trotzdem häufig vor. Denn weil an den Balzplätzen oft ein beträchtlicher Herrenüberschuss herrscht, muss der Ehemann auf Zeit seine Angetraute immer wieder gegen eifersüchtige Junggesellen verteidigen. Er tut das, indem er sie mit seinen langen Hinterbeinen auf Distanz hält.

Manchmal bilden sich richtige Knäuel aus Grasfröschen, die wegen der festen Klammergriffe zum Tod einzelner Individuen führen können.

Er lebt aber noch:

Während ich dort lag, konnte ich einige Angriffe verschiedener Junggesellen beobachten. Fotografieren konnte ich sie aber nie, weil die meisten dieser Tiere zu weit vom Ufer entfernt waren und die Reichweite meines Makroobjektives nicht langte. Ein Objektivwechsel kam aber auch nicht infrage, weil die scheuen Frösche dann wieder abgetaucht wären.

Ich hätte auch gerne eine hübsche Gruppenaufnahme von den Grasfröschen gemacht, wie sie im "Nöllert" auf den Seiten zwei und drei zu sehen ist. Doch leider blieb der Individualabstand der Tiere zueinander genau so groß, dass immer nur ein Frosch auf all diesen Bildern zu sehen ist. Wären es deutlich mehr Tiere in diesem Graben gewesen, hätte ich wohl bessere Chancen auf ein Gruppenbild gehabt. Doch dann wäre es wiederum schwierig gewesen, einen einzelnen Frosch aus dieser Gruppe herauszulösen.

So konnte ich mich auf Portraits konzentrieren:


I really don't know how many different specimens I have taken pictures of ;-)

Grasfrösche wandern keineswegs nur im Schutze der Nacht, wie ich bereits andeutete. Das habe ich nicht erst in diesem Frühjahr im Ihlower Forst beobachten können.

Ich erinnere mich an einen Ausflug nach Helgoland irgendwann im letzten Jahrhundert. Es war Mai, und ich stand am späten Vormittag im Kurpark der Insel, um Vögel zu gucken. Ein richtiger Knaller ließ sich nicht blicken, aber dafür hüpfte da plötzlich ein Grasfrosch vor mir auf dem Holzbohlenweg herum.

Ich hatte zuvor schon mal von den Helgoländer Grasföschen gehört. Trotzdem wirkte die Szenerie etwas skurril auf mich, zumal jetzt immer mehr Tiere auftauchten. Im Minutentakt. 60 Kilometer vom Festland entfernt! Ihr gemeinsames Ziel war der Kurparkteich, wo sie Hochzeit feiern wollten.

Was die Frösche noch nicht wussten, war, dass dieser Teich schon seit geraumer Zeit kein Wasser mehr führte. Nix mit Nachwuchs. Die armen Tiere, so dachte ich damals. Geben sich alle erdenkliche Mühe und am Ende kommt nichts Zählbares dabei heraus. Der Weg ins Südhafengelände, wo sich ein zweiter Teich befindet, war für die Frösche des so genannten Nordostgeländes einfach zu weit.

Ebenso unerreichbar war für sie der kleine Teich im Fanggarten der Inselstation des Institutes für Vogelforschung ("Vogelwarte Helgoland") auf dem Oberland:

Ich weiß jetzt nicht, warum der Teich im Kurpark trocken gefallen war. Möglicherweise handelte es sich um einen Folienteich.

Und vielleicht könnte ein Loch in dieser Folie die Ursache für das Desaster gewesen sein. Ob dieses Loch inzwischen gestopft oder gar die ganze Folie gegen eine neue eingetauscht worden ist, ist mir nicht bekannt. Sinnvoll wäre eine Reparatur allemal, denn an so einem kleinen Süßgewässer mitten im Ozean könnten auch Tausende von Zugvögeln während ihrer anstrengenden Reise ihren Durst löschen oder ein erfrischendes Bad nehmen.

Falls der Kurparkteich noch immer wasserlos sein sollte, appelliere ich an die Helgoländer, das zu ändern. So verdammt viel Geld dürfte eine solche Aktion auch nicht verschlingen.

Es ist schon traurig genug, dass der Aadeteich auf der Düne im Laufe der Jahre versiegte. Dort hatte ich nämlich das eine oder andere Bild von Bruch- und Waldwasserläufern gemacht.

