Donnerstag, 25. Juni 2020

Dies und das (Teil 6449,8)

Huhu, Kinners, da bin ich wieder!

Okay, es ist sehr viel Zeit verstrichen seit meinem letzten Bericht und noch viel mehr passiert in den vergangenen Monaten.

In Deutschland.

Und auf der ganzen Welt. 

Der böse Chinese, namentlich Staatspräsident Li Jinping, dieser kalte Fisch mit dem falschen Lächeln, hat uns ein noch böseres Virus geschickt, nur um unsere Wirtschaft zu zerstören.

Wenigstens vorübergehend. 

Und hat es nicht auch geklappt?

Es gibt viele Menschen in Europa und den USA, die das glauben. Ich persönlich halte es für ganz schön weit hergeholt, zumal sich das Reich der Mitte dann ins eigene Fleisch geschnitten hätte. Grundsätzlich traue ich aber vielen Menschen und noch mehr Staatsoberhäuptern Schlimmstes zu – es geht schließlich um Macht und Geld –, doch in diesem Fall kann und will ich mir einen vorsätzlichen Sabotageakt kaum vorstellen.

Aus meiner Sicht hatte die so genannte Corona-Krise durchaus auch positive Folgen. Ich konnte zum Beispiel Ende März bei schönstem Wetter nach Norddeich fahren und den Ort hinsichtlich seiner Vogelwelt genauer unter die Lupe nehmen, ohne von Touristen über den Haufen gerannt und mit sinnfreien Fragen ("Was machen Sie da?") belästigt zu werden.

Diese beiden Elstern freuten sich auch sichtlich über den ausbleibenden Trubel:

these two Magpies enjoy the silence on a bench at Norddeich at the end of March. Usually the small coastal village is filled up with fucking masstourism at that time, but this year everything was completely different. The corona lock-down forced the people staying at home for weeks. Probably never before these birds did have the chance getting an overview on a calm day like this, because usually these benches on the dike are occupied by people from sunrise to sunset

Wohl zum allerersten Mal in ihrem Leben bot sich ihnen die Gelegenheit, sich auf eine der Bänke auf dem Deich zu stellen und die Aussich Richtung Juist und Norderney zu genießen. Denn normalerweise sitzen dort den ganzen Tag über Touristen, von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang!

Moin:

migrating Cormorants at the beginning of April

Am 6. April zog es mich schon wieder nach Norddeich.

Ich wusste natürlich, irgendwann würde man die ganzen weggesperrten Menschen wieder freilassen. Da wollte ich die Gelegenheit nutzen und noch ein weiteres Mal ein verschlafenes Norddeich erleben. 

Was ich an diesem Tag alles beobachten konnte, weiß ich jetzt nicht mehr so genau, aber immerhin schoss ich ein Bild von diesen nach Nordost ziehenden Kormoranen, die sich wahrscheinlich auch darüber wunderten, dass sich das sonst so überlaufene Kommerzkaff an diesem Tag wie eine von der Pest gebeutelte Geisterstadt (besser: Geisterdorf) präsentierte. 

Kinners, ich war auch jetzt noch nicht zufrieden.

Am 8. Mai fuhr ich doch tatsächlich noch ein drittes Mal nach Norddeich und im Anschluss daran nach Ostermarsch, wo ich neben einer kleinen Kleipütte einen Merlin entdeckte, der auf einem Busch stand und wohl nach leckeren Kleinvögeln spähte.

So sah er aus:

Merlin

Tja, und dann waren die paradiesischen Zeiten auch schon wieder vorbei.

Die ersten Lockerungen in Sachen Corona wurden von der Politik beschlossen und leider auch in die Tat umgesetzt, und nur wenig später geschah das, was man wohl erwarten konnte. Wie die Heuschrecken, nur viel lästiger und gruseliger, fielen die Touristen über Ostfriesland her! Noch nie in meinem Leben habe ich hier so viele Menschen gesehen wie in den letzten Wochen. Und ich habe hier schon viele Menschen gesehen. Die Leute waren lange weggesperrt und haben auch jetzt noch Angst, im Falle einer zweiten Covid-19-Welle erneut weggesperrt zu werden. Für viele von ihnen ist das der Grund, gleich für immer hier zu bleiben.

Doch dazu später mehr.

Zwölf Temminckstrandläufer auf einen Haufen:

these twelve Temminck's Stints were resting only for few minutes 

Am 10. Mai saß ich in meinem Corsilein (hat seit gestern wieder zwei Jahre TÜV!) und beobachtete das Vogelleben an der Kleientnahmestelle bei Manslagt.
 
Viel passierte zunächst nicht, doch dann tauchte plötzlich wie aus dem Nichts dieser Temminck-Trupp am Himmel auf. Er drehte mehrere Runden über den verbliebenen Wasserflächen und landete dann sogar. Aus großer Distanz schoss ich rasch ein paar Bilder, nur um den Vögeln wenige Minuten später nur noch hinterherschauen zu können. Sie waren offensichtlichtlich in Eile und zogen wie an einer unsichtbaren Schnur gezogen nach Nordost ab.

