Mittwoch, 2. November 2022

Ein Harlekinbär besucht Emden

Überraschungen, Kinners, sind etwas furchtbar Schönes.

Mal ehrlich, jeder von uns freut sich doch, wenn er überrascht wird.

Vielleicht nicht gerade von einem Wasserrohrbruch oder fünf platten Reifen auf einmal, aber die unerwartete Entdeckung einer für einen selbst neuen Tierart ist immer wieder etwas Wunderbares.

Vorvorgestern, also am Sonntag (30. Oktober 2022), war es für mich endlich mal wieder so weit!

An diesem denkwürdigen Tag fuhr ich ganz früh morgens zum Rysumer Nacken, um nach tollen Vögeln zu suchen. Am Vortag war ich auch schon dort gewesen und hatte immerhin auf einem Maisstoppelfeld eine Zwergschnepfe gefunden, die mich aber gelinkt hatte, indem sie mich zunächst ganz nah herankommen ließ, nur um dann direkt vor meinen Füßen doch noch aufzufliegen und auf der anderen Seite eines viel zu breiten Grabens in einer Schilffläche zu verschwinden.  

Ich hasse Zwergschnepfen, weil sie das immer so machen. 

Jetzt war ich aber vorbereitet. 

Oder vorgewarnt.

Also näherte ich mich ganz langsam der Pfütze auf dem Acker und blieb in etwa zehn Meter Entfernung stehen. Mit meinem Fernglas machte ich die Probe aufs Exempel und scannte den Boden. Da lag viel abgestorbenes Pflanzenzeugs herum, das zu allem Überfluss auch noch exakt so gefärbt war wie die hellen Zeichnungselemente auf der Oberseite einer Zwergschnepfe. Ich gebe zu, ich bin in solchen Sachen nicht sehr geduldig, und weil ich auch nach einer halben Minute noch nichts fand und darüber hinaus auch noch nie eine Zwergschnepfe an zwei aufeinanderfolgenden Tagen am selben Ort beobachtet hatte, ging ich schließlich weiter. 

Und dann flog sie auf!

Wieder nur einen halben Meter vor meinen Füßen!

"Du Scheißvogel!" rief ich ihr hinterher. 

Ich werde mich für die Jägerprüfung anmelden, dachte ich, und dann werde ich alles abballern, was nicht schnell genug wegkommt oder wenigstens halbwegs wie eine Zwergschnepfe aussieht, so von Fasan bis Fuchs

Ich meine, auch als Zwergschnepfe könnte man sich doch auch mal kooperativ zeigen, wie ich finde – und zwar nicht nur auf Helgoland, wo bekanntlich die meisten Bilder von dieser so perfekt kryptisch gezeichneten Limikole entstehen.   

Auf dem Hinweg sah ich im Rysumer Hammrich das hier:


early morning at Rysum

"Das Christkind backt Plätzchen", hat meine Mama immer gesagt, als ihre Brut noch klein war.  

Und am Mittwoch davor, also vor genau einer Woche, hatte es etwas noch Besondereres gegeben:



dramatic scenery in the sky on last Wednesday: this partial solar eclipse made me partially blind for a partial hour

Jedenfalls ging es mir richtig schlecht, nachdem mich die blöde Zwergschnepfe abermals so billig ausgetrickst hatte.

Ich marschierte einfach weiter über den Acker Richtung Campen und nach 500 Metern wieder zurück, weil ich an diesem Tag keine Lust hatte, so eine lange Strecke zurückzulegen. Der Grund dafür: Mein Bauch war bis zum Rand mit Spekulatius von Bäcker Buchholz gefüllt, die ich mir zuvor in Rysum gekauft und in wenigen Sekunden reingezogen hatte, weshalb ich mich jetzt sehr träge fühlte. 

Und dann geschah es!

