Mittwoch, 22. Juni 2016

Mittsommer

Es ist schon wieder so weit. Der längste Tag des Jahres liegt hinter uns!

Am Samstag (18. Juni 2016) war ich vormittags am Großen Meer.

Dabei handelt es sich nicht etwa um die Nordsee, wie Außerfriesische jetzt vielleicht meinen könnten, sondern um einen natürlich entstandenen Niedermoorsee nordöstlich von Emden. Mit einer Größe von etwa 400 Hektar ist er der viertgrößte See Niedersachsens.

Es gibt einen breiten Schilfgürtel, die für ostfriesische Meere obligatorische Ferienhaussiedlung, zwei Campingplätze und diverse kulinarische Angebote, aber keinen Rundwanderweg, wie das zum Beispiel am Dümmer der Fall ist. Das bedeutet, dass weite Bereiche des Sees für uns Menschen nicht zugänglich sind. Und davon wiederum profitieren die vielen Tiere, die dort leben.

Der im folgenden Bild gezeigte Weg verläuft von Ost nach West und zwischen dem Nordufer des Großen Meeres und der so genannten Wiegboldsburer Riede:


Er hat die Funktion einer Promenade und führt sowohl zu einer Pünte als auch zu einem Aussichtsturm, den man links im Bild erkennen kann. 

Auf der anderen Seite der Wiegboldsburer Riede, nur wenige Meter vom Weg entfernt, reihen sich die zum Teil recht bunten Ferienhäuser aneinander.

Während ich also gemächlich Richtung Aussichtsturm stiefelte, sah ich neben vielen Mauerseglern auch einen Kuckuck sowie vier Schilfrohrsänger:

singing Sedge Warbler

Zuvor hatte ich mich bereits den Flussseeschwalben gewidmet.

Denn als ich gegen fünf Uhr in Bedekaspel ankam, sah ich gleich mehrere Individuen, die den Flachwasserbereich unmittelbar vor dem kleinen Strand nach Fischen absuchten.

Weil sie vergleichsweise wenig Scheu zeigten, konnte ich sie sogar in Bildern festhalten:




Common Tern hunting for small fish

Diese Art muss auch irgendwo am See brüten, doch fällt mir kein Platz ein, wo sie ihr Nest anlegen könnte. Sehr wahrscheinlich gibt es irgendwo ein bis fünf Flöße, die man für diese Tiere ausgebracht hat und die man vom Ufer aus nicht einsehen kann.

Jedenfalls verschwanden die Vögel immer für eine Viertelstunde, nachdem sie Beute gemacht hatten, um dann aber wieder vor dem Strand und meiner Kinderlinse aufzutauchen und abermals zu fischen.

Wirklich nah kam ich nicht an die eleganten Seeschwalben heran, aber für ein paar Flug- und Rüttelstudien hat es mal wieder gereicht:


same

Die Wasserqualität des Großen Meeres ist wohl nicht die beste.

Grund dafür ist die Bewirtschaftung der umliegenden Flächen. Tonnenweise wird dort Gülle ausgebracht, auch in diesen Tagen, die dann früher oder später über die Kanäle und Gräben in den See gelangt. Fische gibt es natürlich trotzdem reichlich, doch ist das Artenspektrum ein ganz anderes als noch vor 200 Jahren. 

Der Flussseeschwalbe ist das egal. Für sie ist nur wichtig, dass es überhaupt etwas zu essen gibt.

Attacke:


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Abseits der Inseln ist die Flussseeschwalbe längst ein eher seltener Brutvogel auf der ostfriesischen Halbinsel.

Doch am Großen Meer kann man ihr alljährlich beim Fischfang über die Schulter sehen.

Wegen des Lichts bevorzuge ich den frühen Morgen. Das hat den positiven Nebeneffekt, dass man am See noch seine Ruhe hat. Der Terror... – ääh, Tourismus am Großen Meer ist immens. An sonnigen und warmen Tagen geht dort so richtig die Post ab.

Am Wasser und auch auf dem Wasser.

Dann wimmelt es dort nämlich von Radfahrern, Fußgängern, Paddel- und Segelbooten, und es duftet nach Pommes und Sonnenöl. Mal ehrlich: Wieso fahren die Menschen mit dem Fahrrad, wenn es doch Autos gibt? Und warum fahren sie immer ausgerechnet dort, wo die Drahteseldichte ohnehin schon so hoch ist? Ob die das zu Hause auch so machen? Oft frage ich mich, wie sich die Menschen an so einem überlaufenen Ort überhaupt noch erholen können vom alltäglichen Stress.

Weil es vor allem an der ostfriesischen Küste nicht anders aussieht, ziehe ich mich immer wieder gerne ins Moor zurück. Dort – und nur dort – kann man auch am Wochenende die Seele baumeln lassen.

Merksatz: Sie baumelt dann einfach so vor sich hin ;-)

Der Nachteil: Gerade im Moor gibt es jetzt diese verfickten Bremsen in Hülle und Fülle. Und sie alle wollen nur das Eine.

Mein geiles Blut!

Und deshalb sind Bremsen neben Stechmücken und Zecken die einzigen Tiere, die ich ohne ein Wimpernzucken ins Jenseits befördern kann, auch wenn das angesichts ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit grundsätzlich ein aussichtsloses Unterfangen ist.


Da rüttelte sie wieder, die Flussseeschwalbe:





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Gegen zehn nahm der Trubel wirklich Überhand.

Und weil es inzwischen auch zugezogen war, fuhr ich zurück nach Emden.

Aber noch nicht nach Hause.