Am 4. Juni sah ich gleich mehrere Karmingimpel auf dem Rysumer Nacken. Und zum ersten Mal in meinem Leben begegnete mir endlich ein ausgefärbtes rotes Männchen, das bereits verpaart war und nur noch verhalten sang. Zu allem Überfluss fand ich einige hundert Meter weiter noch ein zweites Paar, das eifrig balzte! Hier war das Männchen allerdings ein graues.

Das folgende Foto zeigt das Weibchen des zweiten Paares:

female Common Rosefinch at Rysumer Nacken. Although this species had been reported from this area already since at least two or three decades, a brood has never been confirmed. This year I found two couples. Because this species becomes very secretive after mating, a breeding record is hard to prove

Der Karmingimpel wird auf dem Rysumer Nacken schon seit mindestens 30 Jahren immer mal wieder festgestellt.

Brutnachweise sind aber bis heute nicht erbracht worden. Immerhin sah ich im Juli des letzten Jahres ein warnendes Paar genau an der Stelle, wo sich nun also das rote Männchen samt Ehefrau niedergelassen haben. Vielleicht handelt es sich ja sogar um dieselben Individuen.

Das Problem ist, dass diese Art ab dem Moment der Verpaarung mehr oder weniger verstummt und dann eine sehr heimliche, wenigstens aber unauffällige Lebensweise führt. Vielleicht werde ich in diesem Sommer fündig werden und Jungvögel entdecken, doch bis dahin vergehen noch ein paar Wochen.

Am 11. Juni scannte dieser Neuntöter den Boden, während er auf dem Zaun des Gassco-Geländes stand:

Red-backed Shrike at Rysumer Nacken

Seit 2015, das war das Jahr mit dem ersten Brutnachweis für Emden, hat sich die Art dort nicht nur gehalten, nein, sie hat deutlich zugenommen.

Das liegt vor allem daran, dass sowohl im Wybelsumer Polder als auch auf dem Rysumer Nacken nicht oder kaum gedüngt wird und gleichzeitig die Verbuschung der Landschaft in beiden Gebieten über die Jahre zugenommen und aus der Sicht eines Neuntöters ein wohl optimales Ausmaß angenommen hat. Wie viele Paare heute insgesamt in Emden brüten, vermag ich nicht zu sagen. In diesem Jahr habe ich bislang vier Paare finden können, doch mit einigen weiteren ist durchaus zu rechnen, zumal ich bei meinen Exkursionen immer nur einen kleinen Teil der Gebiete abdecke und, ich will ehrlich sein, eigentlich immer dieselben.

Oh, ein seltener Gast:

three Rosy Starlings  (only one shown in this image) showed up among Common Starlings on 8th June on the dike near Pilsum

Am 8. Juni hielt ich mich am Deich südlich vom Diekskiel auf.

Ich gehöre zu den Menschen, die das Auftreten seltener Vogelarten in Deutschland recht genau verfolgen. Entsprechend blieb mir nicht verborgen, dass sich da in diesem Frühjahr ein überdurchschnittlicher Einflug des Rosenstars anbahnte.

Der erste Vogel wurde am 27. Mai bei Freiburg beobachtet. Es folgten viele weitere Feststellung vor allem im Süden der Republik, aber natürlich ging auch das kleine Helgoland im hohen Norden (wieder einmal) nicht leer aus. Oft handelte es sich bei den Begegnungen um Einzelvögel, doch vor allem in Bayern und Baden-Württemberg wurden zum Teil Trupps mit bis zu 15 Vögeln fotografiert!

Für Deutschland ist das schon eine richtige Hausnummer.

Ich ging also an diesem Abend den Deich entlang und sah in größerer Entfernung einen Trupp Stare im kurzen Gras nach Nahrung suchen. Mit dem bloßen Auge konnte ich nichts Ungewöhnliches erkennen, doch dann hob ich mein Fernglas an. Tausendmal habe ich schon Starenschwäme durchgemustert in der letzten Jahren. Tausendmal bin ich leer ausgegangen. Weder im Frühjahr noch im Herbsr, wenn die jungen Rosenstare vereinzelt bei uns auftreten, bin ich jemals fündig geworden.

In Gedanken aber hat es schon oft geklappt.

Wunschdenken halt.

Trotz der vielen Fehlschläge war da jetzt also wieder diese Hoffnung, den rosa Bock endlich umzustoßen. Ich schwenkte wie in Zeitlupe von rechts nach links. Und dann blieb mir fast das Herz stehen. Da stand doch tatsächlich ein prächtiger männlicher Rosenstar zwischen all den "normalen" Staren auf dem Deich! Ein weiterer lief den Bruchteil einer Sekunde später durchs Bild und dann zu allem Überfluss auch noch ein dritter!

