Mittwoch, 12. Oktober 2022

Hänsel allein im Wald

Menschenrechte sind etwas Essenzielles!

Selbstverständlich sind sie aber nicht.

In vielen Ländern Europas hat man sie sich im Laufe von Jahrhunderten hart erkämpfen müssen.

Gegen den erbitterten Widerstand der Obrigkeit und der völlig überflüssigen Katholischen Kirche.

Umso mehr sollte man sie wertschätzen in einem Land wie unserem, denn auch wenn der Prozess der Optimierung in Sachen Menschenrechte noch nicht abgeschlossen ist – wahrscheinlich niemals abgeschlossen sein wird –, so geht es uns hier doch längst deutlich besser als den meisten Menschen in vielen anderen Staaten.  

Und deshalb finde ich es okay, wenn unsere Politiker auf eklatante Missstände zum Beispiel in Iran oder Russland hinweisen. Ich erwarte das sogar, wenn ich ehrlich bin. Und ich finde auch Sanktionen wie die gegen Russland in Ordnung und dass wir auf Putins Rohstoffe verzichten, auch wenn wir uns dabei ein bisschen ins eigene Fleisch schneiden.

Doch wie, zum verfickten Teufel, kann es dann sein, dass unser etwas blasser Bundeshäuptling dann ausgerechnet auf der Arabischen Halbinsel für Ersatz sorgen will und dort dem Killerprinzen (BLÖD-Sprech) lächelnd die Flosse reicht und ihm dann ganz flott bis zum Anschlag in den Arsch kriecht?

Da fehlen mir die Worte.

 

Am 1. September sah ich das hier:


Aspen on early morning

Ganz in der Nähe meiner Höhle stehen seit Urzeiten einige Zitterpappeln am Straßenrand.

Die Sonne war gerade aufgegangen, doch gleichzeitig war es wolkig, sodass für einen kurzen Augenblick ein furchtbar schönes Licht entstehen konnte. Kaum hatte ich meine Fotos geschossen, da wurde es auch schon wieder wieder zappenduster. Vielleicht sollte ich dieses malerische Foto mal einem (früher sehr bekannten) Gardinenhersteller aus Papenburg-Neuguinea (Ortsteil Aschendorf) zwecks Werbung zuschicken und auf diese Weise ein fettes Honorar einstreichen. 

Ihr wisst schon, wenn ihr älter seid, die Rotgold-Kante und so weiter.

Ja, wer bist denn du?


pretty Hedge Blindweed

In ihrer Überheblichkeit glauben viele Menschen fest daran, dass es Unkräuter gibt.

Das ist natürlich Blödsinn, doch wenn es sie wirklich gäbe, dann wäre die hübsche Zaunwinde wohl eines davon.

Sie ist sehr häufig und das vor allem auch deshalb, weil unsere Landschaft komplett überdüngt ist und sie zu den wenigen Pflanzen gehört, die das ganz toll finden. Dieses Bild machte ich am 5. September auf dem Zugangsweg zur "hinteren" Hütte in den Hauener Pütten. Ich blieb deshalb stehen, weil die große Blüte im Gegenlicht der Morgensonne sehr hübsch aussah und im richtigen Augenblick geradezu aufleuchtete. 

Und weil ich grundsätzlich ein Herz für alle Entrechteten und Verfolgten auf dieser Welt habe, schoss ich schnell ein paar Fotos. Wenig später tauchte auch schon die erste Hummel auf, um sich laut schlürfend ein leckeres Frühstück reinzuziehen. Und das wiederum zeigte (mir) sehr eindrucksvoll, dass andere Erdenbürger den Wert der Zaunwinde eher zu schätzen wissen als wir.

Wer versteckt sich hier hinter den Blättern der Sumpfschwertlilie?


a mystery: who is hiding behind the leaves?

Aufgelöst wird später.

Das gilt auch für diesen Libellen-Mann, der ein Lifer für mich war:


mystery Dragonfly – a lifer for me!

Auch hier gilt also: Auflösung folgt.

Und was ist eigentlich noch viel geiler als ein Marderhund?


what is actually more interesting than a single Raccoon Dog

Auch das verrate ich erst später.

 

Und los geht's!

Bereits am 16. August sah ich diese Wacholderdrossel auf dem Zaun des Leyhörn herumstehen:



an unusual early Fieldfare in August

Die Art brütet meines Wissens nach nicht in Ostfriesland und schon mal gar nicht in der Krummhörn.

Normalerweise tauchen Wacholderdrosseln hier erst im Oktober auf, massenweise dann ab Anfang November, je nach Witterung. Woher dieser ungewöhnlich frühe Vogel stammte, wird sich niemals klären lassen.

Am 9. August humpelte dieser Alpenstrandläufer auf einer Schlammfläche im Störtebekerkanal bei Neuwesteel herum:



this injured or sick Dunlin had been ringed before in Poland

Der Vogel war verletzt oder krank oder beides und konnte sich kaum auf den Beinen halten.

Um nicht umzufallen, musste er immer wieder die Flügel zum Ausbalancieren öffnen und mit ihnen schlagen, auf dem Foto gut zu sehen. Dass er einen codierten Farbring (eigentlich eine Flagge) trug, kann man ebenfalls auf dem Bild erkennen. Meine Recherche ergab, dass dieser Alpenstrandläufer in Polen beringt worden war, doch wo und wann genau, weiß ich bis heute nicht, denn nachdem ich die Daten auf einer bestimmten Webseite eingegeben hatte, spuckte diese nicht etwa einen Lebenslauf für mich aus, wie ich es mir erhofft hatte – nein, es geschah nichts. Und es hat sich auch nie jemand bei mir gemeldet. 

Bei einer späteren Kontrolle konnte ich den armen Vogel leider nicht mehr auffinden. Ob das jetzt ein gutes oder schlechtes Zeichen war?

Für mich war das übrigens erst der zweite beringte Alpenstrandläufer überhaupt! Und wie dieser Vogel hier stammte auch der erste aus Polen.

Ein Großer Brachvogel trank ebenfalls am 9. August bei großer Hitze aus dem Störtebekerkanal:


thirsty Curlew

Dass das Wasser dort brackig ist, schien ihn nicht zu stören. 