Ein weißer Falter flog, wie zuvor ja schon die armselige Zwergschnepfe, unmittelbar vor meinen Füßen auf. Zunächst hielt ich ihn für einen Weißling, doch er war eher klein und flog auch etwas seltsam. Ich folgte ihm mit meinem Blick, bis er nach nur kurzer Flugstrecke wieder landete. Nun sah ich, ich hatte mich geirrt, denn es handelte sich hier eindeutig um etwas Nachtfaltermäßiges. Ein paar Tage zuvor hatte ich im Collrunger Moor ein ähnliches Tier gesehen, das meine Begeisterung aufgrund seiner langweiligen Färbung aber nicht wecken konnte und das ich eh nie hätte bestimmen können. 

Also ging ich weiter.

Aber nur ein paar Meter, weil meine grenzenlose Neugier in Bezug auf die Natur, die wohl niemals nachlassen wird und mich selbst immer wieder überrascht, mich jetzt unablässig triezte und mir wahrscheinlich den ganzen Tag keine Ruhe mehr gelassen hätte. 

Also gab ich nach und drehte mich um.

Dann hob ich mein Fernglas an und sah – die pute Pracht!

Seht doch selbst:


last Sunday I found my very first Crimson-speckled Flunkey (what a cute name!) on a stubblefield right next to the Ems estuary in Emden

Ich weiß nicht, wer du bist, dachte ich, aber ich werde dich jetzt einfach mal ablichten, dachte.

Wenig später lag ich auch schon auf dem Boden und schoss ein Bild nach dem anderen. Weil das Licht bereits recht grell war, ließ ich den Schönling nach diesen ersten Aufnahmen aber in Ruhe. Ich vertröstete ihn auf den Nachmittag, markierte seinen Ruheort mit einem langen Maisstängel, den ich so auf den Boden legte, dass dessen eines Ende genau auf den Falter zeigte, und machte mich dann auf den Weg zum Strand. 

Dort begegnete ich ihr:




Snow Bunting having breakfast

Diese Schneeammer zeigte sich mir gegenüber wenig scheu.

Das ist bei dieser nordischen Art aber nicht ungewöhnlich, vor allem dann, wenn man auf einen Einzelvogel trifft. 


same

Kann man das essen?


same

Nach etwa einer halben Stunde hörte ich plötzlich in großer Entfernung die Rufe einer weiteren Schneeammer, die sich anscheinend rasch näherte. 

Der Vogel, der da vor mir im Sand herumlief, hatte die Rufe auch gehört. Er hob auf der Stelle sein Köpfchen empor, lugte Richtung Himmel und trällerte drauflos.

Und dann waren es zwei Schneeammern:


suddenly there were two specimens

Auch dieses Individuum hatte offensichtlich keine Sicherheitsbedenken und beachtete mich gar nicht.

Niedlich, oder:


same

"Guckt doch bitte mal in die andere Richtung", sagte ich freundlich. 

Und es klappte:


same

Köpfen büdde etwas höher, dachte ich nur:



same

Und auch das funktionierte, weil diese Vögel offenbar meine Gedanken lesen konnten.  

Schneeammern wollen immer, dass es einem gut geht. Sie wollen helfen.

In einem Merksatz: Schneeammern sind keine Zwergschnepfen. 

Ein Sanderling:


Sanderling

Der Strand auf dem Rysumer Nacken ist in Kontinentalostfriesland der einzige Ort, wo man diesen Vogel regelmäßig beobachten kann. 

Und zwar vor allem um Hochwasser herum oder an stürmischen Tagen, wenn das Wasser kaum abläuft.

Mehrere Sanderlinge:


more Sanderlings

Zwei weitere Fotos:



same

Ein typisches Bild im Oktober auf dem Rysumer Nacken:


resting Chaffinches

Auf dem Schotterweg rastende Buchfinken in der Nähe des Restaurantes.

Hunderte dieser Vögel, an manchen Tagen sogar Tausende, ziehen bei passenden Bedingungen vor allem morgens über den Rysumer Nacken hinweg und dann auf die Ems hinaus, aber nur wenige von ihnen fallen für eine meist nur kurze Rast ein, um etwas zu essen.  

