wilde perspektiven

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Samstag, 8. Juli 2017

Fake in Freborg

Gestern, am späteren Freitag-Nachmittag,  war ich wieder mal in Freborg.

Allerdings ohne Kamera.

Freborg ist der niederdeutsche Name für Friedeburg.

Und Friedeburg wiederum ist eine Ortschaft und Gemeinde im Kreis Wittmund.

Eigentlich wollte ich unter dem Deckmantel vermeintlicher Gesellschaftskritik nach Hamburg fahren und Autos abfackeln. Muss Spaß machen. Machen nämlich viele. Doch dann fiel mir noch etwas Ungewöhnlicheres ein, was noch viel weniger zu mir passt. 

Ich wollte einen auf Kultur machen!

In Friedeburg sollte es eine Burg geben. Das hatte ich mal irgendwo gelesen. Ich fuhr also kreuz und quer durch den Ort, suchte und suchte, aber eine Burg konnte ich nicht finden. Meine Fresse, dachte ich, so ein Teil muss doch gigantisch sein und die Silhouette des Dorfes weithin sichtbar überragen. Doch da war absolut nichts zu sehen. Etwas genervt von meinem plötzlichen Hunger nach altem Gemäuer und von der fehlenden Burg steuerte ich einen Netto-Markt an, um Ortskundige auszuquetschen. Ein älterer Mann, der im Eingangsbereich stand und einen freundlichen Eindruck auf mich erweckte, musste sich auskennen, da war ich mir sicher.

Ich steuerte direkt auf ihn zu.

"Moin", sagte ich.

"Moin", erwiderte er.

"Sagen Sie mal, hier soll es doch so eine beträchtliche Burg geben, aber ich kann sie nicht finden. Ich war schon überall, doch von einer Burg absolut keine Spur."

Mein Gegenüber lächelte.

"Junger Mann", log es, "diese Burg gibt es doch schon lange nicht mehr! Da ist jetzt nicht mehr viel zu sehen. Nur noch ein Aussichtsplateau, das an diese Burg erinnert."

"Aah", ging mir ein Licht auf, "dann ist das auch so ein Fake, so eine Erfindung, wie das Pseudokloster im Ihlower Forst?"

Der alte Mann glotzte.

"Ich meine, dann hat da wahrscheinlich der Bürgermeister ein paar Steine in seinem Garten gefunden, vielleicht sogar einfach nur Reste vom Bau des Eigenheims, und dann einfach rausgehauen, es seien die Überbleibsel einer historischen Burg. Man kennt das ja hier in Ostfriesland. Um Touristen anzulocken, sind sich die Ostfriesen für nichts zu schade. Alles Schlitzohren hier. Und jetzt bin ich auch auf diesen billigen Trick reingefallen."

Ich versuchte, so ernst wie möglich zu wirken. 

Doch der Mann bemerkte meine Ironie und entpuppte sich nicht gerade als Spaßvogel. Sehr zu meinem Leidwesen, denn jetzt war das Gespräch beendet. 

Doch ein wenig Ernst steckte schon hinter meinen Ausführungen. Alle Dörfer in Ostfriesland befinden sich in einem ewigen Wettstreit miteinander. Man hängt hier am Tropf des Tourismus und möchte natürlich möglichst viele Gäste aufnehmen, wenigstens aber ausnehmen. Da werden dann auch schon mal kleine Köder eingesetzt und Behauptungen aufgestellt, die für Auswärtige kaum nachvollziehbar oder gar überprüfbar sind. In jedem noch so kleinen Dorf gibt es zum Beispiel ein Museum. Ein Torfmuseum in Wiesmoor, ein Moormuseum in Moordorf – wo auch sonst –, ein Störtebecker-Museum in Marienhafe, ein Überschlickungsmuseum in Riepe und ein Landwirtschaftsmuseum in Campen, um nur fünf von 5000 aufzuzählen. 