Die Schlammbank ist übrigens dieselbe, auf der der oben gezeigte Alpi zuvor nach Nahrung gesucht hatte.

Eine Raubseeschwalbe patrouillierte am 2. August den Störtebekerkanal entlang: 



Caspian Tern

Immer wieder auf und ab, allerdings weiter entfernt, als es mir lieb war. 

Und obwohl sie gleich mehrere Male über dem Wasser rüttelte, fing sie keinen Fisch.

Ein Hauch von Florida:


Spoonbills and Great Egrets – looks like Florida, but is called Hauener Pütten

Wenn mir jemand vor 40 Jahren gesagt hätte, dass es mal Löffler und Silberreiher in großer Zahl in unserer Republik geben würde, ich hätte ihm einen Vogel gezeigt.

Was für eine Entwicklung!

Der Star des Bildes sind aber nicht die großen weißen Vögel mit den langen Beinen und den langen Schnäbeln, sondern die hübsch von der Morgensonne vergoldeten Blätter im Vordergrund.

An einem anderen Tag und aus einer anderen Perspektive sowie so ganz ohne Sonnenlicht fotografiert:


same

Silberreiher:


Great Egret has become a common or even abundant bird in Germany within the last 30 years, but does not breed yet (few exceptions only)

Vier auf einem Bild:

same  

Da möchte man weder Fisch noch Frosch sein:  



life as a fish is not easy

Diesen Augen entgeht wirklich nichts:


same

Platz da!



same

Ganz früh am Morgen:


same, but now with a small bird in da background

Ja, wer paddelt denn da so niedlich im Hintergrund herum?

Kann man das essen?

Ich versuch's und pirsch mich mal an, dachte der Silberreiher:


a juvenile Red-necked Phalarope

Ein Odinshühnchen:


same

Die kleine Limikole war natürlich nicht blöd und machte sich rechtzeitig davon. 

Löffler bei Sonne:


Eurasian Spoonbill

Und Löffler (und nicht etwa Gorillas) im Nebel:


same

Das unerträgliche ewige Fiepen der bettelnden Jungvögel (siehe vorletzten Bericht) ist inzwischen nahezu verstummt, haben sich doch die meisten Löffler bereits auf den Weg nach Südwest begeben.

Zur Erinnerung:



Nervensäge

Und mit Graugans:


same

Eine heimliche Tüpfelralle zeigte sich am 9. September am ganz frühen Morgen am Schilfrand:


Spotted Crake

Sie flitzte auch schon mal so richtig los, ging dann wieder für eine Weile ganz bedächtig, nur am dann wieder abzugehen wie eine Rakete. 

Schließlich flog sie flach übers Wasser einen Bereich an, den ich von meinem überdachten Sitzplatz aus nicht einsehen konnte. 

All diese Bilder habe ich geschossen, während ich in der hinteren Hütte saß. Von dort aus sieht die vordere Hütte, also die an der Straße, so aus:


one of two hides at Hauener Pütten

Ein Kormoran:


Great Cormorant

Erwischt:


as so many other species of insect or spider European Paper Wasp has conquered the whole country within few decades

Diese Wespe kommt nicht zu euch an den Kaffeetisch!

Und diese Wespe kann zwar stechen, tut es aber nicht.

Es handelt sich hier um eine völlig harmlose Hausfeldwespe, um eine Art also, die sich, wie so viele andere Insektenarten zuvor und danach, sehr rasch von Süd nach Nord ausgebreitet hat. Wie lange es sie schon in Ostfriesland gibt? 

Keine Ahnung. 

Fakt ist, die Hausfeldwespe ist hier längst sehr häufig.

Dieses Individuum hatte die Nacht vom 14. auf den 15. August zwischen der Plexiglasscheibe und der eigentlichen Schautafel nahe der hinteren Beobachtungshütte verbracht:


same specimen

Ich bremse auch für Schmetterlingskinder:


Elephant Hawk Moth's caterpillar

Diese Raupe des Mittleren Weinschwärmers flitzte am 30. August über die Straße in den Hauener Pütten, sodass ich wegen ihr heftig in die Eisen gehen musste. 

Ich stieg aus, schimpfte mit ihr und trug sie dann auf die von ihr zuvor angepeilte Seite. Es war erst das dritte Mal, dass ich die Raupe dieses Schwärmers zu Gesicht bekommen habe, den Falter selbst, der sehr schön gefärbt und gezeichnet ist, habe ich bis heute nicht ein einziges Mal beobachten können, obwohl er sehr häufig sein soll. Das liegt aber nur daran, dass er wie fast alle Schwärmer ausschließlich nachtaktiv ist, und nachts laufe ich nur ausnahmsweise durchs Outback (manchmal aber doch, siehe unten).

In den Hauener Pütten dürfte es vor allem oder ausschließlich das Zottige Weidenröschen sein, das den Weinschwärmer-Raupen als Nahrung dient.

Rauchschwalben auf dem Zaun:



Barn Swallow

Und eine Mehlschwalbe ist auch zu sehen:


and a single House Martin

Und wieder zurück zum Störtebekerkanal:


Common Sandpiper

Dort knipste ich am 30. Juli einen Flussuferläufer:


with Buttonweed, which is actually native to South Africa

Die gelben Blüten sind die der eigentlich aus Südafrika stammenden Krähenfuß-Laugenblume.

Den Namen dieser Pflanze las ich zum ersten Mal vor ganz, ganz vielen Jahren in einer Ausgabe der Beiträge zur Vogel- und Insektenwelt Ostfrieslands, seinerzeit herausgegeben von Klaus Rettig.  

Klaus Rettig ist leider inzwischen verstorben, doch nach wie vor muss ich ein ums andere Mal an ihn und vor allem an eine der wenigen Begegnungen mit ihm denken. Damals, auf dem Rysumer Nacken, wo wir gemeinsam nach dem Postillon fahndeten, den ich dort nur einen Tag zuvor entdeckt hatte und Klaus nun zeigen wollte. Und es hat geklappt, denn gleich mehrere Männchen flatterten dicht und rastlos über den Beständen des Hornklees herum, wollten sich aber partout nicht hinstellen. 