Der Rysumer Nacken ist abseits der Inseln wohl das mit Abstand beste Gebiet hier in Ostfriesland, wo man den Kleinvogelzug hautnah erleben kann. Und an manchen Tagen kann man angesichts der Zahlen überhinfliegender Finken und Drosseln nur noch staunen. Die meisten Menschen, die dort morgens einen Spaziergang machen, fast ausnahmslos in Begleitung mindestens eines Hundes, bekommen nichts davon mit, obwohl über ihnen die Post abgeht und ein nicht enden wollendes Konzert aus verschiedensten Kontaktrufen erklingt.

Oh, ein Fischadler auf seinem Ausguck an der Emsmündung:



looked first like an Osprey, but was "only" a Common Buzzard

Kinners, es war dann doch "nur" ein Mäusebussard.

Die partielle Sonnenfinsternis hatte ich bereits oben gezeigt:


same as above

Dramatisch!

Ich will ehrlich sein, ich wusste gar nicht, dass sich da eine Sonnenfinsternis anbahnte.

Um kurz vor elf am letzten Mittwoch wurde im Autoradio darauf hingewiesen. Der Himmel über Neuwesteel, wo ich mich zu diesem Zeitpunkt aufhielt, war leider einfach nur klar und blau.  

Nicht einmal aus den Augenwinkeln konnte man einen kurzen Blick nach oben riskieren, weil man dann wahrscheinlich auf der Stelle blind geworden wäre, und man hätte eh nichts erkennen können, so ganz ohne Filtertechnik oder stark abgdunkelte Sonnenbrille, wie sie vielleicht Heino immer trägt. Doch dann tauchten da plötzlich dichtere Wolken auf, quasi wie bestellt, und jetzt hatte ich die Möglichkeit, das seltene Ereignis am Himmel nicht nur in Augenschein zu nehmen, sondern auch in Bildern festzuhalten. 

Ich hielt in den passenden Momenten mit meinem Tele einfach drauf, also immer dann, wenn die Wolken nicht zu dicht, aber auch nicht zu durchlässig waren. Ich balancierte da auf einem sehr schmalen Grat, und der Abgrund links und rechts war eben abgrundtief, denn die Wolken rasten förmlich nach Nordost, sodass ich die Linse immer abrupt abwenden musste, wenn da wie aus dem Nichts eine klare Stelle am Himmel auftauchte. 

Kinners, das war wirklich gefährlich und vielleicht sogar dumm von mir, diese Sonnenfinsternis zu knipsen, und für eine halbe Stunde war meine Sehkraft tatsächlich arg eingeschränkt, weil mein rechtes Auge doch für einen sehr kurzen Augenblick, nur für den Bruchteil einer Sekunde, zu viel Licht abbekommen hatte. 

Macht das also nicht nach. 

Auf keinen Fall. 

Und schon gar nicht ohne Graufilter!

Und zu allem Überfluss waren die meisten Bilder auch noch hoffnungslos überbelichtet. Der Grund dafür: Meine prähistorische Kamera kann minimal eine 8000stel Sekunde ansteuern, kürzer geht es halt nicht. Fotografiert man aber mit offener Blende, so wie ich das immer mache, dann gibt es unter solch extremen Lichtbedingungen eben nur reinweiße Fotos. Ich rätselte für einen Augenblick, woran es liegen konnte und was ich zu tun hatte, doch dann kam mir schließlich der Geistesblitz: Ich brauchte nur heftig abzublenden!

Am Abend suchte ich im Netz nach aktuellen Bildern von dieser partiellen Sonnenfinsternis.

Ich wurde nicht enttäuscht. 

Doch leider waren da auch viele Fakefotos zu sehen, Bilder also, auf denen die Sonne so groß gezeigt wurde wie auf meiner Aufnahme, aber dann mit scharfen Zweigen im Vordergrund oder irgendeinem Gebäude oder gar einem verbeifliegenden Vogel. Es handelt sich in solchen Fällen natürlich immer um Fotomontagen, ohne dass man das kenntlich gemacht hätte, denn rein technisch sind solche Fotos gar nicht möglich. Wenn man die Sonne groß abbilden will, dann muss man auf ein Teleobjektiv zurückgreifen, und wenn man die Sonne mit einem Teleobjektiv nahe heranholt, dann ist im Vordergrund ganz bestimmt nichts Scharfes mehr zu sehen.

