Donnerstag, 16. Juli 2020

Im Schatten des Pilsumer Leuchtturms

"Wladimir Putin ist ein lupenreiner Demokrat."

Dieser Spruch stammt natürlich nicht etwa von mir, Kinners, sondern, ihr werdet das bestimmt wissen, von unserem hemdsärmeligen "Hol-mir-mal-ne-Flasche-Bier"- Altkanzler.

Gerhard Schröder, das ist auch der Mann, dem wir das geile Emssperrwerk bei Gandersum zu verdanken haben, ist bekanntlich mit dem russischen Präsidenten per Du. Das war für mich immer ein Grund dafür, ihm in Sachen Putin nicht alles zu glauben. Ich meine, wer ist schon dazu in der Lage, sich absolut objektiv über den besten Kumpel zu äußern?

Jetzt weiß ich, Herr Schröder hat immer nur die Wahrheit gesagt.  

Denn Wladimir Wladimirowitsch Putin hat sich nun also tatsächlich die ewige Macht im Riesenreich gesichert. Dieser Mann ganz allein hat nämlich so viele gute Ideen und Verbesserungsvorschläge zu bieten, die hätte er in vier Amtszeiten gar nicht alle umsetzen, wahrscheinlich nicht einmal ansprechen können. Und das Volk hat ihm zuliebe sogar einer Veränderung der Verfassung zugestimmt, nur um in den Genuss all dieser bereits in Putins Hirn existierenden Veränderungen zu kommen. Wenn auch nicht ganz freiuwillig, denn abgestimmt wurde gleich über ein fettes Paket, das auch soziale Garantien wie etwa einen Mindestlohn beinhaltete. 

Der Köder war unwiderstehlich, der Fisch hängt längst am Haken.

Demokratischer könnte es doch wohl auch bei uns kaum zugehen, oder?


Der berühmteste und ganz bestimmt meistfotografierte Leuchtturm der Welt am ganz frühen Morgen:

Pilsum lighthouse still sleeping on early morning

Wenn man sich das Bild so ansieht, dann käme man nie auf die Idee, welche Szenen sich am und um den Leuchtturm herum im Tagesverlauf so abspielen.

Auf dem Foto sieht es doch so ruhig und idyllisch aus. 

Meist so ab neun Uhr beginnt das Spektakel, zunächst eher schleichend, dann rasch an Fahrt aufnehmend, um schließlich gegen Mittag seinen täglichen Höhepunkt zu erreichen. Zu dieser Tageszeit sollte man den Bereich um den Pilsumer Leuchtturm weiträumig meiden, wenigstens dann, wenn man nicht so auf Massenterrorismus steht. Erst am Abend kehrt an diesem Ort wieder die so wunderbare Ruhe ein, die es einem ermöglicht, mal so richtig durchzuatmen und den Kopf frei zu bekommen.

Doch leider kann man den Touristen nicht einmal einen Vorwurf machen. Ich meine, was sollten sie sich auch sonst im so furchtbar langweiligen Ostfriesland ansehen?

Vielleicht die geile Natur mit all ihren wunderbaren Bewohnern:

Barnacle Goose

Zwei Tage später dümpelte eine der beiden hier gezeigten Nonnengänse tot im Pilsumer Tief, die andere blieb verschollen.

Und das, obwohl beide Vögel einen quietschfidelen Eindruck auf mich erweckt und sich bereits seit Tagen im Gebiet aufgehalten hatten. Ich konnte den toten Vogel vom Ufer aus nicht erreichen und an Land ziehen, weshalb ich über die Todesursache nur spekulieren könnte. Aber das lass ich heute mal lieber bleiben. Vielleicht war es ja der gefürchtete Sekundentod oder so.

Auch die allgegenwärtige Graugans ist bei den ostfriesischen Lodenträgern nicht sehr beliebt:




Greylag Goose

Und weil die hier gezeigten Vögel den Menschen meist als Gefahr betrachten, machten sie synchron einen langen Hals, als ich aus dem winzigen Wäldchen am Deich ins Freie trat und meine Linse zückte.

Ein Fuchs hatte am Morgen fette Beute gemacht und einen Bisam überlistet:


Red Fox with his biggest haul (a Musk Rat)

Er lief nicht einfach nur so über die Kuhweide, nein, er machte regelrecht Luftsprünge!

Die Freude musste bei ihm grenzenlos sein, sahnt man als Rotfuchs wohl nicht an jedem Tag einen solchen Hauptpreis ab.

Die vielen Uferschnepfen, die man unscharf im Vordergrund erkennen kann, applaudierten erfreut – und hielten gleichzeitig die verfickten Corona-Abstandsregeln ein. Fast hatte ich den Eindruck, die langschnäbeligen Vögel hatten nicht nur an diesem Tag mehr Pfeffer im Schädel als so mancher Zweibeiner.