Auch in diesem Jahr begegnete ich dem Wandergelbling, so der Zweitname des Postillons, an diesem Ort, allerdings sah ich nur einmal ein einzelnes Männchen. Eine einsame Goldene Acht wiederum fand ich am 5. September auf dem Deich am Störtebekerkanal. Leider war es sehr windig an diesem Tag und das Licht eher mau, sodass es nur für ein leicht unscharfes Belegfoto gereicht hat.

Man kann die Schönheit des Falters aber erahnen:



Pale Clouded Yellow – the only one for me this year

Oh, ein Merlin:


this hungry Merlin was looking for small birds

Der kleine Falke verlor sich irgendwann im September geradezu in der weiten und offenen Landschaft.

Entdeckt habe ich ihn trotzdem.

"Da steht ein Vogel auf deinem Rücken!" sagte das eine Deichschaf zum anderen Deichschaf:



Yellow Wagtail

"Das ist eine Schaaaafstelze, du Hohlbunke", war die knappe Antwort.

Das war am 13. August.

Der Herbst 2022 wird mir in Erinnerung bleiben, weil ich gaaaanz viele junge Steppenweihen gesehen habe im Deichvorland der Krummhörn. Und ich habe deshalb so viele Steppenweihen beobachten können, weil es einen Einflug nach Deutschland und hier vor allem in den Nordseeraum gegeben hat.

Am 22. September waren es sogar gleich drei Vögel zusammen, die ich auch alle auf ein Bild bekommen konnte. Dieses Foto ist aber noch schlechter als all die anderen, die mir "gelangen". Immerhin habe ich es auf Ornitho hochgeladen, um meine geile Feststellung unwiderlegbar zu untermauern.

Hier zwei der drei Vögel beim auch bei der Sumpfohreule so beliebten Krallenhakeln:



these two of in total three young Pallid Harriers that day were playing just for fun

Leider waren die Biester immer sehr weit weg, an wirklich tolle Aufnahmen war also nicht zu denken.

Ein einzelnes Individuum vom 25. September:


one of the tree birds or a new specimen three days later

Derselbe Vogel:


same

Insgesamt habe ich bis heute mindestens zehn Steppenweihen im Deichvorland beobachten können, doch wie viele Individuen es waren, kann ich nicht schreiben. 

Mindestens sind es sechs verschiedene Vögel gewesen, vielleicht aber auch deutlich mehr. Und dass es sechs Individuern gewesen sein müssen, weiß ich nur, weil ich sie alle fotografiert und am Rechner auf Herz und Nieren und individuelle Kennzeichen überprüft habe. Aus demselben Grund ist mir erst zu Hause aufgefallen, dass ich bei Pilsum ein vorjähriges Weibchen fotografiert hatte, welches ich noch im Feld aufgrund der riesigen Distanz für einen Jungvogel gehalten hatte. 

Ihr seht, Belegfotos sind einfach nur wichtig!

Bereits fünf Tage zuvor hatte ich an der Wasserkante bei Pilsum ein ebenfalls junges Thorshühnchen gefunden:


young Grey Phalarope

Und kaum hatte ich es entdeckt, da zog es auch schon komplett zu.

Es folgte ein heftiger Schauer bei ausgeschaltetem Licht:


same, but now without sunlight

Hinlegen konnte ich mich an diesem Ort leider auch nicht:


same


same

Wie im Falle der Steppenweihe war wohl auch die Zahl der in Deutschland beobachteten Thorshühnchen in diesem Herbst überdurchschnittlich hoch.

Corsileins Schatten ist immer genauso schnell wie Corsilein selbst:


Corsilein's shadow always tries to pass Corsilein

Das ist ein Naturgesetz!

Austernfischer im Watt beim Leyhörn:


Oystercatcher

Das hübsche Auge des Gewöhnlichen Deichschafs in perfektem Licht:


Deichschaf's eye

Ich sag's euch, man fühlt sich an der Wasserkante immer beobachtet!

Am 26. September sah ich den für mich bislang einzigen Gelbbrauen-Laubsänger dieses Herbstes am Diekskiel:


my first Yellow-browed Warbler this fall

Gleich zu Beginn rief der kleine Piepmatz satte 26mal hintereinander, danach stundenlang überhaupt nicht mehr. 

Ich verlor ihn deshalb auch rasch aus den Augen.

Dieses Foto habe ich am Tag der Entdeckung auch auf Ornitho hochgeladen, und daraufhin schrieb mir jemand aus Ostfriesland, auf dem Bild sei gar kein Vogel zu sehen. Warum ich denn so ein Foto überhaupt hochgeladen hätte und so weiter.  

Jetzt wundert mich wirklich gar nichts mehr.

Morgennebel über der Leybucht:



nice overview on early morning

Zwei rastende Steinschmätzer ebenda:


Northern Wheatear on migration

Deichschafe, ebenfalls in der Leybucht:


same, but with Deichschaf

Darf ich vorstellen, der dazugehörige Aufpasser:


Common Kestrel kept two eyes on sheep, because the true sheep keeper was absent

Am 8. September entdeckte ich zwischen den am Deich herumtollenden diesjährigen Turmfalken einen jungen Rotfußfalken



this young Red-footed Falcon showed up on 8 September

Dieser Vogel missachtete die Gastfreunschaft der Verwandtschaft und jagte den Turmfalken die von ihnen selbst erbeuteten Mäuse ab, wie es für den Rotfußfalken und auch für die oben erwähnte Steppenweihe bekannt ist. 

Ich als Turmfalke würde mir das nicht gefallen lassen. Ich meine, ich wäre doch dann ein ganzes Stück größer.

Drei Tage später hatte sich der Rotfußfalken-Bestand des Gebietes wie von Zauberhand verdoppelt:



three days later there were two specimens (Kestrel in da foreground)

Der größere Vogel im Vordergrund ist wieder ein junger Turmfalke. 

Ich kam zu Fuß recht nah heran, doch so zahm wie ein anderer junger Rotfußfalke, der in den Niederlanden gleich eine gute Woche blieb, ganze Fotografengruppen komplett ignorierte und sie bis auf zwei Meter herankommen ließ, ohne sein natürliches Verhalten abzulegen, waren diese beiden Bengels leider nicht.

Und das Licht war auch nicht so geil wie erhofft; es war halt schon spät am Morgen, und die Sonne war viel zu grell:


same

Nach diesem Shooting geschah das Unfassbare!