Ich finde so etwas blöd. 

Kitsch zum Nulltarif. 

Denn die Natur ist eben von Natur aus superschön und braucht ganz bestimmt nicht aufgepimpt zu werden.

 

Zurück zum Überraschungsgast:

same as above – this late fall 2022 there have been found unusually high numbers of these pretty butterflies in Germany and even in England. This species is actually distributed in the Mediterranean, in Africa (North and South of the Sahara!), Minor and Central Asia as well as in tropical parts of the continent. The influx could have been even stronger, but many observers might not have submitted their data yet

Was soll ich schreiben, er war noch da!

Jetzt war das Licht deutlich weicher und somit auch besser als am Morgen, sodass ich einige schöne Fotos vom hübschen Harlekinbär schießen konnte. Zu diesem Zeitpunkt kannte ich aber seinen Namen noch gar nicht. 

Ich bin ganz bestimmt kein Schmetterlingspapst, und es passiert gar nicht so selten, dass ich im Outback eine für mich noch völlig unbekannte Art entdecke, die sich aber später als eine häufige herausstellt. Und mal ehrlich, schön sind die meisten dieser Tiere, oft ausgestattet mit unglaublichen Farbkombinationen und filigraner Musterung. Denkt nur an Arten wie die metallisch schimmernde Achateule oder den fliegenden Berberteppich, das Kleine Nachtpfauenauge, das ich hier ja schon vor Jahren vorgestellt hatte. Die Schönheit der meisten dieser Tiere erschließt sich dem Betrachter aber nur aus geringer Nähe, weil sie oft eher klein sind. 

Wie eben auch in diesem Fall:

Palomita arlequín

Wer bist du? 

Das fragte ich mich in Gedanken immer wieder. Auch dann noch, als ich am Abend zu Hause meinen Rechner hochfuhr. 

Keines meiner wenigen Schmetterlingsbücher hatte mir weiterhelfen können, weshalb ich es zunächst mit Frau Google versuchte. Ich gab verschiedene Dinge ein, wie etwa "Nachtfalter, weiß, schwarz, rot" und so weiter, doch unter all den Bildern von ganz vielen verschiedenen Schmetterlingen war meiner nicht zu finden. Also stellte ich eines meiner Fotos in ein Forum, wo die Antwort von Achim Linder aus Obersulm nicht lange auf sich warten ließ: "Utetheisa pulchella". 

Dem wissenschaftlichen Namen meines Falters fügte Achim nur noch ein weiteres Wort an: "Neid.". 

Ich musste schmunzeln und ahnte, ich hatte jemand ganz Besonderes entdeckt an diesem Morgen auf dem Rysumer Nacken. Jetzt kannte ich den Namen des Phantoms und konnte endlich recherchieren. Der Harlekinbär, auch Punktbär genannt, ist ein Tier des Südens. Häufig ist er z. B. in den Mittelmeer-Anrainerstaaten, aber auch im tropischen Teil Afrikas südlich der Sahara. Man findet ihn darüber hinaus noch in Kleinasien, in Zentralasien und auch im tropischen Südostasien, östlich bis etwa Myanmar. 

Nördlich der Alpen tritt der Harlekinbär anscheinend nur ausnahmsweise auf. Doch in diesem Oktober war alles anders. Es muss ein regelrechter Einflug stattgefunden haben mit Nachweisen in Deutschland aus Rheinland-Pfalz (mindestens drei), Baden-Württemberg (zwei), Bayern (einer), Sachsen (wohl mehrere, aber genaue Zahl nicht bekannt), Hessen (drei), Nordrhein-Westfalen (fünf), Niedersachsen (drei, jeweils einer in Helmstedt, Hannover und Emden) und Schleswig-Holstein (einer) (Quelle: Lepiforum). 