Übrigens laichen die Tiere auf der Insel nicht selten deutlich später als auf dem Kontinent.

Der Grund dafür ist das raue Frühjahrsklima auf Helgoland, bedingt durch das das Eiland umgebende Meer, das zu diesem Zeitpunkt noch eiskalt ist.

Die Helgoländer Grasfrösche haben den Felsen in der Nordsee natürlich nicht von sich aus besiedeln können. Jemand muss sie dort ausgesetzt haben. Und das sicher schon vor einigen Jahrzehnten.


Können diese Augen lügen?

I really don't know...

Wenn man in einer eher instabilen und rückenunfreundlichen Position an einer steilen Grabenböschung auf Frösche lauert, dann kann sich der Fototermin in die Länge ziehen. Die kleinste Bewegung und alle Prinzen sind blitzschnell abgetaucht. Und glaubt mir, wirklich lange hält man es nicht regungslos am Ufer aus. Schon gar nicht in einer solchen Position. Ich bin ja schließlich kein Graureiher.

Ein Beispiel: Plötzlich juckt die Nase – in solchen Situationen juckt die Nase eigentlich immer –, und man hebt nur vorsichtig die Hand an, um sich zu kratzen oder einen lichtscheuen Popel behutsam von der Nasenscheidewand zu lösen: zack, wieder alle Frösche weg.

Meine Fresse, seid ihr empfindlich, dachte ich einige Male.

Und es dauert unter Umständen ewig, bis sie sich einer nach dem anderen wieder blicken lassen. In dieser Zeit darf dann auch kein Spaziergänger auftauchen, auch kein herrenloser Hund. Im Ihlower Forst ist das eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit.

Na ja, es muss am Ende doch geklappt haben.

Die Bilder belegen das:



Auf dem nächsten Foto lugte ein Grasfrosch zaghaft unter altem Falllaub hervor, um die Lage zu checken.

Ich konnte seine Gedanken lesen: Ist der blöde Typ mit der Kamera endlich weg?






Nein, ist er nicht, antwortete ich halblaut.

Schließlich geht es dann aber ganz schnell, weil die untergetauchten Kollegen auch unter Wasser mitbekommen, dass über der Wasseroberfläche bereits wieder die ersten Rufe erschallen.

Man kann auch nachhelfen, indem man den Gesang der Tiere vom Band abspielt. Ich habe das noch nie ausprobiert, aber ein sympathischer Naturkundler und -fotograf aus Quakenbrück hat es mir mal im Zusammenhang mit dem Moorfrosch erzählt. Ich sehe absolut keinen Grund, an seinen Worten zu zweifeln. Und wenn das beim Moorfrosch klappt, sollte es auch beim Grasfrosch funktionieren.


Die leuchtenden Farben des auf der Wasseroberfläche treibenden Herbstlaubes waren auf dem nächsten Bild perfekt auf die goldenen Augen des Grasfrosches abgestimmt:




Vielleicht ist euch aufgefallen, dass einige Individuen bläulich wirken.

Das hängt in erster Linie vom Lichteinfall ab. Ich vermute, dass sich der blaue Himmel auf der feuchten Haut der Frösche widerspiegelt, so wie es ja auch auf der Wasseroberfläche der Fall ist. Sicher bin ich mir aber nicht.

So blau wie ein männlicher Moorfrosch sind Grasfrösche aber nie. Doch selbst wenn sie es wären, könnte man sie anhand der deutlich stumpferen Mundpartie leicht vom nahen Verwandten unterscheiden.


Tote Zweige, Herbstlaub in Vorder- und Hintergrund und nicht zuletzt die wechselnde Perspektive lassen die Bilder sehr unterschiedlich aussehen, obwohl sie alle am selben Graben, ja sogar auf nur zwei Quadratmetern entstanden sind:
 



Allerdings war das Licht an diesem Tag sehr grell.

Entsprechend hart sind die Kontraste der meisten der hier gezeigten Fotos. Besser geeignet gewesen wäre eine Zeit ganz früh am Morgen, am besten kurz vor oder kurz nach Sonnenaufgang. Deshalb machte ich mich gleich heute abermals auf den Weg nach Ihlowerfehn. Doch die Enttäuschung war groß, denn als ich früh morgens am Graben ankam, sah ich nicht einen einzigen Grasfrosch.