Bei weiteren Bildern von wem auch immer am Nachmittag desselben Tages bemerkte ich am unteren linken Bildrand immer dieselbe Verdunklung auf jedem geschossenen Foto. Wenn ich durch den Sucher blickte, sah aber alles ganz normal aus. Also musste sich da etwas hinter dem Spiegel befinden, was da nicht hingehörte.

Ich traute mich kaum, ihn anzuheben, doch huaaah, ganz vorsichtig klappte ich ihn hoch. 

Was ich dann sah, ließ das Blut in meinen Adern gefrieren. Echt jetzt, ey! Der ohnehin schon aus vielen Lamellen bestehende Verschluss musste beim letzten Schuss explodiert sein. Alles stand kreuz und quer wie die Haare bei einem Fellmikrofon im heftigsten Sturm, da war nichts mehr zu retten, das erkannte ich natürlich sofort. Zu Hause rief ich schnell Ebay auf und fand eine 50D für nur 90 Euro. Der Zustand wurde mit topp angegeben (was nicht immer was heißen muss). Und ich konnte sie mir am nächsten Tag selber abholen, was mir die Möglichkeit eines Tests gleich vor Ort verschaffte. 

Der kann nämlich nie schaden!

Doch bis zu diesem Nachmittag würde ich sozusagen kameralos sein. Ein Albtraum, der mir mächtig Angst einjagte, denn es war ja immerhin möglich, dass ich einen Heckensänger finde. Herald Ihnen aus Freepsum, das wusste ich, besaß eine 50D. Aber nur als Ersatz, auch das wusste ich, denn er war schon vor langer Zeit auf einen anderen Kamerahersteller, dessen Namen ich nicht schreiben mag, umgestiegen. Ich rief ihn an, und er sagte sofort zu und lieferte mir die Kamera sogar direkt in die Hauener Pütten, wo ich mich gerade befand!

Ich kann vorwegnehmen, dass ich sie nicht einsetzen musste. Trotzdem geht mein Dank natürlich raus an Herald für diese freundliche Geste!

Am kommenden Tag machte ich mich also auf den Weg. 

In Oldenburg fädelte ich ein in die BAB 29. Ich passierte Wardenburg und dann die Ahlhorner Fischteiche, um schließlich die Hansalinie (BAB 1) zu erreichen. Dort stand ich auf der Stelle im Stau! Gefangen. Kein Ausweg. Nur knappe 30 Kilometer waren es bis Holdorf, meinem Zielort an diesem Tag, doch für diese Strecke benötigte ich am Ende zweieinhalb Stunden! Immerhin sah ich, während ich im Stau stand, einen Baumfalken durch die Luft fliegen. Und wenig später hatte ich auch schon die richtige Ausfahrt erreicht. 

Der Verkäufer und seine Frau waren sehr sympathische Menschen! An seinem Laptop konnte er mir zeigen, dass die Kamera trotz ihrer vielen Lebensjahre erst 14.000 Auslösungen absolviert hatte; sie war und sah aus wie neu! Bei einem Glas Mineralwasser zog ich rasch meinen Test durch und dauerfeuerte einfach drauflos. Keine Fehlermeldung, nur scharfe Bilder. Und als ich endlich fertig war, dachte ich so spaßeshalber: Die 50D ist tot, es lebe die 50D!

90 Euro wechselten ihren Besitzer. Billiger kann man keine großartigen Bilder schießen. Und so verabschiedete ich mich und fuhr über eine Nebenstrecke wieder Richtung Oldenburg. Erst bei Dinklage traute ich mich auf die Autobahn, und eine halbe Stunde später hatte ich mein zweites Tagesziel, das sich erst auf dem Weg Richtung Holdorf in meinem Hirn festgebissen hatte, bereits erreicht.

Dort sah es so aus:




Ahlhorner Fischteiche

Ja, auf dem Hinweg hatte ich die Ausfahrt Ahlhorn gesehen.

Dann kann ich ja mal die Fischteiche besuchen, so dachte ich. Und vielleicht die geile Libelle finden und knipsen, von der ich schon so oft gehört hatte.

Kaum war ich ausgestiegen, der Parkplatz dort hieß und heißt wirklich am Karpfen, da schwirrte auch schon ein Taubenschwänzchen an mir vorüber. Das geht ja gut los, so dachte ich. Ich schulterte meinen Rucksack und machte mich auf den Weg. Wenn mir zu diesem Zeitpunkt jemand gesagt hätte, dass ich erst um ein Uhr wieder am Wagen sein würde, also quasi mitten in der Nacht, ich hätte ihm, zum zweiten Mal in diesem Beitrag, einen Vogel gezeigt, denn als ich losging, war es gerade mal fünf Uhr.

Nach einigen Kilometern erreichte ich ein kleines Pumpenhaus, in dem Wasser aus einem der vielen Teiche heraus- und dann in einen Graben hineingepumpt wurde. Ein Eisvogel, einer von vielen im Gebiet, schoss laut pfeifend davon. Wenig später passierte ich einen in den Weg hineinragenden Brombeerzweig, dem ich geschickt auswich. Ich war schon vorbei, als mein Hirn plötzlich ganz laut zu bimmeln begann. Und so kehrte ich wieder um. Da war nämlich eine hellgrüne Halbkugel auf dem Zweig zu sehen gewesen, nur so unterbewusst, doch mir war sofort klar, um wen es sich handeln musste.

Und ich hatte mich nicht getäuscht, doch weil mir das Licht nicht gefiel, verzichtete ich zunächst auf Bilder und ging einfach weiter. Ich wusste, ich würde bei gezielter Suche weitere Halbkugeln finden, denn wo eine ist, da sollten viele sein. Später sah ich noch einen Rotmilan und dann auch noch einen Fischadler, der über einem der Teiche rüttelte. 

Mehr nicht.

Die Ahlhorner Fischteiche sind ein wirklich schönes Gebiet! 