Hierbei handelt es sich nur um eine vorläufige Auflistung und somit um die Spitze des Eisberges. Man kann nämlich davon ausgehen, dass (noch) nicht alle Beobachtungen gemeldet worden sind. Alle Nachweise dieser Auflistung gelangen innerhalb nur einer Woche! Und alle Falter, die auch fotografiert werden konnten, wirkten sehr frisch, waren also nicht abgeflogen. Man geht davon aus, dass sie die Nachkommen von zuvor eingewanderten Tieren sind, was wiederum bedeutet, dass sie in Deutschland herangewachsen sein müssen.

In diesem außergewöhnlichen Herbst ist die Art ab dem 21. Oktober auch gleich dutzendfach in den Niederlanden festgestellt worden, und einige Individuen haben sogar den Ärmelkanal überflogen und die Südküste Englands erreicht!

Noch ein Bild:

Prachtbeer

Die Raupe des Harlekinbärs isst ausschließlich Pflanzen aus der Familie der Raublattgewächse

Belegt sind wohl Natternkopf, Borretsch, diverse Vergissmeinnicht-Arten, Europäische Sonnenwende und so weiter. Für den Fall, dass mein Individuum auch tatsächlich in Ostfriesland das Licht dieser Welt erblickt haben sollte, kämen als Futterpflanze der Raupe neben diversen Vergissmeinnicht-Arten vor allem Borretsch und Natternkopf infrage. Der Borretsch, eigentlich wie der Harlekinbär aus dem Mittelmeerraum stammend, ist in Ostfriesland inzwischen megahäufig, weil er ein Hauptbestandteil der überall im wahrsten Wortsinn aus dem Boden sprießenden Blühstreifen ist. Der Natternkopf wiederum wächst hier vor allem auf den weiten Brachflächen des Rysumer Nackens, also genau dort, wo ich den Harlekinbär entdeckt habe. 

Auch die fast spätsommerliche Witterung mit für die Jahreszeit ungewöhnlich hohen Temperaturen dürfte bei den bundesweiten Funden in diesem Jahr eine Rolle gespielt haben. Wäre es in der vergangenen Woche typisch herbstlich gewesen mit niedrigeren Temperaturen und vielleicht auch noch viel Wind und Regen, hätte man von der Anwesenheit der Falter sehr wahrscheinlich überhaupt nichts mitbekommen.  

Um mal zu verdeutlichen, wie besonders die Begegnung mit einem Harlekinbären in unseren Breiten ist, möchte ich gleich drei Beispiele anführen.

Aus dem immerhin im äußersten Südwesten gelegenen Saarland liegen bis heute nur zwei Nachweise vor: 1961 (Saarbrücken) und 2009 (Nunkirchen). Vor den Funden in diesem Herbst hatte man den Harlekinbär in Baden-Württemberg letztmalig im Jahr 2010 bei Mannheim und davor 1966 gesehen, also vor meiner Geburt! Und in Niedersachsen galt die Art schon seit langem als ausgestorben oder verschollen (dazu muss man wissen, dass bei den Schmetterlingen auch nicht bodenständige Arten, die aber mehr oder weniger regelmäßig aus anderen Regionen zu uns einfliegen, als ausgestorben oder verschollen gelten können. Es verhält sich hier also ganz anders als bei den Vögeln!). 

Der Lebensraum auf dem Rysumer Nacken sah am Tag der Entdeckung so aus:

habitat of Crimson-speckled Flunkey

Ein weiteres Foto zeigt hinten rechts denselben Stoppelacker und links des Weges die weiten Schilfflächen der Emsmündung:

another habitat shot with the stubblefield on the right hand side in da background

Der Weg, auf dem ich hier stand, bildet übrigens die Grenze zwischen der Gemeinde Krummhörn (links) und der Stadt Emden. 

Wenn der Harlekinbär mal flog – und er flog gleich einige Male, der Grund dafür war wohl immer ich – das hatte ich bereits weiter oben geschrieben, dann sah er einheitlich weiß aus. Doch tatsächlich ist die Hinterflügeloberseite himmelblau gefärbt, die weiße Oberseite des Vorderflügels schwarz und rot gesprenkelt. 

Viele Bilder von dieser hübschen Art könnt ihr übrigens im Lepiforum sehen.  

