Mittwoch, 5. September 2018

Dies und das (Teil 6446)

Neulich stand ich mal wieder an der Straße, die zum berühmten Pilsumer Leuchtturm führt.

Ich schaute mir die Vögel an, die auf der wohl wichtigsten Fläche der Hauener Pütten eifrig nach Nahrung suchten.

Ein Radfahrer näherte sich mir langsam – und hielt.

Das passiert häufiger. 

Die Menschen tragen oft Fragen mit sich herum und meinen dann, ich könnte ihnen die passenden Antworten geben. Schaut man leichtfertigerweise durch ein Fernglas oder Spektiv, wird man automatisch als Experte in Sachen Natur wahrgenommen.

Und in meinem Fall stimmt das ja auch ,-) 

Nichtsdestotrotz bin ich keine Auskunft, und oft fehlen mir auch Lust und Zeit, die Menschen zu bespaßen, obwohl ich an 364 Tagen im Jahr gute Laune habe und das sogar schon unmittelbar nach dem Aufstehen am ganz frühen Morgen.

Ohne zu zögern spielte mir der Fremde also die Kugel zu: "Sagen Sie mir jetzt bitte mal, wie sich die Massenvermehrung der Wespen in diesem Sommer mit dem viel zitierten Insektensterben in Einklang bringen lässt? Sie sind doch ein Naturschützer."

Er guckte etwas einfältig: "Oder etwa nicht?"

first winter (female) Bluethroat

Weil Totstellen ja nichts gebracht hatte, drehte ich mich unvermittelt um. Und weil in den Worten des alten Mannes so etwas wie ein Vorwurf mitgeschwungen hatte, den ich so nicht akzeptieren wollte oder konnte, wurde ich etwas bösartig.

Halt dein Maul, du Arschkrampe, dachte ich entsprechend, sagte aber: "Moin heißt das erst einmal!" Und: "Alles klar bei Ihnen?"

Der Mann zeigte sich erstaunt über meine Replik, blieb aber hartnäckig: "Alles, was man in den Nachrichten zu diesem Thema liest oder hört, stimmt doch gar nicht. Reine Panikmache."

"Falsch", gab ich die passende Antwort, "Sie machen es sich ein kleines bisschen zu einfach. Das geht übrigens den meisten Menschen so, die eine Gedankenallergie haben. Sie befinden sich in guter Gesellschaft und gehören sogar einer Mehrheit an."

Der Mann hob zunächst die Brauen, dann die Fersen, baute sich regelrecht vor mir auf.

Und ich musste lachen und dann noch einmal tief Luft holen.

Schließlich eruptierte ich regelrecht; "Hören Sie, es ist ganz einfach. Es gibt nicht nur Wespen. Und es gibt auch nicht nur diese zwei Wespen-Arten, die, als kleine Borussia-Fans getarnt, am Kaffeetisch mitessen wollen. Es gibt ganz viele Wespen- und noch viel mehr Insekten-Arten und darunter welche, die anspruchsvoll sind, und welche, die keinen Stolz besitzen und mit allem zufrieden sind. Die anspruchsvollen Arten hassen Dünger und Pestizide, den anderen ist alles egal. Die anspruchsvollen beschweren sich nicht etwa bei uns, obwohl sie das Recht dazu hätten, nein, stattdessen sterben sie einfach aus. Still und leise. Und von Menschen wie Ihnen völlig unbemerkt. Das ist das Allerschlimmste. Also dass es so viele Menschen gibt, die nichts begreifen. Das bedeutet", ich musste doch noch einmal tief einatmen, weil ich mich zuvor bezüglich meines Sauerstoffbedarfs verkalkuliert hatte, "dass das Artenspektrum kleiner wird, wenn Sie wissen, was der Begriff bedeutet. Ich meine, haben Sie das jetzt verstanden?"

Er hatte es natürlich nicht verstanden. Wort- und grußlos schwang er sich auf sein Rad und düste davon. Immer wieder den Kopf schüttelnd.

Das wiederum fand ich jetzt lustig.