Noch schöner könnten sie sein, wenn sie zehn- oder hundertmal größer wären. Vor allem der alte Baumbestand mit den vielen Stieleichen konnte mich rasch für sich gewinnen. Leider gab es aber auch viele Bäume, die eigentlich auf einem anderen Kontinent zu Hause wären, Robinien und vor allem Roteichen, doch diese Sünden der Forstwirtschaft vor allem des 19. Jahrhunderts ignorierte ich einfach, obwohl auch diese Fremdlinge schon allein wegen ihrer Größe wirklich beeindruckend waren. 

Ich lief weiter und immer weiter. 

Und irgendwann wurde es dunkel, doch weil ich weder Hunger noch Durst verspürte, kam es mir nicht in den Sinn, auch nur eine kleine Pause einzulegen oder gar zum Auto zurückzukehren. Irgendwann war es sogar so dunkel, dass ich die Schrift auf den zahlreichen Wegweisern nicht mehr lesen konnte, und schließlich sah ich nicht einmal mehr die Wegweiser selbst. Immerhin war der Mond fast voll und deshalb gelang es mir, die Spur zu halten. Ich kam an einem von irgendwem abgestellten polnischen Reisebus vorbei, lief dann auf eine Wegegabelung zu, wo ich rechts abbog. 

Wenn man eine Strecke geht, die man nicht kennt, dann entsteht während des Gehens eine Karte im Hirn, die hinten und vorne nicht stimmt, zumindest nicht stimmen muss. So richtig kriegt man die ganzen Biegungen des Weges nämlich gar nicht mit, und wenn man sich selbst aus der Vogelperspektive beim Umherirren zusähe, dann bekäme man wohl einen Lachanfall. Mein geiles Handy, das auch meine einzige Taschenlampe ist, hatte ich im Wagen zurückgelassen. Ich meine, ich hatte ja nicht ahnen können, dass ich so furchtbar lange unterwegs sein würde. 

Und so lief ich einfach immer weiter. 

Das Geschrei vieler Jugendlicher erklang in der Ferne, und über einen der großen Teiche (es war der so genannte Kirchteich) hinweg sah ich ein Gebäude (das so genannte Blockhaus, wie ich zu Hause herausfand), dessen Garten hell erleuchtet war. Anscheinend fand dort eine Party statt. Warm war es. Und ich gebe zu, ich schwitzte wie Sau. Es war aber kein Angstschweiß, Kinners, das will ich jetzt mal betonen. Ich ging nun einen langen geraden Weg entlang, wieder am Rande eines großen, jetzt aber anderen Teiches (das war der so genante Schwanensee). Gleich dreimal hintereinander stieß ich mit den in den Weg hineinragenden Blütenständen des Schilfs zusammen. 

Und zum ersten Mal fragte ich mich zaghaft, wo ich eigentlich war.

Nach etwa einer Stunde entdeckte ich einen Reisebus. Es war derselbe polnische Reisebus, den ich schon gesehen hatte, ich hatte mir nämlich das Kennzeichen gemerkt. Ein alter Pfadfindertrick, den ich kannte, obwohl ich nie ein Pfadfinder gewesen bin. Irgendwann waren da wieder drei aufeinanderfolgende Kollisionen mit Schilf-Blütenständen. Ich wusste also nun, ich ging tatsächlich im Kreis. Geahnt hatte ich es schon länger. Warum das so war, wusste ich allerdings nicht, denn die verfickte Karte in meinem Kopf hatte mir doch den Weg gezeigt. 

War sie etwa ein linker Vogel, der mich nur verarscht hatte.  

Als ich den Bus zum dritten Mal erkannte, musste ich lachen. Und an der Gabelung nur ein paar Meter weiter ging ich wie zum Trotz wieder rechts. Etwa 500 Meter weiter waren da plötzlich wieder viele Lichter, doch die Partygeräusche waren schon seit einer Stunde verstummt. Jetzt waren es auch keine bunten Glühbirnen, die man girlandenmäßig zwischen die Bäume gehängt hatte, sondern Leuchtkäfer, das erkannte ich sofort, obwohl es erst das zweite Mal in meinem Leben überhaupt war, dass ich Leuchtkäfer in Deutschland sah. Ich ging in die Hocke, um sie mir anzusehen, doch ohne Taschenlampe hatte das keinen Sinn. 

Also setzte ich meinen Weg durch das Gebiet einfach fort, bis ich – ihr ahnt es bestimmt schon – wieder dreimal hintereinander auf einer langen Geraden mit Schilfblütenständen zusammenstieß. Der Bus, es war ein polnischer, der da auf einem Parkplatz stand, war jetzt keine große Überraschung mehr für mich. 

Kinners, es ging an der Gabelung für mich wieder rechts ab. Ich war fest davon überzeugt, dass es eine zweite Gabelung geben musste, die ich immer übersehen hatte. Ich meine, die Karte in meinem Hirn konnte doch nicht lügen. So gemein sind Karten grundsätzlich nicht, und das gilt auch für jene, die man sich in seiner Überheblichkeit selbst zusammengeschustert hat. Mein Orientierungssinn hatte mich doch noch nie auf die Schippe genommen, nicht einmal bei völliger Finsternis. Und da waren sie auch schon wieder, die vielen kalten Lichter am Boden. 

Abermals war ich fasziniert. 

Und ich blieb wieder stehen, nahm jetzt aber meinen Rucksack von den Schultern und machte endlich die Probe aufs Exempel. Ich griff ins richtige Fach und fand – mein Handy! Ich hatte es gar nicht im Wagen liegen gelassen, ich Idiot. Jetzt kannte ich zwar den Weg zurück zum Karpfen noch immer nicht, aber ich hatte nun die Möglichkeit, die Leuchtkäfer zu bestaunen. Doch die knipsten jetzt einer nach dem anderen ihr Lämpchen aus. 

Was für eine Nacht, so dachte ich, während ich wartete. 

Was für eine verfickt seltsame Nacht!

Auf eine oder zwei Stunden mehr kam es jetzt wirklich nicht mehr an. In großer Entfernung sang ein Waldkauz. Ich musste an einen Edgar-Wallace-Schwarzweiß-Streifen denken oder an einen anderen Krimi aus dem letzten Jahrtausend. Und während ich dachte, schalteten die Käfer ihre Funzeln auch schon wieder ein und leuchteten jetzt um die Wette! Wieder ging ich in die Hocke, ganz langsam, um die Tiere nicht zu verschrecken, und legte dann das vor meiner Brust nervig herumbaumelnde Fernglas auf den Boden, das bei völliger Dunkelheit ohnehin seine Daseinsberechtigung längst verloren hatte. Geschickt fing ich einen Leuchtkäfer und packte ihn in meinen Mehlwurm-Becher, der glücklicherweise leer war. Ich wollte das Tier am kommenden Morgen fotografieren, weil ich Blitzfotos nicht mag, und dann wieder an Ort und Stelle freilassen.