Und wenn man den Harlekinbär fliegen sieht, etwas unbeholfen, schwächlich und flatterhaft, dann kann man sich kaum vorstellen, dass er überhaupt dazu in der Lage ist, lange Strecken zurückzulegen. Viele Schwärmer schaffen das mit Leichtigkeit, wie etwa der riesige Windenschwärmer oder das possierliche Taubenschwänzchen, aber die fliegen auch mit Überschallgeschwindigkeit. 

Brrrrrrmmmm, zumindest kommt es einem so vor. 

Auch Distelfalter und Postillon, zwei weitere Wanderfalter aus dem Süden, die uns sogar alljährlich besuchen kommen, können ein beachtliches Tempo an den Tag legen, wenn die Zugbedingungen gut sind und allzu starker Gegenwind ausbleibt. 

Aber wie schafft man so eine Reise als Harlekinbär? 

Das weiß niemand. 

Die Zukunft wird zeigen müssen, ob das starke Auftreten dieses hübschen Schmetterlings im Oktober/November 2022 in Mitteleuropa ein einmaliges Ereignis war oder ob es künftig zu weiteren Einflügen, vielleicht sogar als eine Folge des Klimawandels zur festen Ansiedlung des Harlekinbärs nördlich der Alpen kommen wird, zu einer nordwärts gerichteten Arealausweitung also, wie man sie in der jüngeren Vergangenheit ja schon bei einigen anderen ursprünglich ausschließlich mediterranen Insekten- oder Spinnen-Arten beobachten konnte. 

Die beiden folgenden Bilder habe ich sozusagen nacheinander geschossen, einmal mit offener Blende, danach mit Blende 13:

taken with open aperture

with aperture 13 for comparison

Damit ihr mal den Unterschied seht. 

Es folgt ein letztes Bild vom Harlekinbär:

Écaille du myosotis

Und jetzt kann ich auch verraten, dass auch das erste Foto in diesem Beitrag wie auch alle anderen vom Nachmittag stammt.

Die Bilder vom Vormittag habe ich alle gelöscht, weil sie wegen des viel zu grellen Lichts einfach unschön aussahen. Wenn ich doch nur geahnt hätte, welch erlesenen Gast ich da gefunden hatte, dann wäre ich bis Sonnenuntergang vor Ort geblieben, um noch weitere und vor allem viel bessere Aufnahmen vom Harlekinbär zu schießen.

Leider war das nicht der Fall.

Übrigens weiß ich nicht, ob der Falter ein Kerl oder eine Dame war. Auf den Bildern im Lepiforum kann ich zwischen den Geschlechtern jedenfalls keinen Unterschied ausmachen. 

Vorenthalten möchte ich euch nicht die mit Wasser gefüllten Treckerspuren, wo ich die Scheißzwergschnepfe gleich an zwei aufeinanderfolgenden Tagen versehentlich aufgescheucht habe:

where I accidently flushed a Jack Snipe on two consecutive days without getting a single shot

Fast zu guter Letzt möchte ich euch noch schnell Uplewards wohl exotischste Bürger vorstellen:

these two Red-eared Sliders have been present at a small pond in the village of Upleward at least since last year. They still enjoy the sunny and warm weather these days

Ihr kennt sie natürlich schon, denn ich hatte sie bereits im letzten oder vorletzten Jahr hier gezeigt. 

2022 habe ich die beiden Gesellen erstmalig Mitte März gesehen. Und am letzten Wochenende aalten sie sich immer noch unter einer prallen Sonne, wie man sie im ostfriesischen Spätherbst normalerweise nicht so oft zu Gesicht bekommt. 

Man kann schreiben, es war ein richtiger Schildkrötensommer.

Jetzt gibt es noch ein weiteres Bild vom Sonnenaufgang über dem Rysumer Hammrich:

morning at Rysum

Diese Drillingspappeln fordern mich immer wieder aufs Neue heraus, wenn ich am frühen Morgen durch die Rysumer Meeden düse.

So auch einen Tag später, am so genannten Reformationstag:

one day later

Es gab weicheres Licht, weniger grelle Farben und ganz viel Bodennebel.

Auch hübsch, wie ich finde. 

Vielleicht sogar noch etwas hübscher.