Und überhaupt, der Typ hatte es doch gar nicht anders verdient. Ich meine, er hatte mich doch tatsächlich als Naturschützer bezeichnet.

Ich.

Naturschützer.

So ein Unsinn.



male Yellow Wagtail

Ja, die Hauener Pütten sind eine Hure!

Nie hat man sie ganz für sich allein. Wahrscheinlich sind sie sogar das aus ornithologischer Sicht am besten untersuchte Gebiet in ganz Kontinentalostfriesland. Und es sind vor allem Gastbeobachter aus allen Teilen der Republik, ja sogar aus dem Ausland (Schweiz, Österreich, Niederlande und so weiter), die hier an der Küste ihren Urlaub verbringen und mal eben in den Pütten vorbeischauen. Man sieht das ja an den unterschiedlichsten Kennzeichen ihrer Autos.

Vor allem diese "Fremdlinge" sorgen dafür, dass tatsächlich beinahe jeden Tag kontrolliert wird, welche Vogelarten sich gerade in den Pütten aufhalten. Da werden auch schon mal richtig geile Raritäten entdeckt!

Doch was ist mit den vier Millionen Radfahrern, die sich tagtäglich den zwar hübschen, aber doch völlig überbewerteten Leuchtturm ansehen und die mit der Vogelwelt oder der Natur ganz allgemein so viel zu tun haben wie Religion mit Verstand oder Helene Fischer mit den Pixies (ansehen, unbedingt) oder Hundekot mit Haute Cuisine? Fahren die in ihrer Heimat eigentlich auch mit dem Fahrrad durch die Gegend? Und warum radeln die überhaupt, wo es doch Autos gibt?

Der oben erwähnte Leuchtturm, diesmal mit Knipsilein fotografiert:

Pilsum lighthouse one more time


In der letzten Woche war ich oft im Bereich Hauen/Leyhörn unterwegs.

Hier sieht man mal einen Krabbenkutter nach Beendigung seiner Fangfahrt auf die Seeschleuse zutuckern (mit Juist im Hintergrund; rechts als Wahrzeichen der Insel das markante weiße Kurhaus):

Glaubt mir, ich hätte auch lieber eine Zügelseeschwalbe gesehen.

Einer der völlig zu Unrecht meistgehassten Vögel stand auf einem Dalben nahe der Seeschleuse und gab sich mächtig unbeteiligt.

Stattdessen putzte dieser reptilige Kormoran ausgiebig sein schwarzes Gefieder:






Ein eher leidlich getarnter Mensch kauerte auf dem Deich nahe der Seeschleuse herum:


this guy was waiting for the return of not less than five Nutcrackers, which indeed were Starlings

Er wartete gestern (5. September 2018) geduldig auf die Rückkehr von sage und schreibe gleich fünf Tannenhähern, die er dort zuvor gesehen haben wollte! Ich musste erst einmal überlegen, was oder wen er tatsächlich beobachtet haben konnte. Und dann fielen mir junge Stare ein, die im Moment mit ihren hellen Tupfen tatsächlich ein wenig Ähnlichkeit mit einem Tannenhäher besitzen.

Das sagte ich dann auch laut.

Doch der Mann blieb bei seiner Bestimmung. Schließlich war er ein erfahrener Ornithologe und Mitglied sowohl im NABU als auch in der DOG. Das berichtete er mir jedenfalls ganz stolz. Zum Zeitpunkt unserer Begegnung konnte er auf vierzig Jahre Vogelguckerei zurückblicken!

Doch manchmal reichen eben auch vierzig Jahre nicht, dachte ich ganz nüchtern, um mich dann aus dem Staub zu machen.

Am ganz frühen Morgen desselben Tages hatte ich meinen etwas aus der Form geratenen Körper endlich mal wieder in ein enges Tarnzelt gezwängt! Und es kam am Ende durchaus etwas Brauchbares dabei heraus. Braunkehlchen, Blaukehlchen und eine Schafstelze zeigten sich im Laufe der einen Stunde, die ich gerade so aushielt, vor meinem Versteck und kloppten sich um die ausgelegten Mehlwürmer.