Dass ich nach wie vor nicht wusste, wo mein Auto war, und dass inzwischen die drölfte Stunde geschlagen hatte, war mir zwar bewusst, aber irgendwie auch egal. Irgendwann schleicht sich da so eine Gleichgültigkeit ein, die einem das Überleben leichter macht. Ich setzte meinen nächtlichen Spaziergang, der ja zunächst nur ein nachmittaglicher Spaziergang gewesen war, einfach fort. Selbst der Waldkauz schläft zu diesem Zeitpunkt bestimmt schon tief und fest, so dachte ich, weil ich viel Zeit zum Denken hatte. Ein bisschen Neid keimte in mir auf, bis mir irgendwann auffiel, dass mir mein Fernglas nicht mehr rhythmisch gegen die Brust schlug. 

Das gibt's doch nicht, so dachte ich, was ist denn bloß heute los mit mir? Auf dem Absatz machte ich kehrt, um es zu suchen. Ich fand es aber nicht, obwohl ich doch jetzt eine Taschenlampe hatte und den ganzen Wegesrand ableuchtete. Ich gab auf, ich war fertig. Also setzte ich einfach ein weiteres Mal zum Rückweg an, wohin er mich auch immer führen mochte. Dreimal hintereinander touchierten mich wieder die mir inzwischen so vertrauten Schilfblüten – im Vorbeigehen bot ich ihnen das Du an –, und dann war da wieder der Bus, dessen Scheiben nun von außen beschlagen waren.

An der Wegegabelung, die ich nur wenige Minuten später erreichte, bog ich wieder ab – und zwar nach links!

Irgendwann war da dieses Hinweisschild mit der Aufschrift am Karpfen 600 Meter. Ich konnte es nicht fassen, ich war kurz vor meinem Ziel! Und tatsächlich war es jetzt kein Kunststück mehr, den Parkplatz zu finden. Weil ich aber mein Fernglas irgendwo im Outback zurückgelassen hatte, hatte zurücklassen müssen, blieb mir jetzt keine andere Wahl, als die Nacht im Auto zu verbringen, obwohl ich zuvor eigentlich vorgehabt hatte, nach Hause zu fahren. Es war ein Uhr, als ich völlig fertig in meinen Schlafsack kroch. 

Ich schlief sehr schlecht.

Mein armes Fernglas lag ganz allein in der Dunkelheit neben einem Waldweg auf dem kalten Boden. Die Wahrscheinlichkeit, dass es im Laufe der Nacht jemand dort finden und mitnehmen würde, war aber verschwindend gering, das wusste ich, und dieser Gedanke gab mir die Sicherheit, die ich benötigte, um endlich einschlafen zu können. Ich nehme vorweg, dass ich es am folgenden Sonntagmorgen tatsächlich wiederfand, kaum dass die Dämmerung eingesetzt hatte. Ich war der glücklichste Mensch auf der Erde, wenigstens aber der glücklichste Mensch in den Ahlhorner Fischteichen, die ich wirklich nur mit ganz viel Glück überlebt hatte.

Und so sah der Leuchtkäfer aus:


Common Glow Worm larva

Ich hielt ihn für ein Weibchen, weil er keine Flügel besaß.

Doch zu Hause fand ich schnell heraus, dass es sich hier "nur" um eine Larve handelte, und zwar um jene des Großen Leuchtkäfers.

Laut Literatur entsenden bei dieser Art nur die adulten und flugunfähigen Weibchen Lichtsignale in die Nacht, sodass die fliegenden Männchen sie am Boden oder in Bodennähe finden können. Tatsächlich können aber auch die Männchen und sogar die Larven leuchten. Angeblich tun sie das, wenn sie Angst haben und ihnen Gefahr droht, also um einen möglichen Feind abzuschrecken. Und vielleicht haben mich diese Tiere tatsächlich für einen Feind gehalten, als ich da so plötzlich vor ihnen auftauchte in der Finsternis, doch in diesem Fall, also in meinem persönlichen Fall, ist die Begründung nicht wirklich plausibel, denn schließlich waren mir die kleinen Käferlarven überhaupt erst wegen ihres Lichts in der Dunkelheit aufgefallen. 

Der Weg, neben dem ich die Leuchtkäfer-Kinder gefunden habe, sah bei Tageslicht so aus:


habitat of these small animals

In die andere Richtung fotografiert:


opposite direction

Ihr Lebensraum war die Laubstreu unter den Brombeerranken.

In Mitteleuropa gibt drei Leuchtkäfer-Arten. Sie alle haben eines gemein: Wegen der Zerstörung ihrer Lebensräume durch uns Menschen haben sie schwere Bestandseinbußen hinnehmen müssen in den letzten Jahrzehnten und sind heute ausnahmslos sehr selten. 

Und deshalb darf es auch nicht verwundern, dass meine zuvor einzige Begegnung mit Leuchtkäfern bereits satte 30 Jahre zurücklag. Um welche Art es sich damals gehandelt hat, weiß ich nicht, denn ich habe die Tiere selbst nicht gesehen, nur ihr Licht, aber ich erinnere mich noch sehr gut daran, dass sie mir in einem Waldgebiet bei Fürstenau (Landkres Osnabrück) begegnet waren, wo ich mit einem Kollegen zusammen nach Ziegenmelkern gesucht hatte. 

Ob sie dort auch heute noch vorkommen?

Nachdem ich meine Bilder von der Käferlarve im Kasten hatte, machte ich mich auf zur hellgrünen Halbkugel im Brombeergebüsch.  

Zunächst hatte ich bei meiner Suche keinen Erfolg. 