Und jede Kirche in Ostfriesland ist in irgendeiner Weise ein Unikat. Ich meine, das ist ja tatsächlich so, doch die Ostfriesen geben sich damit nicht zufrieden und müssen immer noch einen draufsetzen. Eine Kirche hat den schiefsten Turm der Welt, eine weitere die älteste bespielbare Orgel der Milchstraße und eine dritte die härtesten und unbequemsten Sitzbänke des Universums. 

Kinners, muss das wirklich sein?

Die Dörfer und Städtchen in Ostfriesland haben das doch gar nicht nötig! Die meisten von ihnen sind furchtbar hübsch und pittoresk und eben auch einmalig. Und wenn das nicht ausreicht, Menschen aus anderen Regionen der Republik für sie zu begeistern, dann ist das halt so. Man kann und soll niemenden zu seinem Glück zwingen.

Zwei Hinweise noch für Auswärtige: Wenn ihr hier mal Urlaub macht, dann lasst euch bitte niemals anmerken, dass ihr das falsche Spiel durchschaut. Sollen sie ruhig ihre ganze auswendig gelernte Litanei herunterbeten, diese ganzen Museums- und Touristenführer. Erst wenn sie alles aufgesagt haben, solltet ihr gezielte Nadelstiche setzen und die richtigen Fragen stellen. Damit rechnen sie nicht, so könnt ihr sie für eine Sekunde aus dem Konzept bringen.

Der zweite Hinweis: Den Pilsumer Leuchtturm gibt es im Gegensatz zu Kloster und Burg aber wirklich ;-)


Mir persönlich gefallen in Ostfriesland besonders die Moore. Für die wirbt keiner. Mich kann man nicht reinlegen oder ködern mit irgendwelchen aus dem Boden gestampften Attraktionen. Die Natur ist für mich Attraktion genug. 

In Friedeburg-Marx gibt es ein Trinkwasser-Schutzgebiet, auf sandigem Grund und mit anmoorigen Bereichen. Ein netter Mensch aus Brockzetel hatte mir mal vor einigen Wochen den entscheidenden sachdienlichen Hinweis gegeben. Genutzt wird dieses Gebiet vor allem von Hundebesitzern. Und tatsächlich war ich auch gestern der einzige Mensch ohne Vierbeiner. Das war nicht schlimm, damit kann ich leben. 

Obwohl Straßen und Wege durch das Gebiet führen, darf man es nicht mit dem Wagen befahren. Trinkwasserschutz geht vor. Umso ungeheuerlicher ist es also, dass dort auf großen Flächen Mais angebaut wird! Ich meine, inkonsequenter geht es doch wohl nicht mehr, oder?

Wenn man sich den Mais wegdenkt, sieht es in diesem Gebiet aber ganz nett aus. Knochentrockene und patschnasse Habitate harmonieren nebeneinander. Und so kommt es, dass man dort auf Tiere treffen kann, die die unterschiedlichsten Ansprüche an ihren Lebensraum stellen. Das durfte ich in den letzten Wochen insgesamt gleich dreimal feststellen. Die hier und heue gezeigten Fotos belegen das. Sie entstanden am letzten Wochenende (1. und 2. Juli 2017).

In einem Brombeergebüsch entdeckte ich zum Beispiel die Gespinste einer Trichterspinne. Um welche Art genau es sich handelte, war mir nicht klar. Ich hielt sie zunächst für einen Vertreter aus der Gattung der Winkelspinnen, zu der auch die bekannte Hausspinne gehört, der man mit etwas Glück beim nächtlichen Gang zur Toilette an der Wand oder auf dem Boden oder in der Badewanne begegnen kann.

So sah sie aus:



female Agelena labyrinthica 

Diese Tierchen lauern in ihrem Trichternetz auf Beute, sonnen sich aber auch schon mal im Vorzelt.

Weil die Labyrinthspinne, um die handelt es sich hier tatsächlich, sehr schreckhaft ist und bei der kleinsten Ströung im Trichter verschwindet, musste ich mir etwas einfallen lassen, um sie aus der Reserve zu locken.

