wilde perspektiven

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Montag, 15. April 2019

Der Krötenmensch

Ja, Kinners, der Mensch ist am Ende die wahre Kröte.

Augenzwinkernd hat das ein lieber Freund dieses herausragenden Blogs aus Süddeutschland ins Gästebuch geschrieben.

Und er hat Recht!

Zumindest sind wir Menschen nicht wertvoller als all die großartigen Mitbewohner da draußen im Outback. Viele von uns, wohl die allermeisten, denken aber anders und wollen sich um jeden Preis vom Rest der Tierwelt abgrenzen. Tatsächlich grenzen wir uns eher aus. Und viele von uns sind fest davon überzeugt, so etwas wie die Krone der Schöpfung zu sein. Die Krone einer Schöpfung, die es natürlich gar nicht gibt.

Und diese grenzenlose Überheblichkeit spiegelt sich auch in unserer Sprache wider.

Menschen essen, die übrigen Tiere fressen, Menschen werden schwanger, Tiere trächtig, und schließlich, um es bei drei von unzähligen Beispielen bewenden zu lassen, haben Menschen einen Mund und Tiere ein Maul.

In diesem Blog, das werdet ihr festgestellt haben, falls ihr des Öfteren reinschaut, existiert diese Barriere zwischen Mensch und übriger Tierwelt nicht. Wir Menschen sind Tiere, auch wenn man allen anderen Arten dadurch nicht schmeichelt. Denn während sie es mühelos schaffen, im Einklang mit der Natur ihr beschauliches Dasein zu fristen, sprengen wir Menschen jeden erdenklichen Rahmen. 

Umso schlimmer ist es, dass ausgerechnet der Mensch darüber entscheiden will, wie viele Individuen von welcher Art auf diesem Planeten leben dürfen.

Zum Beispiel von der so hübschen Nonnengans:

pretty Barnacle Goose is one of the most hated bird species here in Ostfriesland

Der Weltbestand dieses arktischen Vogels besteht gerade mal aus maximal einer Million Individuen! 

So viele Menschen leben allein in Köln!

Diese Gänse überwintern vor allem in Ostfriesland und im Küstenraum der angrenzenden Niederlande. Was für ein Pech für die Vögel, dass wir Menschen nicht nur dort bereits alle Flächen für unsere Belange eingespannt haben, entweder für den Ackerbau oder aber als Weideland vor allem für Milchkühe und Schafe.

Neulich kam ich am Rande einer Kleientnahmestelle mit einem Landwirt ins Gespräch, dem die Fläche wohl gehört. Er sei Naturschützer, so betonte er. Und er freue sich über all die Vögel, die sich dort ansiedelten. Nur mit Gänsen habe er es nicht so. Er meinte, diese Viecher "fräßen" ihm alles weg. "Wenn ich die schon sehe", so gab er, jetzt deutlich lauter, zum Besten, "dann bekomme ich so einen Hals!"

Er fasste sich an denselben und berichtete mir, dass er die Vögel jeden Tag mehrfach verscheuche, um seine Flächen, wie er es nannte, vor den "gefräßigen" Vögeln zu schützen. 

"Wo sollen sie denn hin?" fragte ich ganz unbedarft.

"Zum Nachbarn. Was weiß ich?" antwortete er lapidar.

Merkabsatz: Kinners, wenn wir jeden Quadratmeter für uns benötigen, dann sind Konflikte mit anderen Tierarten vorprogrammiert. Vielleicht sollten wir einfach mal weniger werden und auf ein gesundes und umweltverträgliches Maß zusammenschrumpfen, damit die Welt aufatmen und endlich wieder eine bessere werden kann. Der Planet ist schließlich nicht unser Eigentum.

Schluss mit Wohnungsnot und Verkehrsinfarkt. Keine Probleme mehr, die Menschen mit Nahrung, Trinkwasser und Energie zu versorgen, die dann sogar zu hundert Prozent erneuerbar sein könnte. Doch nach wie vor wird, das Ende bereits vor Augen, Wachstum propagiert. In Deutschland genauso wie überall auf der Welt. Wachstum in jeder Hinsicht und auf einem Planeten, der sich einfach weigert, an Umfang zuzulegen. Wenn das so weitergeht, dann brauchen wir uns tatsächlich bald keine Sorgen mehr um unsere Zukunft zu machen.

