Samstag, 24. November 2018

Zwei Spornammern besuchen mich

Heute war ich am frühen Morgen in Norddeich.

Als ich mich zu Hause in den Wagen setzte, zeigte mein Autothermometer satte -2,5 Grad Celsius an.

Bislang wohl der Kälterekord für diesen Herbst.

Ich kam mir heute Morgen wirklich vor wie in Оймяко́н (Oimjakon), zumal es auch noch nebelig war.

Jedenfalls stieg ich wieder aus und befreite alle Scheiben vom Eis. Mechanisch. Okay, ich beließ es bei kleinen Gucklöchern von der Größe einer Briefmarke, wie ich es in solchen Situationen immer zu tun pflege.

Dann düste ich ganz vorsichtig los Richtung Norddeich.

Es ist komisch: Wirklich immer, wenn ich im Herbst am Vormittag dort bin, sehe ich durchziehende Goldammern. Das ist schon etwas Besonderes, denn weiter südlich, also im NSG Leyhörn oder etwa am Diekskiel begegne ich dieser Art nie oder nur sehr selten. 

Ansonsten gab es in Norddeich noch einen größeren Trupp der hübschen Schneeammer zu bewundern, wie in jedem Winter halt.  

Anschließend fuhr ich Richtung Leybucht. Ich parkte direkt am Deich bei Westerhörn, wo ich ausstieg und losmarschierte. Etwa einen Kilometer hatte ich gerade erst zurückgelegt, als ich die Rufe mindestens einer Spornammer hörte. Sie wurden immer lauter, und bald bemerkte ich gleich zwei Individuen am inzwischen blassblauen Himmel, die sich zu meiner großen Überraschung nur etwa zwanzig Meter von mir entfernt auf dem Deich niederließen. Unmittelbar nach ihrer Landung versteckten sie sich zwischen den Wellenbrechern. 

Einer der Vögel:





Lapland Bunting is a regular but quite rare visitor to Ostfriesland. Today I managed to "shoot" two individuals on the dike at so called Westerhörn. The birds had arrived few minutes earlier and, after a short break, continued their journey several minutes later. This fall it has been my second encounter with this species from northern Scandinavia

Während ich den Ort der Landung im Auge behielt, kramte ich meine Kamera hervor. 

Dann musste ich warten. Trommel, trommel, dachte ich, wieso tut sich da nichts? Nach wie vor mussten sich die Spornammern zwischen den Wellenbrechern aufhalten, doch dem Anschein nach scheuten sie das Licht der Öffentlichkeit wie der Teufel das Weihwasser. Ich begann bereits an meinen Sinnen zu zweifeln und hielt es fast für möglich, dass sich die Vögel inzwischen aus dem Staub gemacht hatten. Doch das war natürlich Quatsch. Schließlich hatte ich meinen Blick nicht ein einziges Mal abgewandt.

Da war doch was?

Einer der Vögel huschte jetzt tatsächlich kurz durchs Bild. Doch Spornammern sind eben keine Schneeammern. Sie sind fast immer auf Deckung bedacht. Und die kleinen Wellenbrecher reichten den Vögeln völlig aus, sich meinen neugierigen Blicken zu entziehen. 

Ich ging nicht näher heran und wartete einfach einige weitere Minuten ab. Dann plötzlich hüpfte einer der Vögel auf einen der Wellenbrecher (siehe oben). Ich ließ es krachen, ich meine, klicken. Dauerfeuer und so weiter. Und weil sich das so vielversprechend anhörte, tauchte jetzt auch der zweite Vogel auf. Wahrscheinlich wollte er nicht zu kurz kommen, wenn es darum ging, ganz groß herauszukommen.

Ich erwischte seinen entzückenden Rücken: 

two specimens

Die Spornammer ist ein regelmäßiger, gleichzeitig aber sehr spärlicher Gast an der Nordseeküste.

Ich begegne ihr keineswegs in jedem Jahr. Eher ist es so, dass mir die Spornammer nur alle paar Jahre vor die Augen flattert.  Mit Fug und Recht kann ich schreiben, dass ich den geilen Gelbbrauen-Laubsänger hier in Ostfriesland deutlich häufiger zu Gesicht bekomme. In diesem Herbst aber war die heutige Begegnung bereits die zweite mit dieser nordischen Vogelart.

Am 15. November hatte ich nämlich schon zwei Spornammern genau am anderen Ende der Ostfriesischen Halbinsel gesehen: in Schillig. Ich spazierte dort den Strand entlang, als plötzlich zwei Vögel aufflogen, die sich zuvor im Übergangsbereich zu den Dünen aufgehalten und dort wohl nach Nahrung gesucht hatten. Es ist fast immer dasselbe: Am Boden fallen einem diese unscheinbaren Biester einfach nicht auf. Und dieses recht heimliche Verhalten der Spornammer wiederum ist wohl, neben ihrem wahrscheinlich tatsächlich spärlichen Auftreten, der Hauptgrund dafür, dass man ihr vergleichsweise selten auf die Schliche kommt. 