Ob die Prinzen immer erst so spät in die Puschen kommen oder die niedrigen Temperaturen an diesem Morgen dafür verantwortlich waren, dass sich im Wasser nichts regte, weiß ich nicht. Bei einer zweiten Kontrolle um elf Uhr waren die Grasfrösche jedenfalls alle wieder da. Weil ich mich jetzt nicht mehr wirklich verbessern konnte, verzichtete ich aber auf weitere Bilder und fuhr nach Hause. Das hatte den positiven Nebeneffekt, dass meine Klamotten an diesem Tag trocken blieben.


Insgesamt überwiegt sowieso die Freude!

Es war mir eine echte Herzensangelegenheit, den Grasfrosch am Laichplatz zu knipsen, zumal ich meine letzten vergleichbaren Bilder noch zu analogen Zeiten gemacht hatte. Sehr viele Jahre ist das her.

Und ich kann jetzt schon schreiben, dass dieser Beitrag auch künftig einer meiner persönlichen Favoriten bleiben wird:


Der Grasfrosch ist wirklich ein hübscher Kerl.

Doch manchmal reicht das nicht aus, um die Menschen zu begeistern. Er hat nämlich das Pech, immer nur der Zweite zu sein. Wie Michael Stich, der sich während seiner gesamten aktiven Zeit im Schatten von Boris Becker befand. Zwar konnte er das Finale im heiligen Wimbledon 1991 für sich entscheiden – übrigens gegen Bobbele –, aber eben erst, nachdem Becker dort bereits dreimal triumphiert hatte.

Viele Naturfotografen ziehen dem Grasfrosch den Moorfrosch vor, weil die Männchen dieser Art ein so hübsches himmelblaues Hochzeitskleid tragen. Ich bin der Meinung, dass beide Arten attraktiv sind und in unserer Gunst keine hinter der anderen zurückstehen sollte.

Das wäre doch auch gemein.

Mit ein bisschen Glück hat man aber sogar die Möglichkeit, beide Spezies "in einem Abwasch zu erledigen". Es gibt nämlich Gewässer, die als Laichplatz sowohl für den Gras- als auch für den Moorfrosch dienen, weil sich die ökologischen Ansprüche beider Arten überschneiden.

Dort kann man dann Moor- und Grasfrosch in gemischten Balzgruppen beobachten und fotografieren. Oft habe ich das nicht gesehen, aber zum Beispiel auf dem ehemaligen Flugplatz Bramsche-Achmer im Landkreis Osnabrück war das alljährlich die Regel. Ob es auch hier in Ostfriesland solche gemischten Balzarenen gibt, ist mir nicht bekannt.

Ein Prachtkerl:

So viele Bilder habe ich lange nicht mehr an einem Tag gemacht!

Immerhin eine halbe 4-Gigabyte-Speicherkarte konnte ich in zwei Stunden füllen. Und weil ich ausnahmsweise den Autofokus eingesetzt habe, war am Ende nur wenig Ausschuss darunter. Etwas lästig war in diesem Zusammenhang das ständige Aktivieren unterschiedlicher AF-Messfelder.

Ich hätte hier auch tausend Bilder reinstellen können, aber ihre Bearbeitung hätte mich zu viel Kraft und Zeit gekostet:

Ich wiederhole mich, aber ich bin immer wieder fasziniert von den unglaublich schönen Augen dieser Tiere.

Die meisten Amphibien und auch sehr viele Reptilien zeigen sehr ausdrucksstarke Augen. Und wenn man darauf achtet, dass das Licht während des Fotografierens stimmig ist, dann hat man eine realistische Chance, bewegende Bilder zu machen.

Ich bin jedenfalls immer wieder beeindruckt:


Zu guter Letzt sollen noch schnell zwei Fragen beantwortet werden.

Die erste: Warum bezeichnet man den Grasfrosch eigentlich als Frühlaicher?

Weil seine Laichzeit in den frühen Frühling fällt. Im Falle nordischer oder alpiner Populationen findet sie während der Schneeschmelze statt oder schließt sich an diese an. Dort sind über Schneefelder wandernde Grasfrösche nicht ungewöhlich. Teile der Gewässer, in denen sie ablaichen, sind zu diesem Zeitpunkt sogar oft noch vereist.