Ich verabschiedete mich freundlich, wie es so meiner Natur entspricht, vom Landwirt und suchte mein Heil auf der anderen Seite des Deichs.

Doch dort gab es an diesem Tag allerdings so gar nichts Überrsaschendes zu sehen.

An einem Morgen im März fuhr ich zum Diekskiel, um dort nach Kleinvögeln zu gucken.

Auf dem Weg dorthin entdeckte ich im einzigen Busch weit und breit zwei männliche Buntspechte, die sich kabbelten. Noch bevor ich meine Kamera in den Händen hielt, hatte sich einer der beiden Vögel bereits aus dem Staub gemacht, während der andere lautstark seinen Sieg feierte.

Er hier:











angry male Great Spotted Woodpecker, who had to compete with another male

Es mutete geradezu grotesk an, gleich zwei Spechte in einem völlig isoliert stehenden Busch in der endlosen Ackermarsch anzutreffen.

Anderer Ort, andere Darsteller:


an adult male Marsh Harrier encountered an immature Rabbit...

Diese zwei Kandidaten begegneten einander im Wybelsumer Polder.

Ich saß im Wagen und war auf der Stelle elektrisiert von dem, was ich mitten auf dem Weg sah. Würde die Rohrweihe tatsächlich das Wildkaninchen attackieren?  Ich hatte diesen Gedanken noch gar nicht ausgedacht, als es auch schon losging:


...and tried to overpower him

Das Karnickel zeigte sich kaum beeindruckt, obwohl es bereits in der Luft schwebte. Und als Rohrweihe ist man natürlich auch kein Habicht. Und deshalb war die ganze Aktion eigentlich von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Nur für den Bruchteil einer Sekunde langte die Kraft des Greifvogels, um das Kaninchen festzuhalten und sogar anzuheben. Dann fiel das Langohr auch schon wieder herunter:

but as a Marsh Harrier one don't have the power of a Goshawk

Und jetzt bekam es wohl doch etwas mit der Angst zu tun, zumal die Weihe einfach nicht nachgeben wollte:


Wie ein Rodeo-Bulle versuchte das Kaninchen, den lästigen Angreifer abzuwerfen, doch der wollte sich immer noch nicht geschlagen geben und versuchte es sogar mit einem Biss in den Kopf:

Okay, vielleicht sah das auch nur so aus.

Am Ende konnte sich das Kaninchen aus den Fängen der Rohrweihe befreien. Es gelang ihm die Flucht in den verschilften Graben, wo es sich versteckte:

in the end the Rabbit escaped

Die Weihe rüttelte noch einige Male über dem Schilf, um dann endlich, so aus der Sicht des Kaninchens, abzuziehen. Mehrere Male fluchte sie noch deftig vor sich hin. Das Kaninchen wiederum ließ sich nur wenige Minuten später abermals auf dem Weg blicken und genoss, als Resultat des Sieges, Ruhm und Ehre. Es verneigte sich vor mir als einzigem Zuschauer, und ich applaudierte anhaltend.

Der Vorhang war gefallen, die Show viel zu früh beendet. Und, Kinners, es gab keine Zugabe.


Ein Weg auf dem Rysumer Nacken:

habitat of European Peacock

Es war ein Tag mit einem fiesen Ostwind.

Der Erdwall links im Bild hielt diesen aber ab, und die geile Sonne schien von rechts ins Bild und sorgte an diesem Ort für angenehme Temperaturen.

Gleich ein Dutzend Tagpfauenaugen nutzte diese glückselige Konstellation für die Partnersuche aus.

Etwa alle fünfzig Meter sonnte sich ein Männchen auf dem Weg:


E. Peacock

Die wärmenden Sonnenstrahlen brachten die Tiere auch am Abend noch rasch auf Betriebstemperatur. Und immer dann, wenn ein anderes Tagpfauenauge vorbeiflog, wurde es vom Revierinhaber hartnäckig verfolgt, attackiert und am Ende auch vertrieben. Es waren wohl ausnahmslos andere Männchen, die sich da herumtrieben. Gleichzeitig achtete man natürlich auch auf potenziell auftauchende Mädels, denn die waren der zweite Grund für den Aufenthalt an diesem exponierten Ort. Schließlich will man sich auch als Tagpfauenauge der Familienplanung widmen!