Inzwischen kann ich immerhin den am häufigsten geäußerten Ruf der Spornammer von jenem der Schneeammer gut unterscheiden. Ihr Triller klingt trockener und etwas härter. Darüber hinaus ist die  Spornammer etwas kleiner und sie hat natürlich auch kein Weiß im Flügel. Zu guter Letzt gibt es auch Unterschiede im Verhalten beider Arten. Während die Schneeammer Deckung zu hassen scheint, kann sie der Spornammer nicht dicht genug sein. Überdies himmelt Letztere wie eine Bekasssine, wenn man sie unbewusst aufscheucht. Und wenn sie erst einmal fliegt, legt sie auch gleich eine größere Strecke zurück, sodass man sie meist aus den Augen verliert.

Eine zweite Chance ist bei dieser Ammer oft nur theoretischer Natur. 

Der Rastplatz auf dem Deich bei Westerhörn:


where I saw the birds today

Oben rechts erkennt ihr die Wellenbrecher.

Hier eine andere Perspektive:

Nach nur wenigen Minuten der Rast und einer ausgiebigen Gefiederpflege flogen die Spornammern aufs Meer hinaus.

Hier noch schnell fünf weitere Bilder:

same birds



Die Vögel waren weg, und ich setzte meinen Beobachtungsgang fort.

Längst hatte sich die Sonne den Weg durch den hartnäckigen Nebel komplett freigeschippt und das Eis auf den Wellenbrechern in Wasser umgewandelt. Solche Tricks hat sonst nur der Allmächtige drauf, wenn man gläubigen Menschen glauben darf. Weil ich recht dick angezogen war, musste ich mein Tempo erheblich drosseln, um lästiges Schwitzen zu vermeiden. Ich will nicht behaupten, dass es warm wurde, aber von klirrender Kälte konnte jetzt auch keine Rede mehr sein.

Gegen halb zwei und somit nach nur zweieinhalb Stunden war dann plötzlich wieder Schluss mit Sonne. Wie aus dem Nichts zog sinnfreier Hochnebel heran, so rasant, dass man es wieder einmal kaum glauben konnte. Und zack, da war es wieder zappenduster und bitterkalt. Ich will ehrlich sein, das Wetter spielte mir heute ausnahmsweise mal in die Karten, hatte ich doch jetzt die Möglichkeit, ohne schlechtes Gewissen nach Hause zu fahren und mir dort das Spiel zwischen dem VfL Osnabrück und dem FC Energie Cottbus anzusehen.  

Bei schönem Wetter sitze ich nämlich grundsätzlich nicht in der Bude herum!

Die Partie ging übrigens zu Gunsten der Osnabrücker aus (3:1), die sich nun schon seit einigen Wochen an der Spitze der Tabelle der 3. Liga sonnen dürfen. Mal schauen, wie und ob das so weitergeht...

Bevor ich mich allerdings auf den Weg nach Hause machte, schoss ich im so genannten Buscher Heller schnell noch ein Bild von äsenden Nonnengänsen, wie man sie hier in der Marsch Ostfrieslands zurzeit wieder in größerer Zahl bewundern kann.

Ein schönes Bild, wie ich finde.

Also nicht das Bild selbst, sondern der Anblick von so vielen Gänsen auf engem Raum:

Barnacle Goose

Für mich ist die Weißwangengans, wie man den schwarzweißen Vogel auch nennt, die attraktivste Gans überhaupt! 

Doch leider stößt sie hier an der Küste auf wenig Gegenliebe oder auch nur Verständnis. Die allermeisten Landwirte und Jäger sind nämlich felsenfest davon überzeugt, dass das Tier ein waschechter Schädling ist. Und so geben sie alles, um die Vögel wenigstens zu verscheuchen, ist die Jagd auf die Nonnengans doch verboten. 

Stellt euch vor, ihr habt eine sehr lange Reise hinter euch und kommt beinahe um vor Hunger. Ihr besucht ein Gasthaus, doch man schickt euch weg. Ihr entert einen Supermarkt, aber man jagt euch fort, noch bevor ihr etwas in den Einkaufswagen werfen und an der Kasse bezahlen könnt.

Am Ende müsst ihr verhungern. 

Nonnengänse legen Strecken zurück von mehreren tausend Kilometern. Und wenn sie schließlich im Winterquartier ankommen, schlägt ihnen einfach nur blanker Hass entgegen. Dabei gibt es von dieser Gänseart nicht einmal eine Million Individuen.

Weltweit! 

So viele Menschen leben in jeder dritten Stadt, etwas überspitzt formuliert. Und weil wir jeden Quadratmeter für uns benötigen, ist kein Platz mehr da für die Nonnengans.

Fasan müsste man sein, denn für den wird es niemals an Platz mangeln:

Phaesant

Er ist des Jägers liebster Vogel und wird gehegt und gepflegt.

Diese Aufnahme eines morgendlichen Treffens entstand vor ein paar Tagen an der Knock. 

Gut, am Ende wird man als Fasan in der Regel abgeballert, weil es Menschen gibt, die aus Spaß an der Freud' auf lebende Zielscheiben schießen. 

Aber dafür hat man doch ein tolles Leben gehabt.

Oder etwa nicht?