Montag, 4. Januar 2021

Heidelerche (Teil 3)

Kinners, ich wünsche euch ein frohes neues Jahr und so weiter.

Der erste Beitrag des neuen Jahres ist, wie schon vor zwölf Monaten, einer über die wundersüße Heidelerche.

Ja, so ist das, bei den meisten Menschen gibt es an Weihnachten und Silvester Pute oder Hähnchen oder andere gebratene Grausamkeiten, bei mir gibt es eben lebendige Heidelerche.  

Das hat jetzt quasi schon Tradition. 

Es ist nämlich bereits der dritte Winter in Folge mit Heidelerchen auf einem bestimmten Acker auf dem Rysumer Nacken!

Die Erstankunft lag 2020 allerdings viel früher als in den Jahren davor. Schon am 29. November sah ich die fünf Heidelerchen das erste Mal. Zunächst hatte ich sie noch für Kälteflüchtlinge gehalten – die vorausgegangene Nacht war schließlich die erste und bis jetzt auch einzige mit "richtigem" Frost gewesen –, doch dann stellte ich fest, dass es sich wohl doch schon um den Winterbestand handeln musste. 

Der Star des Beitrages:


cute Woodlark – the third consecutive winter there is a flock of this species spending the cold time of the year on a certain field at so called Rysumer Nacken

Nur fünf?

Ja, Kinners, das war mein erster Gedanke. Denn erwartet hatte ich wieder mindestens zehn dieser Biester. Auf der anderen Seite sah ich die geringe Indivduenzahl auch als Chance, denn fünf Heidelerchen essen schließlich weniger als fünfzehn. 

Alles ging wieder von vorne los. In einem bestimmten Bereich des Ackers streute ich irgendwann Mitte Dezember wieder Mehlwürmer aus und kontrollierte an jedem Tag, ob sie noch da waren oder eben nicht. Erst nach einer Woche tat sich was, denn als ich ankam, standen die fünf Lerchen unweit des Futterplatzes teilnahmslos herum. 

Eine putzte sich, die anderen dösten. 

Natürlich flogen sie auf, als ich mich ihnen näherte, doch ich hatte keine Wahl, wollte ich doch wissen, ob ich schon wieder nachlegen musste. Wenige Mehlwürmer waren übrig geblieben, die meisten hatten in der Zwischenzeit den Verdauungstrakt der Heidelerchen passiert, wie die vielen weißen Kleckse auf dem dunklen Ackerboden belegten. 

Nachdem ich aufgefüllt hatte, machte ich mich auf den Weg. Erst nach zwei Stunden gab es die nächste Kontrolle. Und tatsächlich hatten sich die Vögel in der Zwischenzeit wieder am Futterplatz eingefunden. 

Alles richtig gemacht, so dachte ich. 

Abermals etwa eine Woche später stellte ich erstmalig mein Tarnzelt auf (links ist der Zaun vom Gassco-Gelände zu sehen)



my hide

Satte zwei weitere Tage dauerte es, bis sich die Vögel daran gewöhnt hatten und endlich wieder zur Proteinquelle zurückkehrten. 

Der erste Ansitz am gestrigen Sonntag war dann wieder einmal mächtig spannend! Man weiß ja schließlich nie, ob das, was man sich so ausgemalt hat, auch wirklich klappt. Eine Stunde vor Sonnenaufgang bezog ich mein Quartier und legte mich, eingepackt in meinen 30-jährigen ALDI-Schlafsack (kostete seinerzeit etwa 20 Mark, Qualität hat halt ihren Preis), auf meine löchrige Isomatte. 

Nur eine halbe Stunde später, viel früher, als ich es erwartet hatte, vernahm ich die ersten leisen Rufe, die schnell immer lauter wurden. Düdelidü und so weiter, ihr kennt das schon. Einen Augenblick später entdeckte ich die erste Heidelerche vor meinem Versteck. Natürlich war es noch viel zu dunkel für Bilder, aber ich genoss den Anblick der Vögel, die da nur wenige Meter vor mir herumhuschten und Mehlwürmer aßen, während sie sich gleichzeitig unablässig miteinander unterhielten (siehe unten).

Nachdem die Sonne endlich aufgegangen war, sehen konnte man sie wegen der dichten Wolken noch nicht, schoss ich ein erstes Foto mit einer sagenhaften Fünfzehntelsekunde:







first picture of the day taken with a very long shutter time (1/15th second)

Sieht noch ein bisschen verschlafen aus, der Piepmatz. 