Seht doch, ein junges Braunkehlchen:

young Whinchat looking for food (lecker mealworms)

Ein junges Blaukehlchen kam auch ganz fix angelaufen:

same Bluethroat as above

Die beigen Spitzen der Großen Armdecken verraten das Alter des Vogels. Die Mittleren Armdecken dürften bereits ausgetauscht worden sein und das komplette Kleingefieder sowieso.

Wie alle Schmätzer tragen auch Blaukehlchen ihr Jugendkleid nämlich nur für eine kurze Zeit.

Wieder ein Braunkehlchen:







































probably the same specimen

Insgesamt waren von dieser quirligen Art gleich sechs Individuen anwesend. Eine richtige Rasselbande, wenn man so will.

Sie kabbelten sich pausenlos, scheuchten einander weg vom Futtertopf, obwohl doch genug zu essen da war. Ich meine, ich habe immer wieder nachgefüllt. Doch Vögel sind wie Menschen, sie sind futterneidisch und haben bisweilen einen schlechten Charakter.

Und diese kleinen Bestien waren jung und strotzten nur so vor Energie. Am Ende konnte ich dann ihre kleinen Mägen knurren hören, weil sie wegen ihrer Dauerfehde nicht zum Essen gekommen waren.

Jetzt wieder das Blaukehlchen, das ganz nah an mein Versteck herankam, weil es mir einen guten Morgen wünschen wollte.

Moin:

same

Zack, da hatte sich plötzlich wieder ein Braunkehlchen bis zur Front durchgeboxt:





































Oh, plötzlich gab es Schafstelze:



male Yellow Wagtail

Doch die schien sich vor meinem Tarnzelt nicht wohlzufühlen.

Rasch wackelte sie wieder davon:

same

Ein weiteres Braunkehlchen mit besonders intensiver dunkler Brustzeichnung war sich seiner Sache auch nicht hundertprozentig sicher:

next Whinchat

Das letzte Blaukehlchen für heute:

Und schließlich ein finales Braunkehlchen, das ein anderes war als die da oben:

another Whinchat

Nur zwei Bilder konnte ich von diesem scheuen Frechdachs machen, da war er auch schon wieder verschwunden.

Ich könnte jetzt behaupten, ich hätte dieses Braunkehlchen bei der Landung geknipst, doch tatsächlich zuckt es auf dem folgenden Foto nur zusammen, weil das Auslösegeräusch meiner Kamera es erschreckt hatte.

Huaaaah:

the shutter or actually the mirror of my camera was too loud

Trotzdem irgendwie spektakulär, dieses Bild, oder?

Junge Braunkehlchen erinnern mich von der Gefoiederzeichnung her immer wieder an einen winzigen Mornell.

In diesem Goldregenpfeifer-Schwarm, der sich einige Tage im Watt vor dem Manslagter Nacken aufhielt, konnte am letzten Samstag tatsächlich ein einzelner Mornell von einem Gastbeobachter aus dem Münsterland entdeckt werden:



































among these Golden Plovers one single Dotterel showed up on last Saturday (good record shots were taken by a birder from Münster area), but yesterday I failed to relocate the bird

Gestern dann, also drei Tage später, gelang es mir leider nicht, den doofen Vogel zu finden.

Allerdings suchte ich lediglich mit dem Fernglas, und aufgrund der großen Distanz und wegen des Luftflimmerns war kaum etwas zu erkennen. Mit einem Spektiv vorm Auge wäre ich wahrscheinlich besser beraten gewesen, doch fehlte mir die Kraft, das Teil sowie das schwere Stativ von meinem Wagen auf dem Parkplatz am Diekskiel bis an die Wasserkante zu schleppen.

Ich meine, auch ich werde nicht jünger!


Anderes Thema.

Gestern (5. September 2018) machte ich einen Ausflug zum Rysumer Nacken.

Zunächst verlief alles eher unspektakulär. Doch plötzlich kam da ein verdächtiger Falter auf mich zugeflogen, der, kaum dass er mich passiert hatte, auch noch auf dem Schotterweg landete. Mit dem Fernglas sah ich dann, dass es sich um einen Perlmutterfalter handelte.