Ich entschied mich für einen Stadtteil, den ich in den letzten Jahren einfach ignoriert hatte. Aus vogelkundlicher Sicht gibt es dort wohl nicht so viel zu entdecken. Und von der Landschaft her ist es in Jarßum auch nicht so prickelnd.

Am Rande eines Gehölzes zeigte sich ein Kleinvogel, der immer wieder auf den Boden flog und wohl kleine Insekten erbeutete. Er knickste oft und zitterte mit dem Schwanz.

Ein Hausrotschwanz, so dachte ich natürlich, weil Gartenrotschwänze grundsätzlich nicht knicksen. Zumindest hatte ich das noch nie gesehen. Schließlich hob ich mein Fernglas an, um Färbungs- und Zeichnungsdetails erkennen zu können und die Bestimmung, an der ich eigentlich keine Zweifel hatte, einzutüten.

Doch jetzt bot sich mir überraschenderweise ein ganz anderes Bild:


this juvenile Common Redstart was permanently bobbing like a Black Redstart. I had never seen this before in this species

Es war ein Gartenrotschwanz, der sich offenbar für einen Hausrotschwanz hielt und wie dieser immer wieder knickste. Das sagte ich ihm auch, also, dass er sich mal Gedanken über seine wahre Identität machen solle. Und dass das nicht so gehe und so weiter.

Also, ich lass' mich doch nicht verarschen!

Andere Perspektive:










































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In allen Kleidern ließe ein Hausrotschwanz bräunliche Farbtöne im Kleingefieder fast komplett missen. Und natürlich zeigt er niemals ein so kontrastreich geflecktes Jugendkleid, womit er übrigens eine Ausnahme unter den heimischen Vertretern der Drosseln, Schmätzer und Fliegenschnäpper darstellt.

Aus der Nähe konnte ich schließlich auch noch die Rufe hören – füid, plitt, plitt –, die diagnostisch für einen Gartenrotschwanz sind.

Ich gab ihm ein paar Mehlwürmer, weil er so süß war:

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Natürlich ist es keine Kunst, diese beiden nahe verwandten Arten auseinanderzuhalten, denn auch im Jugendkleid sehen Haus- und Gartenrotschwanz doch recht verschieden aus.

Es war nur das ewige Knicksen des Vogels, das mich zu Beginn irritiert hatte. Ein Fernglas kann in solchen Situationen schnell weiterhelfen. Und das ist der Grund, warum man es immer dabei haben sollte.


Den hatten wir hier schon mal vor ein paar Jahren:

Wasp Beetle

Diesen hübschen Echten Widderbock konnte ich am 26. Mai 2016 im Collrunger Moor fotografieren.

Er hielt ganz still und sonnte sich auf dem Blatt einer Großen Brennnessel, obwohl die Sonne gar nicht schien. Ganz ausnahmsweise habe ich hier den integrierten Blitz meiner Kamera eingesetzt, weil es im Augenblick der Aufnahme nahezu stockfinster war.


Ein immaturer Karmingimpel sang ab dem 2. Juni für mehrere Tage an der Knock.

Ein Belegfoto:

Common Rosefinch

Ich habe ja schon etliche Karmingimpel in Norddeutschland gesehen. Vor allem auf den Inseln, aber auch an anderen Orten. Doch noch nie konnte ich ein ausgefärbtes Männchen im karminroten Prachtkleid entdecken.

Diese Art ist der einzige heimische Finkenvogel, der im Herbst als Langstreckenzieher nach Indien fliegt. Der Karmingimpel kommt also nicht ans Futterhaus. Gleichzeitig gehört er alljährlich im Frühjahr zu den letzten Rückkehrern. Die ersten Karmingimpel tauchen bei uns immer erst ab Mitte Mai auf.

Ob diese Art aber auch in Emden brütet, ist bis heute nicht belegt. Immerhin kann der unauffällige Vogel hier als alljährlicher Gast auf dem Heimzug gelten. Zumindest konnte ich ihn seit meinem Umzug nach Ostfriesland in jedem Frühjahr nachweisen. Die mit Abstand meisten dieser Beobachtungen gelangen mir auf dem Rysumer Nacken


Oh, was ist das?































dead Sheep on the beach, but unfortunately no Vultures

Was picken die Rabenkrähen dahinten am Schaum herum, dachte ich, als ich Anfang Mai einen Spaziergang am Emsstrand machte.

Bei genauerem Hinsehen fiel mir auf, dass sich unter dem Schaum ein totes Schaf verbarg. Die Flut musste es zuvor dort angespült haben. Sofort fielen mir Gänsegeier ein, die sich in meinen wirren Gedanken statt der Krähen am Kadaver zu schaffen machten.

Es waren aber eben nur Gedanken.

Auf diese imposanten Vögel, die längst alljährlich in Deutschland auftauchen, werde ich wohl weiter warten müssen. Das Schaf hat man wenig später beseitigt, weil man den armen Menschen und Hunden diesen Anblick grundsätzlich nicht zumuten kann.

Für Aasaufesser wie den Gänsegeier war der Tisch also nur vorübergehend reich gedeckt. Im antiseptischen Deutschland gehört für einen solchen Vogel schon sehr viel Glück dazu, im richtigen Moment am richtigen Ort zu sein.

Den meisten Geiern, die unsere Republik in den letzten Jahren besucht haben, ist dieses Glück leider nicht vergönnt gewesen. Jedenfalls habe ich noch nie Bilder von Geiern in Deutschland bei der Nahrungsaufnahme gesehen.

Unabhängig davon geht es jetzt wieder straff auf Weihnachten zu.

Ekelhaft!