Also klatschte ich eine der nervigen Regenbremsen, die mal wieder auf mein geiles Blut auswaren. Regenbremsen sind sehr robust. Selbst wenn man ihnen richtig einen mitgibt, berappeln sie sich nach einiger Zeit wieder und beginnen ihr zweites oder drittes Leben. Das wusste ich. Das nutzte ich aus. Ich warf die scheinbar tote Bremse ins Netz und wartete. Nach nur wenigen Minuten kehrte ganz zögerlich das Leben in ihren kleinen Körper zurück. Zunächst bewegten sich die Beinchen, dann auch die Flügel. Was die Bremse nicht wusste, war, dass sie nun tatsächlich dem Tode geweiht war.

Die Labyrinthspinne schoss geradezu aus ihrem Versteck hervor, blieb kurz stehen, um die Richtung, aus der die Signale kamen, zu orten, um dann schnurstracks das Opfer zu attackieren. Leider trug sie es sofort ins sichere Versteck.

Scheiße!

Im Anschluss an diese gescheiterte Verarsche versuchte ich es mal so, mal ganz anders, doch die Spinne hatte ihren eigenen Kopf und wollte mein falsches Spiel partout nicht mitspielen. Doch irgendwann zeigte sie sich nachsichtig und kam langsam aus ihrem Netzrichter hervorgekrabbelt, um sich ausgiebig zu sonnen.

Na endlich, dachte ich:


















same

Ist sie nicht hübsch?

Mit der korrekten Größeneinschätzung habe ich es nicht so. Ich ging hier von mindestens 20, wenn nicht sogar 30 Millimetern aus (Kopf-Rumpf-Länge, also ohne die langen Beine). Doch zu Hause stellte ich fest, dass die Weibchen dieser Art, um so eines handelt es sich hier, maximal 15 Millimeter erreichen.

Die Labyrinthspinne mag es trocken und warm.

Entsprechend sieht ihr Lebensraum in Marx aus:

xeric habitat of E. labyrinthicus 

Ihre Netze errichten die Tiere meist in Knöchel- bis Kniehöhe in der Vegetation, gern in Brombeergebüschen, im Heidekraut oder im Besenginster.

Ein vorletztes Bild von diesem Prachtweib, auf dem man auch die ansprechende Zeichnung auf dem Hinterleib erkennen kann:


same

Aaaattacke!

same 

Na Kinners, habt ihr euch erschrocken?

Es sieht gefährlicher aus, als es war. Wie bereits oben geschrieben, das Tier sonnte sich einfach nur, wechselte aber immer mal wieder den Liegeplatz im Vorzelt.


Bereits auf dem Weg von meinem Wagen zur Labyrinthspinne hatte ich plötzlich den gemischten Chor warnender Kleinvögel gehört.

Zu meiner großen Überraschung waren auch zwei Pirole darunter!

In meiner alten Heimat, dem Landkreis Osnabrück, ist dieser tropisch anmutende Vogel gar nicht so selten. Dort kann man ihn vor allem in Moorbirkenwäldern entdecken. Doch in Ostfriesland, das bereits am Rande seines Areals liegt, hatte ich ihn zuvor nur als Durchzügler feststellen können. Im Atlas der Brutvögel in Niedersachsen und Bremen 2005-2008 konnten für Ostfriesland gerade mal sechs Reviere in die Karte eingetragen werden. Und die stammen wahrscheinlich nicht einmal aus nur einem Jahr!

Umso überraschter war ich also, den Pirol gleich paarweise zur Brutzeit anzutreffen.

Während sich das Weibchen noch rechtzeitig aus dem Staub machen konnte, blieb das Männchen eine ganze Weile im Kronenbereich einer Kiefer stehen:

male Northern Oriole

Die Distanz zum Vogel war riesig.