Noch ein Fuchs, vielleicht derselbe, aber an einem anderen Tag:


likely the same Fox on a different day

Und noch einmal ein Bild von einem dritten Tag:

likely the same specimen on a third day, attacked by Lapwing and Bar-tailed Godwit

Hasilein behielt mich trotz des dichten Bodennebels immer im Auge:


Hare

Ich habe tatsächlich schon einmal beobachten können, wie ein Fuchs versuchte, einen Hasen einzuholen.

Doch der legte nur den zweiten Gang ein, da war das Rennen auch schon entschieden. Nur ganz junge Hasen dürften dem Rotfuchs zum Opfer fallen. Und das ist auch gut so, denn die Natur hat sich etwas dabei gedacht. Und gedacht hat sie sich dabei, dass auch Füchse satt werden wollen. Ohnehin werden solche Verluste von den Hasen rasch ausgeglichen, bekommt jedes Weibchen doch zwei- bis viermal Nachwuchs im Jahr.

Warum aber in Deutschland alljährlich nach wie vor baffzigtausend fortpflanzungsfähige und gesunde Feldhasen abgeballert und so der Natur "entnommen" werden, obwohl das Langohr bei uns seit vielen Jahren auf der Roten Liste steht, werde ich in diesem Leben ganz bestimmt nicht mehr begreifen.

Gräser im Gegenlicht des fühen Morgens:

front light 

Ich hasse sie abgrundtief.

Wegen ihrer blöden Pollen und so weiter. Ich spare schon auf meinen ersten Rasenmäher. Wenn ich den dann habe, ziehe ich los und vernichte das ganze Scheißzeug. Das ist zumindest mein Plan.

Sonnenaufgang:

beautiful sunrise

Wunderschön, oder?

Noch schöner wäre es gewesen, wenn sich da ein Piepmatz auf den Pfosten gestellt hätte.

Doch Fehlanzeige:


So ist das halt.

Wenn man sie braucht, sind sie nie da, diese Scheißvögel.

Doch, seht hier:

Greylag Goose 

Und hier:

Redshank encounters Starling 

Das erste Bild zeigt Graugänse – und nicht etwa Gorillas – im Nebel, das zweite einen Wache schiebenden Rotschenkel und zwei Stare. 

Schon lange bevor ich all diese Bilder machte, nämlich exakt am 14. Mai 2020, hatte sich genau in diesem Gebiet ein ganz besonderer Gast gezeigt, über den ich an dieser Stelle liebend gerne und vor allem viel lieber berichtet hätte als über all diese Laiendarsteller.

Doch als ich diese Fotos im Juni schoss, wusste ich noch gar nichts vom spektakulären Auftritt.

Der Vogel, er war etwa starengroß und trug ein fast einheitlich schwarzes Gefieder, wurde nur von einem einzigen Fotografen gesehen (Glückwunsch noch einmal an dieser Stelle!) und etwa zwei Minuten lang mit der Kamera belegt. Dann hob der vermeintliche Exot mit dem hellgrauen, fast finkenähnlichen Schnabel nämlich ab und verschwand hinterm Deich.

Leider erfuhr ich erst einige Wochen später und ganz beiläufig von diesem exklusiven Biest, das meiner Meinung nach ein ausgezeichneter Kandidat wäre für den Titel des geilsten Vogels, der jemals in Ostfriesland festgestellt worden ist.

Und nein, ich übertreibe nicht.

Und ja, ich bin noch heute traumatisiert. Genau in diesem Augenblick kullert mir wieder eine Träne die Wange hinab, weil ich mich an besagtem Tag im Mai nur etwa vier Kilometer vom Beobachtungsort entfernt aufgehalten hatte und sofort alles stehen und liegen gelassen hätte, wenn man mich nur...

Egal, das bringt jetzt auch nichts mehr. 

Eigentlich ist die ganze Geschichte um den verpassten Vogel nicht ganz frei von Komik. Kinners, ich bin gar nicht mehr am Weinen. Heute kann ich längst schon wieder über diese einzigartige Posse schmunzeln. Und mal ehrlich: Es gibt doch wirklich Schlimmeres, als einen selten (besser: extrem selten) in Deutschland auftretenden Gastvogel zu verpassen. Ich bin so froh, dass es in unserer Republik noch so etwas wie echte Demokratie gibt. Denn wie wir alle wissen, ist das keine Selbstverständlichkeit.


Dieser süße Goldregenpfeifer ließ sich heute Morgen von Kiebitzen eskortieren:

Lapwing with Golden Plover

Er grüßte mich im Vorbeiflug mit einem wehmütigen Moin.

Ende.