Der erste Schuss ist immer der wichtigste und vor allem heikelste!

Schließlich kann man vorher nie wissen, wie die Vögel auf das Spiegelgeräusch reagieren. Die Heidelerche ist nämlich nicht nur sehr scheu, sie ist vor allem schreckhaft. Das war mir natürlich nicht neu, hatte ich meine Lehrstunden doch schon ein Jahr zuvor absolviert. Und tatsächlich: Kaum hatte ich den Auslöser gedrückt, flogen vier der Vögel auf und davon. Der fünfte, das ist der auf dem Foto, folgte den anderen nur einige Sekunden später.

Die Heidelerche ist außerhalb der Brutzeit ein sehr sozialer Vogel, der fast immer in kleinen Gruppen von fünf bis 15 Individuen auftritt. Der Zusammenhalt unter den Tieren ist sehr stark ausgeprägt. Ein einzelnes auffliegendes Individuum reißt im Normalfall alle anderen mit sich. Und ob man dann noch eine zweite Chance bekommt, steht nicht einmal in den Sternen. 

Düdelidü, die erste Heiderche näherte sich nach anderthalb Stunden wieder ganz zaghaft meinem Versteck. Sie wirkte jetzt sehr misstrauisch meinem Tarnzelt gegenüber. Noch zaghafter folgte der Rest. Puh, so dachte ich, Glück gehabt. Doch kaum hatte ich wieder den Auslöser gedrückt, hoben vier der fünf Vögel abermals blitzschnell ab. 

Manchmal hasse ich den Lärm, den meine blöde Kamera verursacht. Doch immerhin, der fünfte Vogel war diesmal stehengeblieben!

Und zwar dieser hier:



better light a few hours later

Das folgende Foto ist das einzige von einer anderen Heidelerche. 

Das ist das Bild, das ich gemacht hatte, kurz bevor die ganze Bande wieder verschwand, eben bis auf den einen Vogel:


second specimen 

Enspannt sieht sieht wirklich anders aus. 

Vor allem die Kopfzeichnung ist sehr individuell, aber natürlich nur auf den zweiten Blick. Schaut euch z. B. die Zeichnung der Wangen an und vergleicht sie mit jener der anderen Heidelerche. Kinners, da sind deutliche Unterschiede zu sehen. Darüber hinaus war dieser Vogel intensiver rostbraun gefärbt, was nicht etwa am Bild oder den Aufnahmebedingungen liegt oder so.

Der hübsche Stieglitz ist ein allwinterlicher Gast auf dem Rysumer Nacken. Zurzeit plündert er dort in Gruppen die Samenvorräte von Schwarzerle und vor allem Nachtkerze:


these three Goldfinches were eating evening-primrose seed, as they do every winter

Diese zwei Nilgänse hielten und halten das Gassco-Gelände für einen Abenteuerspielplatz:  



Egyptian Goose

Kurz zuvor hatte sich das Paar noch lautstark mit einem anderen gezofft und dieses auch erfolgreich aus seinem Revier vertrieben. 

Meine erste Nilgans sah ich vor etwa 40 Jahren in den Rieselfeldern Münster, ohne dem Vogel damals allzu viel Aufmerksamkeit zu schenken. Nie im Leben wäre ich auf die Idee gekommen, dass die Nilgans einmal flächendeckend in der ganzen Republik vorkommen würde. Der Siegeszug dieses anpassungsfähigen Vogels ist wohl einmalig. Und wenn ich ehrlich sein soll, er stört mich auch nicht, bringt stattdessen mit seinen komischen Rufen überall ein bisschen Leben in die Bude und mit seinem bunten Gefieder Farbe ins Spiel. Wenn es tatsächlich einen Schaden geben sollte, den die Nilgans als Neozoon anrichtet, dann ist es das stumpfe Besetzen von Greifvogelnestern. Vor allem, wenn es sich um die Horste des weltweit bedrohten Rotmilans handelt, komme selbst ich manchmal ins Grübeln. 

Der im letzten Bericht vorgestellte Taigazilpzalp hat sich auch gestern auf dem Gassco-Gelände blicken lassen. Das folgende Bild stammt aber vom Samstag, wenn ich mich nicht irre:


this Siberian Chiffchaff kept staying at Rysumer Nacken at least until yesterday

Laut meiner Recherche handelt es sich bei diesem Vogel um einen Erstnachweis für Kontinental-Ostfriesland. 