Doch nachdem die Sonne die Baumkronen endlich überwunden hatte, tauchte ein Europäischer Laubfrosch nach dem anderen in der obersten Etage des Gestrüpps, also quasi auf der Dachterrasse, auf. Der Laubfrosch ist ein Sonnenanbeter. Den ganzen Tag über, vor allem im Herbst, wenn es nicht mehr so heiß wird, aalt er sich unter der Sonne. Die Nacht wiederum verbringt er dann wieder eine Etage tiefer, sodass er gut vor den Blicken möglicher Feinde geschützt ist und in Ruhe pennen und von leckeren Fliegen träumen kann.

Und damit löse ich das erste Rätsel auf:


European Tree Frog

Wieso hat mein Hirn so schnell geschaltet, nachdem ich den Brombeerzweig passiert hatte?

Weil ich das Bild eines ruhenden Laubfrosches auf einer Brombeerranke kannte. 

Woher?

In Deutschland vor allem vom Flugplatz Achmer, über den ich ja im letzten Beitrag ausführlich berichtet hatte. 

Ob die Art dort auch heute noch vorkommt, ist mehr als fraglich. Vor dreißig Jahren aber war das Gebiet noch ein echtes Amphibienparadies. Wenn man sich dort an einem lauen Apriltag nach Einbruch der Dunkelheit aufgehalten hat, dann musste man sich beinahe die Ohren zuhalten. Singende Laubfrösche – überall. Und selbst tagsüber erklang der Gesang ein ums andere Mal und das fast immer dann, wenn zuvor ein lautes Geräusch zu hören war, wie zum Beispiel das eines vorbeifahrenden Zuges auf der nahen Bahnstrecke oder eines überfiegenden Kampfflugzeuges. 

Warum Laubfrösche auf diese Weise auf laute Geräusche reagieren, ist mir nicht bekannt. Ich fühlte mich damals aber immer an die Wasserralle erinnert, die man auch auf diese Weise aus der Reserve locken kann, indem man zum Beispiel laut klatscht oder den Deckel des Mülleimers neben dem Grillteich auf der Helgoländer Düne zuknallt. 

Bei der Wasserralle ist die Antwort auf die oben gestellte Frage aber klar: Sie erschreckt sich einfach und äußert dann ihren Unmut, indem sie wie ein Ferkel quiekt und grunzt.

In den Ahlhorner Fischteichen fand ich übrigens nur halbstarke Laubfrösche:


same

Doch Alttiere gab es natürlich auch. 

Und auch hier riefen sie am Tage! Einmal sogar in nur etwa einem Meter Abstand aus einem dichten Brombeergebüsch heraus. Finden konnte ich das Tier aber nicht.

Dafür aber dieses Fröschchen:





another

Ich fand die Laubfrösche aber nicht an allen Teichen im Gebiet.

Geeignet sind nur jene Gewässer, die eine breite Verlandungszone aufweisen, so wie man sie hier auf dem Bild sehen kann:


habitat of Tree Frog at Ahlhorner Fischteiche

Und wenn dann noch im unmittelbaren Uferbereich Brombeeren wachsen, dann ist alles perfekt:


habitat right at water's edge with Blackberry

Denn die Brombeere ist der beliebteste Rastplatz für einen Laubfrosch:


Tree Frogs love to rest and sunbask on Blackberry leaves

Ich erhöhte den Kamerastandpunkt ein wenig:


same

Nach den Aufnahmen von diesem Indiviuum musste ich mich erst einmal einer Notoperation unterziehen. 

Und ich selbst war der Chirurg!

Meine beiden Unterarme waren voll von Brombeer-Stacheln. Und nachdem ich sie alle rausgezogen hatte, drohte ich zu verbluten. Ehrlich, Kinners, ich bin dem Tod nur ganz knapp von der Schippe gesprungen an diesem denkwürdigen Tag. 

Aber das Resultat war es wert:


next specimen

Von diesem Frosch habe ich besonders viele Bilder geschossen. Und während ich sie machte, rührte ich der Laubfrosch nicht vom Fleck. Wenn die Bilder also sehr verschieden aussehen, dann nur wegen der unterschiedlichen Perspektiven, die ich gewählt habe.

Aber seht doch selbst:


same as the next for images

Die Perspektive ist in der Fotografie eben (fast) alles:





Mr. Goldeneye

Die Ahlhorner Fischteiche sind bekannt für ihr Vorkommen einer ganz bestimmten Heidelibelle.

Entsprechend scannte ich alle männlichen Tiere, die mir begegneten, ganz genau. Viele waren es zu meiner Überraschung aber nicht, obwohl es warm und sonnig war, und die, die ich sah, waren ausschließlich Große und Blutrote Heidelibellen, wobei sich beide Arten zahlenmäßig in etwa die Waage hielten. 

Während ich nach Laubfröschen suchte und gerade gar nicht an Heidelibellen dachte, da entdeckte ich plötzlich eine, die aus meiner Sicht seltsam flog, eher langsam und unstet, vielleicht vergleichbar mit dem Flug der Gebänderten Heidelibelle

Es war sehr schwer, ihr mit dem Blick zu folgen, obwohl sie so seltsam langsam flog, doch ich hatte Glück, denn sie landete wenig später auf einem Brennnessel-Blatt ganz in meiner Nähe:


this was my very first Spotted Darter ever – a true lifer!

Es war die Art, die ich erwartet, die ich mir gewünscht hatte.

Und es sollte auch gleich die einzige Sumpfheidelibelle sein, die mir an diesen Tagen im Gebiet begegnete. 

Und es war die erste meines Lebens!

Rätsel 2 ist somit gelöst. 

Die Sumpfheidelibelle gilt in Deutschland als vom Austerben bedroht. Warum sie ausgerechnet in einer Teichwirtschaft vorkommt und das in manchen Jahren gleich massenhaft, weiß wohl niemand. Es gibt da aber Hypothesen, auf die ich aber jetzt nicht näher eingehen werde, zumal da auch nichts wirklich belegt ist. Ob es in Niedersachsen weitere Vorkommen dieser so seltenen Art gibt, ist mir nicht bekannt.

Und die Laubfrösche konnten mir diesbezüglich auch nicht weiterhelfen.

Ja, was kommt denn da hinten aus diesem Frosch heraus?



pooping

Voll am Kacken!

Stoffwechsel ist auch einem Laubfrosch nicht fremd. 

Fast den ganzen Tag verbrachte ich bei diesen grünen Kletterkünstlern.  