Immerhin kann man aber erkennen, dass es sich um einen vorjährigen Kerl handeln musste. Alte Pirol-Männchen sind sehr auffällig gekleidet mit ihrem quietschgelben Kleingefieder und den dazu kontrastierenden pechschwarzen Flügeln, während dieses Männchen insgesamt eher blass, aber immer noch bunter als eine Amsel daherkam. Doch trotz dieser Farbenpracht fällt der Pirol meist nur durch seine Stimme auf, hält er sich doch fast ausschließlich im dichten Blattwerk der obersten Etagen eines Waldes auf.

In Marx gefiel es mir gleich so gut, dass ich beschloss, auch am darauffolgenden Sonntagmorgen auf Fotopirsch zu gehen.

Diesmal aber vor allem in jenem Bereich, der wie ein klitzekleines Moor anmutet.

Ich fand diese Gemeine Binsenjungfer:

Emerald Damselfly 

An einer zweiten soll es hier nicht mangeln:


second

Ja, und auch der süße Hüpperling durfte an diesem Morgen nicht fehlen:

Large Chequered Skipper

Anscheinend kommt er in Ostfriesland in jedem noch so kleinen Moor vor!

Das ist nicht selbstverständlich, denn im größten Teil Deutschlands fehlt der Spiegelfleck-Dickkopffalter, wie er eigentlich heißt, komplett. Aber selbst hier im Norden ist seine Verbreitung alles andere als flächendeckend. In den Mooren im Landkreis Osnabrück ist er mir jedenfalls nie begegnet.

Ein anderer Falter, endlich mal nicht vor einem pfeifengrasgrünen Hintergrund:


different 

Ich glaube, von all den Fotos, die ich über die Jahre vom Hüpperling gemacht habe, gefällt mir dieses nun am besten.

Wenn dieser Schmetterling so gemütlich und irgendwie lustig durchs Moor flattert, dann ist die Freude bei mir groß. Doch fotografieren würde ich ihn niemals zur Mittagszeit. Am schönsten finde ich ihn, wenn er sich noch an seinem Schlafplatz befindet und mit schwerem Tau bedeckt ist.

Derselbe Falter:

same

Und noch ein dritter, der sich auf der anderen Seite eines Grashalmes zu verstecken suchte:

third

Auch die Zarte Rubinjungfer trat in Marx in hoher Dichte auf, doch ich fand kein Individuum, dass sich fotogen an den richtigen Halm klammerte.

Ein Bild machte ich trotzdem:



Small Red Damselfly

An ansonsten vegetationsfreien Stellen im Uferbereich des größten Moorweihers in Marx kann man zurzeit große Bestände des Sumpfbärlapps bestaunen, meist in Gesellschaft des Rundblättrigen Sonnentaus:

Inundated Club Moss  

Hübsche Glockenheide:






Cross-leaved Heath 

Und eine noch ganz junge Stieleiche:

English Oak

Viele dieser Eichenbabys konnte ich am Saum eines Gebüsches finden, wo sie im nackten Sand ihr Dasein fristeten.

Weil die nächste alte Eiche in einer Entfernung von mindestens 200 Metern steht und Eicheln auch bei Sturm kaum solch große Strecken zurücklegen können, kann man davon ausgehen, dass hier der Eichelhäher seine Finger im Spiel hatte.

Viele Grünfrösche, die keine Seefrösche waren, gab es in Marx zu sehen.

Normalerweise fotografiere ich Frösche immer auf Augenhöhe, doch den hier knipste ich im Stehen, also quasi fast senkrecht von oben nach unten:






Pelophylax spec. 

Nähert man sich einem Gewässer mit Grünfröschen, dann springen alle Tiere auf der Stelle ins Wasser. Leben sie in einem Teich, der tagtäglich von vielen Menschen besucht wird, nehmen sie es mit der Fluchtdistanz nicht mehr ganz so genau. Man kann sie dann aus geringster Entfernung bei ihrem Tun beobachten.