Nur eine weitere (glaubhafte) Feststellung liegt von Juist und somit von den Inseln vor. Das war im Jahr 2015. Keine schlechte Sache, oder? Das Brutgebiet dieser "traurigen" Unterart unseres Zilpzalpes erstreckt sich vom Ural im Westen bis nach Ostsibirien; die Winterquartiere befinden sich zwischen der Arabischen Halbinsel und Indien. Trotz seiner Verbreitung taucht der Taigazilpzalp alljährlich auch in Mittel- und Westeuropa auf. In Deutschland wird er vor allem auf Helgoland entdeckt (wo auch sonst), doch gibt es inzwischen auch recht viele Nachweise aus dem Binnenland. 

Was ist nur mit dem Winter los?

Ich meine, ich will ehrlich sein, mit verficktem Schnee und noch verfickterem Matsch kann ich wirklich nichts anfangen. Aber Raureif und dreimonatigen Dauerfrost fände ich schon sehr schön. 

Dass der Winter mal ganz anders ausgesehen hat, zeigen die folgenden Bilder:


fomer winters were so beutiful

Sieht aus wie Puderzucker auf Rosenblättern. 

Am selben Tag hatte ich schon am Morgen einen Bergpieper aufgenommen:


Water Pipit in December 2016




same

Ja, so sieht meine Wunschvorstellung von einem Winter aus.

Tatsächlich war der Winter 2016/2017, als diese Bilder entstanden, auch kein wirklich kalter. Aber immerhin gab es bereits Anfang Dezember eine fette Kältephase, die mir diese schönen Aufnahmen überhaupt erst ermöglichte.

Noch ein Bild vom Bergpieper:


same

Wer genau hinschaut, kann mein Tarnzelt erkennen, das sich im Auge des Vogels widerspiegelt.

Unter solchen Bedingungen würde ich auch gerne die Heidelerchileins knipsen.

Ob das jemals klappen wird?

Oh, ein Rotkehlchen, ebenfalls fotografiert am 4. Dezember 2016:


Robin

Und wie sieht es zurzeit aus?

So:



Great Tit

Das Foto zeigt eine sich putzende Kohlmeise

Zurück zu den Heidelerchen:


hide with Woodlark in front of it

Ihr seht, da fehlt etwas auf dem Acker.

Schon unmittelbar nach der Ernte des Mais im Oktober hatte ich eine Fläche von etwa zehn Quadratmetern von den blöden leichenblassen Stoppeln befreit. Die sind nämlich so unglaublich hell und kontrastieren vor allem bei Sonne zum dunklen Boden. Das Resultat: ganz schlimme Bilder mit einem sehr unruhigen Hintergrund. 

Ich zog die Teile also einzeln aus dem Erdreich und warf sie nach allen Richtungen. Und das, obwohl ich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht wissen konnte, ob und wann es wieder Heidelerchen geben würde. Ich hatte aber auch keine andere Wahl, denn ich wollte erreichen, dass die Spuren des Rausziehens bis zu einem möglichen Fototermin vom Regen beseitigt würden. 

Man nennt das vorausschauendes Verhalten, und es hat sehr gut geklappt, wie ich finde.

Als ich da am Sonntag-Morgen auf meiner Isomatte lag, musste ich immer wieder schmunzeln. 

Es ist so unglaublich lustig, wie sich diese kleinen Vögel permanent miteinander unterhalten. 

Das hört man aber nur aus einer sehr geringen Distanz. Nur selten scheinen Heidelerchen ganz stumm zu sein und das wahrscheinlich auch nur dann, wenn sie pennen. Obwohl, ich wette, die quatschen auch im Schlaf.

Nur fünf Indivduen sind es also in diesem Winter. 

Ich hoffe doch sehr, dass es sich hier nicht um einen Indikator für einen geringen Bruterfolg handelt. Immerhin kommt es bei der Heidelerche auf jedes Individuum an, nimmt ihr Bestand doch nahezu im gesamten Verbreitungsgebiet ab. Verantwortlich, ich muss das leider wieder schreiben, ist, wie eigentlich immer, ausschließlich der Mensch, der mit unbewirtschaftetem Ödland nichts anzufangen weiß und meint, wirklich jeden Quadratmeter verändern und nutzen zu müssen. 

Zum Schaden der Heidelerche und aller anderen anspruchsvollen Arten auf diesem Planeten.

Kinners, das ist sehr traurig!