Dieser hübsche und glücklicherweise nach wie vor sehr häufige Falter überwintert als fertiges Insekt. Das ist der Grund dafür, dass man diesem Tier bereits an warmen Tagen im Spätwinter begegnen kann. Die Sonne lockt es dann aus seinem Überwinterungsversteck hervor.

Das folgende Bild zeigt zwei mächtige eiserne Entwässerungsrohre an einem Graben, nur wenige Meter vom Weg, auf dem sich die Schmetterlinge aufhielten, entfernt:


last January I found several overwintering E. Peacocks in the inside of these two melioration pipes

An einem Tag im vergangenen Januar riskierte ich einen Blick ins Innere der Rohre und war sehr erstaunt, standen oder hingen da doch gleich mehrere Tagpfauenaugen auf oder an der Decke eines der Rohre. Leider gelang es mir nicht, sie zu fotografieren, weil die Reichweite des Blitzes meiner Kompaktkamera begrenzt war.

Jedenfalls konnte ich auf den Fotos nichts erkennen.

Alles, was ich soeben über das Tagpfauenauge geschrieben habe, gilt in gleichem Maße auch für den C-Falter, den ich ebenfalls auf dem Rysumer Nacken fotografieren konnte:


male Comma

Wildkaninchen sorgen seit Jahren dafür, dass eine Fläche am Mahlbusen an der Knock nicht komplett zuwachsen kann:

habitat of...

Einige bedrohte Vogelarten mögen solche offenen Bodenstellen an Orten, die nicht gedüngt werden.

So brütet dort z. B. die Feldlerche.

Steinschmätzer legen dort alljährlich eine Rast ein, zum Teil gleich für einige Tage:

Northern Wheatear

Desselbe Männchen suchte immer wieder Schutz im Eingangsbereich von Kaninchenbauten vor dem fiesen Ostwind, der hier an der Küste die letzten Tage unablässig blies und wahrscheinlich nicht nur mir ganz gewaltig auf den Sack ging:




same

So richtig verkriechen kann man sich aber nicht als Steinschmätzer.

Man muss immer die Übersicht behalten in seinem Lebensraum, der sets offen ist und immer eine ungestörte Rundumsicht garantiert.

Der eher unscheinbare Wiesenpieper hat bezüglich seines Lebensraums dieselben Vorlieben:

as the Northern Wheatear Meadow Pipit is still declining in most parts of the country caused by habitat loss. On the coast he is still common, but had formerly been abundant

Hier an der Küste ist er nach wie vor eine recht häufige Erscheinung – auch als Brutvogel!

Doch das ist nur deshalb der Fall, weil es jenseits der Deiche die ungedüngten Salzwiesen gibt, die ihm als ein letztes wichtiges Refugium dienen. Zwar kommt der Wiesenpieper nach wie vor auch in feuchten und trockenen Wiesen vor, doch im Vergleich zu früheren Jahrzehnten ist die Zahl der Paare längst auf ein Minimun zusammengeschrumpft.

Und im Binnenland sieht es noch schlimmer aus. So sind mir z. B. im Landkreis Osnabrück alljährliche Bruten des Wiesenpiepers eigentlich nur aus den Mooren und den sie umgebenden Wiesen sowie vom Truppenübungsplatz in Achmer bekannt. Einer zu intensiven Nutzung der Flächen durch uns Krötenmenschen gehen Wiesenpieper nämlich aus dem Weg.

Heißt: Sie sterben aus!




same


Ein Schwarzkehlchen sang ausgiebig am ganz frühen Morgen im NSG Leyhörn:

male Stonechat 

Und zwei Schnatterenten dümpelten in Gesellschaft einer einzelnen Stockente auf einem Graben am Deich herum, mit dem Pilsumer Leuchtturm im Hintergrund: 

Gadwall and Mallard

Zum Abschluss dieses Beitrages gibt es noch schnell sechs Ringelgänse:

Brent Goose

Und eine einzelne Graugans:

Greylag Goose

All die hier und heute vorgestellten Persönlichkeiten sind die besseren Menschen und würden mir ohne zu zögern zustimmen in dem, was ich da ganz oben geschrieben habe.

Da bin ich mir hundertprozentig sicher!