Und abends senkte sich die Sonne und verschwand schließlich wieder hinter den Bäumen im Bildhintergrund:



habitat of Tree Frog and Spotted Darter

Rasch wurde das Licht schlechter, doch es war immer noch hell genug, sodass ich mitbekam, was nun passierte:

in the late evening the frogs began to hunt for flies

Nahezu zeitgleich setzten sich alle Laubfrösche langsam in Bewegung. 

Zum ersten Mal in meinem Leben konnte ich dieser heimlichen Art bei der Jagd über die grüne Schulter schauen! Zuvor hatte ich das nur bei Terrarientieren gesehen, also bei anderen Laubfröschen, wie etwa dem Carolinalaubfrosch aus Nordamerika, den man im Zoohandel vor ganz vielen Jahren für wenig Geld erstehen konnte.

Fotos konnte ich leider nicht mehr schießen, aber es war lustig zu sehen, wie sich die Tiere wie in Zeitlupe ganz langsam an ihre Beute anpirschten, um dann einen Satz zu machen. Vor allem diverse Fliegen wurden ins Visier genommen und das in gleich mehreren Fällen auch erfolgreich.

Was für ein Erlebnis!

Der Europäische Laubfrosch ist längst eine echte Rarität geworden, und in Ostfriesland kommt er gar nicht vor. In meiner alten Heimat zum Beispiel und um meinen früheren Wohnort Hollage herum waren die wenigen mir in meiner Kindheit bekannten Vorkommen, zum Beispiel an der Penter Straße, bereits in meiner Jugend verschwunden. Übrig geblieben waren damals nur zwei Populationen: die üppige auf dem Flugplatz (siehe oben) und eine weitere, aber sehr viel kleinere am Niedringhaussee zwischen Halen und Westerkappeln. 

An der Penter Straße in Hollage hatte man alle Laichgewässer zunächst als wilde Müllkippe missbraucht und anschließend einfach zugeschüttet und planiert. Heute wird dort Mais angebaut. Das gleiche Schicksal widerfuhr wenig später einer weiteren Kleinstpopulation am Hullerweg, die sich dort in einer Sandgrube befand. Auch sie wurde aufgefüllt und eingeebnet. 

Merksatz: Wenn wir hier in Deutschland in Sachen Menschenrechte auch ganz weit vorn sein mögen in der Welt, was den Erhalt der Natur angeht, spielen wir höchstens Kreisklasse – und stehen dort längst auf einem der Abstiegsplätze. 

Kann man überhaupt noch aus der Kreisklasse absteigen?

Wir Menschen halten uns selbst für etwas Besonderes und glauben, der Natur mit all ihren Bewohnern überlegen zu sein. Doch was unterscheidet uns eigentlich von ihnen? Doch nur die Tatsache, dass wir auf Pump ein viel zu hohes Kartenhaus errichtet haben.

Und die Zeiten sind stürmisch!

 

Die Fische in den Ahlhorner Fischteichen werden automatisch gefüttert:



automatic fish feeder at Ahlhorner Fischteiche

Von Zeit zu Zeit schleudern diese Futtermaschinen so ein Granulat ins trübe Wasser.

Und auf der Stelle gibt es dann ein fieses Hauen und Stechen fettester Karpfen und anderer Fische, vielleicht ganz gut vergleichbar mit dem Verhalten ungehobelter Touristen an der so genannten Türkischen Riviera nach der Eröffnung des All-inclusive-Büfetts.

Nur damit ihr euch vorstellen könnt, was ich beobachtet habe. 

Nebel überm Wasser am frühen Morgen:


fog on early morning

Hier auch:


same

Die einzigen Vögel, die sich auf den Wasserflächen aufhielten, waren Enten und hier besonders Stockenten:


Mallard was the most common bird at Ahlhorner Fischteiche 

Kurioserweise gab es keine Limikolen!

Ich meine, da waren Schlammbänke noch und nöcher, doch ich sah nicht einen Waldwasserläufer, nicht einen Flusuferläufer und auch sonst nichts Vergleichbares. 

Doch, eine einzelne Bekassine flog rufend über mich hinweg.

Das war's aber auch schon.

Ich kann nur schreiben, dass ich mich dort sofort niederlassen würde, wenn ich zum Beispiel ein Nachtreiher wäre oder eine Zwergscharbe. Aber auch diese beiden Arten fand ich leider nicht. 

Jetzt gibt es nioch zwei Bilder von einer jungen männlichen Steppenweihe:



juvenile male Pallid Harrier

Fotografiert am Diekskiel:


with prey

Und hier seht ihr das erst am Rechner bestimmte vorjährige Weibchen, zusammen mit einer männlichen Kornweihe:


2nd year female Pallid Harrier with male Hen Harrier

Als ich an einem Morgen im August die hintere Hütte der Pütten aufsuchte, da war die schon besetzt:



Red Fox before sunrise

Jau, Kinners, es folgt die Auflösung des sdritten Rätsels.

Was also ist noch besser als ein Marderhund?

Genau, zwei Marderhunde:


two of three Raccoon Dogs, one had already disappeared in the reed 

Eigentlich sind des sogar drei gewesen, doch der erste dieser Truppe hatte kurz zuvor bereits das rettende Ufer, also die andere Straßenseite, erreicht und war dort im Schilf verschwunden. 

Immerhin, für zwei dieser Biester hat mein Reaktionsvermögen gerade noch gereicht.

Gesehen und für die Ewigkeit in schlechten Bildern festgehalten in den Hauener Pütten.

Zu guter Letzt gibt es nich ein Deichschaf für euch:



Deichschaf

Eines, das am 9. August den malerischen Sonnenuntergang am Störtebekerkanal genoss.

Bis demnächst.

Nein, halt stopp: Einen habe ich noch!

Ich wollte doch die fette Prämie für mein schönes Goldkantenfoto einstreichen. Doch meine Recherche im Netz hat ergeben, dass es die Firma ADO gar nicht mehr gibt.

Wen wundert's.

Wer mag schon Gardinen?

Nachtrag: Scholz' Besuch auf der Arabischen Halbinsel hat nichts gebracht, wie ich gerade in den Nachrichten gesehen habe.

Beruhigend.