Bei Grünfröschen ist das anders. Zwar kann man hier in Emden Seefrösche auch schon im März vereinzelt rufen hören, wenn es warm und sonnig ist, aber ihre eigentliche Balz- und Laichzeit beginnt erst im Mai. Sie zieht sich über Wochen, zum Zeil sogar über Monate hin, während das Hauptgeschäft bei Grasfröschen einer lokalen Population in wenigen Tagen über die Bühne geht. Von einzelnen Trödelköppen mal abgesehen.

Pause für ein Bild:





Zweite Frage: Warum spricht man im Zusammenhang mit dem Grasfrosch von einem Explosivlaicher?

Die Antwort ist etwas komplizierter!

Im Gegensatz zu den Grünfröschen, die am Grund ihrer Laichgewässer überwintern und dort, von umherstreifenden Tieren mal abgesehen, quasi ihr ganzes Leben verbringen, müssen Grasfrösche (und andere Arten) erst einmal dort hingelangen. Bei ihnen sind die Sommerlebensräume nämlich in aller Regel von den Laichgewässern räumlich getrennt. Sie kommen einen Großteil des Jahres ohne offenes Wasser aus. In Gehölzen und Wäldern, auf Wiesen und Brachen kann man ihnen abseits der Balzarenen begegnen.

Und weil sich die Individuen einer lokalen Population nahezu synchron auf den Weg machen und dann wie aus dem Nichts ganz viele Frösche durch die Gegend wandern, spricht man von Explosivlaichern. Vor allem der Grasfrosch und die Erdkröte sind der Hauptgrund für das alljährliche Errichten so genannter Krötenfangzäune, wie man sie zum Beispiel im Egelser Wald bei Aurich in jedem Frühjahr sehen kann.

Der Moorfrosch profitiert nicht im selben Umfang von dieser Naturschutzmaßnahme, weil er deutlich seltener ist als die beiden genannten Arten und seine Laichgewässer sich meist dort befinden, wo der Mensch noch nicht jeden Quadratmeter kultiviert hat.

In Ostfriesland kommt er hauptsächlich in den Mooren vor. Stark befahrene Straßen, die eine Gefahr für die wandernden Tiere bedeuten könnten, führen zumindest am Ewigen Meer oder im Collrunger Moor nicht durch die von dieser Art besiedelten Gebiete.

Weitere Pause für ein weiteres Foto:


Es gibt aber auch noch eine zweite Hypothese über den Ursprung dieser Bezeichnung, die ich euch nicht vorenthalten möchte: Ein Teil der Weibchen, man nennt sie Schwarze Witwen, schnallt sich noch im Winterquartier einen Sprengstoffgürtel um die Taille. Am Gewässer angekommen, jagen sie sich spontan in die Luft. Und mit ihnen die ungelegten Eier, die dann andere Grasfrösche in Stücke zerreißen.

Okay, das war natürlich Quatsch!

Zu solch abartigen Aktionen ist tatsächlich nur die wahre Krone der Schöpfung in der Lage. Religiöse Fanatiker, die einem erfundenen Gott ergeben sind, töten auf diese Weise immer wieder Menschen, nur weil die an einen anderen erfundenen Gott glauben.

Als hätten sie nichts Besseres zu tun!

Und das war der religionskritische Teil dieses Berichtes.


Wie viele verschiedene Grasfrösche ich letztendlich im Ihlower Forst fotografiert habe, weiß ich nicht. Ich muss gestehen, dass ich den Überblick verloren habe.

Tatsache aber ist, dass das folgende Bild das letzte sein wird in diesem Blogpost:





Es sieht dem zweiten Foto des Beitrags verblüffend ähnlich und zeigt auch ganz bestimmt denselben Frosch in identischer Haltung und mit identischem Halm an der Schnute. Das Licht war in diesem Fall aber klarer, weil eine kleine Wolke, die noch während der ersten Aufnahme die Sonne verdeckt hatte, inzwischen wieder verschwunden war.

Wer das nicht glauben mag, muss noch einmal von vorne beginnen.


Ihr seht, der Frühling ist in vollem Gange.

Auch die Amseln stehen längst wieder auf den Dächern Emdens und beschallen die Stadt mit ihrem wohlklingenden Gesang:


singing Common Blackbird

Ist euch eigentlich schon mal aufgefallen, dass sie sich zum Singen nie mittig auf dem First postieren, sondern immer an einem der Enden?

Jetzt wisst ihr das auch.