Zum Beispiel bei der Jagd, die der einer Hauskatze bis ins letzte Detail gleicht.

Hat man als Grünfrosch ein Beutetier entdeckt, pirscht man sich in geduckter Haltung an dieses heran. Mal recht schnell, dann wieder wie in Zeitlupe. Die Geschwindigkeit des Heranpirschens hängt davon ab, ob das Beutetier gerade aufmerksam ist oder nicht. Als Frosch kann man das einschätzen. Wenn schließlich die Distanz die richtige ist, setzt man zum Sprung an und wird meist auch belohnt.

Okay, einen Unterschied zur Katze gibt es: Auf einen langen Schwanz, dessen Spitze bei der Pirsch als Zeichen höchster Erregung hin und her schwenkt, muss man als Frosch verzichten.

Frösche sind nicht dumm.

Sie haben immer ganz genau im Blick, wer da am Ufer des Teichs steht und ob er eine Gefahr darstellt oder nicht. Im Falle eines Menschen taucht man als Frosch meist rasch wieder auf, falls man überhaupt ins Wasser springt. Steht da aber ein Graureiher herum, verharrt man besser so lange völlig regungslos am Grund des Gewässers, bis der Vogel endlich verschwunden ist.

Auftauchen bedeutete in diesem Fall nämlich den sicheren Tod.

Doch wer will schon im Magen eines Vogels enden?

Essex Skipper

Das ist ein Verwandter des Spiegelflecks.

Es ist ein Schwarzkolbiger-Braundickkopffalter, der für mich an diesem frühen Morgen Modell stand.

Braundickkopffalter fliegen so ganz anders als der Spiegelfleck. Mit schwirrendem Flügelschlag rasen sie durch die Luft. Der Spiegelfleck hingegen mag es gemütlich. Er schlägt gerade so oft mit den Flügeln, dass er nicht zu Boden stürzt. Zwischen den einzelnen Flügelschlägen sinkt er immer etwas ab, um dann wieder ein bisschen an Höhe zu gewinnen.

Daher der Name Hüpperling!

Das hat einen Sinn. Flöge er wie ein Schwarzkolbiger, könnte man seine auffällig gezeichneten Flügelunterseiten nicht mehr erkennen. Genau die aber haben so eine Art Signalfunktion bei der innerartlichen Kommunikation. Sie werden also sowohl Kontrahenten als auch möglichen Sexualpartnern geradezu präsentiert.

Als der Tau schon fast komplett verschwunden war, entdeckte ich noch meine erste Trinkerin der noch jungen Saison.

Sie umklammerte gleich drei Pfeifengrashalme auf einmal.

Sicher ist sicher:

Drinker

Die  großen, bunten und behaarten Raupen kann man auch jetzt noch finden.

In den Mooren und auch auf dem Rysumer Nacken ist dieser Falter, den emotional gestörte Menschen wohl als Motte abtun würden, nach wie vor sehr häufig. In der intensiv bewirtschafteten Agrarsteppe dagegen fehlt er komplett.

Das gilt in ähnlichem Maße auch für das folgende Tier:


Roesel's Bush Cricket

In den ostfriesichen Moore aber kommt Roesels Beißschrecke auch heute noch in großer Zahl vor.

Das abgebildete Tier hatte noch keine Flügel. Es befand sich im wohl letzten Nymphenstadium und turnte geschickt zwischen den Halmen herum.

Gegen Nachmittag befand ich mich bereits wieder auf dem Weg zu meinem Auto, als plötzlich der Boden bebte:


Carabus coriaceus

Ein riesiger Lederlaufkäfer stampfte wie ein Elefant über den Asphalt.

Die in Deutschland geschützte, aber keineswegs seltene Art ist eigentlich nachtaktiv, doch dieser Geselle trottete in aller Ruhe bei Tageslicht über die Straße. Vielleicht war er in der vorausgegangen Nacht nicht satt geworden und nun auf der Suche nach einem Leckerbissen.