Gleichzeitig bemerke ich eine Gruppe Fahrradfahrer, die sich mir und den Vögeln näherte. In atemberaubender Geschwindigkeit nahm ich meinen Rucksack von der Schulter und packte meine Kamera aus. Die ersten Bilder schoss ich bereits, als ich sie noch gar nicht komplett ausgerichtet hatte. Das sagt schon viel aus! Die Radfahrer waren jetzt so nah herangekommen, dass ein Teil der Vögel aufflog und über den Deich hinweg verschwand. Darunter befanden sich auch zwei der drei Rosenstare. Der verbliebene Vogel zeigte sich zunächst noch unbeeindruckt und blieb etwa zwei bis drei weitere Sekunden stehen, doch dann machte auch er sich aus dem Staub.

Es hat, mit sehr viel Glück, für zwei Belegaufnahmen dieses letzten Vogels gereicht. Ich fluchte absichtlich so laut, dass die Touris das auch mitbekamen, und stieg dann den Deich hinauf. Stare waren immer noch auf der anderen Seite zu sehen, doch jetzt war es nur noch ein sehr kleiner Trupp und einer, in dem sich kein seltener Gast mehr verbarg.

Es klingt blöd, aber so richtig genießen konnte ich den Auftritt der Rosenstare nicht. Ich hatte gar keine Zeit, sie genauer in Augenschein zu nehmen. Ich suchte noch eine ganz Weile die Gegend ab, doch von den seltenen Gästen war nichts mehr zu sehen. Ihr könnt euch vorstellen, wie froh ich darüber war, wenigstens ein Belegfoto gemacht zu haben. Denn ihr wisst: Eine Beobachtung ohne Belegaufnahme ist meiner Meinung nach völlig wertlos, zumal grundsätzlich jeder alles Mögliche behaupten kann.

Der Rosenstar brütet in den Kaukasusstaaten sowie vor allem in den Steppen Zentralasien. In manchen Jahren kommt es auch in Rumänien, noch seltener sogar in Ungarn zu Bruten. Ich selbst sah viele kleinere Trupps  1995 und 1996 in der Dobrogea. Alle Rosenstare zieht es nach der Brutzeit zum Überwintern nach Indien. Die Art gehört somit zu den wenigen in Deutschland auftretenden Zugvögeln, die auf diesem Subkontinent die kalte Jahreszeit verbringen. Auf den oben bereits vorgestellten Karmingimpel trifft das übrigens auch zu.


Jetzt die Preisfrage: Welcher Vollpfosten ist eigentlich seinerzeit auf die glorreiche Idee gekommen, die vielen Radwege aus dem ostfriesischen Boden zu stampfen? Ich meine, all diese Touristen fahren doch zu Hause auch nicht mit dem Rad. Wie kommen die also darauf, dass man ausgerechnet hier an der Küste unbedingt einen Drahtesel besteigen und völlig sinnlos durch die Gegend radeln muss? Quasi von einer Sehenswürdigkeit bis zur nächsten und wieder zurück.

Ich meine, es gibt doch auch Autos. Das Problem ist nämlich, dass diese wild gewordenen Horden jeden noch so entfernten Winkel jederzeit ganz bequem erreichen können. Orte, die man mit dem PKW oder zu Fuß niemals oder nur unter einem erheblichen energetischen Aufwand ansteuern könnte. Ich gehe zu Fuß, Auch lange Strecken. Ich parke Corsilein meist irgendwo am Deich und mache mich dann auf den Weg. Nicht selten lege ich dann zehn bis fünfzehn Kilometer zurück und erreiche so Orte, die die meisten Menschen niemals sehen würden, gäbe es doch diese verfickten Radwege nicht.

Es ist kaum mehr auszuhalten!

Meine logische Forderung: Schließt endlich alle Fahrradverleihe und entfernt die Radwege. Die Natur würde sich freuen.

Und ich auch!

So, Kinners, zum Abschluss gibt es nocht etwas Skurriles:


who did this?

Am 14. Juni hielt ich mich im NSG Leyhörn auf und suchte wieder mal nach Rosenstaren. Am Zaun stand eine Herde Rindviecher, die mich aus großen dunklen Augenpaaren anglotzte.

Stare und eben auch Rosenstare halten sich nämlich oft im Dunstkreis von Vieh auf. Mal sind es Rinder, mal Schafe, die jene Insekten aufscheuchen, die die Vögel dann erbeuten.

Alle Tiere dieser Herde waren mit roter Farbe markiert worden, doch nur der einzige Bulle zeigte zwei Hakenkreuze. Wer war verantworlich für diese Geschmacklosigkeit? Im Grunde gab es ja nur zwei Möglichkeiten: Entweder war es der Besitzer, der seine Vorliebe für die "guten alten Zeiten" nicht verschleiern konnte und wollte, oder aber ein Fremder hat sich im Schutze der Dunkelheit auf die Weide begeben und die arglosen Tiere besprüht.

Braunes Gedankengut ist auch in Ostfriesland weit verbreitet. Doch das bedeutet natürlich nicht, dass man so etwas auf sich beruhen lassen sollte. Also schickte ich dieses Bild noch am selben Tag an die Emder Zeitung, versehen mit der Bitte, der Sache auf den Grund zu gehen.

Auf eine Reaktion warte ich bis heute...