Für einen Kaisermantel war das Tier zu klein, ich dachte also eher an einen Mittleren Perlmutterfalter, der auf den Ostfriesischen Inseln einen seiner letzten Verbreitungsschwerpunkte in ganz Deutschland besitzt, doch der schied aufgrund der sehr großen weißen Flecken auf der Flügelunterseite sofort aus.

Und eben diese weißen Markierungen ließen nur einen Schluss zu.

Das Tier musste ein Kleiner Perlmutterfalter sein:






































Queen of Spain Fritillary – record shot of a lifer!

Tatsächlich handelte es sich hier um meine allererste Begegnung mit dieser Art!

Ein echter Lifer!

Der Kleine Perlmutterfalter muss früher sehr häufig gewesen sein, also so vor meiner Zeit, doch längst hat er sich aus weiten Teilen unserer Republik verabschiedet. Auch hier dürfte als Hauptgrund für das Verschwinden dieses anspruchsvollen Falters die intensive Landnutzung eine Rolle gespielt haben.

Schade, dass Schmetterlinge einem nichts über ihre Herkunft verraten können oder wollen. Es hätte mich schon interessiert, welchen Weg dieser Kleine Perlmutterfalter zuvor genommen hatte.

Nur dieses eine Belegbild konnte ich machen. Der Schönling flog auf, weil er eine Hummel verfolgen wollte. Nach nur wenigen Sekunden verlor ich ihn leider aus den Augen.

Ich ging weiter.

Am linken Wegesrand tauchte plötzlich eine Goldene Acht auf, ein Männchen. Oh, noch eines! Und da, ein weiteres! Am Ende zählte ich im Dunstkreis eines Hornklee-Bestandes ganze zehn Individuen.

Normalerweise ist es der verwandte Postillon, der als Wanderfalter fast alljährlich hier an der Küste auftaucht, in manchen Jahren sogar in beträchtlicher Zahl, doch von dem gab es an diesem Jahr bislang keine Spur. Und ob ich tatsächlich der Goldenen Acht begegnet war, kann ich auch nicht mit letzter Sicherheit sagen, denn die lässt sich im Feld und anhand von Bildern nicht sicher vom Hufeiesenklee-Gelbling unterscheiden. Es sind vor allem die Raupen dieser beiden nahe miteinander verwandten Arten, die völlig unterschiedlich aussehen.

Hier mal ein Männchen:














record shot of either a male Pale Clouded Yellow or a Berger's Clouded Yellow. In total I found ten specimens males and females

Es saugte an den Blüten des Schmalblättrigen Greiskrautes.

Diese Pflanze, die am Rande des Gassco-Geländes in ausgedehnten Beständen wächst und zurzeit auch blüht, stammt ursprünglich aus Südafrika. Sie wurde bereits im 19. Jahrhundert in Europa eingeschleppt.

Noch ein Bild von einem Kerl:

another male

Wem auch immer ich an diesem Ort begegnet war, der Goldenen Acht oder dem Hufeisenklee-Gelbling, ich musste auch mal weitergehen und endlich ein Käsebrötchen vertilgen. Denn genau die warteten in meinem Auto auf mich.

Ich beschleunigte den Schritt.

Der Schlüssel steckte bereits im Türschloss, als mir plötzlich die Alarmrufe einiger Mehl- und Rauchschwalben auffielen.

Ich blickte nach oben, und da kreiste doch tatsächlich ein Fischadler direkt über mir unter einem azurblauen Himmel:

migrating Osprey

Er befand sich auf dem Weg ins ferne Winterquartier, das sich irgendwo in Afrika befinden dürfte.

So, Kinners, zu guter Letzt gibt es ein Bild aus dem Herzen der Krummhörn-Metropole Pewsum:

Eurasian Collared Dove breeding under the roof of a gas station in the center of Pewsum


Es zeigt eine Türkentaube, die ihren Nachwuchs versorgte.

Das Nest befand und befindet sich auch jetzt noch unterm Dach der Aral-Tankstelle im Zentrum des Ortes.

Ja, selbst beim Tanken kann man immer noch etwas Interessantes entdecken.