Lederlaufkäfer ernähren sich vor allem von Regenwürmern und Nackschnecken. Und wenn sie ein Opfer finden, endet das eigentlich immer in einer großen Sauerei, einem Gemetzel, weil sie noch nie etwas von guten Tischmanieren gehört haben und ihre Beute rücksichtslos zerlegen. Da fließt dann richtig Blut oder so ähnlich.

Normalerweise sind Laufkäfer für Fotografen eine echte Zumutung, weil sie ihrem Familiennamen immer gerecht werden und so gut wie nie anhalten. Dieser Lederlaufkäfer stellte die berühmte Ausnahme von der Regel dar.

Ein vorletztes Bild aus Marx, aufgenommen etwa eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang:

Rosebay Willow Herb 

Das attraktive Schmalblättrige Weidenröschen teilt sein Schicksal mit allen sehr häufigen und somit in den Augen vieler Zeitgenossen gewöhnlichen Pflanzenarten. Es wird weder geliebt noch bewundert. Dabei muss es sich meiner Meinung nach nicht einmal hinter der schönsten Orchidee verstecken.

Trotzdem wird es eher beschimpft und in grenzenloser Boshaftigkeit als Unkraut bezeichnet!

Dieses Bild zeigt ein Individuum, das gemeinsam mit ganz vielen weiteren, dicht an dicht gedrängt, auf einem Kahlschlag neben der Straße vor sich hin leuchtete. Kahlschläge, Uferböschungen und Brachflächen sind der bevorzugte Standort dieser Pflanze, die die Einsamkeit verachtet und grundsätzlich in großen Beständen auftritt. Dieser Umstand trägt dazu bei, dass man das ohnehin schon so prächtige Schmalblättrige Weidenröschen nicht übersehen kann.

Zu guter Letzt gibt es eine Halo.

Eine Halo über Marx:

Halo

Im Zentrum der Halo ist die Sonne zu sehen.

Ich habe das Bild mit meiner Knipse gemacht. Einfach nach oben gehalten und abgedrückt, gleichzeitig in eine andere Richtung geschaut, weil der Himmel so grell war. Was eine Halo ist, könnt ihr im entsprechenden Wikipedia-Artikel nachlesen. Für mich war das übrigens die erste Halo über dem Festland, obwohl dieser Lichteffekt gar nicht so selten auftreten soll. Aber wer guckt schon ständig zum Himmel?


So, abschließend halte ich es für erwähnenswert, dass genau in diesem Moment, also jetzt, also während ich das hier schreibe (Freitagabend, 23.00 Uhr), mindestens zwei junge Waldohreulen direkt vor meinem Fenster um die Wette betteln und so die ganze Nachbarschaft terrorisieren. Das sind schon kleine Nervensägen. Also so aus der Sicht der Eltern. Als Waldohreulen-Mutter würde ich diese ADHS-Quengelköppe wahrscheinlich ins Heim geben. Doch mich als Mensch stören sie überhaupt nicht. Im Gegenteil! Seit ich in Emden wohne, habe ich dieses Naturschauspiel alljährlich erleben dürfen. Es gehört zum Sommer wie das leckere Eis in der Hand.

Darüber hinaus möchte ich noch darauf hinweisen, dass das erste Bild dieses Berichts absolut nichts mit Friedeburg-Marx zu tun hat. Ich kann aber sagen, dass das Bild genau das zeigt, was ich im Sucher gesehen habe. Es ist nicht etwa aufgepeppt. Und es zeigt kein Flammeninferno.

Wann, wo und warum ich es aufgenommen habe, erfahrt ihr dann im kommenden Beitrag.


Für Bestimmungshinweise geht mein Dank heute an Reinhard Gerken (Celle) und mal wieder an Jürgen Peters (Borgholzhausen).

Letzterer bestimmte die Labyrinthspinne, Reinhard den Sumpfbärlapp.